Kategorie 'Betriebsvereinbarungen'

Guter Rat, aber um fast 20 Jahre zu spät

Donnerstag, 16. April 2015 - 08:08

Eine heutiges Rundschreiben von “Personal und Arbeitsrecht aktuell” hat den Betreff “Gefährdungsbeurteilung: Beziehen Sie jetzt auch psychische Belastungen mit ein”. Jetzt?? Die haben immer noch nicht begriffen, dass keine neuen Bestimmungen zur Berücksichtigung psychischer Belastungen in das Arbeitsschutzgesetz hineingeschrieben wurden, sondern dass sogar in der Begründung der Gesetzesänderung nachgelesen werden kann, dass hier bisher schon geltendes Recht nur klarer formuliert wurde.

Die Plicht zur Beurteilung psychischer Belastungen im Arbeitsschutz besteht seit 1996.

Zu Recht wird in der Email die Firma SICK AG gelobt. Die SICK AG ist ihrem Betriebsrat dafür sicherlich dankbar. Der Betriebsrat des Unternehmens griff das Thema der psychischen Belastungen bereits um die Jahrhundertwende herum auf und trieb es dann mit großen Einsatz voran. Andere Betriebsräte konnten davon lernen.

GULMO webt besser

Mittwoch, 18. Juni 2014 - 21:16

Das Forschungs- und Beratungsinstitut GULMO hat sich inzwischen viel besser ins Web verwoben, als zu den Zeiten, in denen ich Norbert Gulmo (ein promovierter Psychologe mit Betriebsratserfahrung und einer ungewöhnlichen Vita) kennenlernte. Das bedeutet allerdings auch, dass viele meiner “deep links” in die alten Seiten des früheren Webauftrittes nicht mehr funktionieren. Für’s reparieren der Links bin ich in meiner Pause zu faul, aber ein Hinweis auf das Institut ist diese kleine Pausenunterbrechung in jedem Fall wert.

Offensive betriebliche Mitbestimmung

Mittwoch, 9. April 2014 - 07:07

Aus einer praxisnahen Mitbestimmungsperspektive wird mit interessenpolitischer Absicht in einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung die gute Arbeit von Betriebsräten verdeutlicht. Diese Arbeit setzt aus Sicht der Stiftung das Zusammenwirken mit den Gewerkschaften im dualen System deutscher Arbeitsbeziehungen voraus. Gemeinsam mit dem DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften, gestützt auf Wissenschaft und externen Sachverstand, werden die Herausforderungen für die Zukunft der betrieblichen Mitbestimmung beschrieben. Die Studie möchte den Betriebsräten eine wirksame praktische Unterstützung bieten, alle Akteure der Mitbestimmung zur Diskussion anregen und damit die konzeptionelle Weiterentwicklung der Mitbestimmung vorantreiben.

http://www.boeckler.de/pdf/p_betriebl_mitbestimmung_online.pdf, S. 26ff:

[...]

Betriebsräte gestalten gute Arbeit mit betrieblichen Vereinbarungen

Betriebsräte machen den Unterschied. Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem eine repräsentative Beschäftigtenbefragung des DGB-Index „Gute Arbeit“ aus dem Jahr 2009. Danach gefragt, ob der Betriebsrat für die Beschäftigten wichtig oder sehr wichtig sei, antworteten 60 % der Arbeitnehmer mit „ja“. In Betrieben mit Betriebsrat beurteilten Beschäftigte insgesamt ihre Arbeitsbedingungen besser als in Betrieben ohne Betriebsrat. Im Einzelnen wird die Einkommenssituation mit Betriebsrat besser bewertet, ebenso die Arbeitsplatzsicherheit. In Betrieben mit Betriebsrat sei außerdem mehr Leistungsgerechtigkeit vorhanden und der Anteil von befristet Beschäftigten in niedrigen Lohngruppen sei deutlich geringer als in Betrieben ohne Betriebsrat.

[...]

Andere aktuelle Herausforderungen für die Gestaltung guter Arbeitsbedingungen sind die verstärkte Arbeitsverdichtung, die zunehmend fließende Grenze zwischen der Privatsphäre und dem beruflichen Alltag sowie die wachsenden psychischen Belastungen. Diverse Befragungen ergeben, dass Stress, Zeitdruck und ständige Erreichbarkeit zu Fehlbelastungen führen. Deshalb müssen Wege gefunden werden, um Fehlbelastungen zu verringern und somit auch alter(n)sgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Relevant hierfür sind beispielsweise Gefährdungsbeurteilungen. Der Arbeitgeber muss sie durchführen, das ist seit 1996 gesetzlich geregelt. Doch bislang haben sehr viele Unternehmen und Verwaltungen keine Verfahren für aussagekräftige Gefährdungsbeurteilungen etabliert. Ein positives Beispiel ist im Container Terminal Tollerort des Hamburger Hafens zu finden. Dort befasst man sich auf der Basis eines Konzerntarifvertrages aus dem Jahr 2007 mit dem demografischen Wandel, mit globalem Wettbewerb und betrieblicher Sozialpolitik. Altersstrukturanalysen und Qualifizierungsbedarfe werden jährlich erhoben. Auf diese Weise wird erkannt, wie Arbeit organisiert, gestaltet und die Personalentwicklung aussehen muss. Hinzu kommen Arbeitszeitmodelle für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Pflege sowie ein ausgereiftes Präventionssystem zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Details werden in Betriebsvereinbarungen geregelt. Inzwischen gibt es auch Gefährdungsbeurteilungen für psychische Belastungen.

Ein weiteres Beispiel ist die Rheinbahn in Düsseldorf. Dort entwickelten Betriebsräte gemeinsam mit dem Arbeitgeber eine Dienstplanregelung zur Entlastung der Kolleginnen und Kollegen im Fahrdienst. Im vergangenen Jahr wurden sie vom Deutschen Betriebsrätepreis dafür mit dem Sonderpreis für Gute Arbeit ausgezeichnet. Überstunden, Krankenstand und demografischer Wandel waren die Auslöser für die Initiative. Im Zentrum steht eine „Belastungsampel“ für die Gestaltung des Dienstplanes. Für jede Schicht wird die Gesamtbelastung anhand eines Kriterienkataloges mit Punkten bewertet. Bereits in der Schichtplanung ist schnell ersichtlich welcher Dienst „rot“ und somit stark belastend ist. Ziel ist, die roten Schichten zu eliminieren. Zusätzlich konnte Personal eingestellt werden.

Viele aktuelle Ansatzpunkte für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen liegen im klassischen Feld der Arbeitszeitgestaltung. Gerade flexible Arbeitszeitmodelle (Arbeitszeitkonten, Arbeitszeitkorridore, Gleitzeiten, Rufbereitschaften, Wochenendarbeit etc.) sind Hauptgegenstand in Betriebsvereinbarungen. Vor allem die Rücksichtnahme auf private und nicht der ausschließliche Vorrang betrieblicher Belange ist regelmäßig umkämpftes Terrain. Aber heute ist nicht mehr nur die Arbeitszeit flexibel, sondern in zunehmendem Maß auch der Arbeitsort und selbst die Inhalte der Arbeit. Wachsende Digitalisierung und Vernetzung in die Arbeitswelt, Fragen des Datenschutzes sowie Stress und psychische Fehlbelastungen sind aktuelle „Begleiterscheinungen“ und neue Themenfelder. DGB-Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach (2012) mahnt daher einen Stresstest nicht nur für Bahnhöfe, Atomkraftwerke oder Banken an, sondern auch „für die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen.“ In diesem Zusammenhang machte im Dezember 2011 eine Nachricht hinsichtlich des Umgangs mit mobilen Endgeräten Schlagzeilen. Es ging um die Regelung zur zeitlichen Beschränkung der Smartphone-Nutzung für Tarifbeschäftigte bei
Volkswagen: „Das Smartphone wird grundsätzlich während der Anwesenheit im Betrieb genutzt, außerhalb der Anwesenheit im Betrieb sind die Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt. Während des Zeitfensters von 18.15 Uhr bis 7.00 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfügung, alle anderen Anwendungen nicht.“ Der Betriebsrat hatte diese Regelung durchgesetzt, um die ständige Erreichbarkeit einzudämmen.

Zentrale Handlungsfelder zur Verringerung von Stress sind Arbeitszeitregelungen und Arbeitsüberlastung, Gesundheitsschutz, Kompetenzentwicklung und Personalpolitik. Entsprechende Ideen von Betriebsräten werden in verbindlichen Regelungen mit dem Arbeitgeber vereinbart: der Zugriff auf das Firmennetz für die Zeit der betrieblichen Gleitzeit wird begrenzt. Andere Regelungen betonen die Freiwilligkeit und legen fest, dass Beschäftigte außerhalb ihrer Arbeitszeit nicht erreichbar sein müssen. Oder Vorgesetzte werden verpflichtet, der Erwartungshaltung einer ständigen Erreichbarkeit der Beschäftigten entgegenzuwirken. Weitere Regelungen befassen sich mit transparenten Vertretungsregelungen für den E-Mail-Verkehr bei Krankheit und Urlaub. In einigen Bereichen wird zusätzlich bezahlte und geplante Rufbereitschaft eingerichtet, verbunden mit Sonderurlauben. Neue Regelungen sehen Kompetenzschulungen für die mobile Arbeitswelt und den angemessenen Umgang mit mobilen Endgeräten vor. Derlei Regelungen müssen ein Mindestmaß an Schutz bieten und zugleich Bedürfnisse von sehr unterschiedlichen Beschäftigtengruppen berücksichtigen. Ein solches Dilemma ist nicht immer lösbar. Um Konflikte mit Beschäftigten zu vermeiden, ist deren Beteiligung an der Gestaltung von Regelungen und Verfahrensweisen wichtig.

Betriebsräte sorgen für gute Arbeit und Arbeitsbedingungen. Weil technologischer Fortschritt, Digitalisierung, Vernetzung und Mobilität das Arbeitsleben verdichten und beschleunigen, entstehen neue Handlungsfelder für die betriebliche Mitbestimmung beim Thema gute Arbeit. Das bedeutet auch Mitbestimmung im Datenschutz und bei Leistungs- und Verhaltenskontrollen.

Für viele Beschäftigte wachsen individuelle Freiräume. Aber nicht für alle verbessern sich auch ihre Arbeitsbedingungen. Für Betriebsräte entsteht eine Zwickmühle: Einerseits geht es um den Schutz vor zu viel Arbeitsverdichtung und überhöhten betrieblichen Flexibilitätsanforderungen. Andererseits müssen wichtige individuelle Freiräume erhalten bleiben für Arbeitsorganisation und Zeitarrangements.[...]

[...]

Betriebsräte kämpfen für internationale Standards guter Arbeit

Der Einsatz von Betriebsräten für gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen endet längst nicht mehr am Werkstor oder an den nationalen Grenzen. Immer wieder machen Unfälle durch verheerende Arbeitsbedingungen Schlagzeilen: z. B. der Großbrand in einer Textilfabrik in Bangladesh im November 2012. Bereits im September 2012 waren 289 Arbeiter in Pakistan in einer Textilfabrik verbrannt. Aus der zynischen Sicht mancher Unternehmen, die gern in Entwicklungsländern produzieren lassen, sind diese Nachrichten schlecht fürs Geschäft. Deshalb bekennen sich gerade große Bekleidungshersteller seit Jahren zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, ihrer Corporate Social Responsibility (CSR). Es ist die freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen, sich im Kerngeschäft über das gesetzliche Maß hinaus für die Umsetzung sozialer und ökologischer Standards einzusetzen. Und in solchen Firmen es ist nicht selten der Druck von Betriebsräten, die aus Solidarität mit ihren Kollegen in den Entwicklungsländern vom eigenen Unternehmen eine wirkungsvolle Übernahme der Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen vor Ort und bei den Lieferanten einfordern.

CSR ist seit Jahren in aller Munde: Die Bundesregierung hat 2009 ein „Nationales CSR-Forum“ eingerichtet. In der Europäischen Union gibt es Diskussionen, in den Geschäftsberichten neben finanziellen Kennzahlen auch Angaben zur sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung verpflichtend zu machen. Die Vereinten Nationen bieten mit Global Compact ein Programm an, bei dem sich Unternehmen auf eine sozial verantwortliche Unternehmensstrategie verpflichten können.

Beispiele wie in Bangladesh oder Pakistan zeigen jedoch, dass CSR oft nur auf dem Papier existiert und es ein weiter Weg von der Selbstverpflichtung zur konkreten Umsetzung ist. Gelingen kann die Umsetzung nur, wenn die Interessenvertretungen der Beschäftigten in diesen Prozess einbezogen sind. Auch die Betriebsräte in Deutschland können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Das haben viele Unternehmensleitungen inzwischen selbst erkannt. Seit einigen Jahren erklären sich mehr und mehr international tätige Unternehmen bereit, mit den globalen Gewerkschaftsverbänden internationale Rahmenvereinbarungen auszuhandeln, die Unternehmen auf die Einhaltung sozialer Mindeststandards verpflichten. Auch in Bangladesh haben die meisten großen Handelsketten im Mai 2013 eine Vereinbarung mit den Gewerkschaftsverbänden UNI Global und IndustriALL unterzeichnet, um Arbeitsbedingungen, Brandschutz und Gebäudesicherheit in den Fabriken verbessern zu müssen.

Grundbestandteil solcher Regelungen ist die Verpflichtung der Unternehmen auf die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation: Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Kollektivverhandlungen, Verbot von Zwangsarbeit und Kinderarbeit sowie das Verbot von Diskriminierung und die Pflicht zur gleichen Bezahlung für gleichwertige Arbeit für Männer und Frauen. Darüber hinaus enthalten sie im Idealfall konkrete Pflichten für den Arbeits- und Gesundheitsschutz, zur Aus- und Weiterbildung, für Mindestlöhne und zur Vermeidung exzessiver Arbeitszeiten. Für die Umsetzung dieser Mindeststandards werden Verfahren zur Durchsetzung und Sanktionen geregelt sowie teilweise auch die Ausdehnung und Verpflichtung auf Zulieferer.

Aber auch bei diesen internationalen Rahmenvereinbarungen ergibt sich die Umsetzung nicht von selbst. Sie setzt voraus, dass an allen Standorten Personen existieren, die gegenüber der Konzernleitung für die Umsetzung verantwortlich sind, und auch eine Interessenvertretung der Beschäftigten vorhanden ist, die in die Umsetzung einbezogen ist. Internationale Rahmenvereinbarungen sind dann erfolgreich, wenn von Anfang an eine enge Verbindung zwischen den globalen Gewerkschaftsverbänden und den Interessenvertretungen vor Ort besteht. Hier kommen auch die Betriebsräte in Deutschland ins Spiel. Sie verfügen über Kenntnisse zu internen Prozessen und Strukturen im Unternehmen, die nötig sind, um Ansatzpunkte zu finden, Abteilungen einzubeziehen, Zulieferbeziehungen und Geschäftsprozesse zu beachten.

Wie mühsam die Umsetzung internationaler Rahmenvereinbarungen sein kann, zeigt sich aktuell am Beispiel Volkswagen. Der Weltbetriebsrat kämpft darum, die Rahmenabkommen in allen Standorten weltweit umzusetzen. In den USA stößt der Versuch, mit der US-Gewerkschaft UAW gemeinsam die Einrichtung einer betrieblichen Interessenvertretung im Werk Chattanooga anzustoßen, auf massiven Widerstand. In Italien dagegen wird die Umsetzung der VW-Charta der Arbeitsbeziehungen als Gegenmodell zu FIAT begrüßt. Dort werden von den Gewerkschaften drastische Zugeständnisse verlangt und trotzdem wird ein italienisches Werk nach dem anderen geschlossen.

Globale Rahmenvereinbarungen gibt es nicht nur in globalen Konzernen, sondern auch in deutlich kleineren. So hat die IG Metall gemeinsam mit der Bau- und Holzarbeiter Internationale und deutschen Schreibwarenherstellern wie Faber-Castell, Staedler und Schwan-Stabilo internationale Rahmenvereinbarungen getroffen, die weltweit nur wenige Tausend Beschäftigte haben. Hier übernehmen die deutschen Betriebsräte zum Teil selbst die Aufgabe, die Umsetzung der Vereinbarung in den ausländischen Standorten zu prüfen. Sie tun dies, weil sie wissen, dass die Existenz ihres Unternehmens in Deutschland auch davon abhängt, dass es weltweit als sozial verantwortliches Unternehmen wahrgenommen wird. In den internationalen Standorten gibt es bislang keine Interessenvertretung der Beschäftigten, sondern muss erst noch aufgebaut werden.

Gute Arbeitsbedingungen zu entwickeln, ist Bestandteil einer gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmensführung. Es ist ein mühseliges Unterfangen für Betriebsräte, entlang weltweiter und grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten Standards für gute Arbeit zu erkämpfen. Dabei liegt ein weiteres Motiv für deutsche Betriebsräte im Gedanken des Schutzes der eigenen Standards der Arbeitsbedingungen. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen weltweit hilft womöglich auch, Standortkonkurrenzen zu verringern.

Es ist mühselig für Betriebsräte, entlang weltweiter und grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten Standards für gute Arbeit zu erkämpfen. Aber gute Arbeit an weniger sozial geschützten Arbeitsplätzen hilft auch guter Arbeit an besser geschützten Orten. Betriebsräte in Deutschland machen sich deshalb mehr und mehr auch im eigenen Interesse auf den Weg, über ihre Europäischen Betriebsräte und mit den internationalen Gewerkschaftssekretariaten verbindliche internationale Rahmenabkommen zu erreichen. Der Anspruch muss sein, die Einhaltung der international vereinbarten ILO-Menschenrechte umzusetzen.

Für bessere Handlungsfähigkeit von Betriebsräten

Zwanzig Jahre geübte Praxis der Interessenvertretung in Europäischen Betriebsräten machten sie zu einem selbstverständlichen Element der Interessenvertretung in grenzüberschreitenden Unternehmen. Sie haben sich auf den Weg gemacht, mit den europäischen und internationalen Gewerkschaftssekretariaten gemeinsam verbindliche internationale Rahmenabkommen zu erreichen. Den Kernarbeitsnormen der ILO-Menschenrechte soll damit Geltung verschafft werden. Denn: Jeder Arbeitsplatz hat ein Gesicht, wo auch immer auf der Welt.

  • Betriebsräte sorgen für gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen. Weil technologischer Fortschritt, Digitalisierung, Vernetzung und Mobilität das Arbeitsleben verdichten und beschleunigen, entstehen neue Handlungsfelder für betriebliche Mitbestimmung und gute Arbeit. Die klassischen Schutzinteressen stehen demgegenüber jedoch nicht zurück.
  • Für viele Beschäftigte wachsen individuelle Freiräume. Aber nicht für alle verbessern sich auch ihre Arbeitsbedingungen. Für Betriebsräte entsteht eineZwickmühle: Einerseits geht es um den klassischen Schutz vor Überforderung. Andererseits muss die betriebliche Mitbestimmung den Autonomiewünschen der Beschäftigten stärker entgegenkommen. Auch deshalb muss der Betriebsrat neue Kommunikationsformen in der direkten und unmittelbaren Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern finden.
  • Die betriebliche Mitbestimmung leistet konstruktive Beiträge, um die Innovationskraft von Unternehmen zu erhöhen. Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen verbessern sich. „Gute Arbeit“ entsteht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Betriebsrat klar Stellung bezieht und auch bereit ist, Konflikte mit dem Management einzugehen, um seine Ziele zu erreichen.
  • Die Kurzfristigkeit von Renditeanforderungen internationaler Kapitalgeber hat das Handeln und Spielräume für das Management verändert. Damit muss auch der Betriebsrat umgehen. Der Umgang mit Maßnahmen mit kurzfristigen Kostensenkungseffekten oder zur Restrukturierung ganzer Bereiche ist mehr und mehr zum Alltag von Betriebsrat und Gewerkschaften geworden.
  • Die Unternehmensmitbestimmung ist eine Erfolgsgeschichte, weil Betriebsratsmitglieder über ihr Mandat im Aufsichtsrat die betriebliche Mitbestimmungsagenda voranbringen können. Idealtypisch wird mit der Montanmitbestimmung vorgelebt, wie paritätische Mitbestimmung erfolgreich zum Wohl von Arbeitnehmern und Unternehmen praktiziert werden kann.
  • Professionalität des Betriebsrates kombiniert sich aus Erfahrung, erworbenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen. Eine entsprechende formale Anerkennung und Vergütung entlang transparenter Grundsätze wäre ein Signal von Wertschätzung für das Wahlamt Betriebsrat.

 

Links:

BMAS: Mitbestimmung ist Voraussetzung für BGM

Donnerstag, 12. Dezember 2013 - 07:26

http://www.regierung.oberpfalz.bayern.de/download/gewerbeaufsicht/medz_arbeitsschutz/betriebl_gesundheitsmanagement/gabegs.pdf

[...] Ziel des Betrieblichen Gesundheitsmanagents (BGM)

Prävention muss als dauerhaftes und wirtschaftliches Instrument zum Schutz, zur Pflege und zur Förderung der Organisationsressource „Gesundheit“ verstanden werden: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) birgt die Chance in sich, den gesetzlichen Pflichtauftrag nach ASiG und Arbeitsschutzgesetz und das unternehmerische Interesse an gesunden, motivierten und leistungsfähigen Mitarbeitern zu verbinden.

BGM setzt allerdings

  • eine Aushandlung zwischen Arbeitgeber und Betriebs- und Personalrat innerhalb des Betriebes [Mitbestimmung]
  • und den Willen zu einem kontinuierlichen und systemischen Vorgehen [Auditierbarkeit]

voraus.

Kennzeichnend ist die Entwicklung betrieblicher Rahmenbedingungen, Strukturen und Abläufe, die

  • eine gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation [Verhältnisprävention]
  • und die Befähigung zum gesundheitsförderlichen Verhalten der Mitarbeiter [Verhaltensprävention]

zum Ziel haben. [...]

(psybel.de: Anmerkungen in eckigen Klammern und Hervorhebungen eingefügt, Layout verändert)

Quelle: Psychische Gesundheit im Betrieb,
Bundesministerium für Arbeit und Soziales Dezember 2011
,
Zitiert in: GABEGS, Ganzheitliches Betriebliches Gesundheitsmanagementsystem des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
Vortrag in der Bayerischen Justizvollzugsschule SR am 21.11.2012
Dr. Beitner Gewerbearzt
Regierung der Oberpfalz – Gewerbeaufsichtsamt

Für die Mitbestimmung sind kompetente und sich proaktiv engagierende Arbeitnehmervertreter eine wichtige Voraussetzung.

Verordnung soll Arbeitsschutzgesetz konkretisieren

Dienstag, 16. April 2013 - 22:16

http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/3928216/2013-04-16-bgv-psychische-belastungen.html

Verordnung zum Arbeitsschutzgesetz

Mehr Schutz vor psychischer Belastung bei der Arbeit

Hamburg bringt mit Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen bundesweite Verordnung zum Arbeitsschutzgesetz auf den Weg

16. April 2013

Psychische Belastungen bei der Arbeit gehören inzwischen zu den wesentlichen Ursachen für Gesundheitsgefährdungen in der Arbeitswelt, für Fehlzeiten und Frühverrentungen. Auch jeder zweite Arbeitgeber hält arbeitsbedingten Stress für ein wichtiges Thema. Aber nur wenige Betriebe haben eine Strategie, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Gefährdungen durch psychische Belastung zu schützen. Der Umgang mit arbeitsbedingter psychischer Belastung ist im Arbeitsschutz bislang unzureichend gesetzlich geregelt. Hamburg hat deshalb gemeinsam mit Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen den Entwurf einer bundesweiten Verordnung mit verbindlichen Anforderungen an Unternehmen erarbeitet. Das Arbeitsschutzgesetz soll zukünftig durch diese Verordnung konkretisiert werden. Einen entsprechenden Antrag bringen die Länder im Mai in den Bundesrat ein. [...]

Unabhängig von seinem politischen Schicksal ist dieser Verordnungsentwurf eine gute Darstellung der wichtigsten Probleme bei Umsetzung der Arbeitsschutzverordnung in den Betrieben. Alleine deswegen ist der Entwurf sehr hilfreich. Arbeitnehmervertreter können ihn jetzt schon (ggf. zusammen mit Standards für Arbeitsschutzmanagementsysteme) und aktuellen Handlungsanweisungen (GDA und LASI) bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen verwenden.

 
http://www.focus.de/finanzen/news/wirtschaftsticker/roundup-bundesratsinitiative-fuer-mehr-schutz-bei-psychischen-belastungen_aid_961809.html

[...] Die Handelskammer lehnte eine solche Verordnung dagegen ab. „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ist eminent wichtig, aber sie kann nicht gesetzlich verordnet, geschweige denn durch neue bürokratische Auflagen für die Betriebe herbeigeführt werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Ähnlich äußerte sich die CDU-Opposition. „Statt Stress abzubauen, wird so durch die Befragung nur zusätzlicher Stress und Druck in den Betrieben aufgebaut“, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Hjalmar Stemmann.

Zur Handelskammer und zur CDU-Opposition in Hamburg:

  • Hans-Jörg Schmidt-Trenz kennt vermutlich die Gesetze seit 1996 und die Rechtsprechung spätestens seit 2004 nicht. Es wäre besser, wenn Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz nicht gesetzlich verordnet werden müsste. Aber die Unternehmen haben ihre Chance nicht genutzt. Die nun nötigen Maßnahmen haben sie sich darum selbst zuzuschreiben.
  • Hjalmar Stemmanns Behauptung vom Befragungsstress wird von Betrieben wiederlegt, die vernünftige Befragungen durchführten. Auch Gesundheitsexperten können sich irren. Außerdem geht es um viel mehr als nur um Befragungen.

 
Der FOCUS hat sich vielleicht hierhin gegoogelt: http://www.hk24.de/servicemarken/presse/pressemeldungen/2384766/Handelskammer_Hauptgeschaeftsfuehrer_Prof_Schmidt_Trenz_zur_Ver.html

Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Prof. Schmidt-Trenz zur Verordnung zum Arbeitsschutzgesetz für mehr Schutz vor psychischer Belastung bei der Arbeit

“Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ist eminent wichtig, aber sie kann nicht gesetzlich verordnet, geschweige denn durch neue bürokratische Auflagen für die Betriebe herbeigeführt werden. Statt praktische Handlungsanleitungen zu geben und gute Beispiele herauszustellen und deren Nachahmung zu fördern, werden die Betriebe mit standardisierten Unterweisungs-, Berichts- und Kontrollpflichten befrachtet. Was dies der psychischen Gesundheit nutzen soll, bleibt im Dunkeln. Gerade kleine und mittlere Unternehmen brauchen nicht mehr zeitliche Belastung durch mehr Bürokratie, sondern mehr Zeit für die Zuwendung im Team und gegenüber den Kunden.” [...]

Nach den standardisierten Pflichten lechzen viele Unternehmen jetzt zunehmend selbst, weil ihnen nichts besseres einfällt. Das kommt davon, wenn man vergisst, dass Unternehmensleitungen und Arbeitnehmervertretungen hier zusammen unbürokratische und betriebsgerechte Lösungen finden könnten. Schmidt-Trenz kennt wohl auch nicht die praktischen Handlungsanleitungen z.B. der Berufsgenossenschaften.

Auf Initiative der Handelskammer gibt es auch ein Projekt zur psychischen Gesundheit (http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/2240026/2010-05-06-bsg-gesundheitswirtschaft.html). Wenn man genau hinguckt, geht es wieder um psychische Erkrankungen, ihre Entdeckung, Behandlung usw. Immer wieder stoßen wir auf solche guten Taten der auf den Einzelnen abzielenden Verhaltensprävention und Verhaltensmodifikation, mit den aber die Verhältnisprävention und der Arbeitsschutz zur Seite gedrängt werden. Verhältnisprävention bedeutet, dass Unternehmer ggf. an ihren Unternehmen etwas ändern müssen, z.B. ihre Führungskultur. Das mögen Unternehmer wohl nicht so sehr. Lieber rufen sie ihre Mitarbeiter auf, für ihre eigene Gesundheit zu sorgen und ihr Verhalten zu verändern.

Genau wegen dieser Einstellung brauchen wir leider eben doch eine das Arbeitsschutzgesetz konkretisierende Verordnung.

 
http://www.cdu-hamburg.de/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/psychische-belastungen-lassen-sich-nicht-durch-mitarbeiterbefragungen-reduzieren.html

Psychische Belastungen lassen sich nicht durch Mitarbeiterbefragungen reduzieren

16.04.2013

Heute wurde in der Landespressekonferenz ein Entwurf des SPD-Senats zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastung bei der Arbeit vorgestellt.

Dazu erklärt Hjalmar Stemmann, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion:

„Die von der SPD vorgesehene verpflichtende Mitarbeiterbefragung am Arbeitsplatz leistet keinen Beitrag zur sinnvollen Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Statt Stress abzubauen, wird so durch die Befragung nur zusätzlicher Stress und Druck in den Betrieben aufgebaut.

Die SPD setzt wieder einmal auf von oben verordnete Reglementierungen. Dabei liegt es doch im Interesse der Beteiligten, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und diese in den Betrieben anzuwenden. Besonders unverständlich und irritierend ist, dass Senatorin Prüfer-Storcks die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburger Behörden nicht im Sinne ihrer eigenen Verordnung schützen möchte. Anderen etwas aufzuzwingen, was man selbst nicht macht, ist scheinheilig. Bei dem deutlich über dem Durchschnitt der Wirtschaft liegenden Krankenstand in den Hamburger Behörden ist hier am ehesten Handlungsbedarf gegeben.

Da wird die Senatorin nun etwas erklären müssen.

Ansonsten zeigt die Kritik Stemmanns an Befragungen Unverständnis für die Reihenfolge der Schritte im Arbeitsschutz. Das ist Grundlagenwissen. Befragungen sollen keine (psychischen) Belastungen reduzieren, sondern sie sind eines von vielen Instrumenten des Arbeitsschutzes zur Beurteilung von Arbeitsplätzen. (Das gilt auch für die Arbeitsplätze in Stemmanns Unternehmen.) Erst aus der Auswertung der Befragungen ergibt sich dann, ob (psychische) Fehlbelastungen reduziert werden müssen.

 
http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article115350760/Stadt-im-Fokus.html

[...] Wie die “Welt” berichtete, sollen Unternehmen demnach verpflichtend ermitteln, ob und welche Gefährdungen für ihre Mitarbeiter auftreten. In der Gesundheitsbehörde sei eine derartige Untersuchung in Vorbereitung, sagte Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Dienstag. Die übrigen Behörden sollen diesem Beispiel folgen. [...]

Jetzt ist es wieder Hjalmar Stemmann, der etwas erklären muss. Allerdings bleiben Fragen an Cornelia Prüfer-Storcks: Wie wurden psychische Belastungen in den Hamburger Behörden in der Vergangenheit beurteilt?

Ist es nicht so, dass wir alle in den letzen beiden Jahren viel dazugelernt haben?

Ein Deutsch-Polnisches Handbuch

Dienstag, 9. April 2013 - 07:03

http://qfc.de/qfc.de/fileadmin/inhalte/Europakompetenz/Downloads/handbuch_europart_1_09_ohne_hintergrund.pdf

Betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz für Fachakteure und Sozialpartner

Deutsch Polnisches Handbuch
[...]
Herausgeber: Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH 2008
Autoren: Dieter Kropp, Magdalena Mazik-Gorzelanzyk

Aus dem Vergleich der Betriebsratsfunktionen zwischen Deutschland und Polen lernen wir hier etwas über beide Seiten.

Übrigens: OHSAS 18001 ist zwar schon weltweit verbreitet, aber nur in England und Polen ist der Standard eine offizielle Norm. Das Dokument ist eine der wenigen mir bekannten Handreichungen, in der auch mit der polnischen Norm PN-N-18002 gearbeitet wird, also mit PN-N-18001 plus Umsetzungshilfen. Das ist vielleicht doch ein Hinweis auf eine engagiertere Einstellung der Akteure im Arbeitsschutz.

S. 12:

[...] Die Verhandlungen über diese Vereinbarung begannen 2005 und endeten 2007 mit dem Abschluss einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. In der Präambel wird als Ziel formuliert, dass die Sicherheit und der Gesundheitsschutz in allen Arbeitsbereichen auf einem möglichst hohen Niveau gehalten und verbessert werden soll. Es heißt weiter: „Zu diesem Zweck werden Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, die sich aus physischen und psychischen Belastungen ergeben können, und Maßnahmen zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit ermittelt und aufgegriffen. Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sind mit gleicher Gründlichkeit, mit vergleichbarem Verantwortungsbewusstsein und unter Anwendung der gleichen Methodik anzugehen wie die Bemühungen um Qualität, Produktivität und Wirtschaftlichkeit.“ [...]

(Hervorhebung nachträglich eingefügt)

So sollte es sein. Mittlerweile habe ich aber gelernt, dass solche schönen Regelungen ohne sehr aktive, kompetente und durchsetzungsfähige Betriebsräte nie in der Praxis ankommen.

Den hier zitierten Satz könnte man gut in Betriebsvereinbarungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz einbauen.

Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung

Montag, 11. März 2013 - 07:24

http://www.igbce-bws.de/seminare/BWS-028-611001-13

ARBEITS- UND GESUNDHEITSSCHUTZ – GRUNDLAGEN
Seminar-Nr.: BWS-028-611001-13
Brennpunkt psychische Belastung – Ein Thema der Gefährdungsbeurteilung
Betriebsvereinbarungen zu diesem Thema gestalten!

Veranstaltungstermin:
07.07.2013 bis 12.07.2013

Veranstaltungszeitraum:
5 Tage, Beginn abends, Ende mittags

Veranstaltungsort:
Wilhelm-Gefeller-Bildungszentrum
(31848 Bad Münder)

Das Arbeitsschutzgesetz bleibt ein Rahmengesetz

Samstag, 9. März 2013 - 14:37

Dieser Artikel wurde durch einen Blogeintrag in blog.humanresourcesmanager.de zur vorgesehenen Änderung des Arbeitsschutzgesetzes angeregt (http://blog.humanresourcesmanager.de/2013/03/08/psychische-belastungen-bei-der-arbeit/):

[...] Auch wenn es zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Grundlage dafür schafft, dass das betriebliche Gesundheitsmanagement auch auf psychische Belastungen ausgeweitet werden kann, bleiben in der Praxis weiterhin viele Fragen offen. Insbesondere ist es für das Unternehmen nach wie vor schwer, zu erkennen, ob ein Arbeitnehmer tatsächlich psychisch erkrankt ist oder unter dem Deckmantel eines Burn-outs eine Krankheit lediglich vortäuscht und hierdurch umfangreiche Kosten verursacht [...] 

Jens Ginal erläutert auch,

  • dass bereits in der Vergangenheit galt, dass der Arbeitgeber auch dafür Sorge tragen muss, die Arbeitnehmer vor allen Faktoren zu schützen, die eine psychische Erkrankung auslösen können und
  • dass nach der vorgesehenen Änderung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) im Rahmen der nach § 5 Abs. 3 ArbSchG zu berücksichtigenden Gefährdungsfaktoren auch „psychische Belastungen bei der Arbeit“ einzubeziehen sind.

Weil gemäß Arbeitsschutzgesetz Arbeitsplätze beurteilt werden und nicht Erkrankte, geht Jens Ginals Hinweis auf offen bleibenden Fragen in die falsche Richtung. Ob ein Arbeitnehmer tatsächlich psychisch erkrankt ist oder eine Krankheit lediglich vortäuscht, ist kein Problem des Arbeitsschutzgesetzes. Das Arbeitsschutzgesetz ist so konstruiert, das Arbeitgeber genau auf diese Frage nicht ausweichen können. Da kann es dann z.B. darum gehen, ob bei einem Arbeitsplatz vorgetäuscht wird, ob er psychisch fehlbelastend sei, oder nicht ;-) Es kann ja auch vorkommen, dass Gefährdungsbeurteilungen falsch und Arbeits(platz)beschreibungen nicht realistisch sind. Es gibt Unternehmen, die selbst krasse Fälle psychischer Fehlbelastungen vor Audits verstecken.

Außerdem schafft der Gesetzgeber keine gesetzliche Grundlage dafür, dass das “Betriebliche Gesundheitsmanagement” (BGM) auch auf psychische Belastungen ausgeweitet werden kann. Diese Grundlage gibt es schon seit 1996. Sondern der Gesetzgeber schafft nun nur noch eine Grundlage für weniger Streit bei der Umsetzung der geltenden Vorschriften des Arbeitsschutzes: Spätestens im Jahr 2004 machte das BAG klar, dass der vorgeschriebene Arbeits- und Gesundheitsschutz (das freiwillige BGM ist hier kein Thema) seit Bestehen des Arbeitsschutzgesetzes auch auf psychische Belastungen ausgeweitet wurde. Die Arbeitgeber sollen nicht so tun, als ob das jetzt erst nach einer Änderung des Arbeitsschutzgesetzes klar werden würde.

 
Tatsächlich bleiben aber auch im geänderten Arbeitsschutzgesetz Fragen offen, und zwar mit Absicht: Wie sollen “psychische Belastungen bei der Arbeit” als Gefährdungsfaktoren berücksichtigt werden? Wo ist die Grenze zwischen Belastung und Fehlbelastung? Dass diese Fragen offen bleiben, liegt daran, dass das Arbeitsschutzgesetz (im Gegensatz zu der von den Ländern vorgeschlagenen “Anti-Stress-Verordnung”) ein Rahmengesetz geblieben ist, innerhalb dessen der Arbeitgeber den Arbeitsschutz betriebsnah gestalten muss. So wollten die Arbeitgeber das Ende des letzten Jahrhunderts. Sie argumentierten, dass bei zu engen konkreten Vorgaben in den unterschiedlichen Unternehmen keine betriebsgerechten Lösungen möglich seien. Die Erarbeitung konkreter Normen wurde also aus der Legislative in die Betriebe verlagert. Dass das Arbeitsschutzgesetz seit 1996 viele Fragen offen lässt, ist die logische Konsequenz aus diesem von den Arbeitgebern gewünschten und in einer eropäischen Richtlinie entsprechend bestimmten Vorgehen. Genau aus diesem Grund gehört zur Gestaltungspflicht der Arbeitgeber die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertreter.

Der weite Rahmen, den das Arbeitsschutzgesetz bietet, bedeutet nun aber nicht, dass ein Arbeitgeber beispielsweise einfach fünf Punkte zur psychischen Belastung (wobei der letzte Punkt 10.5 ein noch auszugestaltendes “Sonstiges” ist) aus einer Leitlinie der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzinitiative (GDA) in Vordrucke zur Gefährdungsbeurteilung eintragen und dann behaupten kann, es gäbe keine festen Vorgaben, mit denen sich Pflichtverletzungen nachweisen ließen. Manche Arbeitgeber “vergessen” hier nämlich das Betriebsverfassungsgesetz und die Urteile des BAG (z.B. 2004) zur Gefährdungsbeurteilung. Wendet der Arbeitgeber in einem Betrieb mit Arbeitnehmervertretern ein derart zusammengebasteltes Formular ohne Respekt für die Mitbestimmung an, dann stellt sich sogleich die Frage, ob er ein Straftäter ist, weil er die Mitbestimmung behindert hat. Einsetzen darf der Arbeitgeber solche Formulare erst, wenn er auch Prozesse gestaltet hat, mit denen dieses Formular nachvollziehbar ausgefüllt werden können. Die Arbeitnehmervertreter können bei der Gestaltung mitarbeiten, in jedem Fall müssen sie aber nach Abschluss der Gestaltung und vor der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen mitbestimmen.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können z.B. mit einer Betriebsvereinbarung regeln, wie psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung (und auch in die vorgeschriebene Unterweisung der Mitarbeiter) einbezogen werden sollen. Können sie sich nicht einigen, dann hilft zunächst eine Einigungsstelle. Wie auch immer, auf die Mitbestimmung darf keinesfalls verzichtet werden. Sie ist auch für die Arbeitnehmervertreter nicht nur ein Recht, sondern eine unabdingbare Pflicht, denn im Betriebsverfassungsgesetz steht nicht, dass sie mitbestimmen dürfen, sondern dass sie mitzubestimmen haben. Das ist sogar manchen Pesonal- und Betriebsräten immer noch nicht klar.

Übrigens: Die GDA hat nicht von Null angefangen. Der LASI leistete eine enorme Vorarbeit.

Hallo??

Montag, 4. Februar 2013 - 08:11

http://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/psychische-belastungen-in-der-gefaehrdungsbeurteilung_94_162886.html

04.02.2013
Konsequenzen aus dem Stressreport 2012
Psychische Belastungen gehören in die Gefährdungsbeurteilung …

… Nicht warten, sondern handeln

Es wird voraussichtlich noch eine Weile dauern, bis es allgemein gültige Messverfahren und Grenzwerte geben wird. Doch können Gesundheits- und Arbeitsschützer im persönlichen Gespräch, mit Hilfe von Umfragen oder anonymen Fragebögen ermitteln, ob und welche psychischen Belastungen es an einem Arbeitsplatz gibt und entsprechende Maßnahmen im Unternehmen veranlassen, damit es zur Entlastung kommt.

Es geht schon los: Jetzt sind ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen “Konsequenzen aus dem Stressreport 2012″. Ist das nicht ein bisschen zu spät? Ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen sind schon seit 1996 Konsequenzen aus dem Arbeitsschutzgesetz.

Auch wieder dabei: die Erwartung “allgemein gültiger Messverfahren und Grenzwerte”. Dabei wollten die Arbeitgeber vor 16 Jahren genau das nicht. Sie wollten betriebsspezifische Lösungen. Ja was denn nun? Aber vielleicht war es so, dass die Arbeitgeber hofften, ohne “allgemein gültige” Regeln eigentlich gar nichts tun zu müssen.

Warum weist haufe.de nicht auf den vorgesehenen Weg hin: Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren innerhalb des weiten Rahmens des Arbeitsschutzgesetzes Regeln, wie psychische Belastungen betriebsspezifisch in den Arbeitsschutz zu integrieren sind. Hier sind weiterhin Betriebsräte und Personalräte gefordert. Es geht um ihre Mitbestimmungspflicht.

Mitwirkung bei der AMS-Gestaltung

Mittwoch, 7. November 2012 - 07:39

BAuA: Sicherheit und Gesundheit mit System, (2011, 70 Seiten)
http://www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/A35.pdf?__blob=publicationFile&v=9


Auch wenn es im Arbeitsschutz in der Regel nicht üblich ist, für bestimmte Aufgaben ein Projekt zu starten und ein Projektmanagement zu praktizieren: Die Einführung eines AMS scheitert, wenn sie nicht professionell geplant und gemanagt wird. Die im Unternehmen vorhandenen Erfahrungen im Projektmanagement sollten daher genutzt werden.

Das nachfolgend dargestellte Projektmanagement kann als Leitfaden für die Einführung eines AMS auch in anderen Unternehmen verwendet werden (siehe hierzu auch die ausführliche Darstellung „AMS richtig einführen“ in Ritter 2011).

 

Projekt starten

Der Betriebsleiter veranstaltete ein Startmeeting mit allen Führungskräften, Vertretern des Betriebsrates, der Sicherheitsfachkraft, dem Betriebsarzt und dem externen Berater. Es wurde eine Projektgruppe gegründet und mit der Konzeption und Koordination der Einführung eines betriebsspezifischen AMS beauftragt. Der Projektgruppe gehörten als ständige Mitglieder an: der Betriebsleiter, Vertreter des Betriebsrates, die Sicherheitsfachkraft, der externe Berater sowie (nach seiner Ernennung) der AMS-Beauftragte. Bei Bedarf oder Interesse wurden weitere Mitglieder (z. B. der Betriebsarzt) und Gäste eingeladen. Die Projektgruppe traf sich je nach Projektfortschritt ca. alle sechs Wochen bzw. bei Bedarf. Sie hatte folgende Aufgaben:

  • Festlegung einer geeigneten Projektorganisation,
  • Gründung und Beauftragung von Arbeitsgruppen,
  • Steuerung der Entwicklung des betriebsspezifischen AMS-Konzeptes,
  • Diskussion, Abstimmung und Inkraftsetzung der von den Arbeitsgruppen entwickelten Festlegungen (AMS-Struktur, AMS-Elemente etc.),
  • Information der Belegschaft,
  • Bewertung des Projektfortschrittes sowie
  • Korrektur der Vorgehensweise, Festlegungen etc. bei Bedarf.

Siehe auch: LV 54