Schlagwort 'Eigenverantwortung'

Die Gefährdungsbeurteilung ist die halbe Miete

Freitag, 8. Januar 2016 - 08:55

Sie haben wahrscheinlich schon bemerkt, dass mich ein Vortrag von INSITE-Interventions ärgerte. Ich kann mir da auch Polemik nicht verkneifen.

Ein Grund für mein Gegrantel ist, dass die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung kleingeredet wird. Ich wage aber zu behaupten dass gerade in Großunternehmen eine ehrliche Gefährdungsbeurteilung selbst schon viele Probleme im Bereich psychischer Belastungen lösen kann: Ein Großteil psychischer Fehlbelastungen entsteht nämlich einfach dadurch, dass Aufgabenanalysen und Stellenbeschreibungen die tatsächlichen Belastungen nicht realistisch darstellen.

Betriebsräte haben beispielsweise in ERA-Verhandlungen erlebt, dass Mitarbeitern bei der Überarbeitung ihrer Aufgabenbeschreibungen so wenig Eigenverantwortung wie möglich zugestanden wurde, weil eine hohe Eigenverantwortung zu einer höheren Einkommensgruppe führt. Zuvor wurden die Mitarbeiter jedoch, dem Zeitgeist folgend, bis zum Erbrechen dazu aufgefordert, “Unternehmer im Unternehmen” zu sein. Eine entsprechend hohe Eigenverantwortung wurde von ihnen abverlangt. Das passt nicht zusammen. Arbeitgeber versuchten, die Aufgabenbeschreibung an die Einkommensgruppe anzupassen, die sie sich für die Mitarbeiter vorstellten, anstelle die zuvor von den Arbeitnehmern abverlangte Eigenverantwortung dann auch in der Aufgabenbeschreibung darzustellen.

Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass eine Gefährdungsbeurteilung selbst schon eine Maßnahme zur Verringerung von psychischen Fehlbelastungen ist, wenn Aufgabenbeschreibungen (auch nach ERA) basierend auf dieser Beurteilung korrigiert werden. Im einfachsten Fall können bisher nicht erfasste Belastungen, die zuvor unerkannt als Fehlbelastungen wirkten, in offiziell anerkannte Aufgaben überführt werden, die zur Arbeit der von diesen Belastungen betroffenen Mitarbeitern gehören. Die Fehlbelastungen werden einfach dadurch zu den normalen Belastungen, für die Mitarbeiter bezahlt werden, dass sie beschrieben werden und so eine ehrlichere Ausstattung der Mitarbeiter mit den erforderlichen Ressourcen und Handlungsbefugnissen möglich wird.

Hier ist mein kostenloser Vorschlag für ein Employee Assistance Program: Anerkennung und Ausstattung mit genügend Ressourcen. Die dafür erforderlichen Aufgaben- und Stellenbeschreibungen können nicht nur mit Gefährdungsbeurteilungen korrigiert werden, sondern aus ehrlichen Aufgaben- und Stellenbeschreibungen können auch Erkenntnisse für die Gefährdungsbeurteilung gewonnen werden. Außerdem gehören Aufgabenbeschreibungsmodule in Prozessbeschreibungen und Projektplanungen. Daraus lassen sich in Matrixorganisationen dann schnell die Belastungsprofile erstellen, die auf die einzelnen Mitarbeiter wirken.

DB-Verhaltenskodex

Donnerstag, 15. August 2013 - 13:40

http://www.deutschebahn.com/file/2193682/data/db_verhaltenskodex.pdf

[...] Arbeits- und Gesundheitsschutz

Mit einem konsequenten, präventiven Arbeitsschutz wenden wir Gefährdungen von Personen ab und unterstützen durch gute Arbeitsbedingungen die Gesunderhaltung unserer Mitarbeiter. Die Sicherheit unserer Mitarbeiter ist ein zentrales Gebot unseres unternehmerischen Handelns.

Arbeitsschutz ist aber auch Teil der Eigenverantwortung eines jeden Mitarbeiters. Gefährdungen sind durch vorausschauendes, umsichtiges und sicherheitsbewusstes Verhalten zu vermeiden. Mängel im Arbeitsschutz sind unverzüglich der zuständigen Führungskraft zu melden. [...]

Warum fehlt bei Aussagen von Unternehmen zu einer Eigenverantwortung der Mitarbeiter im Arbeitsschutz so oft die Erklärung, dass das Arbeitsschutzgesetz dem Arbeitgeber die volle Verantwortung für den Arbeitsschutz zuweist? In vielen Unternehmen schieben für ihre Verantwortung hoch bezahlte Top-Manager zu gerne Aufgaben in die unteren Führungsebenen ab, ohne die dortigen Mitarbeiter genügend mit Schulungen zu befähigen und mit Befugnissen zu ermächtigen, diesen Aufgaben dann auch gut gerecht werden zu können. Viele Mitarbeiter und Führungskräfte wissen trotz stolz vorgezeigter Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) nicht einmal, was eine Gefährdungsbeurteilung ist und wie sie für mentale Arbeitsbelastungen (ISO 10075, der Begriff in der deutschsprachigen Norm ist “psychische Belastung”) durchzuführen ist.

 
Zu den schönen Verhaltenskodizes der Unternehmen gehört auch das Versprechen, dass bestimmte Standards eingehalten werden. Die Bahn möchte bei ihren Zulieferern ein “aktuelles Zertifikat, in dem Sie die Umsetzung Ihres Arbeitsschutzmanagementsystem gemäß anerkanntem Regelwerk nachweisen (z.B. OHSAS 18001 oder SSC)” sehen. Wie sieht es bei der Bahn selbst mit der Selbstverpflichtung aus, die mit so einem Zertifikat verbunden ist? Auf die Schnelle habe ich nur bei DB-Fuhrpark ein Zertifikat gefunden. (Wie kritisch war die Zertifizierungsgesellschaft beim Audit?). Erwähnt wird OHSAS 18001 auch im Nachhaltigkeitsbericht der DB für 2007.

Frage an die Betriebsräte: Kennt Ihr Euch mit OHSAS 18001 aus, wenn Euer Betrieb nach OHSAS 18001 zertifiziert ist? Da sind die Verantwortlichkeiten ziemlich klar geregelt. Wart Ihr beim Zertifizierungsaudit mit dabei? Seid Ihr bei den Zwischenaudits mit dabei und wisst Ihr, wo Ihr da nachhaken könnt? Denkt auch an § 89 BetrVG.

Falls Ihr meint, dass solche Zertifizierungen oft nur Showbusiness sind, dann habt Ihr zwar recht, aber das liegt doch auch an Gewerkschaften und Betriebsräten, die sich nicht für die Instrumente interessieren, die ihnen zur Verfügung stehen! Die Arbeitnehmervertreter sind selbst daran schuld, wenn Schutzvorschriften und AMS-Zertifikate in Werbetexten zur Corporate Social Responsibility nur der Dekoration dienen.

Bei OHSAS 18001 ist die Belegschaft der Kunde! Hier haben die Arbeitnehmer und ihre Vertreter also tatsächlich Eigenverantwortung, nämlich für die systematische Wahrung der eigenen Interessen. Macht Euch mit Standards für Arbeitsschutzmanagementsysteme vertraut. Mit Vorkenntnissen im Arbeitsschutz können auch Betriebsratsmitglieder die Befähigung für interne Audits (ISO 19011) Eures AMS erwerben.

Krankenkassen vergessen den Arbeitsschutz

Samstag, 15. Dezember 2012 - 09:44

http://www.presseportal.de/pm/63330/2382903/praeventionsbericht-2012-krankenkassen-engagieren-sich-verstaerkt-fuer-psychische-gesundheit-im

… “Die gesetzlichen Krankenkassen konzentrieren sich damit schon heute auf das, was der Bundesgesundheitsminister jetzt fordert – nämlich intensiv die betriebliche Gesundheitsförderung und Maßnahmen in Lebenswelten vor Ort zu fördern”, so Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes. “Gesundheitsförderung ist dann erfolgreich, wenn sie die Menschen auf möglichst vielen verschiedenen Wegen anspricht und dadurch erreicht. Eine Verengung auf eine ärztliche Verordnung, wie derzeit offenbar im Bundesgesundheitsministerium überlegt wird, wäre ein falscher Ansatz. Prävention muss z. B. im Kindergarten, am Arbeitsplatz und in der Schule beginnen und nicht erst dann, wenn jemand bereits zum Arzt geht.” ..

Bellen am falschen Baum. Der Arbeitsschutz stellt die Prävention sicher – vorausgesetzt, dass sich die Arbeitgeber an die Vorschriften halten. Wenn die Krankenkassen besser darauf geachtet hätten, dann gäbe es jetzt schon weniger Erkrankungen.

… Engagement in der betrieblichen Gesundheitsförderung ausgebaut

Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz – das bedeutet geringere krankheitsbedingte Kosten und mehr Lebensqualität für den Einzelnen. Deshalb haben die Krankenkassen 2011 wie in den Vorjahren ihr Engagement in der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) ausgeweitet …

Mit welcher Absicht wird der Arbeitsschutz am Arbeitsplatz nicht berücksichtigt? Warum wird (abgesehen von der Techniker Krankenkasse) das Engagement beim Arbeitsschutz nicht ausgebaut?

Psychische Erkrankungen verursachen rund 10 Prozent aller Krankheitstage in deutschen Unternehmen und sind seit Jahren die Hauptursache für krankheitsbedingte Frühverrentungen. Entsprechend den gewandelten Belastungen am Arbeitsplatz mit zunehmender Hektik und fortschreitender Arbeitsverdichtung verstärkten die Krankenkassen 2011 weiter ihre Aktivitäten zur Förderung der psychischen Gesundheit von Arbeitnehmern. “Die Anforderungen in der Arbeitswelt haben sich in den letzten Jahren rasant verändert. In der Folge sind vor allem kognitive und psychosoziale Belastungen gestiegen – Stress ist inzwischen das zweithäufigste arbeitsbedingte Gesundheitsproblem. Der Präventionsbericht zeigt, dass die Krankenkassen hier aktiv gegensteuern”, so Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS.

2011 gehörten Maßnahmen zum Stressmanagement bzw. zur Stressbewältigung und Angebote zur gesundheitsgerechten Mitarbeiterführung neben der Reduktion von körperlichen Belastungen zu den häufigsten Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz

Der Präventionsbericht zeigt, dass die Krankenkassen die Bedeutung des Arbeitsschutzes noch immer nicht verstehen.

 
Präventionsbericht: http://www.mds-ev.de/Praeventionsbericht.htm (direkt: http://blog.psybel.de/wp-content/uploads/2012/12/Praeventionsbericht_2011_final_ungschuetzt.pdf)

… Mittlerweile wird die betriebliche Gesundheitsförderung – insbesondere in Großbetrieben – zunehmen in ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement integriert. Das betriebliche Gesundheitsmanagement kann darüber hinaus beispielsweise Initiativen des Arbeitgebers zum Arbeitsschutz, zur Wiedereingliederung langfristig Erkrankter, zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zur Hilfe in privaten Krisen und anderes mehr umfassen. …

Was bezweckt der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) mit solchen Aussagen? Damit es klar ist: Der Arbeitsschutz ist keine Nebensache. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement “kann” den Arbeitsschutz nicht umfassen, sondern der Arbeitgeber hat den Arbeitsschutz mit Einbezug der psychischen Belastungen vorschriftsmäßig umzusetzen.

 
http://www.welt.de/wirtschaft/article112025787/Kassen-sollen-mehr-Geld-in-Praevention-stecken.html

Kassen sollen mehr Geld in Prävention stecken

Sechs Euro pro Mitglied fließen künftig qua Gesetz in die Vorsorge. So soll Krebs häufiger erkannt, die Zahl der Diabetes-Fälle reduziert oder psychisches Leiden im Job verringert werden.

Die schwarz-gelbe Koalition will die gesetzlichen Krankenkassen zu verstärkten Investitionen in die Gesundheitsförderung verpflichten. Der Schwerpunkt soll dabei auf der Krankheitsvorbeugung in den Betrieben liegen. Dies sieht eine 16-seitige Präventionsstrategie vor, auf die sich die Gesundheitsexperten von Union und FDP verständigt haben. …

Die Kassen merken’s nicht. Der Arbeitsschutz muss von den Unternehmen bezahlt werden, nun sollen aber die Kassen mitzahlen. Das sollte für die Kassen doch Motivation genug sein, beim Arbeitsschutz der Unternehmen ein bisschen schärfer hinzusehen.

… Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr sagte am Freitag, Ziel der Strategie sei es, einen gesunden Lebensstil zu fördern und Krankheiten zu vermeiden. Das Konzept setze auf die Eigenverantwortung der Bürger. Die Krankenkassen sollten künftig nur noch qualitätsgesicherte Präventionsmaßnahmen finanzieren. Ein Schwerpunkt solle außer in den Betrieben in sozialen Brennpunkten liegen. …

http://www.daniel-bahr.de/wcsite.php?wc_c=21749&wc_lkm=2611

… Die Prävention verstanden als aktive Gesundheitsvorsorge ist primär eine individuelle Herausforderung. Jeder Einzelne ist dafür verantwortlich, durch eine gesundheitsbewusste Lebensweise der Entstehung von Gesundheitsrisiken vorzubeugen, qualitätsgesicherte Angebote sachgerecht zu nutzen und auch bei bereits vorhandenen Krankheiten durch ein verantwortungsbewusstes Verhalten dazu beizutragen, dass eine Besserung erreicht oder eine Verschlimmerung vermieden werden kann. Es ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung zur Vermeidung, Heilung und Linderung bei vielen Erkrankungen zu verdeutlichen und zielgerichtet Menschen, die von sich heraus ohne Hilfe nicht zu einem gesundheitsbewussten Leben in der Lage sind, dabei zu unterstützen, entsprechende Aktivitäten zu entfalten. Die Finanzierung darf deshalb nicht allein auf die Kranken- bzw. Sozialversicherung zentriert werden. …

Das ist überwiegend Verhaltensprävention. Die ist freiwillig. Die Verhältnisprävention verstanden als aktiver Arbeitsschutz ist primär eine den Unternehmen vorgeschriebene Aufgabe. Die Finanzierung ist daher auf sie zu zentrieren.

Die Mehrheit der Arbeitgeber greift den Arbeitsschutz einerseits durch die offene Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften an und andererseits über den Umweg über das Bundesgesundheitsministerium. Bahrs Schwerpunkt liegt zusammen mit den Interessen der Arbeitgeber auf der Eigenverantwortung der in den Betrieben Beschäftigten. Bahr und die Mehrheit der Unternehmen bremsen schon seit einiger Zeit den ganzheitlichen Arbeitsschutz aus, denn der Arbeitsschutz nimmt die Arbeitgeber in die Pflicht. Die den Arbeitgebern vorgeschriebene Verhältnisprävention gegen arbeitsbedingte Erkrankungen müsste von Ursula von der Leyen (BMAS) nachhaltig eingefordert werden. Sie hat dazu aber nur kurz etwas Lärm gemacht zu haben und scheint danach von Daniel Bahr (BMG) geschickt zur Seite gedrängt worden zu sein.

Die Krankenkassen sollten einmal bei Ursula von der Leyen anklopfen.

 
Links:

BGF-Institut ignoriert Arbeitsschutz

Freitag, 26. Oktober 2012 - 00:14

Das BGF-Institut war einmal eine Einrichtung der AOK Rheinland. Heute gehört diese GmbH als An-Institut zur Sporthochschule Köln mit der AOK Rheinland/Hamburg als Gesellschafter. Das Konzept der An-Institute ist einer unabhängigen Wissenschaft nicht zuträglich.

http://www.bgf-institut.de/fileadmin/redaktion/downloads/broschueren/BGF_Broschuere_A4_Psyche_screen.pdf (2012):

Gesund und gelassen trotz psychischer Beanspruchung

Unsere Angebote für Ihr Unternehmen


Arbeitssituationsanalyse ASA PLuS®

Bei ASA PluS® erfolgt die Beurteilung eines bestimmten Arbeitsbereichs im Rahmen eines moderierten Gruppengesprächs. Neben den Zufriedenheitsfaktoren werden mit allen Beteiligten die abteilungsspezifischen Belastungen erfasst. ASA PLuS® geht deutlich über die Analyse hinaus: Lösungen und Strategien gehören zum Tool, erste Maßnahmen zur Verbesserung werden entwickelt. Untersucht werden Belastungsfaktoren aus den Bereichen Ergonomie, Arbeitsorganisation, Kommunikation und Betriebsklima. Die Beschäftigten werden aktiv einbezogen. Dadurch wird ihr spezifisches Know-how genutzt, aber auch das Problembewusstsein erweitert und die Eigenverantwortlichkeit gefördert.

Mit dieser Broschüre werden Arbeitgeber schlecht beraten. “Arbeitsschutz”, “Gefährdungsbeurteilung”, “Betriebsrat” und “Mitbestimmung” kommen darin nicht vor. Der mitbestimmte Arbeitsschutz ist die wichtigste Grundlage der Prävention psychischer Belastungen. Das BGF-Institut ignoriert das in dieser Veröffentlichung. Arbeitgeber erfahren nichts über die bei ihnen (und nicht bei den Mitarbeiter) liegende Eigenverantwortung bei der Verhältnisprävention im Arbeitsschutz. Auch sehe ich die Gefahr der Vermengung von Belastungsanalyse und Arbeitsfähigkeitsanalyse.

Mit diesem Institut konfrontierte Personal- und Betriebsräte sollten sich gute eigene Berater zulegen.

Eine Pressemeldung, die es nie gab

Dienstag, 23. Oktober 2012 - 01:27

Diese Erweiterung von Positionen mehrerer Firmen zum Gesundheitsmanagement ist mir vielleicht zu phantasievoll geraten :-)

Die Gesundheit der Mitarbeiter und ihre Arbeitsfähigkeit ist von entscheidender Bedeutung für die Leistung und den Erfolg von Unternehmen. Gesunde Mitarbeiter, die sich in ihrem Arbeitsumfeld wohlfühlen und gesund sind, sind motivierter und leistungsfähiger. Darum haben wir in unserem Unternehmen eine erhöhte Aufmerksamkeit in Unternehmen dafür entwickelt, Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu fördern und Krankheit zu verhindern.

Gesundheitsmanagement ist im breiteren Sinne zu verstehen: die Prävention von Unfällen und arbeitsbedingter Krankheit müssen über die gesetzlichen Vorschriften und arbeitsmedizinischen Vorschriften hinausreichen, ohne allerdings dabei zu vergessen, wenigstens die gesetzlichen Vorschriften selbst schon einmal ausreichend zu beachten. Unternehmen müssen auch präventiv-medizinische Handlungsfelder der Gesundheitsförderung identifizieren und sich selbst zu Aktivitäten für Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz verpflichten.

Wir brauchen Organisationsstrukturen, in denen zielgerichtet Maßnahmen entwickelt werden und die die notwendige Management-Aufmerksamkeit und -Promotion erhalten, damit das Gesundheitsmanagement in Unternehmen gefördert wird. Wir werden dabei aber den Arbeitsschutz nicht im Gesundheitsmanagement marginalisieren. Arbeitsschutz ist mehr, als nur die möglichst kostengünstige Abwehr von Haftung.

Gesundheitsbewusstsein und -förderung ist ein integraler Bestandteil von Personalführung. Gesunde Führung umfasst dabei nicht nur die unmittelbare Führung von Menschen, sondern im Bereich des Arbeitsschutzes auch die Mitbestimmung durch die Mitarbeiter bei der Gestaltung von Führungsstrukturen und Organisationen.

Gesundheit muss in vielen Unternehmen erst noch zu einem Thema für Mitarbeiter (Selbstverpflichtung) und Führungskräfte (Führungsverpflichtung) gemacht werden, in unserem Unternehmen waren es jedoch die Mitarbeiter selbst, die beim von uns bisher vernachlässigten Themenfeld der psychischen Belastungen die Initiative übernahmen: Der Betriebsrat machte die Unternehmensführung auf die Notwendigkeit aufmerksam, auch die psychische Gesundheit und und das seelische Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu fördern. Obwohl wir schon vor zehn Jahren psychische Belastungen im Handbuch unseres Arbeitsschutzmanagementsystems wenigstens erwähnten, gab es dazu bis heute entgegen den Vorschriften des Arbeitsschutzes beispielsweise keine Pflichtunterweisungen.

Dank der Initiative unseres Betriebsrates wird der Kulturwandel in unserem Unternehmen jedoch so gefördert, dass ein mitbestimmter ganzheitlicher Arbeitsschutz möglich wird. Wir haben verstanden, dass die in OHSAS 18001 geforderte Kommunikation sich nicht auf eine Kommunikation von oben nach unten beschränkt und halten es deshalb auch nicht für anmaßend, dass Mitarbeiter mitbestimmen wollen, wenn es um ihre eigene Gesundheit sowie um die Beurteilung ihrer Leistungs- und Arbeitsbedingungen geht. In diesem Bereich werden wir nun zuerst unsere Hausaufgaben machen und nach einer Wartezeit von vielen Jahren unserer unternehmerischen Verantwortung gerecht werden.

Besonders wichtig ist Aufmerksamkeit und Unterstützung durch das Top-Management, um die Relevanz des Themas “gesunde Unternehmen” im mittleren Management und bei den Mitarbeitern zu verdeutlichen. Das Top-Management ist darauf gut vorbereitet, denn ihm ist das Thema schon seit Jahren dank der ihm gewährten persönlichen Trainer bekannt.

Grüße aus Bayern

Freitag, 14. September 2012 - 06:40

http://www.arbeitsschutz-aktuell.de/de/Grusswort_02.html

Schriftliches Grußwort der Schirmherrin, Frau Staatsministerin Christine Haderthauer, anlässlich der Messe und des Kongresses „Arbeitsschutz Aktuell 2012“ vom 16. – 18. Oktober 2012 in Augsburg

Unsere Arbeitswelt ist aktuell gravierenden Änderungen unterworfen. Das bringt auch im Bereich des Arbeitsschutzes neue Herausforderungen mit sich. Neben der Prävention von Verletzungen und Erkrankungen infolge von Unfällen, gewinnt auch die Reduzierung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz an Bedeutung. Dazu müssen wir im Arbeitsschutz neue Wege gehen.

Wir müssen den arbeitenden Menschen ganzheitlich betrachten. Es gilt, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Menschen ein Arbeitsleben lang und darüber hinaus zu erhalten. Deswegen müssen wir das Themenfeld psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Gewerbeaufsicht integrieren. Auch der Schwerpunkt der Fortbildung der Gewerbeärzte und der Gewerbeaufsichtsbeamten muss sich aktuell auf die Vermeidung von psychischen Belastungen konzentrieren. Wir bauen dabei auch auf die Eigenverantwortung der Beschäftigten, besonders aber der Arbeitgeber und Führungskräfte.

So ganz klappt das mit dem Unterschied zwischen Fehlbelastungen und Belastungen noch nicht. Aber der Trend stimmt. Gut ist, dass die Ministerin die bereits von Fachleuten der Gewerbeaufsicht seit einigen Jahren geforderte Weiterbildung der Gewerbeärzte und der Gewerbeaufsichtsbeamten unterstützt.

Bedenkliche Trends bei der Arbeitsschutzstrategie

Freitag, 14. September 2012 - 06:20

Am 25. September gibt es das 7. Arbeitsschutzforum der GDA: http://www.gda-portal.de/de/pdf/7-Arbeitsschutzforum-Workshopbeschreibungen.pdf

Die GDA fördert sowohl die Stärkung und wie auch den Schutz der psychischen Gesundheit. Zwar kann auch die Stärkung der Resilienz verhältnispräventiv erreicht werden, die Ansätze in den Unternehmen sind aber oft überwiegend verhaltenspräventiv.

Zwar muss es eine Balance zwischen beiden Ansätzen geben. Wegen der eher verhaltenspräventiv orientierten Ansätze in den Unternehmen, die zu oft vermeiden, bestehende Strukturen (und damit gewohnte Führungsstile) in Frage zu stellen, ist es bedenklich, wenn eine Arbeitsschutzstategie die Priorität der Verhältnisprävention im Arbeitsschutz aufgibt.

Tatsache ist, dass die Mehrzahl der Unternehmen seit 1996 ihrer eigenen Verantwortung im Arbeitsschutz nicht gerecht wurden: Sie vernachlässigten den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Spätestens nach 2004 war das kein Versehen mehr. Heute zeigt sich, dass Vorschriften den Unternehmen immer noch den stärksten Anreiy liefern, psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Nun, wo das Thema nicht mehr schleifen gelassen werden kann, gibt es neue Strategien im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Nach meinem Eindruck besteht die Gefahr, dass die Unternehmen bei Erledigung ihrer bisher liegen gelassenen Hausaufgaben nun mit staatlicher Hilfe unter dem Titel “Stärkung der psychischen Gesundheit” zu leicht Verantwortung zu den Mitarbeitern abschieben können.

GDA Fachkonzept

Sonntag, 12. August 2012 - 00:36

Die folgenden Links zur Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie sind eher für Rechercheure gedacht als für Praktiker im Arbeitsschutz.

 
(1) http://www.ifado.de/forschung_praxis/projektgruppen/biodyn/Fachkonzept_GDA_mit_Anlagen_2007-08-13_1.pdf (oder http://blog.psybel.de/wp-content/uploads/2012/08/Fachkonzept_GDA_mit_Anlagen_2007-08-13_1.pdf)

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie
Fachkonzept und Arbeitsschutzziele 2008 – 2012
Fortschreibung – Stand: 13.08.2007

 
(2) http://www.berufsgenossenschaften.de/inhalt/praevention/gemein_strat/documents/A_II_06_08.pdf

Ingo Zakrzewski
Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie – GDA
Anwenderfreundlichkeit und Rechtssicherheit
Die Ziele der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie zum Vorschriften- und Regelwerk im Arbeitsschutz …

… Mit der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben durch das Arbeitsschutzgesetz rückte die Eigenverantwortlichkeit des Arbeitgebers und die Formulierung von Schutzzielen zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in den Mittelpunkt. Dieser Ansatz traf auf ein durch konkrete Detailvorgaben geprägtes nationales Arbeitsschutzverständnis, was mit dem Streben nach mehr Eigenverantwortung und Flexibilität beim betrieblichen Arbeitsschutz nicht im Einklang stand. Die Folge waren Kompatibilitätsprobleme, Doppelregelungen und Widersprüche innerhalb des Vorschriften- und Regelwerkes zum Arbeitsschutz. …

… Zentrales Anliegen ist, Doppelregelungen von staatlichem Arbeitsschutzrecht und Unfallverhütungsvorschriften weiter abzubauen und künftig zu vermeiden. Dieser Deregulierungsprozess wurde bei den Unfallversicherungsträgern bereits 1999 eingeleitet und insbesondere im Zusammenhang mit dem Erlass der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ in weiten Teilen umgesetzt. Die politischen Forderungen nach Bürokratieabbau und nach mehr Eigenverantwortung verlangen jedoch, dass diese Entwicklung noch konsequenter fortgesetzt wird. Auf Grund der Europäisierung des Arbeitsschutzes sind zwischenzeitlich weite Bereiche durch staatliche Arbeitsschutzvorschriften geregelt. Die hierdurch entstehenden Überschneidungen mit den Regelungsbereichen der Unfallverhütungsvorschriften sind mit dem Ziel eines schlanken Vorschriftenwerkes nicht vereinbar. Deshalb wird der Erlass von Unfallverhütungsvorschriften nach der zwischen Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern im Rahmen der GDA abgestimmten Rahmenkonzeption nur noch zur Ergänzung oder Konkretisierung des staatlichen Rechtes für erforderlich gehalten. …

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

Wie wir heute wissen, wird bis heute die Mehrheit der Unterneher ihrer Verantwortung nicht gerecht. Im Gegenteil, sie haben heute sogar die Chuzpe, in ihren Programmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung die Eigenverantwortung der Mitarbeiter in den Vordergrund zu stellen. Funktioniert dagegen hat die Bürokratisierung - mit dem möglicherweise politisch gewünschten Erfolg, dass die behördliche Kontrolle nicht mehr funktioniert.

 
(3) http://www.gda-portal.de/de/Ziele/Fachkonzept_content.html (oder http://blog.psybel.de/wp-content/uploads/2012/08/GDA-Fachkonzept-gesamt.pdf)

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie
Fachkonzept und Arbeitsschutzziele 2008 – 2012
Stand: 12. Dezember 2007

 
(4) http://www.gda-portal.de/de/Ziele/Arbeitsschutzziele2013-18.html

GDA-Periode 2013 – 2018 Arbeitsschutzziele

In den Jahren 2013 -2018 werden Bund, Länder und Unfallversicherungsträger nach dem Beschluss der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz (NAK) vom 30. August 2011 ihre Präventionsaktivitäten schwerpunktmäßig auf die Umsetzung von drei gemeinsamen Arbeitsschutzzielen ausrichten:

  • Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes
  • Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich
  • Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung

Beim Ziel “Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes” stehen insbesondere die Integration von Sicherheit und Gesundheit in betriebliche Prozesse und Entscheidungsbereiche sowie die Verbesserung der Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung im Mittelpunkt.

Handlungsschwerpunkte im Bereich der arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich liegen in der gesundheitsgerechten Gestaltung von einerseits bewegungsarmen und einseitig belastenden Tätigkeiten sowie andererseits Tätigkeiten mit hohen körperlichen Belastungen.

Bei der Umsetzung des Zieles “Schutz der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung” wird es zunächst darum gehen, Aktivitäten und Instrumente zu entwickeln, die ein frühzeitiges Erkennen und eine Beurteilung im Hinblick auf Gesundheitsgefährdungen ermöglichen. Im Weiteren sollen präventive, arbeitsorganisatorische sowie gesundheits- und kompetenzfördernde Maßnahmen zur Verminderung arbeitsbedingter psychischer Belastungen entwickelt und umgesetzt werden.

Dem Beschluss zu den zukünftigen Arbeitsschutzzielen ist ein intensiver Abstimmungsprozess der in der NAK beteiligten Vertretungen von Bund, Ländern, Unfallversicherungsträger und der Sozialpartner sowie eine schriftliche Befragung der Fachöffentlichkeit voraus gegangen. Ziel der Konsultation war es, der Ausgestaltung und Fortentwicklung der GDA-Ziele eine breite und vielfältige Grundlage zu geben sowie Anknüpfungspunkte für gemeinsame Aktivitäten mit Kooperationspartnern zur Zielumsetzung zu ermitteln.

 
(5) http://suqr.uni-wuppertal.de/fileadmin/Fachgebiete/SiTe/LuFG_Sicherheitsrecht/Kolloquium_Download/Kolloquium_SS_2004_-_BRUECKNER.pdf, Bernhard Brückner, 2004

Staatliche Arbeitsschutzaufsicht zwischen Deregulierung, Verwaltungsreform und neuen Herausforderungen

Zweck der öffentlich geführten Deregulierungsdiskussion scheint zu sein, Arbeitsschutzvorschriften grundsätzlich als Maßnahmen darzustellen, die die Unternehmen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung hemmen.
Eine fundierte Debatte über eine Neuordnung des Arbeitsschutzrechts hat – trotz vorhandener Ansätze – bis jetzt nicht stattgefunden.

 
Ich fand zwei Quellen zunächst mit https://www.google.de/search?q=”Grundsäze+zur+Neuordnung+des+Arbeitsschutzrechts”+psych

1999: Gewolltes Unwissen, erlernte Hilflosigkeit

Sonntag, 29. Juli 2012 - 20:01

Psychischer Stress in der Arbeitswelt. Erkennen - Mindern - Bewältigen, RKW-Fachtagung, 127 S., 1999-11-24, http://www.infoline-gesundheitsfoerderung.de/global/show_document.asp?id=aaaaaaaaaaagejg

Die nach dem Arbeitsschutzgesetz geforderte Gefährdungsbeurteilung verlangt vom Arbeitgeber u.a., dass psychische Belastungen ermittelt, Maßnahmen zur Regulierung eingeleitet und deren Wirksamkeit überprüft werden. Ein Schritt, um einen ganzheitlichen Arbeits- und Gesundheitsschutz zu verwirklichen, liegt deshalb im Erkennen und in der Beurteilung von kognitiven, psychosozialen und emotionalen Belastungsfaktoren. Hierzu gibt es eine Reihe von Methoden und Instrumenten, die jedoch nur zögerlich in der Praxis eingesetzt werden. Vielen betrieblichen Praktikern fehlen zum einen die Kenntnisse, angemessene Ermittlungsmethoden auszuwählen; zum anderen sind viele Verfahren noch wenig erprobt und erfüllen eher wissenschaftliche als praktische Ansprüche. …

… Die gesetzlichen Entwicklungen tragen den veränderten Arbeitsbedingungen und der merklichen Belastungsverschiebung in der Arbeitswelt Rechnung und korrespondieren mit der notwendigen Verständniserweiterung. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) vertritt diese ganzheitliche Sicht und gibt ihr die rechtliche Legitimation. Ein Gesetzesauszug, der diese systemische Auffassung repräsentiert, lautet “Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen; [...].” (§ 4, Nr. 4 ArbSchG). Das betriebliche Arbeitsschutzhandeln soll demnach auf ein ganzheitliches Arbeitsschutzhandeln ausgerichtet sein und neben den technischen Bedingungen die der Arbeitsorganisation und sozialen Beziehungen berücksichtigen.

Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist das Erkennen der verschiedenen Quellen betrieblicher Gesundheitsgefährdungen, um daraus präventive und korrektive Arbeitsschutzmaßnahmen abzuleiten. Ein wichtiges Instrument und eine wesentliche Entscheidungsgrundlage dafür ist die gesetzlich geforderte Gefährdungsbeurteilung. Nach § 5 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, “durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.” Dies schließt psychische Belastungen mit ein. Gefährdungen, verstanden als Quelle möglicher arbeitsbedingter Gesundheitsbeeinträchtigungen oder arbeitsbedingter Unfälle, werden beispielhaft in § 5 Abs. 3 aufgeführt, u.a. mit der Spezifizierung: “Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch [...] (die) Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken”, d.h. eben diese Elemente eines Arbeitssystems, die mit dem Konzept der psychischen Belastungen erfasst werden. Ganz explizit genannt, werden psychische Belastungen bisher als Kriterium bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen in § 3 der Bildschirmarbeitsverordnung.

… obwohl für die Ermittlung der belastenden Arbeitsbedingungen als auch die der Beanspruchungen können zwei Erhebungsstrategien unterschieden werden: Bei der ersten Variante führt ein externer Experte, d.h. eine Person, die nicht unmittelbar von den Arbeitsbedingungen betroffen ist, die Analyse und Bewertung durch. Im Betrieb kann das die Fachkraft für Arbeitssicherheit sein oder der Betriebsarzt [Leider kann es vorkommen, dass sich beide dem Arbeitgeber verpflichteter fühlen, als den Arbeitnehmern], im Fall der überbetrieblichen Einrichtungen, die staatlichen und technischen Aufsichtsbeamten [die bis heute vorwiegend technisch geblieben sind!] oder ein Unternehmensberater. Diese Vorgehensweise wird auch häufig als “objektiv” bezeichnet, in Abgrenzung zu den subjektiven Verfahren. Bei der zweiten Ermittlungsstrategie erfolgt die Analyse und Bewertung durch die Beschäftigten. Am bekanntesten ist hier wohl die Methode der fragebogengestützten Mitarbeiterbefragung. …

(Hervorhebungen und Anmerkungen in eckigen Klammern nachträglich eingetragen)

Das war also schon im Jahr 1999 klar. Aber Ursula von der Leyen billigt den Unternehmern heute “Unwissen und Hilflosigkeit” zu. Es war aber eine nachhaltig gewolltes Unwissen und gut erlernte Hilflosigkeit. Auch in den Gewerbeaufsichten schein das Unwissen von den politischen Führungen gewollt und durch “Verschlankung” so erfolgreich erreicht worden zu sein, wie sich die Unternehmerverbände das wünschten. Dabei rufen die vielen Unternehmer, die erst dann Handlungsbedarf sehen, wenn es rechtlich für sie brenzlig wird, geradezu nach scharfen Kontrollen. Sie sollten sich nicht beschweren. Immerhin hatten sie eine Chance gehabt. Statt dessen hören wir von zu vielen Unternehmern, die ihrer eigenen unternehmerische Verantwortung selbst nicht gerecht werden, Aufforderungen an die Mitarbeiter, sich “eigenverantwortlich” um ihre Gesundheit zu kümmern. Wird Frechheit wieder einmal siegen?

Laut propagierter Anspruch an Selbstverantwortlichkeit

Sonntag, 15. Juli 2012 - 07:26

Matthias T. Meifert, Mathias Kesting: Gesundheitsmanagement Im Unternehmen: Konzepte – Praxis – Perspektiven (2003), ISBN 978-3-540-00583-4

books.google.de/books?id=LmZGzGYleg0C&pg=PA165&lpg=PA165

Mathias Kesting (von der Kienbaum-Unternehmensberatung) schrieb in dem Kapitel Selbstmanagement - Zwischen Selbstverantwortung und äußeren Sachzwängen im Fazit auf Seite 165:

… Der heute so laut propagierte Anspruch an Selbstverantwortlichkeit von Mitarbeitern ist in den vergangenen Jahren in vielen Unternehmen im Keim erstickt worden, in dem ein übergroßer Moloch an Bürokratie und bevormundender Einschränkung vorherrschte. …

Vielleicht ist das eigentliche Problem aber, dass Unternehmensführungen ihrer eigenen unternehmerischen Eigenverantwortung (im ganzheitlichen Arbeitsschutz seit etwa 2005 wissentlich) nicht gerecht wurden und (bei gleichzeitig überproportional steigendem Einkommenfür sich selbst) versuchten, die Verantwortung, der sie selbst nicht gerecht wurden, den Mitarbeitern als “Eigenverantwortung” zuzuschieben.

Kesting versuchte auch, den Mitarbeitern “erlernte Hilflosigkeit” (nach Seligman, 1979) zuzuschreiben, was aber nur eine Erklärung sei, keine Entschuldigung. Da muss ich an Ursula von der Leyens Versuch denken, das unternehmerische Versagen im ganzheitlichen Arbeitsschutz mit “Unwissenheit und Hilflosigkeit” zu entschuldigen bzw. zu erklären.

Als Kesting an dem Buch mitschrieb, war das in den Unternehmen missachtete Thema der psychischen Belastungen allerdings noch nicht so auf dem Radar, wie heute.