Schlagwort 'Psychische Faktoren (GDA)'

Aus Fünf mach Vier

Sonntag, 13. April 2014 - 12:46

Arbeitgeber halten sich jetzt beim Einbezug psychischer Belastungen zunehmend an vier “psychischen Faktoren” fest, die man in einer Leitlinie der GDA findet:

  • Arbeitsaufgabe und deren Auswirkungen auf die Mitarbeiter,
  • Arbeitsorganisation und Arbeitszeiten,
  • sozialen Bedingungen,
  • Arbeitsplatz‐ und Arbeitsumgebungsbedingungen,

Wie man sieht, sind das aber fünf Faktoren. Es geht nicht, den Arbeitnehmervertretern einfach die ersten vier Faktoren aus der Leitlinie in irgendeiner Checkliste zum Abhaken vorzulegen und dann zu behaupten, man habe damit alle Kategorien vollständig erfasst. Der fünfte Punkt muss mit den Arbeitnehmervertretern betriebsbah vereinbart werden: “Die Aufzählung ist nicht abschließend.”

Ich verstehe nicht, dass Arbeitgeber jetzt einfach vier Punkte aus einer Liste abschreiben. Erst jammern sie, ihnen würden zu viele Vorschriften gemacht. Gibt man ihnen aber einen Gestaltungsspielraum (Punkt 5), dann füllen sie ihn nicht aus. Liegt das daran, dass die Gestaltung mitbestimmungspflichtig ist?

Auch bei der Ausfüllung der ersten vier Punkte besteht Mitbestimmungspflicht. Ausführlicher findet man die vier Punkte in der LV 52 des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (LASI), und zwar schon im Jahr 2009. Man hätte hier nicht erst auf die GDA warten müssen.

Koalitionsvertrag: Ganzheitlicher Arbeitsschutz

Donnerstag, 28. November 2013 - 07:06

https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf und http://www.spd.de/linkableblob/112790/data/20131127_koalitionsvertrag.pdf, Auszug:

Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und SPD
18. Legislaturperiode

Ganzheitlicher Arbeitsschutz

Der Schutz der Beschäftigten vor Gefahren am Arbeitsplatz und die Stärkung der Gesundheit bei der Arbeit ist ein wichtiges Gebot sozialer Verantwortung. Ein deutlicher Hinweis auf die Herausforderungen, die eine sich wandelnde Arbeitswelt für den deutschen Arbeitsschutz bedeutet, ist die drastische Zunahme psychischer Erkrankungen. Unser Leitbild ist ein ganzheitlicher, physische und psychische Belastungen umfassender Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Die Zusammenarbeit mit der allgemeinen Gesundheitspolitik wird ausgebaut. Betriebliche Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz werden enger verknüpft. Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) wollen wir stärken und mehr Verbindlichkeit erreichen.

Gesundheitszirkel in den Betrieben haben sich in der Praxis als erfolgreicher Ansatz erwiesen. Wir wollen erreichen, dass in Unternehmen in Kooperation mit den gesetzlichen Krankenkassen solche Zirkel vermehrt eingerichtet werden. Wir werden die Entwicklung neuer Präventionskonzepte und betrieblicher Gestaltungslösungen bei psychischer Belastung in enger Zusammenarbeit mit den Trägern der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie vorantreiben, den Instrumenteneinsatz besser ausrichten, auf eine verbesserte Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken und in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen. Es erfolgt eine wissenschaftliche Standortbestimmung, die gleichzeitig eine fundierte Übersicht über psychische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt gibt und Handlungsoptionen für notwendige Regelungen aufzeigt. Im Lichte weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse schließen wir insoweit auch verbindliche Regelungen in der Form einer Verordnung gegen psychische Erkrankungen nicht aus.

Der Schutz und die Stärkung der physischen Gesundheit in besonders belastenden Tätigkeiten werden weiter verbessert, die entsprechende Forschung unter Begleitung der Tarifpartner intensiviert und Lösungsvorschläge zur Vermeidung arbeitsbedingter Verschleißerkrankungen und Frühverrentungen erarbeitet.

Kontrolle des Arbeitsschutzes: Im 1. Entwurf (Stand 24.11. 20:00) stand: “auf eine Personalaufstockung bei der Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken”. Im finalen Text steht “auf eine verbesserte Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken”. Wir sollten uns also in Erinnerung behalten, dass in den Koalitionsverhandlungen der Personalmangel bei der Gewerbeaufsicht angesprochen wurde. Es sind noch andere Schwächen zu beheben (die in der Vergangenheit aus meiner Sicht wegen der Fehleinschätzung des unternehmerischen Verantwortungsbewusstseins bewusst von der Politik toleriert wurden). Konkrete Maßnahmen müssen aber bezahlt werden.

Arbeitsschutz in Zusammenarbeit mit der allgemeinen Gesundheitspolitik: In der Vergangenheit hatten sich nach meinem Eindruck das CDU-geführte Bundesministerium für Arbeit (mit dem verhältnispräventiv orientierten Arbeitsschutz) und das FDP-geführte Ministerium für Gesundheit (mit einer überwiegend verhaltenspräventiv angelegten Gesundheitsförderung) nicht sonderlich gut abgestimmt. Zusammenarbeit ist gut, aber mit dem beabsichtigten Ausbau der Zusammenarbeit des Arbeitsschutzes mit der allgemeinen Gesundheitspolitik könnte weiterhin versucht werden, die Kosten des Arbeitsschutzes weg von den Arbeitgebern hin zu den Mitarbeitern und der Gemeinschaft der Krankenversicherten und Steuerzahler zu verschieben.
        Darum ein wichtiger Hinweis: Verkauft ein Arbeitgeber z.B. der Gewerbeaufsicht, den Auditoren, seinen Mitarbeitern usw. Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitförderung als “Arbeitsschutzmaßnahmen”, dann muss der Arbeitgeber die Kosten tragen und vor der Durchführung der Arbeitsschutzmaßnahme die Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates oder des Personalrates beachtet haben. Wenn die Maßnahme überwiegend verhaltenspräventiv ist, dann ist sie nachrangig gegenüber den im Arbeitsschutz vorgeschriebenen verhältnispräventiven Maßnahmen. Und Maßnahmen, für die Mitarbeiter eigene Zeit und eigenes Geld aufbringen müssen (selbst, wenn nur teilweise), sind keine Arbeitsschutzmaßnahmen.

Klarstellung: Mit “in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen” steht nun auch im Koalitionsvertrag, dass hier nur eine Klarstellung vorgenommen wird. Die Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz besteht nämlich schon seit dem Jahr 1996.

Anti-Stress-Verordnung: Wissenschaftliche Standortbestimmungen, die gleichzeitig eine fundierte Übersicht über psychische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt geben und Handlungsoptionen für notwendige Regelungen aufzeigen, sind längst verfügbar. Die Koalitionsverhandler einigten sich nur auf ein unverbindliches Nachdenken über eine “Verordnung gegen psychische Erkrankungen”, die die SPD will, aber nicht so sehr die CDU/CSU. Damit reiht sich dieses wohl auch als “Anti-Stress-Verordnung” bekannte Thema in eine Warteschlange mit über 80 Prüfaufträgen im Koalitionsvertrag ein, mit denen diese Koalition die Leidensfähigkeit der Bürger prüfen wird.

Human Compliance

Freitag, 5. April 2013 - 20:16

Pressemeldung des “Ingenieurverbundes Maschinenbau” (mit sich selbst?):

Human Compliance – nur eine neue Form des Arbeitsschutzes? (I) 

Was gibt’s Neues Frau/Herr NN?
Unter dieser Überschrift fragt der Ingenieurverbund Maschinenbau bei seinen Mitgliedern zu Themen der Technik und der Gesellschaft.
Heute geht es darum, welchen Stellenwert die Betrachtung psychischer Belastungen in der Arbeitswelt, aber auch darüber hinaus einnimmt.

Was gibts Neues Herr Bialek?

Jürgen Bialek: Na ganz tolle Ideen der SPD-Wahlkämpfer im Bund. Jetzt kochte das Thema “verlängerte Lohnfortzahlung” und “Anti-Stress-Verordnung” hoch.

Was stört Sie an diesen Themen?

Mich stört, sollte so etwas umgesetzt werden, dass wir hier geradewegs in einen Gängel-Staat marschieren, der mit pseudo-sozialem Anstrich eine Art Vollkasko-Stimmung verbreitet wissen möchte. Solche Maßnahmen treiben die Kosten der Unternehmen UND der Administration in die Höhe. Jeder, der versucht, mit einem Unternehmen wirtschaftlich zu arbeiten, würde es sich sehr deutlich überlegen, ob er oder sie Menschen einstellt, das Unternehmen erweitert, für wirtschaftliche Prosperität in seinem kleinen Bereich sorgt. Der Staat, die Administration müsste eigentlich auch versuchen, wirtschaftlich zu arbeiten. Im Moment sehe ich bei den gemachten “roten” Ankündigungen nichts davon.

Aber wieso denn “pseudo-sozialer Anstrich”?

Es geht den “roten Wahlkämpfern” (und wahrscheinlich auch den “grüngefärbten”) um”s ideologisch motivierte Umverteilen ohne die Frage zu stellen, ob die Milliarden Euro, die man gern auch bei vielfach gescholtenen Leistungsträgern einsammeln möchte, nicht zur Entstehung einer nachhaltig schlechten wirtschaftlichen Entwicklung führen könnte. Und den Betroffenen, denen man vorgeblich mit solchen Überlegungen helfen möchte, nimmt es entweder den Job oder endgültig die Möglichkeit der Selbstbestimmung. Und schließlich werden gesamtgesellschaftliche Phänomene auf die “bösen Arbeitgeber” reduziert. Das ist abzulehnen.

[(Anmerkung von psybel.de) Bis hier hin deutet sich wohl an, dass Jürgen Bialek eine gewisse Distanz zu dem sieht, was er als linke Ideologie zu verstehen meint. Arbeitgeber können nun also beruhigt weiterlesen. Hier lauern keine linken Bazillen.]

Kommen wir zu den Hintergründen zurück. Haben wir denn kein Problem mit “Stress”, das heißt mit zunehmender psychischer Belastung im Berufsleben? Ist das denn aus der Luft gegriffen?

Ganz klar haben wir da ein Problem. Aber es ist vielschichtig und lässt sich nicht “über den Kamm geschoren” darstellen. Zum einen ist es nicht allein ein Problem der Wirtschaft und der Arbeitswelt …

Wer aber arbeiten geht, verbringt doch einen großen Teil seiner täglichen Zeit auf Arbeit?!?

Ja, ich sage auch nicht, dass die Belastungen in der Arbeitswelt zu vernachlässigen sind. Die Bereiche, die das Verhältnis der Mitarbeiter zum Unternehmen angehen, müssen die Unternehmer und die Führungskräfte offensiv beackern. Aber bitte nicht mit ideologischem Zwang.

Wie soll”s gehen?

Der Arbeitgeber muss bereits heute (und bereits seit Jahren und Jahrzehnten) die Gefährdungen beurteilen, die sich aus den Arbeitsaufgaben, den Arbeitsprozessen oder den so genannten Arbeitssystemen ergeben. Und da gibt es neben den Faktoren, die Jedem sofort einleuchten, wie Gefährdungen aus Maschinenbewegungen, aus gefährlichen Stoffen, aus der Wirkung des elektrischen Stromes etc. auch die psychischen Belastungen, denen in selben Maße Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.

Also nicht”s Neues?

Doch! Es ist ein Umdenken bei den Arbeitgebern erforderlich! Die psychischen Belastungen standen und stehen immer an letzter Stelle der Liste potentieller Gefährdungen in den Arbeitssystemen. Und so wurden sie auch betrachtet; oder wurden eben oft auch nicht betrachtet. Psychische Gefährdungen waren für viele Arbeitgeber bisher solche Dinge, wie der Stress, den vielleicht ein Polizist oder eine Rettungssanitäterin im Einsatz hat. Bei den “normalen Arbeitsplätzen” fanden psychische Belastungen einfach nicht statt. Das geht so nicht! Hier muss das Umdenken einsetzen! Der Unternehmer, der Arbeitgeber muss sich seiner Verantwortung für die Mitarbeiter auch in diesen Fragen bewusst werden. Nochmal: Es geht um wirtschaftliches Arbeiten; ganz klar. Dazu gehört aber, dass ich es mir nicht leisten kann, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verlieren, sei es dauerhaft durch Weggang, quasi durch “Flucht”, durch Invalidität oder schlimmer noch, vielleicht sogar noch durch Selbstmord. Auch einen temporären Verlust durch Krankheit, kann sich kein vernünftiger Unternehmer leisten, egal ob er nun sechs Wochen oder länger in der Pflicht der Lohnfortzahlung steht. Aber ich befürchte, Sozialisten werden das nur schwer begreifen.

Nun haben Sie nochmal einen “Seitenhieb” losgelassen. Wie sehen aber Lösungen aus?

Arbeitgeber, Unternehmer müssen den Schutz der Mitarbeiter als gesamtheitliche Managementaufgabe verstehen. Der Schutz der Beschäftigten gegen die “normalen” Gefährdungen hat ja bereits weite Fortschritte gemacht in den letzten Jahrzehnten. Sinkende Unfallzahlen bei einer gleichzeitig weiterhin hohen Zahl geleisteter Arbeitsstunden in der Wirtschaft sprechen eine eindeutige Sprache. Produkte, Maschinen, Anlagen, Werkzeuge werden immer sicherer. “Product Compliance” als Begriff der umfassenden Verantwortung für solche “greifbaren” Dinge und in der logischen Weiterführung auch die Betriebssicherheit haben sich durchgesetzt und gehören wie selbstverständlich zu den klassischen Unternehmenszielen. Aber es gibt neue Einflüsse; die Rahmenbedingungen der Arbeit ändern sich.

…wird fortgesetzt

Bereits heute den kompletten Text lesen?
Marketingverbund innovativer Planungsunternehmen des Sondermaschinenbaus

Kontakt:
Ingenieurverbund Maschinenbau
Jürgen Bialek
Halsbrücker Str. 34
09599 Freiberg
03731-162529
bialek@bialek-ing.de
http://www.ing-maschinenbau.de

Pressekontakt:
Ingenieurbüro Jürgen Bialek
Jürgen Bialek
Halsbrücker Str. 34
09599 Freiberg
03731-162529
bialek@bialek-ing.de
http://www.bialek-ing.de

Interessant.

Wer auf “Bereits heute den kompletten Text lesen?” drückt, findet in der darüber erreichbaren PDF-Datei auch:

Der Arbeitgeber muss sich also beschäftigen mit:

  • der Arbeitsaufgabe und deren Auswirkungen auf die Mitarbeiter,
  • der Arbeitsorganisation und den Arbeitszeiten,
  • den sozialen Bedingungen,
  • den Arbeitsplatz‐ und Arbeitsumgebungsbedingungen.

(mit kleinen grammatikalischen Korrekturen des Originaltextes)

Diese Punkte entsprechen ganz gut einem kleinen Tabellenausschnitt “Psychische Faktoren” der GDA-Leitlinie “Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation” auf Seite 13. Da gibt es auch noch einen fünften Punkt …

Das Arbeitsschutzgesetz bleibt ein Rahmengesetz

Samstag, 9. März 2013 - 14:37

Dieser Artikel wurde durch einen Blogeintrag in blog.humanresourcesmanager.de zur vorgesehenen Änderung des Arbeitsschutzgesetzes angeregt (http://blog.humanresourcesmanager.de/2013/03/08/psychische-belastungen-bei-der-arbeit/):

[...] Auch wenn es zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Grundlage dafür schafft, dass das betriebliche Gesundheitsmanagement auch auf psychische Belastungen ausgeweitet werden kann, bleiben in der Praxis weiterhin viele Fragen offen. Insbesondere ist es für das Unternehmen nach wie vor schwer, zu erkennen, ob ein Arbeitnehmer tatsächlich psychisch erkrankt ist oder unter dem Deckmantel eines Burn-outs eine Krankheit lediglich vortäuscht und hierdurch umfangreiche Kosten verursacht [...] 

Jens Ginal erläutert auch,

  • dass bereits in der Vergangenheit galt, dass der Arbeitgeber auch dafür Sorge tragen muss, die Arbeitnehmer vor allen Faktoren zu schützen, die eine psychische Erkrankung auslösen können und
  • dass nach der vorgesehenen Änderung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) im Rahmen der nach § 5 Abs. 3 ArbSchG zu berücksichtigenden Gefährdungsfaktoren auch „psychische Belastungen bei der Arbeit“ einzubeziehen sind.

Weil gemäß Arbeitsschutzgesetz Arbeitsplätze beurteilt werden und nicht Erkrankte, geht Jens Ginals Hinweis auf offen bleibenden Fragen in die falsche Richtung. Ob ein Arbeitnehmer tatsächlich psychisch erkrankt ist oder eine Krankheit lediglich vortäuscht, ist kein Problem des Arbeitsschutzgesetzes. Das Arbeitsschutzgesetz ist so konstruiert, das Arbeitgeber genau auf diese Frage nicht ausweichen können. Da kann es dann z.B. darum gehen, ob bei einem Arbeitsplatz vorgetäuscht wird, ob er psychisch fehlbelastend sei, oder nicht ;-) Es kann ja auch vorkommen, dass Gefährdungsbeurteilungen falsch und Arbeits(platz)beschreibungen nicht realistisch sind. Es gibt Unternehmen, die selbst krasse Fälle psychischer Fehlbelastungen vor Audits verstecken.

Außerdem schafft der Gesetzgeber keine gesetzliche Grundlage dafür, dass das “Betriebliche Gesundheitsmanagement” (BGM) auch auf psychische Belastungen ausgeweitet werden kann. Diese Grundlage gibt es schon seit 1996. Sondern der Gesetzgeber schafft nun nur noch eine Grundlage für weniger Streit bei der Umsetzung der geltenden Vorschriften des Arbeitsschutzes: Spätestens im Jahr 2004 machte das BAG klar, dass der vorgeschriebene Arbeits- und Gesundheitsschutz (das freiwillige BGM ist hier kein Thema) seit Bestehen des Arbeitsschutzgesetzes auch auf psychische Belastungen ausgeweitet wurde. Die Arbeitgeber sollen nicht so tun, als ob das jetzt erst nach einer Änderung des Arbeitsschutzgesetzes klar werden würde.

 
Tatsächlich bleiben aber auch im geänderten Arbeitsschutzgesetz Fragen offen, und zwar mit Absicht: Wie sollen “psychische Belastungen bei der Arbeit” als Gefährdungsfaktoren berücksichtigt werden? Wo ist die Grenze zwischen Belastung und Fehlbelastung? Dass diese Fragen offen bleiben, liegt daran, dass das Arbeitsschutzgesetz (im Gegensatz zu der von den Ländern vorgeschlagenen “Anti-Stress-Verordnung”) ein Rahmengesetz geblieben ist, innerhalb dessen der Arbeitgeber den Arbeitsschutz betriebsnah gestalten muss. So wollten die Arbeitgeber das Ende des letzten Jahrhunderts. Sie argumentierten, dass bei zu engen konkreten Vorgaben in den unterschiedlichen Unternehmen keine betriebsgerechten Lösungen möglich seien. Die Erarbeitung konkreter Normen wurde also aus der Legislative in die Betriebe verlagert. Dass das Arbeitsschutzgesetz seit 1996 viele Fragen offen lässt, ist die logische Konsequenz aus diesem von den Arbeitgebern gewünschten und in einer eropäischen Richtlinie entsprechend bestimmten Vorgehen. Genau aus diesem Grund gehört zur Gestaltungspflicht der Arbeitgeber die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertreter.

Der weite Rahmen, den das Arbeitsschutzgesetz bietet, bedeutet nun aber nicht, dass ein Arbeitgeber beispielsweise einfach fünf Punkte zur psychischen Belastung (wobei der letzte Punkt 10.5 ein noch auszugestaltendes “Sonstiges” ist) aus einer Leitlinie der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzinitiative (GDA) in Vordrucke zur Gefährdungsbeurteilung eintragen und dann behaupten kann, es gäbe keine festen Vorgaben, mit denen sich Pflichtverletzungen nachweisen ließen. Manche Arbeitgeber “vergessen” hier nämlich das Betriebsverfassungsgesetz und die Urteile des BAG (z.B. 2004) zur Gefährdungsbeurteilung. Wendet der Arbeitgeber in einem Betrieb mit Arbeitnehmervertretern ein derart zusammengebasteltes Formular ohne Respekt für die Mitbestimmung an, dann stellt sich sogleich die Frage, ob er ein Straftäter ist, weil er die Mitbestimmung behindert hat. Einsetzen darf der Arbeitgeber solche Formulare erst, wenn er auch Prozesse gestaltet hat, mit denen dieses Formular nachvollziehbar ausgefüllt werden können. Die Arbeitnehmervertreter können bei der Gestaltung mitarbeiten, in jedem Fall müssen sie aber nach Abschluss der Gestaltung und vor der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen mitbestimmen.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können z.B. mit einer Betriebsvereinbarung regeln, wie psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung (und auch in die vorgeschriebene Unterweisung der Mitarbeiter) einbezogen werden sollen. Können sie sich nicht einigen, dann hilft zunächst eine Einigungsstelle. Wie auch immer, auf die Mitbestimmung darf keinesfalls verzichtet werden. Sie ist auch für die Arbeitnehmervertreter nicht nur ein Recht, sondern eine unabdingbare Pflicht, denn im Betriebsverfassungsgesetz steht nicht, dass sie mitbestimmen dürfen, sondern dass sie mitzubestimmen haben. Das ist sogar manchen Pesonal- und Betriebsräten immer noch nicht klar.

Übrigens: Die GDA hat nicht von Null angefangen. Der LASI leistete eine enorme Vorarbeit.

Unternehmen wünschen mehr Handlungssicherheit

Donnerstag, 31. Januar 2013 - 23:55

http://www.me-arbeitgeber.de/metallindustrie/verbaende.nsf/id/F2254A53C6823A98C1257B030034BC42

Die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie
ME – Arbeitgeber

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt im Fokus des ifaa

30.01.2013 – Im Zuge der gegenwärtigen Diskussion zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt und der Vorstellung des „Stressreport Deutschland 2012“ durch die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen betont Prof. Dr. Sascha Stowasser, Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa): „Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung bei der Arbeit ist gegenwärtig mit Fragen der praktischen Umsetzung verbunden – Unternehmen brauchen daher noch mehr Handlungssicherheit. Daher intensiviert das ifaa bei seiner Arbeit die Weiterentwicklung objektiver Methoden und Instrumente zur Erfassung und Messung psychischer Belastung.“.

(Link nachträglich eingefügt)

1996 wünschten sich die Unternehmen mehr Freiheit. Es entstand das Arbeitsschutzgesetz als Rahmengesetz, innerhalb dessen betriebsnahe Lösungen flexibel gestaltet werden sollten. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer hätte hier als Hilfte genutzt werden können. Das hat wohl nicht so recht geklappt. Die Gründe dafür liegen natürlich sowohl bei den Arbeitgebern wie auch bei den Arbeitnehmern. Oder war diese Art von Gesetzgebung realitätsfern?

Jetzt rufen die Unternehmer wieder nach konkreten Handlungsanweisungen, möglichst irgendwelche Listen, in denen man - wie bei der guten alten Arbeitssicherheit - nun auch psychische Belastungen mit einfachen Checkboxen abhaken kann. Es gibt z.B. namhafte Unternehmen, die die paar Beispiele aus einer GDA-Leitlinie in ihre Gefährdungsformulare kopieren und dann ernsthaft meinen, sie könnten damit psychische Gefährdungen vollständig und betriebsspezifisch erfassen und bewerten. Bei den Beispielen handelt es sich um die Zeilen 10.1 bis 10.4 auf Seite 13 der Leitlinie. Geflissentlich übersehen wird die leere Zeile 10.5 mit drei Pünktchen und der Fußnote “Die Aufzählung ist nicht abschließend”. Die betriebsnahe Vervollständigung muss nämlich erst erarbeitet werden. Das war ursprünglich doch die Idee. So wie die Rechtssituation in Deutschland ist, machen sich Arbeitgeber, die hier die Mitbestimmung “vergessen”, zwar strafbar, werden aber nicht bestraft.

Zu allem Übel kommt dann noch dazu, dass sich die überforderte Gewerbeaufsicht mit solchen Formularen tatsächlich einlullen lässt.

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie

Samstag, 6. August 2011 - 10:51

http://www.gda-portal.de/

Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie wird von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern getragen. Ziel ihrer Zusammenarbeit ist, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch einen präventiv ausgerichteten und systematisch wahrgenommenen Arbeitsschutz zu verbessern und zu fördern.

Dokumente: http://www.gda-portal.de/de/Betreuung/Leitlinie-Gefaehrdungsbeurteilung_content.html, darin insbesondere:

  • Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation (2011): http://www.gda-portal.de/de/pdf/Leitlinie-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf?__blob=publicationFile&v=5

    Ein wesentliches Ziel der von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern entwickelten gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie ist die Festlegung eines abgestimmten Vorgehens der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden und der Unfallversicherungsträger bei der Beratung und Überwachung der Betriebe. Ausdruck dieser Zielsetzung ist die Erarbeitung eines gemeinsamen Grundverständnisses in Form von Grundsätzen und Leitlinien zu zentralen Themen.

    Die Leitlinien beschreiben gemäß § 20 Abs.1 SGB VII und § 21 Abs. 3 Ziffer 1 ArbSchG methodische Vorgehensweisen der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden und der Unfallversicherungsträger für die Beratung und Überwachung der Betriebe.

    Die Leitlinien formulieren einen fachlichen Rahmen, der gewährleistet, dass konkrete Überwachungs- und Beratungskonzepte inhaltlich gleichgerichtet und in Funktionalität und Anforderungsprofil gleichwertig ausgestaltet sind. Sie sollten so konkret sein, dass sie Handlungssicherheit für die praktische Anwendung ermöglichen. …

    eine Gefährdungsbeurteilung ist nicht angemessen durchgeführt, wenn

    • die betriebliche Gefährdungssituation offensichtlich unzutreffend bewertet wurde,
    • wesentliche Gefährdungen des Arbeitsplatzes/der Tätigkeit nicht ermittelt worden sind,
    • wesentliche Arbeitsplätze/Tätigkeiten nicht beurteilt wurden,
    • besondere Personengruppen nicht berücksichtigt wurden,
    • Maßnahmen des Arbeitgebers nicht ausreichend oder ungeeignet sind,
    • keine Wirksamkeitskontrolle durchgeführt wurde,
    • die Beurteilung nicht aktuell ist,
    • erforderliche Unterlagen des Arbeitgebers nicht aussagefähig bzw. plausibel sind.

    Bei der Überprüfung von Gefährdungsbeurteilungen ist darauf zu achten, dass folgende Prozessschritte berücksichtigt wurden:

    1. Festlegen von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten,
    2. Ermitteln der Gefährdungen,
    3. Beurteilen der Gefährdungen,
    4. Festlegen konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik (bei diesem Schritt ist die Rangfolge der Schutzmaßnahmen nach § 4 Arbeitsschutzgesetz zu beachten),
    5. Durchführung der Maßnahmen,
    6. Überprüfen der Wirksamkeit der Maßnahmen,
    7. Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung (insbesondere Anpassung im Falle geänderter betrieblicher Gegebenheiten- § 3 ArbSchG).

    Die Verpflichtung des Arbeitgebers nach §12 Arbeitsschutzgesetz zur Unterweisung ist zu beachten. …

    Psychische Faktoren

    • 10.1 ungenügend gestaltete Arbeitsaufgabe (z. B. überwiegende Routineaufgaben, Über- / Unterforderung)
    • 10.2 ungenügend gestaltete Arbeitsorganisation (z. B. Arbeiten unter hohem Zeitdruck, wechselnde und /oder lange Arbeitszeiten, häufige Nachtarbeit, kein durchdachter Arbeitsablauf)
    • 10.3 ungenügend gestaltete soziale Bedingungen (z. B. fehlende soziale Kontakte, ungünstiges Führungsverhalten, Konflikte)
    • 10.4 ungenügend gestaltete Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen (z. B. Lärm, Klima, räumliche Enge, unzureichende Wahrnehmung von Signalen und Prozessmerkmalen, unzureichende Softwaregestaltung)
    • 10.5 … (Die Aufzählung ist nicht abschließend.)

    (Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

  • Qualitätsgrundsätze zur Erstellung von Handlungshilfen für eine Gefährdungsbeurteilung (2009): http://www.gda-portal.de/de/pdf/Qualitaetsgrundsaetze.pdf?__blob=publicationFile&v=2

 
Weitere Informationen:

 


2012-10-07
http://blog.psybel.de/gda-leitlinie-beratung-und-ueberwachung-bei-psychischer-belastung-am-arbeitsplatz/