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Praxisleitfaden der Arbeitgeber: Psychische Belastung in der Gefährdungsbeurteilung

Freitag, 7. März 2014 - 07:56

Aktualisierung eines Beitrages vom 30. September 2013

http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/res/BDA-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf/$file/BDA-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf (2013-08, 21 Seiten)

Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz
Besonderer Schwerpunkt: psychische Belastung
Ein Praxisleitfaden für Arbeitgeber
[...]

D. Gefährdungsbeurteilung und freiwillige betriebliche Gesundheitsförderung
Bei der Diskussion um psychische Belastung werden vielfach die sehr unterschiedlichen Handlungsfelder Gefährdungsbeurteilung und betriebliche Gesundheitsförderung vermischt. Während es sich bei der Gefährdungsbeurteilung um eine gesetzliche Aufgabe nach dem ArbSchG handelt, sind Aktivitäten in der Gesundheitsförderung ein freiwilliges Angebot des Arbeitgebers. Eine Trennung beider Bereiche im Unternehmen ist daher sinnvoll. [...]


E. Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Gesundheit ist nicht teilbar, körperliche und seelische Gesundheit hängen zusammen und bedingen einander. Deshalb gibt es keine Pflicht zu einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, wie sie gelegentlich in Unternehmen gefordert wird. Vielmehr gilt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung auch zu prüfen hat, ob eine Gefährdung durch psychische Belastung besteht.
        Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt werden. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 27. Juni 2013 verabschiedet. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz wird voraussichtlich Ende September 2013 den Bundesrat passieren.
        Durch die Formulierung „bei der Arbeit“ wird – so die Begründung des Gesetzentwurfs – deutlich gemacht, dass die Klarstellung nicht bezweckt, den Gesundheitszustand der Beschäftigten generell im Hinblick auf alle Lebensumstände zu verbessern. Die Schutzmaßnahmen betreffen ausschließlich Gefährdungen für die physische oder die psychische Gesundheit der Beschäftigten durch die Arbeit. Andere Beeinträchtigungen liegen außerhalb des Schutzzwecks des ArbSchG und können daher nur Gegenstand freiwilliger Maßnahmen des Arbeitgebers sein. [...]

H. Mitbestimmung
Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, steht ihm bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. [...]

“Deshalb gibt es keine Pflicht zu einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, wie sie gelegentlich in Unternehmen gefordert wird. Vielmehr gilt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung auch zu prüfen hat, ob eine Gefährdung durch psychische Belastung besteht.” Was bedeutet das?

Richtig ist, dass psychische Belastungen eine Belastungsart unter vielen anderen Belastungen sind, die die Gesundheit beeinträchtigen könnten. Allerdings werden mit den anstehenden Änderungen im Arbeitsschutzgesetz physische und psychische Belastungen nun getrennt benannt. Und wenn im Arbeitsschutzsystem eines Betriebes Gefährdungsbereiche explizit benannt werden, dann wäre es etwas erstaunlich, wenn der Bereich der psychischen Belastungen fehlt.

  • Richtig ist auch, dass es keine Pflicht zu einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung gibt.
  • Aber es gibt keinen Grund, psychische Belastungen gegenüber anderen Belastungen gesondert zu vernachlässigen.

Die BDA verschweigt in ihrem ansonsten sehr gut gemachten Leitfaden den Grund für die “gelegentlichen” Forderungen in den Unternehmen: In Betrieben, in denen es einerseits Gefährdungsbeurteilungen für verschiedene Gefährdungskategorien gibt, aber andererseits die Gefährdungskategorie der psychischen Belastungen fehlt, fordern Betriebsräte konsequenterweise, dass es für psychische Belastungen genau so eine gesonderte Beurteilung gibt, wie für die anderen Belastungskategorien. Gerade wenn ein Betrieb einen guten Arbeitsschutz mit verschiedenen Prozessen für die verschiedenen körperlichen Belastungen hat, fällt nämlich gemessen an den eigenen Maßstäben des Arbeitgebers ein Fehlen der Kategorie ausgerechnet der psychischen Belastungen besonders auf, und zwar mindestens als Ordnungswidrigkeit.

Es gab leider Gewerbeaufsichten und Zertifizierungsunternehmen, die das Fehlen eines Prozesses für die Beurteilung psychischer Belastungen neben den vorhandenen anderen Prozessen wiederholt übersahen und Betrieben trotz dieses auffälligen Mangels sogar noch gute Bewertungen gaben. Sie ließen damit besonders in Betrieben mit vielen Bildschirmarbeitsplätzen eine klare Ordnungswidrigkeit zu. Diesen Systemfehler im Aufsichtswesen gibt es seit vielen Jahren. Das ging so weit, dass Arbeitnehmer, die auf diesen Missstand hinwiesen, unter den Augen der Gewerbeaufsicht und der Zertifizierer Nachteile erleiden konnten. Solch eine Aufsicht schützte die Arbeitgeber und nicht die Arbeitnehmer. Und wo jetzt der Mangel auf Betreiben vor allem der Arbeitnehmervertretung behoben wird, interessieren sich die Gewerbeaufsicht und die Zertifizierer nicht dafür, ob der Mangel in der Vergangenheit Mitarbeitern Schaden zugefügt hat. Diese Auditoren müssten dann ja selbst Fehler in der Vergangenheit zugeben.

 
Bedeutung der Arbeitnehmerertretungen

Mit Blick auf die Geschichte der Positionen der BDA ist der Praxisleitfaden der BDA und ihres Instituts (ifaa) aber nun ein deutlicher Fortschritt. Betriebs- und Personalräte sollten sich diesen hilfreichen Leitfaden genau ansehen. Hier verdient die Arbeitgebervereinigung ein Kompliment. Der Abschnitt H zur Mitbestimmung wird Arbeitnehmervertreter besonders interessieren. Er zeigt deutlich, wie wichtig ein Betriebsrat bzw. ein Personalrat ist.

Was machen Arbeitnehmer, wenn es keinen Betriebs- oder Personalrat gibt? Mitbestimmung im Arbeitsschutz kann sogar ein Grund für Betriebsratsgründungen sein. Psychische Fehlbelastungen waren beispielsweise beim Apple Store in München der Auslöser für die Einrichtung eines Betriebsrates im bis dahin in Deutschland “betriebsratsfreien” Konzern.

Das Arbeitsschutzgesetz gibt übrigens von § 15 bis § 17 allen “Beschäftigten” Rechte und Pflichten. Diese Rechte und Pflichten bestehen auch ohne dass ein Betriebsrat existiert, sind aber ohne Betriebsrat in der Praxis natürlich schwerer umzusetzen. Das gilt auch für den § 3:

[Der Arbeitgeber hat] Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

Ohne einen Betriebs- oder Personalrat kann schon die Feststellung der Erforderlichkeit zu einem Problem für die Arbeitnehmer werden.

 
Gesundheitsförderung als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers

Zum Schluss muss noch ein Irrtum korrigiert werden, der sowohl Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmervertretern immer wieder gerne unterläuft (Tabelle auf S. 7):

Betriebliche Gesundheitsförderung [...] ist eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers und daher nicht mitbestimmungspflichtig.

Das ist falsch.

Richtig und logisch zwingend ist nur, dass ein Betriebsrat freiwillige Maßnahmen nicht erzwingen kann, sonst wären sie ja nicht freiwillig. Werden sie jedoch in den Bereichen umgesetzt, die insbesondere in den §§ 87 und 89 BetrVG definiert sind, dann gelten die Mitbestimmungsrechte und Mitbestimmungspflichten des Betriebsrates. Der Betriebsrat kann sich z.B. mit Wohltaten wie Fitness-Trainings oder Psycho-Workshops befassen, wenn sie z.B. als Maßnahmen des Arbeitsschutzes dargestellt werden und/oder wenn damit auch die körperliche oder mentale Leistungsfähigkeit von einzelnen Mitarbeitern erfasst werden soll. Und wo die betriebliche Gesundheitsförderung Schnittmengen mit dem Arbeitsschutz hat, muss der Betriebsrat ebenfalls nach § 89 BetrVG mitbestimmen.

Freiwillige Leistungen, die den Arbeits- und Gesundheitsschutz betreffen, sind zwar nicht erzwingbar, aber trotz Freiwilligkeit mitbestimmungspflichtig. Das gilt für alle Maßnahmen, die der Arbeitgeber der behördlichen Aufsicht als Beitrag zum Arbeits- und Gesundheitsschutz darstellt.

Wer meint, dass die freiwillige Teilahme an einem Spiel berechtigt, die Spielregeln missachten zu können, ist noch nicht so richtig erwachsen.

Unsinn vom Professor

Freitag, 13. September 2013 - 07:10

Die Saarbrückener Zeitung meldet heute, dass Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Saarländischer Unternehmensverbände (VSU), sich gegen das Argument wehre, das Fehlzeiten in den Betrieben vor allem von den Gewerkschaften mit der Belastung am Arbeitsplatz erklärt werde. Vielmehr wirke sich Arbeit in der Regel positiv auf die psychische Gesundheit aus.

Nun hören wir auch von Joachim Malter diese triviale Tatsache. Den Arbeitgebern scheint nichts Intelligenteres mehr einzufallen. Was Malter sagt, ist doch kein Gegenargument. Keiner bestreitet, dass sich gesunde Arbeit positiv auf die Gesundheit auswirkt. Hier ist es nun Malters Eristik, die davon ablenken soll, dass die Gewerkschaften nichts gegen die Arbeit haben. Allerdings kämpfen sie gegen schlechte Arbeit. Vermutlich weiß Joachim Malter das auch. Aber eine korrekte Darstellung der Gewerkschaftspositionen korrekt liegt möglicherweise nicht im Interesse der von Joachinm Malter vertretenen Arbeitgeber.

Für ein noch unintelligenteres Argument bemüht Walter einen Unsinn, den Professor Sascha Stowasser vom Düsseldorfer Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) von sich gegeben haben soll: Die Arbeit habe zu Unrecht „den Schwarzen Peter“, denn schließlich litten Arbeitslose drei Mal so häufig an psychischen Krankheiten wie Erwerbstätige.

Bisher habe ich solche Dummheiten vorwiegend vom ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Hundt zitieren können.

Kaum jemand bestreitet, dass es Arbeitslosen in der Regel schlechter geht, als Menschen mit einem guten Arbeitsplatz. Das ist aber doch gar nicht das Thema: Es geht um den Unterschied zwischen

  • gesunden Erwerbstätigen und
  • fehlbelasteteten Erwerbstätigen.

So einfach ist das. Es muss schon sehr anstrengend sein, das nicht verstehen zu wollen. Stohwasser begeht mit dem Vergleich von Arbeitslosen und Erwerbstätigen einen vorsätzlichen Kategorienfehler, denn er ist Wissenschaftler genug, um zu wissen, dass er diesen Fehler begeht.

Stohwassers Eristik wäre (wenn er richtig zitiert wurde) also kein Versehen. Und außerdem wäre sie auch noch leicht zu erklären: Träger seines Instituts sind die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Das beweist zwar noch nicht zwingend, dass sich die Wissenschaft hier für die Arbeitgeber prostituiert, könnte aber durchaus erklären, wieso aus dem Institut Stohwassers die gleichen Dummheiten kämen, wie aus den Arbeitgebervereinigungen.

 
In der Diskussion um die Ursachen der Zunahme psychischer Erkrankungen darf insbesondere eine Tatsache nicht vergessen werden: Seit 1996 gelingt es der großen Mehrheit der Unternehmen, die Arbeit zu verdichten und gleichzeitig ihre Pflicht zur Beurteilung psychischer Gefährdungen straflos zu missachten. Diesen Gesetzesbrechern half eine Bundesministerin von der Leyen, die auf strenge Arbeitsschutzgesetze verwies, deren Strenge aber dank einer systematisch überforderten Gewerbeaufsicht kein Arbeitgeber zu spüren bekam. Kein Wunder, wenn dann Arbeitgeberverbände mit dieser Unterstützung dreist behaupten können, es sei nicht erwiesen, dass arbeitsbedingte psychische Belastungen zunähmen. Sie haben ja schon die Beobachtung arbeitsbedingter psychischer Belastungen und damit die von ihnen geforderte Verhältnisprävention sabotiert.

Politiker erleichtern Missachtung des Arbeitsschutzgesetzes

Sonntag, 8. September 2013 - 10:20

Alle politischen Parteien, die an der Gestaltung und Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes mitgewirkt hatten und noch mitwirken, hatten den Unternehmen gleichzeitig auch die Missachtung des Gesetzes erleichtert. Immerhin haben die SPD und die Grünen dazugelernt und sind mit der “Anti-Stress-Verordnung” nun auf dem richtigen Weg.

Arbeitgeber kommen mit ihrer Gestaltungsfreiheit nicht zurecht: Nun kam es unter der Moderation des BMAS zu einer gemeinsamen Erklärung der BDA und des DGB zur psychische Gesundheit in der Arbeitswelt. Die Erklärung ist zwar schon ganz brauchbar, aber das Grundproblem wurde nicht deutlich. Ein Hinweis auf das Grundproblem ist die Forderung der Arbeitgeber nach “Handlungssicherheit”. Sie kommen mit der Gestaltungsfreiheit nicht zurecht, die sie sich noch im letzten Jahrhundert mit intensiver Lobbyarbeit verschafft hatten: Damals trieben sie auf europäischer Ebene die “Entbürokratisierung” der Gesetzgebung voran. Resultat waren eine europäische Arbeitsschutzrichtlinie, die zu Rahmengesetzen führte, innerhalb derer Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschiedliche Regelungen für einzelne Betriebe vereinbaren konnten. Ihre Gestaltungsfreiheit haben die meisten Arbeitgeber bis heute nicht genutzt, obwohl sie auch eine Gestaltungspflicht war. Denn auch die Gewerbeaufsichten waren mit dieser Situation überfordert. Ich glaube inzwischen, dass das durchaus poltisch beabsichtigt war.

Es geht ans Eingemachte: Anstelle sich rechtzeitig mit den Personal- und Betriebsräten zusammenzusetzen und zu Vereinbaren zu kommen, gelang es den meisten Arbeitgebern so, das Thema bis etwa in das Jahr 2011 zu verschleppen. Wie kann das sein, wenn sie doch behaupten, ein guter Arbeitsschutz sei aus wirtschaftlichen Gründen auch im Interesse der Wirtschaft? Das kann deswegen sein, weil noch immer nicht begriffen wurde, dass sich zu viele Führungskräfte individuell gegen einen gut dokumtierten Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz wehren: Ein wichtiger Grund für die fehlende Begeisterung der Unternehmern beim Thema der psychischen Belastungen ist, dass Führungskräfte ahnen/wissen, dass es bei ggf. erforderlichen Veränderungen häufig ans Eingemachte (Organisation, Personaleinsatz/ -entwicklung, Führung/ Kommunikation) geht - und dass man dieses (Diskussions-) Risiko scheut.

Der Arbeitsschutz begrenzt die Unternehmensautonomie: Im Grunde versteht die BDA insbesondere die Mitbestimmung beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz als einen Angriff auf die Unternehmensautonomie. In Deutschland dürfen die Unternehmen aber autonom genug sein, sich über das Gesetz zu stellen. Sie ignorieren einfach jene Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes, mit denen sie nicht einverstanden sind. Sie machen das, weil sie das können. Das ist Anarchie. In diesen Unternehmen wird insbesondere der mitbestimmte Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz als eine Einschränkung der Unternehmensführung gesehen. Zur Führung gehört, auf Arbeitnehmer in verschiedenster Weise Druck ausüben zu können. Da auch Arbeitnehmer nicht immer ihre vertraglichen und gesetzlichen Pflichten erfüllen, kann solch ein Druck fallweise legitim sein, aber ein vorschriftsmäßiger Arbeitsschutz mit einer guten Dokumentation erhöht die Verantwortung, die Arbeitgeber für ihre Maßnahmen gegenüber Arbeitnehmern haben. Die dabei durch einen ordentlichen Arbeitsschutz hergestellte Transparenz stellt bisher nicht offen dokumentierte Führungsstile jedoch in Frage. Das ist für manchen “Macher” schwer verdaulich.

Rechtsbrüche an der Tagesordnung: Wir haben hier einen Kampf um neue Grenzen für Macht. Eine Bundesregierung, die naiv glaubt, dass wirtschaftlichen Gründe als Motivation der Arbeitgeber für einen guten Arbeitsschutz ausreichen, vergisst, dass das Interesse “der Wirtschaft” nicht unbedingt dem Interesse der vielen einzelnen Führungskräfte entspricht, ihre Handlungsspielräume zu maximieren und gleichzeitig Verantwortung zu vermeiden. Es ist doch spätestens seit 1996 klar: Zu viele Führungskräfte missachten die ihnen unangenehmen Passagen des Arbeitsschutzgesetzes seit langer Zeit und mit großer Beharrlichkeit. Auch beim Arbeitszeitgesetz ist längst bekannt, dass Rechtsbruch seit Jahrzehnten dort an der Tagesordnung ist, wo nicht so genau hingesehen werden kann. Dort, wo genau hingesehen wird, zahlen z.B. “eigenverantwortlich handelnde” LKW-Fahrer die Strafe für nicht ausreichende Ruhezeiten selbst. Das hat banale Ursachen: Die Politik will nicht wahrnehmen, wie es um die realen Abhängigkeitsverhältnisse in der Arbeitswelt bestellt ist. Dann werden Schutzvorschriften so gestaltet, dass sie nur schwer umzusetzen sind.

Gesetze sind nur auf dem Papier “streng”: Bei psychischen Belastungen ist das Hinsehen viel komplizierter, als im “klassischen” technischen Arbeitsschutz. Die Gewerbeaufsichten blickten einfach nicht durch. Darum konnte auch im Arbeitsschutz unter den Augen der Gewerbeaufsicht die Anarchie herrschen. CDU, CSU und insbesondere die FDP unternehmen nichts wirklich Wirksames gegen diese Zustände. Die Bundesministerin von der Leyen sprach von “strengen” Gesetzen, aber diese Strenge wurde seit 1996 nicht spürbar. Mit solchen Frivolitäten hilft die Bundesregierung vielen Arbeitgebern, wichtige Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes souverän zu ignorieren.

Fragen an Arbeitgeber: Mir ist hier allerdings eine Ausnahme bekannt: Dort wo die FDP einer Regierung, an der sie nicht beteiligt war, an den Wagen fahren konnte, interessierte sie sich plötzlich und mit überraschender Kompetenz für das Thema der psychischen Belastungen. Ausgerechnet aus einer Anfrage der FDP im Senat des Landes Berlin entstand meine Liste von Fragen an Arbeitgeber. Die FDP kennt sich also aus. Von der FDP wird aber trotzdem kaum zu erwarten sein, dass sie gleichermaßen deutliche Fragen an die vielen Unternehmen richten wird, in denen sie ihre Klientel sieht. Das ist eine besonders üble Politik wider besseren Wissens.

Keine Seelsorger

Montag, 2. September 2013 - 23:54

http://www.vbw-bayern.de/Redaktion-(importiert-aus-CS)/04_Downloads/Downloads_2012/08_PlaKo/Reden-BB/20121122-Gesundheitskongress_endg.pdf

bayme vbm
Die bayerischen Metall und Elektro-Arbeitgeber

2. Gesundheitskongress 2012

Donnerstag, 22.11.2012 um 10:00 Uhr [...]

Mitarbeitergesundheit als Wettbewerbsfaktor

Bertram Bossert
Hauptgeschäftsführer
bayme – Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e.V.
vbm – Verband der bayerischeen Metall- und Elektro-Industrie e.V.

[...]

  • Während wir im Juni das Thema “Betriebliches Gesundheitsmanagement” auf bestimmte Zielgruppen im Betrieb fokussiert haben,
  • gehen wir heute das Thema als Führungsaufgabe an.

[...]

Unternehmer und Führungskräfte sind

  • weder Therapeuten
  • noch Sozialarbeiter
  • noch Seelsorger

Es entspricht aber der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, Auffälligkeiten bei Mitarbeitern zu bemerken und Betroffene sozusagen als Lotsen in die bestehenden Versorgungsstrukturen weiter zu vermitteln, die durch die Sozialsysteme zur Verfügung gestellt werden -

  • seien es Coaches
  • Sozialberater oder
  • andere lokale Dienstleister, die spezialisiert sind auf die menschliche Psyche

Aufgabe von uns Verbänden wird es sein, ein Netzwerk von Spezialisten aufzubauen, das unsere Unternehmen in die Lage versetzt, ihre Lotsenfunktion zu den Vorsorgeeinrichtungen und verfügbaren Spezialisten wahrzunehmen.

Denn eines ist klar: Ein psychisch erkrankter Mitarbeiter ist für unsere Unternehmen ebenso ein Kostenfaktor, wie ein körperlich erkrankter Mitarbeiter. [...]

Bertram Bossert will Lotse sein. Aber wohin will er steuern? Das Ziel, das er eigentlich anzusteuern hätte, scheint nicht auf seinem Kurs zu liegen: Mit keinem Wort erwähnt er den Arbeitsschutz, dessen Vorschriften die Pflichten der Mitglieder seines Vereins zu befolgen haben. Es entspricht der Pflicht des Arbeitgebers, im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes Auffälligkeiten bei den Arbeitsplätzen zu bemerken und auf Mitarbeiter wirkende Fehlbelastungen zu mindern, bevor diese Mitarbeiter zu psychisch erkrankten “Betroffenen” werden.

Ich nehme einmal an, dass Bertrand Bossert weiß, dass die Minderung psychischer Fehlbelastungen eine Aufgabe des Arbeitsschutzes ist. Es wäre dann kein Zufall, dass er den Arbeitsschutz in seiner Rede nicht erwähnt. Bossert braucht ersteinmal selbst einen Lotsen, der ihm und seinen Vereinsmitgliedern hilft, mehr Respekt für die Gesetze und Vorschriften des Arbeitsschutzes zu entwickeln. In immer mehr Betrieben übernehmen die Arbeitnehmervertreter selbst diese Lotsenarbeit.

Das wird eine Lotsenarbeit im Arbeitsschutz sein und nicht zuerst in “Vorsorgeeinrichtungen”. Was diese Einrichtungen sein sollen und wer sie bezahlt, wird bei Bossert nicht klar. Sollen hier wieder Kosten vergesellschaftet werden? Wenn es um Arbeitsschutz ginge, dann hätten die Arbeitgeber die Kosten dafür zu tragen.

Suche: http://www.vbw-bayern.de/vbw/Suche.jsp.is?queryText=psychische&co=2

Die Kunstgriffe der vbw

Montag, 2. September 2013 - 23:12

http://www.b4bschwaben.de/nachrichten/dillingen_artikel,-Klartext-Mythos-psychische-Belastung-am-Arbeitsplatz-_arid,129993.html

vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
Klartext: Mythos psychische Belastung am Arbeitsplatz
Dillingen | 30.08.2013

Hier wird kein Blatt vor dem Mund genommen. Die vbw stellt sich gegen den Mythos, dass psychische Belastung vornehmlich durch Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird. Die Realität sieht komplett anders aus.

Eristischer Kunstgriff: Verstärkt wohl durch die Bearbeitung der vbw-Pressemeldung “Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen / Mythen und Fakten zur Arbeitswelt: Teil 6″ durch B4B Schwaben, wird hier der Mythos zusammengebastelt, dass es einen Mythos gäbe, dass psychische Belastung vornehmlich durch Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird. Natürlich wird auch das gelegentlich den Arbeitgebern vorgeworfen. Die inzwischen öffentliche Kritik setzt aber woanders an: Es war bisher für Mitarbeiter recht gefährlich, das Thema der psychischen Belastungen überhaupt anzusprechen.

Beispiel: Überlastungsanzeigen landeten bei den Personalabteilungen, die den betroffenen Mitarbeitern dann zur Stressminderung eine Minderung der Arbeitsbelastung und damit auch des Einkommens “anboten”, anstelle zuallererst einmal nachzusehen, wie die vom Arbeitsplatz des Mitarbeiters auf ihn wirkenden psychischen Belastungen beurteilt wurden. In den meisten Fällen gab es da nichts, denn bisher konnten viele Arbeitgeber es sich straflos leisten, in den vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen keine ernsthafte Beurteilung psychischer Belastungen vorzunehmen.

Warum es falsch ist, “dass psychische Belastung vornehmlich durch Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird”, erklärt der Artikel nicht. Eine solche Behauptung wäre nämlich tatsächlich falsch, aber den eigentlichen Grund für den Fehler in dieser Aussage haben die Autoren des vdw gar nicht verstanden: Sachlich richtig ist, dass umgekehrt die Beanspruchung des Menschen am Arbeitsplatz durch die vom Arbeitsplatz ausgehende und auf den Menschen wirkende psychische Belastung hevorgerufen wird. Und selbst das ist noch kein Problem, denn das ist die Eigenschaft von Arbeit! Ohne Belastungen gibt es keine Jobs. Die vbw wehrt sich dagegen, dass Arbeit schlecht gemacht wird. Aber ihr Gebrauch des Begriffes “Belastung” macht schon den Begriff der Belastung schlecht. Belastung als negativ darzustellen, mag der übliche Sprachgebrauch sein, aber das ist keine Entschuldigung für einen “Klartext”, der die Dinge klären soll.

Zum Problem werden Belastungen erst, wenn sie Fehlbelastungen sind. Dann können krank machende Beanspruchungen die Folge psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz sein. Niemand will Arbeit schlecht machen. Aber der Widerstand gegen krank machende Arbeit wird jetzt immer stärker.

Wer unterscheidet zwischen Belastungen und Fehlbelastungen? In den Betrieben entscheiden das Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam und betriebsnah innerhalb des weiten Rahmens des Arbeitsschutzgesetzes. Es geht also um Mitbestimmung. Die jedoch ist bei einigen Arbeitgebern immer noch unbeliebt.

 

Es gibt viele Mythen und pseudo Fakten, die sich in der öffentlichen Meinung zur Arbeitswelt festgesetzt haben. Eine dieser Mythen rankt sich um das Thema psychische Belastung. Viele glauben, dass psychische Belastung einzig und allein aus dem vermeidlichen Stress am Arbeitsplatz resultiert. Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. setzt sich diesem Gerücht entgegen. Psychische Belastungen im Alltag nehmen zu, das ist Fakt. „Ich warne aber davor, psychische Erkrankungen auf den vermeintlich steigenden Stress in der Arbeitswelt zurückzuführen“, so vbw Geschäftsführer Bertram Brossardt. „Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen, die von der Veranlagung bis zur Belastung im Arbeits- und Privatleben reichen. Studien belegen, dass befriedigende Arbeit die psychische Gesundheit nicht schwächt, sondern stärkt.“

Eristischer Kunstgriff: “Studien belegen…” Dass befriedigende Arbeit die psychische Gesundheit nicht schwächt, sondern stärkt, ist etwa seit dem Pleistozän bekannt. Niemend stellt in Frage, dass befriedigende Arbeit befriedigt (solange es nicht um suchthafte Befriedigung geht). Hier wir am falschen Baum gebellt. Beim seit dem Jahr 1996 geforderten Einbezug psychischer Belastungen in den ganzheitlichen Arbeitsschutzes geht es z.B. um unbefriedigende Arbeit, aber auch um suchthaft befriedigende Arbeit.

Nächster Kunstgriff: “Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen, die von der Veranlagung bis zur Belastung im Arbeits- und Privatleben reichen.” Richtig. Auch das ist bekannt. Aber wie können Arbeitgeber es wagen, etwas zu psychische Fehlbelastungen im Arbeitsleben zu sagen, wenn sie sich seit 1997 mehrheitlich schon gegen die Erfassung und Beobachtung von psychischen Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung gewehrt haben? Ihr Interesse, Ursachen im Arbeitsleben entdecken zu können, war jedenfalls bisher nicht sehr ausgeprägt.

Noch ein Kunstgriff: die Warnung, psychische Erkrankungen auf den vermeintlich steigenden Stress in der Arbeitswelt zurückzuführen. Diese Warnung ist genauso unsinnig, wie psychische Erkrankungen nur auf die Arbeitswelt zurückzuführen. Die Warnung ist sogar ein Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz, denn hier muss es möglich sein, nach einer ordentlichen Gefährdungsbeurteilung psychische Erkrankungen durchaus auch einmal auf gefährdende Arbeitsbedingungen zurückzuführen.

 

Erwerbstätige erkranken deutlich seltener
Nach einer Erhebung des BKK-Bundesverbands leiden Erwerbstätige deutlich seltener an psychischen Störungen als Arbeitslose. Nur 12 Prozent der männlichen und 16 Prozent der weiblichen Beschäftigten suchen pro Quartal einen Arzt wegen psychischer Probleme auf. Bei Arbeitslosen und Rentnern sind es dagegen 20 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen. Außerdem stehen den 5,2 Krankheitstagen aufgrund psychischer Erkrankungen von Arbeitslosen die 1,5 Tage der Erwerbstätigen gegenüber. Menschen ohne Arbeit haben eine wesentlich größere Wahrscheinlichkeit psychisch zu erkranken.

Eristischer (und wenig origineller) Kunstgriff: Den Trick mit “Arbeit macht mehr Freude als Erwerbslosigkeit” versuchte Dieter Hundt schon früher. Es ist auch irreführend, z.B. einen gestressten 40jährigen Arbeitnehmer mit einem Rentner zu vergleichen. Seriös wäre dagegen eine Unterscheidung innerhalb der Gruppe der Erwerbstätigen zwischen nicht krank machender (und dann oft den Menschen bereichender) Arbeitsbelastung und krank machender Arbeitsbelastung. Das ist die Aufgabe beispielsweise der Gefährdungsbeurteilung. Genau hier will es der Mehrheit der Arbeitgeber auch heute noch nicht gelingen, in ihrem Arbeitsschutz mitbestimmte und auditierbare Verfahren zur Erkennung und Bewertung psychischer Belastungen zu implementieren. Woran mag das liegen?

 

Arbeitgeber auf Arbeitnehmer gut eingestellt
Ganz unabhängig von diesem großen Unterschied hat sich die bayerische Wirtschaft dem Thema Gesundheit bereits angenommen. „Unser Focus muss auf Prävention und Früherkennung liegen, um psychische Erkrankungen zu vermeiden“, so Brossardt. „Hier ist bereits viel geschehen: 93 Prozent der Unternehmen haben laut Institut der deutschen Wirtschaft Köln Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsplatzes im Rahmen eines Gesundheitsmanagements eingeleitet. Dieses Engagement wird auch von den Mitarbeitern honoriert: Rund zwei Drittel der Beschäftigten sind der Meinung, dass sich ihr Betrieb gut oder sehr gut um ihre Gesundheit kümmert.“

Eristischer Kunstgriff: Argumentation mit Gesundheit insgesamt. Es geht um den mangelhaften Arbeitsschutz, nicht um das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) schlechthin. Wie viele der Beschäftigten sind der Meinung, dass sich ihr Betrieb gut oder sehr gut um ihre psychische Gesundheit kümmert?

Im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements tun die Unternehmen tatsächlich werbewirksam viel, z.B. Rückenschule, Yoga, gerne auch Fünf Tibeter usw. Aber in der Praxis überwiegt dabei die Verhaltensprävention. Die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Verhältnisprävention wird dagegen im BGM oft marginalisiert. Der vorgeschriebene Arbeitsschutz kann ein Teil des ansonsten freiwilligen BGM sein, aber er würde (bei seiner ernsthaften Umsetzung im Bereich der psychischen Belastungen) Führungsstile und die Arbeitsorganisation transparenter machen und stärker in Frage stellen, als das die Arbeitgeber das bisher gewohnt waren. Das ist es, was bis etwa 2011 die seit 1996 stattfindende Missachtung der Pflicht erklärt, psychische Belastungen mitbestimmt in den Arbeitsschutz einzubeziehen.

 

M+E Industrie kümmert sich um Gesundheit am Arbeitsplatz
Die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber bayme vbm nehmen dieses Thema ebenfalls ernst. Deshalb haben sie den „Aktionstagprogramm psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ im Bereich der gesundheitlichen Vorsorge ins Leben gerufen. „Damit wollen wir zum einen wissenschaftlichen Beitrag leisten und so die Diskussion versachlichen“, erklärt Brossardt. „Zum anderen bieten wir Betrieben Workshops zur Weiterbildung von Führungskräften und Betriebsärzten an. Ab 01. September 2013 stehen mit unserer Hotline zwei Psychologen für eine telefonische Beratung für Mitarbeiter und Führungskräfte unserer Mitgliedsunternehmen zur Verfügung, um bei psychischer Belastung frühzeitig intervenieren und helfen zu können.“ Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt. bayme vbm wendet fast 1,7 Mio. Euro für diese Maßnahmen auf.

Die Wissenschaftlichkeit des Beitrages der vbw bedarf sicherlich einer nachhaltigen Beobachtung. Mitarbeiter, die psychischen Fehlbelastungen ausgesetzt sind, sollten den hier zitierten “Klartext” genau durchlesen, bevor sie sich entscheiden, bei der Hotline der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft anzurufen. Da mag es klüger sein, mögliche psychische Belastungen zunächst erst einmal mit einem Mitglied des Betriebsrates zu besprechen. Auch die Hausärzte kennen sich zunehmend besser mit dem Thema aus.

 
Links:

Zukunft einer zeitgemäßen betrieblichen Gesundheitspolitik

Dienstag, 4. Juni 2013 - 07:24

Auch aus historischer Sicht interessant:
http://www.einblick-archiv.dgb.de/hintergrund/2004/08/text01/

Gemeinsame Erklärung von BDA und DGB
(21. April 2004
)

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sehen in der betrieblichen Gesundheitspolitik einen wichtigen Baustein für die Prävention in Deutschland.

Beide Gestaltungsfelder,

  • der verpflichtende Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie
  • die den Arbeitsschutz ergänzenden freiwilligen Maßnahmen der Gesundheitsförderung,
  • gehören zu einer zeitgemäßen betrieblichen Gesundheitspolitik. Betriebliche Gesundheitspolitik umfasst alle Strategien, in die Humanressourcen unserer Wirtschaft zu investieren. Sie zielt darauf ab, die Mitarbeiter/innen gesund und leistungsfähig zu erhalten. Betriebliche Gesundheitspolitik kann so dazu beitragen, die Innovationskraft und Produktivität zu erhöhen. Ein aktiv betriebener Arbeitsschutz reduziert Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren und verbessert durch den Abbau von Fehlzeiten und die Vermeidung von Betriebsstörungen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Zugleich unterstützt eine gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen die Motivation der Mitarbeiter und verbessert die Qualitätsstandards der Betriebe. Der globale Wettbewerb und der Wandel zu einer wissens- und informationsbasierten Arbeitswelt haben Arbeitsabläufe, Arbeitsorganisation und Arbeitsanforderungen insgesamt verändert. Durch diesen Wandel sind die sog.”weichen”Faktoren – wie psychische Fehlbelastungen – stärker in den Blickpunkt gerückt. Die Bedeutung der Prävention in diesem Bereich wird künftig zunehmen. Betriebliche Gesundheitspolitik die u.a. darauf abzielt, die Arbeitsorganisation und die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Beschäftigte am Arbeitsplatz gesund älter werden können, hat auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung große Bedeutung. DGB und BDA sind der Auffassung, dass es zur weiteren Förderung betrieblicher Gesundheitspolitik grundsätzlich keiner neuer gesetzlichen Regelungen bedarf. [Inzwischen fordert ein ernüchterter DGB eine Anti-Stress-Verordnung. Und das Arbeitsschutzgesetz wird geändert.]

    1. Integrierter Arbeitsschutz

    Die betriebliche Umsetzung der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes bietet Chancen für die Mitarbeiterentwicklung bzw. die Entwicklung von Leistungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein, die genutzt werden sollten. BDA und DGB befürworten daher einen integrierten Arbeitsschutz. DGB und BDA fordern die Unternehmen auf, das Arbeitsschutzgesetz mit Leben zu füllen. Dies erfordert die aktive Mithilfe der Arbeitgeber, Führungskräfte und Vorgesetzten einerseits und aller Beschäftigen andererseits. Die Einführung von Arbeitsschutzmanagementsystemen kann dabei hilfreich sein, muss aber freiwillig und ohne Zertifizierungszwang bleiben.

    2. Praxisgerechte Instrumente und Beratung

    Es fehlt im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nicht an gesetzlichen Regelungen und gesicherten Erkenntnissen. Verbesserungsbedarf besteht hinsichtlich der effizienten Anwendung gesicherter Erkenntnisse. Dringlichste Aufgabe für die Arbeits- und Gesundheitsschutzakteure ist es daher, praxistaugliche und einsichtige Handlungshilfen zu entwickeln, die insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen mit angemessenem Aufwand in die Lage versetzen, erfolgreiche betriebliche Gesundheitspolitik zu betreiben. Das Erfahrungswissen im Betrieb, einschließlich das der Arbeitnehmer, ist in die Gestaltung der Arbeit einzubeziehen.

    3. Gemeinsame Initiativen

    BDA und DGB unterstützen die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) und das Deutsche Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung. Hauptziel dieser Initiativen muss es sein, praktikable und effektive Handlungsanleitungen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, im Bereich des Arbeitsschutzes und der betrieblichen Gesundheitsförderung weiter zu verbreiten. Damit können auch vorhandene außerbetriebliche Kapazitäten besser genutzt werden.

    4. Überbetriebliche Akteure

    Gleichermaßen sind auch die gewerblichen Berufsgenossenschaften im Rahmen ihrer Funktionen für die Betriebe gefordert. Neben einer am Bedarf der Betriebe ausgerichteten Beratung der Betriebe durch die Berufsgenossenschaften ist eine zeitgemäße Ausgestaltung des dualen Systems erforderlich. Berufsgenossenschaften und Gewerbeaufsicht sollten zu einer sachgerechten Arbeitsteilung finden, die dazu führt, den Vollzug des technischen, medizinischen und sozialen Arbeitsschutzes in allen wirtschaftlichen Bereichen zu gewährleisten. Damit können auch doppelte Investitionen und Belastungen vermieden werden.

    5. Erfahrungsaustausch

    Auch mit der Schaffung von inner- und außerbetrieblichen sowie regionalen oder branchenbezogenen Plattformen und Netzwerken zum Erfahrungsaustausch kann die betriebliche Gesundheitspolitik aus Sicht des DGB und der BDA weiter voran gebracht werden. Verbesserte Kommunikation und Information führt zur schnelleren Lösung von Problemen und fördert den kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

    6. Ausbau der Prävention

    Bei Prävention und Gesundheitsförderung handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher sind in diesem Bereich auch viele und sehr unterschiedliche Institutionen tätig. Zur Stärkung der Prävention und Gesundheitsförderung – auf der allgemeinen wie betrieblichen Ebene – ist aus Sicht von BDA und DGB eine verbesserte Kooperation und Vernetzung der unterschiedlichen Akteure erforderlich.

    BDA und DGB werden ihre Mitglieder über diese Empfehlung informieren und sie bitten, in diesem Sinne tätig zu werden.

nachträgliche Layout-Änderungen, Hervorhebungen und eingefügte Links

 
Siehe auch: Arbeitgeber- und Arbeitnehmerpositionen

Dieter Hundts Rede

Mittwoch, 24. April 2013 - 23:37

http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/files/529AA52F50736C79C1257B02003C93FB/$file/Rede_DH-Psychische-Gesundheit-in-der-Arbeitswelt.pdf (2013-01-29)

[...] In vielen Gesprächen mit Unternehmensvertretern und deren Betriebsärzten wird deutlich, dass hier etwas geschehen muss. Es ist nicht hinzunehmen, dass sich Betriebe über externe Anbieter Beratung und die Vermittlung schneller Versorgung für ihre Mitarbeiter teuer einkaufen müssen, weil das Gesundheitswesen nicht die entsprechenden Voraussetzungen schafft. [...]

Dieter Hundt versteht den Arbeitsschutz nicht. Darin geht es nur um solche Erkrankungen, die durch (schlechte) Arbeit entstehen. Es geht nicht darum, dass Arbeit schlechthin krank mache. Viele Menschen verstehen diesen Unterschied recht gut. Weiterhin geht es nicht um bereits Erkrankte, sondern um die Vermeidung arbeitsbedingter Erkrankungen. Hundt überspringt die Prävention und jammert dann, dass psychische Erkrankungen den armen Arbeitgebern Kosten verursachen.

Hundt spricht sicherlich für viele Unternehmensvertreter. Aber ich bezweifele sehr, dass er “deren” Betriebsärzte richtig verstanden hat.

Hauptsache Gesundheit: Positionen

Mittwoch, 24. April 2013 - 07:12

Arbeitgeberpositionen

Die erste Veröffentlichung in der folgenden Liste ist respektabel und anständig geschrieben. Viele Punkte in Die Sache mit der psychischen Belastung können auch Arbeitnehmervertretern als Referenz dienen. Manche dieser Punkte könnten Arbeitgebern und Arbeitnehmern helfen, in einigen Fragen eine gemeinsame Position zu finden. Die nach Die Sache mit der psychischen Belastung aufgelisteten Veröffentlichungen helfen Arbeitnehmervertretern zumindest, das Denken und die Einstellungen vieler Arbeitgeber zu verstehen und sich darauf einzustellen.

  1. A. Hofmann und K.- J. Keller (Arbeitgeberverband Metall NRW), R. Neuhaus (Institut für angewandte Arbeitswissenschaft), April 2000 (nicht 2002, wie das bei ergonassist.de steht), 59 Seiten: Die Sache mit der psychischen Belastung, Eine praxisnahe Handlungshilfe für Unternehmen in Leistung und Lohn, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft (Nr. 367/368/369/370). Die Abhandlung ist ziemlich ausführlich und geschickt gemacht: Sie ist eine Mischung aus richtigen Aussagen und auch ein bisschen Polemik. Die Abhandlung kann der Arbeitnehmerseite sehr gut helfen, die Haltung und das Vorgehen von Arbeitgebern beim Thema des Einbezugs der psychischen Belastungen in den Arbeitsschutz in Verhandlungen besser zu verstehen. Sie setzt aber auch Mindeststandards, die eine gemeinsame Ausgangsbasis für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein könnten.
    Die BAG-Beschlüsse aus dem Jahr 2004 konnten hier natürlich noch nicht berücksichtigt werden, und die in dem Artikel kritisierte paritätische Kommission (Stichwort: Gesundheitsauschuss) funktioniert bereits gut. Es kommt eben darauf an, wie so eine Kommission arbeitet.
    Suche auch:
    Hoffmann+Keller+Neuhaus+psychische-Belastung
    Einigungsstelle+psychische-Belastung+”Ralf+Neuhaus”

    Was der Artikel auch zeigt: Zumindest in den Personalabteilungen der großen Unternehmen war das Thema seit 2000 bekannt. Schon damals hatten die Arbeitgeber einen ausreichenden Wissensstand. Seit dieser Zeit kann die Missachtung der Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz bei bei der ganz großen Mehrheit der Unternehmen in Deutschland also kein Versehen mehr gewesen sein. Sie erhöhten damit wissentlich das Erkrankungsrisiko ihrer Mitarbeiter.
  2. BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber), Mai 2005: Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit.
    Die BDA meint: 

    … Die Gewerkschaften gehen davon aus, dass psychische Belastungen grundsätzlich Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz sind. Beim Fehlen besonderer Anhaltspunkte kann aus Sicht der BDA jedoch davon ausgegangen werden, dass keine Gesundheitsgefährdungen durch psychische Belastungen bestehen. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Bildschirmarbeitsplätze. …

    Was für ein Unsinn. Diese Arbeitgebervereinigung stellt sich gegen die Bildschirmarbeitsverordnung sowie gegen die Beschlüsse des BAG und verleitetet viele Unternehmer damit möglicherweise sogar zu Rechtsverstößen. Denn nach den Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts hat sich diese Position der Arbeitgeber als unrichtig erwiesen: Das Vorliegen “besonderer Anhaltsspunkte” ist für eine Gefährdungsbeurteilung schon aus Gründen der Logk nicht erforderlich, denn Anhaltspunkte werden ja erst mit der Gefährdungsbeurteilung gewonnen. (In der Praxis kann man in Anlehnung an OHSAS 18001 die Gefährdungsbeurteilung in eine Gefährungserkennung und eine Risikobewertung aufteilen.)

  3. BDA, Mai 2009: Erfolgsfaktor Psychische Gesundheit
    (Siehe auch: http://blog.psybel.de/mehr-eigenverantwortung-der-beschaeftigten/)
  4. BDA, Nov. 2010, Arbeitsschutz und Gesundheitsgefärderung: Unternehmen engagiert und erfolgreich
    (Hier ist die Trennung zwischen “gesetzlich verpflichtendem Arbeits- und Gesundheitschutz” und “freiwilliger Beteiligung” an der “Gesundheitsförderung” keine unbedeutende Nebensache: Die Unterscheidung zwischen “verpflichtend” und “freiwillig” kann den Arbeitgebern bei der Schwächung der starken Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmer im ganzheitlichen Arbeitsschutz helfen.)
  5. BDA, Geschäftsbericht 2010, S. 48-49: Psychische Gesundheit: Unternehmen aktiv
    Die BDA behauptet hier, es gäbe eine falsche “Herleitung”, dass psychische Belastung aus der Arbeitsaufgabe zu psychischen Störungen der Mitarbeiter führen. Der BDA ist demzufolge nicht bekannt, dass psychische Fehlbelastungen zu psychischen und körperlichen Erkrankungen führen können. Der Arbeitgebervereinigung fehlen also elementare Kenntnisse des ganzheitlichen Arbeitsschutzes. Was legitime Belastungen einerseits und gesundheitsgefährdende Fehlbelastungen andererseits sind, haben die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer in einem Betrieb miteinander und unter Berücksichtigung des Standes der Wissenschaft zu vereinbaren.
  6. BDA: Psychische Belastung – psychische Gesundheit (aktuelle Website, mein Kommentar dazu)
  7. Gesamtmetall und ifaa, 2011: Burnout, Depression und Demographie – Was kann und soll betriebliche Gesundheitsförderung hier leisten? (Kommentar)
  8. Arbeitgeber gegen Anti-Stress-Verordung, 2011-10: Kommentar und Link zu Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein, Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend; mit einem Link zu Stephan Sandrock, Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa, Depression und Burnout – Wie Unternehmen damit umgehen können, 2011-09-28
  9. BDA und VDBW, 2012: Bedeutung der psychischen Gesundheit im Betrieb
  10. Alexander Gunkel (Salzgitter AG), 2012: Psychische Gesundheit – Abgestimmtes Handeln im Unternehmen schafft Handlungssicherheit und Erfolg
  11. Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa), 2012-06-27: IG Metall Entwurf für die Anti-Stress-Verordnung praxisfern und nicht zielorientiert
  12. Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, 2012-07-26: Nichterwerbstätige deutlich anfälliger // Überreglementierter Arbeitsschutz hilft hier gar nicht // Arbeitgeber müssen mit “Samthandschuhen” vorgehen..
  13. Pascal Kober (FDP), Ulrich Lange (CDU), 2012-10-25, Reden in der Bundestagsdebatte 17/201. Hier fielen mir insbesondere die eher ideologischen Bedenken Ulrich Langes zur Mitbestimmung auf. Wie die Arbeitgeber befürchtet er Mitbestimmung im Bereich unternehmensstrategischer Entscheidungen. Tatsächlich bedeutet Mitbestimmung im Bereich der psychischen Belastung auch Beeinflussung von Führungsstilen.
  14. Dieter Hundts Rede, 2013-01-29
  15. Volker Kauder (CDU), Gerda Hasselfeldt (CSU) und Fraktion; Rainer Brüderle (FDP) und Fraktion, 2013-04: Für eine humane Arbeitswelt – Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken. Als Arbeitgeberposition ist dieser Beitrag zu Arbeitsschutzthemen deswegen hier aufgelistet, weil er ganz wichtige Probleme (unzureichende Kontrolle und Missachtungd der Regeln des ganzheitlichen Arbeitsschutzes in der großen Mehrheit der Betriebe) nicht anspricht. CDU/CSU und FDP tolerieren damit erhöhte Risiken der Verletzungen von Arbeitnehmern.
  16. BDA, August 2013: Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz, Besonderer Schwerpunkt: psychische Belastung, Ein Praxisleitfaden für Arbeitgeber
  17. Suche in der BDA-Website: “psychische

 

Arbeitnehmerpositionen

  1. Mitbestimmung bei Stress und anderen psychischen Belastungen, Der Personalrat 10/2002, S. 420-427
  2. Tausendmal diskutiert und doch ist nichts passiert?,
    Computer-Fachwissen 2/2004, 9 – 14 und 3/2004, 8 – 13
  3. Gemeinsames Positionspapier von IG Metall und VDBW, Mai 2009
  4. Hauptsache Gesundheit – Tarif- und betriebspolitisches Drehbuch zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
    ver.di, Juni 2010
    Das “Drehbuch” setzt sich auch ziemlich ausführlich mit den Argumenten der Arbeitgebervereinigung (BDA) auseinander. Interessant auch das Kapitel “Tarifvertragliche und/oder betriebliche Umsetzung“.
  5. Aus Arbeitnehmersicht betrachtet: Widerstand gegen die Mitbestimmung im Arbeitsschutz
  6. Eigentlich eher als arbeitgebernah bekannt, überraschte mich die FDP mit einer ungewöhnlich kompetent gestellten Anfrage (2009) zur Belastungssituation von Lehrern an Berliner Schulen. Ich habe daraus Fragen an Arbeitgeber in der Privatwirtschaft abgeleitet, die angesichts ihres Ursprungs von Arbeitgebern sicherlich nicht als “gewerkschaftsideologisch” vom Tisch gewischt werden können.
  7. IG Metall, 2012-06, Anti-Stress-Verordnung

 

Gemeinsame Positionen

  1. Gemeinsame Erklärung von BDA und DGB (2004-04-21), Zukunft einer zeitgemäßen betrieblichen Gesundheitspolitik
    Einiges gilt wohl nicht mehr, z.B.: “DGB und BDA sind der Auffassung, dass es zur weiteren Förderung betrieblicher Gesundheitspolitik grundsätzlich keiner neuer gesetzlichen Regelungen bedarf.”

  2. Gemeinsame Erklärung von BMAS, BDA und DGB (2013-09-05), Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt
     
    Update: 2013-09-30

Hundt lernt keine neuen Tricks

Montag, 28. Januar 2013 - 23:51

https://www.google.de/search?q=”Nach+allen+Untersuchungen+haben+psychische+Störungen+nicht+zugenommen”

Die DAK kann wahrscheinlich nichts dafür, dass die dpa Hundts Desinformation mit der Meldung der DAK verquirlt hat:

… Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt räumte ein, Berufstätigkeit könne «natürlich» eine Rolle bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen, sei aber nie die alleinige Ursache. …

Es gibt konkrete Fälle, in denen psychische Fehlbelastungen ausschließlich im Handlungs- und Verantwortungsbereich des Arbeitgebers entstanden waren. Diese Arbeitgeber vermieden die Auseinandersetzung damit und die Dokumentation dazu, d.h. sie übersprangen die Gefährdungsbeurteilung, um das Thema schnell mit Maßnahmen vom Tisch zu kriegen. Und sogar nach OHSAS 18001 zertifizierte Unternehmen nehmen nur Unfälle und Unfallgefahren wahr, ignorieren aber den anderen Teil der in Definition 3.9 von OHSAS 18001:2007 genannten Vorfälle. Dann kann man natürlich viele Erkrankungsursachen nicht erkennen.

… Es schade der Sache, wenn die Debatte über psychische Gesundheit «bisweilen mit falschen Zahlen, verzerrenden Darstellungen und unberechtigten Vorwürfen» geführt werde. … 

Hier gleich mal ein paar richtige Zahlen:

 

Fünf Argumente der BDA

Sonntag, 27. Januar 2013 - 12:03

“Erfolgsfaktor Psychische Gesundheit” ist ein Positionspapier der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Veöffentlichung ist sehr interessant, weil man hier die wichtigsten Argumentationsversuche der Arbeitgeber kennenlernen kann, die größtenteils schon im Jahr 2009 vorbereitet wurden. Da ist zum Beispiel
(1) die schlichte Falschdarstellung, “dass die Ursachen psychischer Erkrankungen meist außerhalb des beruflichen Umfelds liegen.” In dem Papier findet man auch den bekannten
(2) Versuch, die Bereitschaft der Unternehmer anzupreisen, bei der freiwilligen Gesundheitsförderung (das ist nicht der vorgeschriebene Gesundheitschutz) über ihren Verantwortungsbereich hinauszugehen. Die Praxis zeigt, dass dabei der der vorgeschriebene Arbeitsschutz gerne übersprungen wird.
(3) Nicht fehlen darf natürlich der Hinweis auf verbesserte Diagnosemöglichkeiten, die angeblich die Zunahme erkannter psychischer Erkrankungen erklären. Auch
(4) das an die Arbeitnehmer gerichtete Eigenverantwortungsmantra von einer Vereinigung, deren Mitglieder mehrheitlich ihrer Verantwortung nicht gerecht wurden, war schon 2009 dabei.
(5) Das fieseste Argument der Arbeitgeber ist “Arbeit stärkt psychische Gesundheit” in Verbindung mit “Arbeitslose durch psychische Störungen deutlich stärker betroffen”. Kürzlich hatte es Dieter Hundt wieder einmal mit dieser Eristik versucht. - Hier haben wir die ganze BDA-Rhetorik auf zwei Seiten zusammengesammelt, weswegen sich die Lektüre durchaus lohnt.

(Dieser Text war ursprünglich ein Absatz in http://blog.psybel.de/arbschg-aenderung-ist-eine-klarstellung/#Erfolgsfaktor)