Archiv für Januar, 2016

“Deutsche Wirtschaft” bevorzugt Verhaltensprävention im Arbeitsschutz

Dienstag, 19. Januar 2016 - 06:16

Die “Deutsche Wirtschaft” bevorzugt die Verhaltensprävention und arbeitet sehr gezielt daran, das im Arbeitsschutz durchzusetzen. Vorgeschrieben ist im Arbeitsschutz die Verhältnisprävention.

Seminar von PraxisCampus DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT:
http://www.praxis-campus.de/fernkurse/fernkurseundonlinekurse/betrieblichere-gesundheitsmanagerin-ihk-zertifikat.html

Gesetzlicher und gesellschaftlicher Auftrag

  • Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • Luxemburger Deklaration der betrieblichen Gesundheitsförderung
  • Rechtliche Aspekte beim Umgang mit Gesundheitsdaten


Umsetzung und Controlling eines erfolgreichen BGM

  • Praktische Umsetzung geeigneter verhaltensorientierter Maßnahmen
  • Evaluation: Überprüfung der gesundheitlichen & ökonomischen Wirksamkeit
  • Nachhaltigkeit: Verankerung in die Unternehmenskultur

Es wird also Bezug zum Arbeits- und Gesundheitsschutz genommen, aber bei “Umsetzung…” im betrieblichen Gesundheitsmanagement ist nur von “verhaltensorientierten Maßnahmen” die Rede. Dier Verhältnisprävention wird nicht genannt.

Ich befürchte, dass es der deutschen Wirtschaft mit Werbung und Lobbyismus für ein vorwiegend verhaltenspräventiv orientiertes “Gesundheitsmanagement” einfach durch das Schaffen von Tatsachen in der Praxis gelingt, entgegen den im Arbeitsschutz vorgeschriebenen Prioritäten die Verhältnisprävention gegenüber der Verhaltensprävention zu bevorzugen und damit die Verantwortung der Unternehmen für die Beseitigung gesundheitsschädlicher Verhältnisse speziell im Bereich der arbeitsbedingten psychischen Belastungen zu schwächen. Das scheint leider eine koordinierte und erfolgreiche Strategie „der deutschen Wirtschaft“ zu sein.

Die letzte mir zu dem Thema bekannte gewerkschaftliche Gegenposition ist aus dem Jahr 2011. Wenn ich da nichts Neueres verpasst habe, dann ist die Aufklärung, die die Gewerkschaften hier betreiben müsste, zu schwach. Auf die Gewerbeaufsichten, die sich im Arbeitsschutz beim Fehlen der vorgeschriebenen verhältnispräventiver Maßnahmen leider auch von verhaltenspräventiven Maßnahmen beeindrucken lassen, ist leider kein Verlass.

Partner von PraxisCampus DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT:

  • Hochschule Fresenius (eine Beteiligung der Cognos AG)
  • BWRmed!ia
  • IHK Akademie Koblenz e.V.
  • Deutsche Bahn AG
  • BvD – Die Datenschützer
  • Office Seminare
  • mediaforwork

ISO 45001: Erwartete Änderungen im Überblick

Donnerstag, 14. Januar 2016 - 08:59

http://www.dqs.de/misc/dqs-medienmitteilungen/dis-iso-45001-liegt-vor/

Wie ticken Top-Manager?

Mittwoch, 13. Januar 2016 - 11:06

http://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/matthias-mueller-volkswagen-chef-blamiert-sich-bei-interview-a-1071554.html

[...] “Wir haben nicht gelogen”, sagte Müller dem verdutzten NPR-Reporter am Rande der Detroiter Automesse ins Gesicht. Volkswagen habe lediglich die US-Gesetze “falsch interpretiert”. Zudem handele es sich bei der ganzen Sache um ein technisches, kein ethisches Problem. [...]

DIS ISO 45001: Look into it until 2016-04-01

Dienstag, 12. Januar 2016 - 00:52

Compared to the previous CDs, there are improvements in the DIS ISO 45001.

Thanks to the British BSI, you can look into the draft again and leave comments too:
https://drafts.bsigroup.com/Home/Details/55801

Good news:

  • Clause 3.18 now not only defines “injury”, but also “ill health”. And adverse mental (and even adverse cognitive) condition is back again. Probably I was not the only one who complained to BSI about the missing definition of “ill health”.
  • In clause 3.4 (participation) workers are involved in the in decision-making process(es) regarding the the OH&S management system.

Not so good:

  • In OHSAS 18001:2007 “incident”, “ill health (regardless of severity)” helped to avoid discussions whether an incident needs to be registered depending on the severity of ill health. I know of employers, who tried to avoid to communicate “ill health (regardless of severity)” in their information about OHSAS 18001 to their employees. Regrettably, in clause 3.35 “incident” in DIS ISO 45001, “ill health (regardless of severity)” is missing. I also don’t find it elsewhere in the draft.

CD = Committee Draft
DIS = Draft International Standard

 


Update 2016-02: http://blog.psybel.de/iso-450012016-or-iso-450012017/

Bis 25000 Euro Bußgeld

Montag, 11. Januar 2016 - 14:42

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Grundlagen, Vorgehensweisen, Erfahrungen

(Klaus Volk, Bayerische Gewerbeaufsicht, 2015-03-25)
(https://www.muenchen.ihk.de/de/standortpolitik/Anhaenge/gefaehrdungsbeurteilung_psychischer_belastungen_dr._volk.pdf)

 
Klarstellungen im Arbeitsschutzgesetz, 2013:

Änderung des Arbeitsschutzgesetzes
im Artikel 8 des BUK-Neuordnungsgesetzes (September 2013):

§ 4 Allgemeine Grundsätze
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen
auszugehen:
1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;

§ 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) …
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

Die Änderung ist nur eine Klarstellung bereits seit 1997 geltenden Rechts.

 
Strafen:

Rechtliche Vorgaben für den Arbeitgeber verbindlich, bei Sanktionen Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld bis 25000 Euro!

Interessant wäre hier eine Statistik der tatsächlich verhängten Bußgelder für den Zeitraum von 1997 bis 2004 und von 2005 bis 2015. (Im Jahr 2004 beseitigte das BAG mögliche Zweifel an der Pflicht, psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen.)

Ist dieses Bußgeld ein Popanz? Schwächt die gute politische Vernetzung größerer Unternehmen mit der bayerischen Politik die Autorität der Gewerbeaufsicht? Die ja auch nicht allzu gut mit Ressourcen ausgestattete Gewerbeaufsicht in Bayern traut sich ja nicht einmal mehr zu schreiben, dass mit den Unternehmen bei Abweichungen Zielvereinbarungen getroffen werden.

Nach meinem Eindruck geht es in Bayern zu, wie in einem Kindergarten, in dem die Kleinen bei Fehlern sogar mit Lob motiviert werden, wenn sie nur versprechen, in Zukunft brav sein zu wollen. So werden auch Unternehmer mit kindgerechten Motivationstechniken gepriesen, wenn sie netterweise Maßnahmen ergreifen, mit denen sie sich endlich dazu herablassen, sich zu bemühen, psychische Belastungen vorschriftsmäßig in den Arbeitsschutz einzubeziehen.

Die Gewerbeaufsicht traut sich nicht, Rechtbruch zu dokumentieren, also dass Unternehmen unter den Augen der Gewerbeaufsicht über viele Jahre hinweg gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen hatten. Wenn das Betriebe sind, die sehr gerne komplexe Prozesse wie z.B. die Mitarbeiterbeurteilung beherrschen, dann muss sich die Gewerbeaufsicht doch fragen, ob in diesen Unternehmen die Einführung von Prozessen zur Beurteilung psychischer Belastungen vorsätzlich verschleppt wurde - und noch verschleppt wird.

 
Motivation:

Warum wird das Thema aufgegriffen?

Literatur: Esener Umfrage:

  • 90% der Befragten: Erfüllung gesetzlicher Vorgaben als Handlungsmotiv
  • 80% der Befragten: Druck der Aufsichtsbehörden

Warum waren seit spätestens 2005 weder die Gewerbeaufsichten noch die Berufsgenossenschaften die Initiatoren, die die Arbeitnehmer gebraucht hätten? Pech, wenn’s keinen (kompetenten) Betriebsrat oder keinen (kompetenten) Personalrat gibt.

Wie ist der Hinweis zu verstehen, dass mehrfach geäußert worden sei, dass es ja bereits Maßnahmen zur Gesundheitsförderung gebe? Erkennt Klaus Volk (ein Arzt der Gewerbeaufsicht) diese Ausweichstrategie vieler Unternehmen als einen Beitrag zum Arbeitsschutz an?

Die Links wurden nachträglich in die Zitate eingearbeitet.

Eselsmützen

Sonntag, 10. Januar 2016 - 00:20

http://winfuture.de/comments/thread/#2765677,2765860 (Kommentar):

Ich weiß von einem Freund von mir, der in diesem Konzern arbeitet, dass die Telekom in den USA null von dem einhält, was sie in Deutschland müssen.
Da gibt es Mobbing pur. Da werden die Mitarbeiter so richtig gegeneinander ausgespielt und Abteilungsleiter werden gezwungen Eselsmützen zu tragen, wenn ihre Abteilung schlechter abschneidet als eine andere. Das müssen da Zustände sein…..

Verifizieren kann ich das nicht, aber ich halte es für glaubhaft. Ich habe längere Zeit im Ausland (nicht in den USA, aber z.B. in China) gearbeitet und konnte sehen, wie verschiedene deutsche Unternehmen Druck auf Mitarbeiter ausüben, wenn sie in der freien Wildbahn außerhalb Deutschlands ihren Geschäften nachgehen dürfen. Wenigstens verhindern das deutsche Arbeitsrecht und das deutsche Arbeitsschutzgesetz bei uns die übelsten Exzesse.

Kölner Polizei

Samstag, 9. Januar 2016 - 13:43

Nicht nur die Polizei in Köln hat zu wenig Personal. Sind die daraus resultierenden und vom Arbeitgeber zu verantwortenden psychischen Fehlbelastungen in den Gefährdungsbeurteilungen zu den Arbeitsplätzen der Polizei dokumentiert?

Die Gefährdungsbeurteilung ist die halbe Miete

Freitag, 8. Januar 2016 - 08:55

Sie haben wahrscheinlich schon bemerkt, dass mich ein Vortrag von INSITE-Interventions ärgerte. Ich kann mir da auch Polemik nicht verkneifen.

Ein Grund für mein Gegrantel ist, dass die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung kleingeredet wird. Ich wage aber zu behaupten dass gerade in Großunternehmen eine ehrliche Gefährdungsbeurteilung selbst schon viele Probleme im Bereich psychischer Belastungen lösen kann: Ein Großteil psychischer Fehlbelastungen entsteht nämlich einfach dadurch, dass Aufgabenanalysen und Stellenbeschreibungen die tatsächlichen Belastungen nicht realistisch darstellen.

Betriebsräte haben beispielsweise in ERA-Verhandlungen erlebt, dass Mitarbeitern bei der Überarbeitung ihrer Aufgabenbeschreibungen so wenig Eigenverantwortung wie möglich zugestanden wurde, weil eine hohe Eigenverantwortung zu einer höheren Einkommensgruppe führt. Zuvor wurden die Mitarbeiter jedoch, dem Zeitgeist folgend, bis zum Erbrechen dazu aufgefordert, “Unternehmer im Unternehmen” zu sein. Eine entsprechend hohe Eigenverantwortung wurde von ihnen abverlangt. Das passt nicht zusammen. Arbeitgeber versuchten, die Aufgabenbeschreibung an die Einkommensgruppe anzupassen, die sie sich für die Mitarbeiter vorstellten, anstelle die zuvor von den Arbeitnehmern abverlangte Eigenverantwortung dann auch in der Aufgabenbeschreibung darzustellen.

Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass eine Gefährdungsbeurteilung selbst schon eine Maßnahme zur Verringerung von psychischen Fehlbelastungen ist, wenn Aufgabenbeschreibungen (auch nach ERA) basierend auf dieser Beurteilung korrigiert werden. Im einfachsten Fall können bisher nicht erfasste Belastungen, die zuvor unerkannt als Fehlbelastungen wirkten, in offiziell anerkannte Aufgaben überführt werden, die zur Arbeit der von diesen Belastungen betroffenen Mitarbeitern gehören. Die Fehlbelastungen werden einfach dadurch zu den normalen Belastungen, für die Mitarbeiter bezahlt werden, dass sie beschrieben werden und so eine ehrlichere Ausstattung der Mitarbeiter mit den erforderlichen Ressourcen und Handlungsbefugnissen möglich wird.

Hier ist mein kostenloser Vorschlag für ein Employee Assistance Program: Anerkennung und Ausstattung mit genügend Ressourcen. Die dafür erforderlichen Aufgaben- und Stellenbeschreibungen können nicht nur mit Gefährdungsbeurteilungen korrigiert werden, sondern aus ehrlichen Aufgaben- und Stellenbeschreibungen können auch Erkenntnisse für die Gefährdungsbeurteilung gewonnen werden. Außerdem gehören Aufgabenbeschreibungsmodule in Prozessbeschreibungen und Projektplanungen. Daraus lassen sich in Matrixorganisationen dann schnell die Belastungsprofile erstellen, die auf die einzelnen Mitarbeiter wirken.

Ausgebrannt: Betriebsräte als Lotsen für Burnout-Betroffene

Freitag, 8. Januar 2016 - 07:23

http://www.ergo-online.de/html/service/download_area/burnout_screen.pdf (IGM, 2011)

Hansjörg Becker: Verhältnisprävention ist nachhaltiger

Donnerstag, 7. Januar 2016 - 21:51

Anlässlich der Verleihung des Corporate Health Awards 2015 hielt Dr. Hansjörg Becker einen Vortrag (VORTRAG_Dr.HJ_Becker_INSITE_Interventions.pdf), den Sie sich von der CHA-Website herunterladen können. (Dazu ist ein Passwort erforderlich, dass sie über eine auf der Seite angegebene Email-Adresse abfragen können.) Darin geht es um die Gefährdungsbeurteilung sowie Verhaltensprävention und Verhältnisprävention. “EAP als Umsetzungsmaßnahme nach Gefährdungsbeurteilung Psychischer Belastung” ist der Titel der Präsentation.

In seinem Vortrag stellte Hansjörg Becker fest, dass bei der Minderung psychischer Fehlbelastungen die Verhältnisprävention nachhaltiger als Verhaltensprävention sei – wenn die Verhältnisprävention richtig implementiert ist. Das ist interessant, den ein EAP (Employee Assistance Program/Plan) bearbeitet primär individuelle Mitarbeiter verhaltenspräventiv und weniger fehlbelastende Arbeitsplätze verhältnispräventiv. Einzelne Mitarbeiter auf die Couch zu bringen, ist die letztmögliche Wahl im Arbeitschutz, denn dort sind individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen.

Wenn INSITE-Interventions sich als externer Dienstleister zu einer Meldung von Fehlbelastungen anböte, die die Mitarbeiter vor Repressalien schützt, dann wäre das eher ein Beitrag zum Arbeitsschutz. Einen tatsächlichen Beitrag zum Arbeitsschutz leistet INSITE-Interventions in diesem Sinn mit seinem Reporting (Punkt 14 im FAQ):

Wir erstellen in größeren Zeitabständen ein anonymisiertes Reporting über die Häufigkeit der Nutzung und über kategorisierte Beratungsanlässe. Das Reporting ist so gehalten, dass man keinerlei Rückschlüsse auf die Identität der Nutzer ziehen kann.

In seinen seriösen Veröffentlichungen Evaluation des EAP von INSITE und Qualitätsanforderungen an ein EAP stellt INSITE-Interventions das EAP auch nicht als Arbeitsschutzmaßnahme dar.

Hansjörg Becker fasst seinen Vortrag so zusammen:

  1. Nur geringe Evidenz für die Wirksamkeit von Verhältnisprävention
    Wenn aber wirksam, dann spät einsetzend und länger andauernd
  2. Bessere Evidenz für die Wirksamkeit von Verhaltensprävention
    Schnell einsetzend aber nur kurz wirksam
  3. Beste Wirksamkeit für kombinierte Interventionen
    Wirkt schnell und nachhaltig. Einschränkung: nur SEHR wenige Studien

Sein Resümee:

  1. Bei Bestehen von relevanten Risiken im Rahmen der Gefährdungsanalyse sollen schnell wirksame; also verhaltenspräventive Maßnahmen eingeführt werden
  2. Da sie aber nur kurzfristig wirken, müssen sie mit langfristigen Maßnahmen kombiniert werden.
  3. Das spezielle von EAP ist, dass es zwar auf den ersten Blick verhaltenspräventives Programm ist, und daher schnell wirksam sein kann, dass es aber auf langfristige Wirkung ausgelegt ist. Unsere Kunden nutzen ihre EAPs dauerhaft, z.T. über 10 bis 15 Jahre.

Langfristig kann EAP verhaltenspräventive und verhältnispräventive Ansätze verbinden

Sobald EAP als Arbeitsschutzmaßnahme zum Einsatz kommt, haben Betriebsräte und Personalräte (wo es sie gibt) eine besondere Mitbestimmungspflicht. Hat INSITE-Interventions dafür ein Konzept? Hansjörg Becker unterteilt richtig:

  • Verhältnisprävention ist Primärintervention
  • Verhaltensprävention ist Sekundärintervention

Hier müssen Betriebs- und Personalräte mit einem eigenen und unabhängigen Berater sicherstellen, dass die Primärintervention gut umgesetzt wurde bevor die Sekundärintervention zum Zug kommt.

Beckers Vortrag hat eine Schwäche: Er führt viele Studien an, versäumt aber darzustellen, dass der inzwischen gut dokumentierte Widerstand der Arbeitgeber gegen die Verhältnisprävention Untersuchungen zur Verhältnisprävention erschwert. Dass die große Mehrheit der Arbeitgeber sich über viele Jahre hinweg (mit Hilfe einer systemisch überforderten Gewerbeaufsicht) über das Arbeitsschutzgesetz stellten, erwähnt Becker nicht, sagt aber: “Nur geringe Evidenz für die Wirksamkeit von Verhältnisprävention”. Einen der Gründe für die “geringe Evidenz” verschweigt Becker: Wenn die Verhältnisprävention rechtsbrecherisch sabotiert wird, kann sie natürlich nicht gut funktionieren.

Zur Gefährdungsbeurteilung meint Hansjörg Becker dann auch ohne Hinweis auf die jahrelange gesetzeswidrige und durchaus schon vorsätzliche Sabotage, dass für Gefährdungsbeurteilungen zum Nachteil von Schutzmaßnahmen zu viel Aufwand getrieben werde. Ich glaube, dass er den Grund dafür nicht versteht. Meine Meinung ist, dass sich der Aufwand vor allem aus dem Widerstand der Arbeitgeber gegen ihnen unangenehme Gefährdungsbeurteilungen ergibt. Das die große Mehrheit der Arbeitgeber immer noch keine ordentlichen Verfahren zur Beurteilung psychischer Belastungen implementiert hat, ist kein Versehen. Arbeitgeber, die einerseits komplizierte Verfahren zur Mitarbeiterbewertung implementieren können, andererseits aber über viele Jahre hinweg die Implementierung von Verfahren zur Beurteilung psychischer Fehlbelastungen verschleppen, sabotieren den Arbeitsschutz vorsätzlich. Sie mögen keine Gefährdungsbeurteilungen, die sich auf ihre Führungskultur auswirken könnten und meinen, dass sie das berechtige, Recht zu brechen. Die Ausrede “Unwissen und Hilflosigkeit” ist gerade bei Großunternehmen mit zertifizierten Arbeitsschutzmanagementsystemen einfach nicht glaubwürdig.

Kurz: Viele Unternehmer mögen die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen nicht und meinen, das gäbe ihnen das Recht, sich über das Gesetzt zu stellen. Das ist in Deutschland möglich  – und das macht die Einführung von Verfahren zur Beurteilung solcher Gefährdungen verständlicherweise etwas komplizierter. Bei der Bewertung der Sinnhaftigkeit der Verhältnisprävention darf die gegen die Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen gerichtete Subversion der Mehrheit der Arbeitgeber nicht ignoriert werden.