Kategorie 'BR-Belastung'

Missbrauch des Datenschutzes

Donnerstag, 11. Februar 2016 - 00:44

Es gibt noch einen Grund, der Arbeitgeber motivieren könnte, anstelle des im Arbeitsschutzgesetz geforderten verhältnispräventiven Vorgehens ein verhaltensorientiertes Vorgehen zu bevorzugen: Bei der nur auf den ersten Blick fürsorglich aussehenden verhaltenspräventiven Zuwendung zu einzelnen Mitarbeitern kann eine Dokumentation persönlicher Daten entstehen, also auch individueller medizinischer Daten. Das können Arbeitgeber dazu missbrauchen, die Transparenz von Gefährdungsbeurteilungen und Vorfallsuntersuchungen einzuschränken. Damit kann dann auch die Arbeit von Betriebstäten bzw. Personalräten erschwert werden.

Der sicherste Datenschutz ist die Vermeidung sensibler Daten.

Viel Spaß, aber bitte ohne Betriebsrat

Dienstag, 2. Februar 2016 - 06:32

http://www.zeit.de/karriere/2016-01/mitarbeitermotivation-feel-good-manager-betriebsrat-kuendigung:

Mitarbeitermotivation

Wer einen Betriebsrat gründet, wird gefeuert

Feel-Good-Manager sollen für ein gutes Betriebsklima sorgen. Doch mitunter gibt es gerade da Gute-Laune-Beauftragte, wo betriebliche Mitbestimmung kritisch gesehen wird.

Von Jutta Hoffritz [...]

[...] Swimmingpool und Freibier – und Kündigungen

In diesem Zusammenhang weist ein Leser auch auf die jüngsten Entwicklungen beim Hamburger Unternehmen Goodgame hin – einem der Beispiele aus der ZEIT-ONLINE-Geschichte über Feel-Good-Management. Der dynamisch wachsende Spieleentwickler, der heute gut 1.200 Beschäftigte zählt und nach eigenen Angaben Deutschlands führender Spieleentwickler ist, verwöhnt seine Mitarbeiter mit firmeneigenem Swimmingpool und Freibier. Das Unternehmen überraschte im Dezember mit der Kündigung von 28 Mitarbeitern. Einen Zusammenhang mit deren Bestrebungen, einen Betriebsrat zu gründen, will das Unternehmen zwar keinesfalls hergestellt wissen. [...]

Hans Dieter Gimbel machte mich in Info Psyche und Arbeit (2016-01) auf diesen Artikel aufmerksam.

 
http://www.goodgamestudios.com/de/blog/stellungnahme-zu-kundigungen/2015/12/18/:

[...] Vorwurf: Goodgame Studios hat die Mitarbeiter massiv vor der Betriebsversammlung unter Druck gesetzt, um einen Betriebsrat zu verhindern.

Realität: Falsch, die Mehrheit der Mitarbeiter hat sich in einer direkten und geheimen Wahl für eine alternative Mitarbeitervertretung entschieden.

Zu keinem Zeitpunkt hat das Unternehmen seine Mitarbeiter unter Druck gesetzt oder ihnen gar Konsequenzen angedroht. Wir haben in den vergangenen Wochen mehrfach betont, dass wir jede Form der Mitarbeitervertretung im Unternehmen respektieren werden und einen vertrauensvollen und konstruktiven Umgang pflegen möchten. Außerdem wurden alle Mitarbeiter mehrfach dazu aufgefordert an der Betriebsversammlung teilzunehmen und entsprechend ihrer Präferenz abzustimmen.

Trotz massiver Werbung für den Betriebsrat seitens ver.di auf der Betriebsversammlung sowie einer offenen und ausgewogenen Aussprache bei dieser Veranstaltung haben sich fast zwei Drittel (62,8 Prozent) der Belegschaft für eine alternative Mitarbeitervertretung ausgesprochen.

Die vielfach zitierten Flyer und Präsentationscharts, die explizit für die alternative Mitarbeitervertretung werben, stammen ohne Ausnahme von der Arbeitsgruppe, die dieses Modell aus eigenem Antrieb und ohne Auftrag oder Zutun der Geschäftsführung erarbeitet. Es stand jedem Mitarbeiter frei, sich in gleicher Weise für einen Betriebsrat einzusetzen und für dieses Modell zu werben. [...]

“Offenen und ausgewogenen Aussprache” bedeutet: Keine geheimen Wahlen in einer Betriebsversammlung, an der Mitarbeiter teilnahmen, die zuvor erleben mussten, wie 28 an einem Betriebsrat interessierten Kollegen gekündigt wurde. Auch das ist eine Art massiver Werbung - gerichtet an jeden Mitarbeiter, dem es frei stand, sich für einen Betriebsrat einzusetzen und für dieses “Modell” zu werben.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/goodgame-studios-mitarbeiter-lehnen-betriebsrat-gruendung-ab-a-1073017.html:

[...] Deutschlands größter Computerspielehersteller Goodgame Studios bekommt keinen Betriebsrat. Auf einer Betriebsversammlung sprachen sich 62,8 Prozent der Mitarbeiter gegen die Einrichtung einer Mitarbeitervertretung aus. Damit werde das Verfahren zur Gründung eines Betriebsrats an diesem Punkt gestoppt, teilte das Unternehmen mit. Laut Teilnehmern stimmten von etwas mehr als tausend anwesenden Mitarbeitern 580 gegen einen Betriebsrat, 385 dafür. [...]

Zur Förderung hilfreicher Arbeitsgruppen mit den subtilen Motivationstechniken der lupenreinen Demokratie erfahren Sie mehr von Maximilian Schneider:

http://www.gruenderszene.de/allgemein/goodgame-studios-kein-betriebsrat:

[...] Im Vorfeld der Betriebsratswahlen hatte sich Maximilian Schneider, Chief Strategy Officer von Deutschlands größtem Computerspielehersteller, auf einer internen Veranstaltung mit deutlichen Worten gegen einen Betriebsrat ausgesprochen: Es sei ein „veraltetes Instrument“ der Mitbestimmung, das in der modernen Goodgame-Welt keinen Platz habe, berichtet der Spiegel mit Verweis auf Aufnahmen von der Veranstaltung. Und: „Wir müssen ein Auge auf Wirtschaftlichkeit haben, damit jeder von euch nächstes Jahr noch ein Gehalt bekommt.“ Eine überaus deutliche Drohkulisse. [...]

Um Gottes Willen, der CSO droht nicht. Er will doch nur spielen.

Leider kann ich keine Produkte von Deutschlands größtem Computerspielehersteller Goodgames Studios mit seinem Känguru-Betriebsrat aus meinem Computer rausschmeißen. Denn auf dem gibt’s ohnehin keine Spiele.

Suche: https://www.google.de/search?q=”Betriebsrat”+”goodgame”

Personalführung: Das Personal führt

Sonntag, 28. Dezember 2014 - 21:25

In https://www.dgfp.de/wissen/personalwissen-direkt/dokument/91358/herunterladen berichtet die Deutsche Gesellschaft für Personalführung unter anderem über den guten Einbezug psychischer Belastungen in den ganzheitlichen Arbeitsschutz der SICK AG. Der Bericht ist korrekt. Nicht erwähnt wird aber, dass der Betriebsrat der SICK AG in dieser Sache der Initiator war. Hier führte das Personal. (Wenn SICK von sich aus darauf hingewiesen hätte, dann würde ich das in meinem Blog nicht thematisieren.)

Der Titel der DGFP-Veröffentlichung ist: Viele Unternehmen stehen noch am Anfang – mit der Beurteilung psychischer Belastungen betreten Unternehmen Neuland.

Anfang – ja, neu – nein. So neu ist das Land nicht. Die Betriebsleitungen wollten eben anfangs nur nicht hören, welche Pflichten sie haben. Mitarbeiter, die ihre Unternehmensleitungen darauf aufmerksam machten, ernteten dafür in der Regel keinen Dank. Einige tragen auch Verletzungen davon.

Zur Statistik:

[...] Nur etwa jeder zweite Betrieb (51 %) konnte laut den Ergebnissen eine Gefähr­dungsbeurteilung vorweisen. Am besten schnitten dabei die Großbetriebe ab. [...]

Wirklich? Ich bin mir da nicht so sicher. Großbetriebe mit Compliance-Abteilungen wissen besser als Kleinbetriebe, was eigentlich im Arbeitsschutz von ihnen verlangt wird. Dass sie psychische Belastungen nicht in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen haben, geben Großunternehmen deswegen weniger offen zu, als kleinere Unternehmen, die es wirklich nicht genau wissen. KMUs, die Mängel bei sich nicht erkennen, verstecken diese Mängel natürlich auch nicht.

Großbetriebe können außerdem oft mit beeindruckenden Zertifikaten für Arbeitsschutzmanagementsystemen herumwinken, die von Auditoren erteilt wurden, die über mehrere Audits (ohne Betriebsratsbeteiligung) hinweg ganz offensichtliche Mängel ignorierten. Das ermöglicht auch unwahre Angaben von Großunternehmen im offiziellen Jahresgeschäftsbericht.

Und die Gewerbeaufsicht ist auch ziemlich nett zu Großunternehmen. Betriebsräte, die sich dort von der Gewerbeaufsicht beeindrucken lassen, trauen sich dann nicht, die unkritischen Feststellungen der Behörde in Frage zu stellen. Da ist es für die Arbeitnehmervertretung schwerer, zu führen.

Arbeitgeber fürchtete Beratung durch Betriebsrat

Freitag, 17. Oktober 2014 - 23:06

Deutsche Zustände: http://www.dgbrechtsschutz.de/recht/arbeitsrecht/arbeitsvertrag/dumpingloehne-und-union-busting-bei-werkvertragsunternehmen/

[...] Bedingung für diesen Job, so schwarz auf weiß, ist der Austritt aus der Gewerkschaft und ein Verzicht auf Beratung durch den Betriebsrat! [...]

Der Arbeitgeber lernte aber dazu: http://www.verdi.de/themen/nachrichten/++co++d3a8c2c8-5454-11e4-a129-5254008a33df

Interessiert sich die Gewerbeaufsicht überhaupt ernsthaft dafür, ob in einem geprüften Betrieb die Betriebsräte ihrer Pflicht zur Mitbestimmung im Arbeitsschutz wirklich gerecht werden können?

Schläft die Gewerbeaufsicht in Gladbeck?

Samstag, 5. Juli 2014 - 06:49

http://arbeitsunrecht.de/interclean-im-centro-oberhausen_dreckiger-geht-es-nicht/

… Starker Tobak im Herzen des Ruhrgebiets: Ein autoritärer Chef setzt eine breite Palette von Union Busting Methoden gegen neu gewählten Betriebsrat ein. Gewerkschafter werden systematisch aus der Firma gemobbt. Hinzu kommt eine ungute Verfilzung der Putzfirma mit dem Management des CentrO Oberhausen – laut wikipedia die größte Shopping-Mall Europas, rund 23 Millionen Besucher im Jahr. Wir fragen uns: Was macht eigentlich die zuständige Staatsanwaltschaft? …

Aber dann wird doch noch über den richtigen Weg berichtet:

… Die Interclean-Beschäftigten sollten sich trotzdem zur Wahl aufstellen lassen, denn Helmuth Barkowski und sein Anwalt Martin Löbbecke werden demnächst vermutlich Nachhilfe bezüglich des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) bekommen. Gewerkschaftssekretärin Gerlinde Schenk bereitet einen Strafantrag wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit nach §119 des BetrVG vor. …

Wenn die Betriebsratsarbeit behindert wird, macht die Staatsanwaltschaft von sich aus nichts. Der Betriebsrat muss klagen. Das ist nicht einfach. Soweit der Grund, warum Arbeitgeber auch in Deutschland oft ganz ungehemmt strafbare Handlungen begehen können ohne dass sie bestraft werden. Besser sieht es aus, wenn sich die Gewerkschaft darum kümmert. Das darf sie. Massiv unter Druck gesetzt, würden sich auf sich alleine gestellte Betriebsratsmitglieder in der Praxis kaum ohne Nachteile gegen Schikane wehren können.

Während die Staatsanwaltschaft unbeteiligt zusehen darf, hätte aber eine andere Institutionen die Pflicht, proaktiv einzuschreiten, wenn ein Arbeitgeber Mitarbeiter mit psychischen Fehlbelastungen unter Druck setzt. Physische Fehlbelastungen (ungeheiztes Betriebsratsbüro im Container) entsprechen auch nicht den Anforderungen des modernen Arbeitsschutzes. Die zuständigen Aufsichtsbehörden haben dafür zu sorgen, dass der Arbeitgeber sich an die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetztes hält und sowohl psychische wie auch physische Fehlbelastungenbelastungen mindert anstatt damit Druck auf Mitarbeiter auszüben. Vorsätzliche Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz sind strafbar. Wir fragen uns: Was machen eigentlich die zuständige Gewerbeaufsicht und die zuständige Berufsgenossenschaft?

 


2014-07-07: Habe heute erfahren, dass inzwischen der Bruder des Arbeitgebers der Arbeitnehmervertreter ist…

GULMO webt besser

Mittwoch, 18. Juni 2014 - 21:16

Das Forschungs- und Beratungsinstitut GULMO hat sich inzwischen viel besser ins Web verwoben, als zu den Zeiten, in denen ich Norbert Gulmo (ein promovierter Psychologe mit Betriebsratserfahrung und einer ungewöhnlichen Vita) kennenlernte. Das bedeutet allerdings auch, dass viele meiner “deep links” in die alten Seiten des früheren Webauftrittes nicht mehr funktionieren. Für’s reparieren der Links bin ich in meiner Pause zu faul, aber ein Hinweis auf das Institut ist diese kleine Pausenunterbrechung in jedem Fall wert.

Kontextgesteuerte Werbung

Donnerstag, 13. Februar 2014 - 23:05

Ich kann nicht garantieren, dass die gleiche Werbung noch einmal zu sehen ist.

Fehlbelastungsmeldung: Der Betriebsrat hilft

Dienstag, 3. September 2013 - 07:58

Pressemeldung des TÜV (TÜV-Arbeitsmediziner vom Arbeitskreis Arbeitsmedizin beim Verband der TÜV e. V. (VdTÜV),
http://www.presseportal.de/pm/65031/2548073/psychische-belastungen-am-arbeitsplatz-nicht-warten-bis-es-zu-spaet-ist):

[...] Die TÜV-Arbeitsmediziner raten Arbeitnehmer andauernden psychischen Stress am Arbeitsplatz sowie Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch ernst zu nehmen und sich an ihren Arbeitgeber zu wenden, der im Zuge seiner gesetzlichen Fürsorgepflicht für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter sorgen muss. Der Mitarbeiter sollte den Arbeitgeber beauftragen, den Betriebsarzt anzurufen. Den medizinischen Grund der Anfrage muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht offen legen. Der Betriebsarzt stellt im Rahmen einer Arbeitsplatz- und Gefährdungsbeurteilung sowie individuellen Untersuchung des Beschäftigten die Ursachen für eine psychische Belastung fest. Ziele der Beratung sind gezielte individuelle Lösungen zur Suchtprävention und Stressabbau. Generell sollte der Schutz vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz so selbstverständlich sein, wie der Schutz vor Lärm oder Chemikalien. Die TÜV- Arbeitsmediziner betonen, dass Betriebsärzte gegenüber den Arbeitgebern der Schweigepflicht unterliegen, sodass betroffene Mitarbeiter keine Konsequenzen zu befürchten haben. Die Kosten des Betriebsarztbesuchs hat der Arbeitgeber zu tragen.

Die Arbeitsmediziner der TÜV-Unternehmen kümmern sich in Betrieben und Organisationen um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, unabhängig von der Berufsgruppe und Hierarchieebene. Sie beraten Arbeitnehmer individuell am Arbeitsplatz und -umfeld sowie Arbeitgeber im Rahmen ihrer gesetzlichen Führsorgepflichten in Bezug auf die Sicherheit der Mitarbeiter im Unternehmen. [...]

So könnte es theoretisch laufen. Praktisch gibt es Betriebsärzte (und Arbeitsschutzverantwortliche), die den fehlenden Einbezug psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung und ihren Betrieben jahrelang nicht angesprochen haben.

Arbeitnehmer sollten sich also zunächst an den Betriebsrat wenden und dort besprechen, an wen sie sich wenden könnten. Wenn der Betriebsrat aber schon mit den Begriffen “Belastung”, “Fehlbelastung”, “Beanspruchung”, “Verhältnisprävention” und “Verhaltensprävention” nichts anfangen kann, dann wird er seinen Klienten nicht gut helfen können. Ein Warnsignal ist auch, wenn Betriebsräte nicht einmal sicherstellen können, dass ihre eigene Belastungssituation in der Gefährdungsbeurteilung zu ihren Arbeitsplätzen ordentlich beschrieben wird. Solche Betriebsräte verstehen nicht, welche Pflichten der Arbeitgeber jenen Mitarbeitern gegenüber hat, die im sehr konfliktbehafteten Bereich des Personalwesens arbeiten. Wie soll der Betriebsrat Andere schützen, wenn er sich selbst nicht schützen kann?

Wichtig: Der Betriebsrat sollte auch wichtige Prioritäten kennen, die das Arbeitsschutzgesetz festschreibt. Gemäß Arbeitsschutzgesetz gilt: Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen. Zunächst muss der Arbeitgeber also versuchen, den Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Diese Priorität wird in der Pressemeldung des TÜV nicht so recht deutlich.

Psychologische Kampfführung

Sonntag, 1. September 2013 - 23:40

Der Einbezug psychischer Belastung in den Arbeitsschutz hat auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern. Manche hergebrachten Führungsmethoden müssten heute eigentlich in einer Gefährdungsbeurteilung beschrieben werden.

Beispielsweise kann der Arbeitgeber in den Besprechungen zwischen beiden Seiten sich weigern, zusammen ein Life-Protokoll so zu führen, wie das in den Projekt-Meetings in seinem Betrieb bereits seit einiger Zeit mit Laptop-Computer und Projektor gemacht wird. Ohne lästiges Protokoll kann der Arbeitgeber dann beim nächsten Meeting behaupten, dass über bestimmte Themen, für die er die Verantwortung hat, nicht so gesprochen wurde, wie der Betriebsrat das protokolliert hatte.

Der Arbeitgeber hat natürlich das Recht, Protokolle nicht so professionell führen zu lassen, wie das seine Mitarbeiter im sonstigen Geschäft mit professionellen Meeting Minutes tun. Seine unternehmerische Freiheit gibt ihm die Möglichkeit, hier dem Betriebsrat einmal zu zeigen, dass die Sitzungen mit dem Betriebsrat es nicht wert sind, so protokolliert zu werden, wie das in ernsthaften Besprechungen üblich ist.

John Tenniel (for Lewis Carroll): Mad Tea-Party
Damit Besprechungen, zu denen keine Ergebnisse verbindlich festgehalten werden dürfen, die Teilnehmer nun nicht allzusehr psychisch fehlbelasten, kann man wenigstens ein Tässchen Tee miteinander schlürfen.

Arbeitsbelastung von Arbeitnehmervertretern

Mittwoch, 3. April 2013 - 21:55

http://www.biomedcentral.com/1471-2458/12/909

[...] Background 

Using a data set of works councils of trade union IG Metal, this paper investigates psychosocial stress and strain on this specific group in comparison to employees working in administration in general (leadership and non-leadership-role) and a national reference value. [...]

Den Hinweis erhielt ich von Martin Rabe, München

Die Forschungsergebnisse wurden unter http://www.biomedcentral.com/1471-2458/12/909 in (symphatisch teutonischem) Englisch veröffentlicht. Die 10seitige deutsche Version ist sehr lesenswert:

Psychosoziale Aspekte der Arbeitsbelastung in industriellen Arbeitsbeziehungen
Martin Rabe, Salvatore Giacomuzzi & Matthias Nübling 

HeilberufeScience
e-ISSN 2190-2100

HBScience
DOI 10.1007/s16024-012-0116-1

Springer Medizin

[...]

Zusammenfassung

  • Zielstellung: Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Analyse psychosozialer Anforderungen und Belastungen von Betriebsräten sowie ausgesuchten Referenzgruppen.
  • Methodik: Mit einer quantitativen, deutschlandweiten Erhebung unter 309 Betriebsräten aus dem Bereich der Metall- und Elektroindustrie werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen freigestellten und nichtfreigestellten Betriebsräten sowie verschiedenen Vergleichsgruppen analysiert. Hierbei wird die deutsche Version des Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) genutzt, die anhand von 87 Punkten 25 Bereiche von Stress und Belastung bildet, um möglichst viele Aspekte psychosozialer Belastungen zu erfassen. Darüber hinaus werden Zusammenhänge zwischen absolvierten Seminaren und psychosozialen Belastungen betrachtet.
  • Ergebnisse: Betriebsräte weisen im Vergleich zu den betrachteten Referenzgruppen insgesamt höhere Belastungswerte auf. Eine zunehmende Zahl von Trainingsmaßnahmen führt zu positiveren Skalenwerten.
  • Schlussfolgerung: Auf Grundlage der analysierten Daten kommt der Beitrag zu dem Schluss, dass freigestellte und nichtfreigestellte Betriebsräte berufsbezogene Belastungen unterschiedlich wahrnehmen und im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in den meisten Skalen nachteilige Belastungswerte angeben. Ebenso führt eine zunehmende Zahl von Trainingsmaßnahmen zu positiveren Skalenwerten.

Schlüsselwörter:
Psychosoziale Belastungen • Industrielle Beziehungen • Betriebsräte • Stressbewältigung
[...]

 
Mir sind zu dem Thema auch noch zwei Doktorarbeiten bekannt. In diesem Blog gibt es auch mehrere Artikel zur Betriebsratsbelastung. Viele Betriebsräte trauen sich da nicht heran, aber es ist wie mit den Sauerstoffmasken im Flugzeug: Wer sich nicht zunächst um sich selbst kümmert, erstickt zusammen mit seinen Schutzbefohlenen.

PS: “Industrielle Arbeitsbeziehungen” klingt mir nach einem Anglizismus. Da ist wohl die direkte Übersetzung von “industrial relations” in’s Deutsche gewandert. Der Begriff steht für die Beziehungen und Interaktionen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaften, Betriebsräte).