Schlagwort 'Eristik'

Dummheiten vom Arbeitgeberverband

Freitag, 5. August 2016 - 22:56

Der Arbeitgeberverband wird frech und der Bayernkurier reicht’s durch: https://www.bayernkurier.de/inland/16221-absurder-schutz-fuer-schwangere

05.08.2016 | 12:33 Uhr
Mutterschutzgesetz

Absurder Schutz für Schwangere?

Unnötige Bürokratie und ein Beschäftigungsverbot für werdende Mütter: Dieser massiven Kritik sieht sich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig wegen ihrer geplanten Reform des Mutterschutzgesetzes ausgesetzt. Die CDU warnt vor der Einführung “absurder Pflichten”.

[...]

Für Unmut sorgen zudem geplante sogenannte Gefährdungsanalysen für Arbeitsplätze. Gesamtmetall-Vertreterin Bartos sagte: Sollte der Entwurf ohne Änderungen in Kraft treten, würden alle Arbeitgeber verpflichtet, für jeden einzelnen Arbeitsplatz zu prüfen, ob mit der dortigen Tätigkeit Gefährdungen für Schwangere oder Stillende verbunden seien – selbst wenn dort aktuell ein Mann arbeite. Zudem sehe der Entwurf auch entsprechende Dokumentations- und Informationspflichten vor, klagte Bartos. Folglich müsse sogar einem Mann erklärt werden, ob an seinem Arbeitsplatz mögliche Gefährdungen für Schwangerschaften vorliegen.

Nach den Buchstaben des Gesetzes muss also der FC Bayern München tatsächlich nachweisbar Manuel Neuer darüber informieren, ob und welches Risiko für ihn bei der Arbeit besteht, falls er schwanger werden sollte.

Annette Bartos, Arbeitgeberverband Gesamtmetall

Für das Familienministerium sei die Kritik nicht nachvollziehbar, sagte eine Sprecherin. Die Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen sei bereits in geltendem Recht verankert. Weil Arbeitsplätze vom Geschlecht unabhängig zu vergeben sind, komme auch jeder für eine Frau in Betracht.

[...]

Wenn man die den Arbeitgeber seit 1997 für alle Arbeitsplätze gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung so dumm durchführt, wie Annette Bartos (“Sozialpolitik-Expertin” des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall) das vorschlägt, dann liegt das nicht an dummen Gesetzen. Rechtsbruch im Arbeitsschutz ist keine Seltenheit. Dann aber noch frech zu werden, hat schon eine neue Qualität.

Warum brauchen sich Arbeitgeber seit 1997 bei der Beurteilung von Arbeitsplätzen nicht an das Arbeitsschutzgesetz zu halten?
Weil sie’s können.
Danke, liebe Gewerbeaufsicht und liebe Berufsgenossenschaften.

 


http://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/leistungen/abteilung05/56/schwangere/bekanntgabe/index.html

Sarah Kempf schreibt über psychische Belastung: ver.di Umfrage

Sonntag, 15. November 2015 - 23:43

2. November 2015, Von Sarah Kempf,

Belastung am Arbeitsplatz
Jeder fünfte Arbeitnehmer fühlt sich überfordert

Eine Anti-Stress-Verordnung müsse her, fordern Gewerkschaften. Dabei liegt das Problem wohl nicht nur im Job.

Sarah Kempf arbeitet sich an der nicht existierenden Behauptung der Gewerkschaften ab, dass das Problem nur am Job läge. (http://www.sueddeutsche.de/karriere/belastung-am-arbeitsplatz-jeder-fuenfte-arbeitnehmer-fuehlt-sich-ueberfordert-1.2732094):

[...] Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte die Forderung [nach einer Anti-Stress-Verordnung] unterstützt und gesagt, es gebe einen Zusammenhang zwischen Dauererreichbarkeit und der Zunahme an psychischen Erkrankungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dem Gesetz im vergangenen Herbst aber vorerst eine Absage erteilt.

“Platte Behauptung”

Die Arbeitgeber dürfte das gefreut haben. Sie wollen, dass betriebliche Schutzmaßnahmen freiwillig bleiben. Dass Arbeitsstress die Ursache für psychische Krankheiten sein soll, bezeichnete Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft VBW, als “platte Behauptung”. [...]

Anlass des Berichts sind wohl u.A. die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung durch TNS Infratest im Rahmen der ver.di-Aktionswoche 9.-13. November 2015 im Rahmen der Aktionswoche “Gute Arbeit ohne Druck” (2011-11-09). Es gibt dazu auch ein Artikel im Handelsblatt (2015-11-09), an dem sich die Süddeutsche Zeitung ein Beispiel nehmen könnte. Es gibt auch ein Beispiel für eine sehr gut recherchierte Berichterstattung in der SZ zum Thema der psychischen Belastung (Thomas Öchsner, 2012-07-24.)

  • Sara Kempf’s kleinerer Fehler: Eine Verordnung ist kein Gesetz.
  • Der größere Fehler ist, den Eindruck zu erwecken, dass die die Gewerkschaften die Ursache psychischer Krankheiten (nur) dem Arbeitsstress zugeordnen würden. Hier wird eristisch versucht, eine Behauptung zu widerlegen, die weder die Gewerkschaften noch Andrea Nahles machten. Auch Arbeitsschutzakteure verorten die Ursachen für psychische Erkrankungen in der Bevölkerung nicht ausschließlich in der Arbeitswelt. Es ist doch klar, dass psychische Erkrankungen eine Vielzahl von Ursachen haben können. Nur wurde der Bereich der arbeitsbedingten psychischen Belastungen seit 1997 in gesetzeswidriger Weise vernachlässigt. Das unzureichende Prüfungen ein Grund dafür sind, berichtete die Süddeutsche Zeitung schon im Juli 2012 (Thomas Öchsner, s.o.).
  • Sarah Kempf schreibt: Die Arbeitgeber “wollen, dass betriebliche Schutzmaßnahmen freiwillig bleiben.” Das ist der größte Fehler. Seit 1997 sind betriebliche Schutzmaßnahmen zur Vermeidung jeder Art von arbeitsbedingter Gesundheitsverschlechterung längst nicht mehr freiwillig, sondern sie sind verpflichtend im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben.

Dass ein signifikanter Anteil psychischer Erkrankungen arbeitsbedingt ist, haben die Arbeitgeber längst begriffen. Das Problem: Wegen des in einer spürbar veränderten Arbeitswelt aus psychischen Fehlbelastungen resultierenden wirtschaftlichen Schadens möchten die Unternehmen derartige Fehlbelastungen zwar durchaus mindern, aber mit möglichst wenig Mitbestimmung und möglichst geringem Haftungsrisiko.

Hier bremsen die Rechtsabteilungen der Unternehmen ihre Arbeitsschutzbeauftragten und ihre HR-Abteilungen, denn um die von arbeitsbedingten psychische Belastungen verursachte Beanspruchung der Mitarbeiter zu verstehen, müssten psychische Belastungen zwar besser erfasst und beurteilt werden, als das bisher der Fall ist, aber solch eine Dokumentation könnte auch Haftungsansprüche der Arbeitnehmer begründen. Darum versuchen selbst nach OHSAS 18001 zertifizierte Betriebs, gegenüber ihren Mitarbeitern ihre Selbstverpflichtung zu verstecken, für den Arbeitsschutz relevant Vorfälle in zwölf Kategorien zu erfassen und zu beurteilen.

Zudem kann die offene und transparente Thematisierung psychischer Belastungen zu Diskussionen über Führungstile führen, an die sich Arbeitgeber möglicherweise nicht allzu bereitwillig gewöhnen möchten. Es geht hier an’s Eingemachte.

Sahra Kempf ist es (im Gegensatz zu Thomas Öchsner, s.o.) nicht aufgefallen, dass bis 2012 die große Mehrheit der Unternehmen sich für die vorgeschriebene Beurteilung psychischer Belastungen nicht interessiert hatte. Eine Journalisten sollte sich vielleicht doch ein bisschen aktiver für den Rechtsbruch interessieren, an den sich auch die Gewerbeaufsicht gewöhnt hatten. (Es gibt Zertifizierungsauditoren, die das tolerieren.)

Vor diesem Hintergrung lassen sich die Forderungen nach einer Anti-Stress-Verordnung leichter verstehen. Ob die Schlussfolgerung, dass hier eine Verordnung helfen lönnte, richtig ist, ist eine andere Frage. Es gab ja seit 1997 ein Gesetz über den ganzheitlichen Arbeitsschutz. Ohne eine Rückkehr zu Recht und Ordnung im Arbeitsschutz und im behördlichen Aufsichtshandeln würden den Arbeitgebern Verstöße gegen eine Anti-Stress-Verordnung genauso großzügig gestattet, wie die Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz.

“Wie die Politik Weicheier heranzüchten wird”

Mittwoch, 24. September 2014 - 10:07

http://wirkt.de/die-anti-stress-verordnung/ (Dr. Thorsten Bosch AG):

Die Anti-Stress-Verordnung
Veröffentlicht am 19. September 2014 von Roger El-Hourani
Oder: wie die Politik Weicheier heranzüchten wird [...]

Das fängt ja schon mit der Überschrift gut an. Lesen Sie den Rest selbst. Die Verordnung kann Kritik gebrauchen, aber ist die Verordnung, die von Roger El-Hourani dargestellt wird, auch die Verordnung, die vorgeschlagen werden soll? Es ist immer hilfreich, sich mit dem Argumentationsstil der Gegner einer verbesserten Umsetzung des Arbeitsschutzgesetze auseinanderzusetzen.

Die Polemik El-Harounis soll mit Quelleangaben am Ende des Artikels einen seriösen Anstrich bekommen. Darunter findet sich auch “Normenausschuss Ergonomie (1987). Psychische Belastung und Beanspruchung Din-Norm Nr. 33 405. Berlin, Beuth Verlag 1987″. Die Norm DIN 33405 ist schon längst zurückgezogen worden. Relevant ist die Norm ISO/EN/DIN 10075. (El-Harouni ist hier nicht alleine. Auch das Gabler-Wirtschaftslexikon hat’s noch nicht gemerkt.)

2012 schloss Roger El-Hourani sein Psychologiestudium mit einer praktischen Forschungsarbeit zum Gesundheitsmanagement in Kooperation mit der AOK-Baden-Württemberg ab. Seine Schwierigkeiten, die “Anti-Stress-Verordnung” zu verstehen beruhen also nicht auf fehlender Fachkenntnis, sondern dienen ihm zur eristischen Darstellung des Themas. Der Psychologe El-Harouni setzt sein Wissen zur psychologischen Kampfführung ein und weiß, dass er die “Anti-Stress-Verordnung” falsch darstellt. Wahrscheinlich geht es hier aber nicht um falsch oder richtig, sondern um die Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Kunden, die die Dr. Thorsten Bosch AG bedienen will.

Das Niveau des Artikels von El-Harouni wir noch von dem YouTube-Video unterboten, den El-Harouni in seinen Artikel eingebettet hat. Verantwortlich dafür ist Jörg Zajonc, der Chef von RTL-West. Er ist also eine Führungskraft, weswegen sich die Gewerbeaufsicht seine Polemik einmal genauer ansehen und anhören sollte.

Berater wie Roger El-Harouni und Führungskräfte wie Jörg Zajonc sind ein gutes Argument für eine strenge “Anti-Stress-Verordnung”, die sich insbesondere einer kompetenten behördlichen Aufsicht widmen könnte.

Übrigens, man kann Regulierungsbemühungen im Bereich der arbeitsbedingten psychischen Belastungen auch anständig kritisieren: A. Hofmann und K.- J. Keller (Arbeitgeberverband Metall NRW), R. Neuhaus (Institut für angewandte Arbeitswissenschaft), April 2000 (nicht 2002, wie das bei ergonassist.de steht), 59 Seiten: Die Sache mit der psychischen Belastung, Eine praxisnahe Handlungshilfe für Unternehmen in Leistung und Lohn, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft (Nr. 367/368/369/370). Ralf Neuhaus war als seriöser Wissenschaftler schon im April 2000 weiter, als Roger El-Hourani es zwei Jahre nach seinem Studienabschluss ist.

“Unterfangen, das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten”

Freitag, 10. Januar 2014 - 22:34

Ein großes Problem für die Unternehmen: Sie haben zwar inzwischen begriffen, dass psychische Fehlbelastungen ihrem Geschäft schaden, aber manche Unternehmer stört die Möglichkeit der Arbeitnehmer, über die starke Mitbestimmung im Arbeitsschutz den Führungsstil im Unternehmen wirksam beeinflussen zu können. So kann es dann zum Beispiel bei der Umstellung von Regelwerken für den Arbeitsschutz und bei der Einführung von Formularen zur Gefährdungsbeurteilung zu strafbaren Handlungen kommen, wie z.B. die Behinderung der Mitbestimmung. Das wird wohl einer der wichtigsten Gründe des Widerstandes mancher Arbeitgeber gegen die Thematisierung der psychischen Belastung in den Betrieben sein.

http://www.aerztezeitung.de/news/article/852903/kommentar-dihk-umfrage-gesundheit-bleibt-chefsache.html (2014-01-09)

Kommentar zur DIHK-Umfrage
Gesundheit bleibt Chefsache

Bei der Gesundheitsförderung in Unternehmen hat sich “einiges getan”, lobt der Wirtschaftsverband DIHK. Doch es wachsen Zweifel, wenn es gerade in kleinen Betrieben vor allem vom Chef abhängt, ob Gesundheitsvorsorge angeboten wird.

Von Florian Staeck

Ein Lob vorab: Dass der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) den Stand der Gesundheitsförderung in 1500 Unternehmen ermittelt hat, ist zu begrüßen. Die Umfrage bietet eine Datengrundlage, auf der aufgebaut werden kann.

Freilich nutzen Verbände dieses Instrument auch immer, um pro domo Politik zu machen. Das ist beim DIHK nicht anders. Sein Motto lautet: Das vorhandene Engagement der Betriebe ist beeindruckend, weitere gesetzliche Regelungen schaden nur. Dies zeigt sich besonders deutlich in dem Unterfangen, das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten.

[...]

Der DIHK hat seiner Umfrage die Überschrift “An Apple a Day….” gegeben – wenn das denn mal so einfach wäre mit der Gesundheit im Betrieb.

(Die Kursivschrift und den Fettdruck habe ich nachträglich in den Kommentar eingearbeitet.)

Der Kommentar wurde von einem Durchblicker geschrieben. Davon müsste es mehr geben.

 
http://www.dihk.de/presse/meldungen/2014-01-08-unternehmensbaromter-gesundheitsfoerderung

[...] Verstärkt auf der politischen Agenda stehe das Thema psychische Gesundheit, berichtete der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer [Achim Dercks] weiter. Die Zahl entsprechender Diagnosen und Krankschreibungen steige; mit Blick auf die vielfältigen Einflussfaktoren sei es jedoch “verfehlt, das Arbeitsumfeld für diese Entwicklungen allein verantwortlich zu machen”. [...]

Der Trick, den Dercks hier versucht, wird langsam langweilig. Die Herumweinerei der Arbeitgeber, dass das Arbeitsumfeld “allein” für psychische Erkrankungen verantwortlich gemacht werde, ist unredlich. Dercks weiß natürlich, dass das nicht der Hauptvorwurf an die Arbeitgeber ist. Mit seiner Klage lenkt er nur vom eigentlichen Vergehen der Mehrheit der Arbeitgeber ab: 80% dieser Unternehmer wollen die psychischen Belastungen an den Arbeitsplätzen ihrer Betriebe nicht einmal beurteilen.

Das ist das “Unterfangen, das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten”. Etwa 80% der Arbeitgeber sehen unter den Augen der Gewerbeaufsicht in gesetzeswidriger Weise weg, sind aber sind dreist genug, trotzdem Aussagen zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu machen. Dabei nutzen sie die Überforderung der Auditoren der Gewerbeaufsicht und der Zertifizierungsunternehmen. In einigen Ländern stehen die Aufsichtspersonen der unteren Behörden unter großem Druck unternehmerfreundlicher Ministerien, so dass zur Überforderung der Aufsichtspersonen (durch einen wohl nicht mehr ganz versehentlichen Ressourcenmangel) noch Angst dazu kommt.

Es ist doch klar, dass zum Rechtsbruch bereite Arbeitgeber sich vor strengeren Vorschriften fürchten. Es ist erwiesen, dass im Arbeitsschutz der Zwang, Vorschriften zu beachten, der stärkste Motivator ist. Das Gerede der Wirtschaftsverbände, die Unternehmen seien selbst an gesunden Mitarbeitern interessiert, dient vorwiegend dazu, strengere und deutlichere Vorschriften zu vermeiden. Die Arbeitgeber wehren sich gegen eine Dokumentation, die ihr Haftungsrisiko erhöht. Die Ärztezeitung erkennt:

[...] Nichts fürchten die Wirtschaftsverbände mehr als die von den Gewerkschaften geforderte “Anti-Stress-Regelung” – direkte Interventionen in die Betriebe via Gesundheitsförderung wären dem DIHK ein Gräuel. [...]

Das stimmt übrigens nicht ganz. Bei der “Anti-Stress-Verordnung” geht es um die Durchsetzung des vorgeschriebenen Arbeitsschutzes, nicht aber um die freiwillige Gesundheitsförderung. Direkte Interventionen in die Betriebe via Arbeitsschutz wären dem DIHK ein Gräuel.

Die Unternehmen gehen über den Arbeitsschutz hinaus. Leider ging dabei eine große Mehrheit der Arbeitgeber gleich über wichtige Teile des Arbeitsschutzes hinweg.

Die Unternehmer stellen sich neue Hausaufgaben im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements, weil sie die ihnen vorgeschriebenen Aufgaben nicht mögen. In der 12 seitigen Schrift des DIHK wird darum auch wieder dieser Trick probiert: Gleich drei mal geht man dort sinngemäß “über den gesetzlichen Arbeitsschutz hinaus”. Die Unternehmen gehen aber nicht nur über den Arbeitsschutz hinaus, sondern die große Mehrheit der Arbeitgeber durfte unter den geschlossenen Augen der Gewerbeaufsicht über wichtige Teile des Arbeitsschutzes hinweg gehen, weil sie das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus dem Arbeitsschutz heraushalten wollten. Gehalt und Arbeitszeit sind unangenehm gut mess- und verhandelbar, da blieb den Unternehmen nur noch übrig, mit einer höheren Arbeitsbelastung mehr aus den Leuten herauszuholen. Das ist ein angenehm komplexes Gebiet. Genaueres Hinsehen im Arbeitsschutz stört hier nur.

Die Klientel des DIHK hat in einem freien Land zwar das Recht, Gesetze für schlecht zu halten, aber es muss den von ihr vertretenen Unternehmern wieder abgewöhnt werden, für sich aus ihrer Meinung heraus einfach das Recht abzuleiten, sich über demokratisch beschlossene Gesetze und Vorschriften zu stellen.

 
Ein Lob zum Schluss: Es gibt Unternehmer und Arbeitgeberverbände, die den Arbeitsschutz auch im Bereich der psychischen Belastungen respektieren. Die BDA hat dazu sogar einen sehr guten Praxisleitfaden herausgegeben. Achim Dercks hätte sich den gründlich durchlesen sollen.

Werner Fürstenbergs Eristik

Dienstag, 26. November 2013 - 12:02

Problem Chef, DER SPIEGEL 45/2013, S.90 bis 92 (http://www.vdbw.de/fileadmin/01-Redaktion/05-Presse/02-PDF/Pressemitteilung/2013/SPIEGEL_Stressfaktor_Chef_Burnout_im_Büro.pdf):

[...] “Ich halte überhaupt nichts von einer Anti-Stress-Verordnung”, sagt Werner Fürstenberg, Geschäftsführer das Fürstenberg Instituts. Stress sei ein ernstzunehmenders Problem, “aber man untergräbt das Selbstbestimmungsrecht der Menschen, wenn man Stress per Verordnung verbieten will.” [...]

Das ist wieder ein hübsches Beispiel für irreführende Eristik in der Diskussion um arbeitsbedingte psychische Belastungen. Weil ihm wohl nachvollziehbare Argumente fehlen, kritisiert Fürstenberg ein von ihm selbst konstruiertes Ziel, dass die Stressverordnung gar nicht hat. Als Institutsleiter weiß er natürlich, dass mit dieser Verordnung Stress nicht verboten werden soll (dann gäbe es keine Jobs), sondern es geht darum, einen ehrlichen und transparenten Umgang mit legitimen psychischen Belastungen einerseits und krank machenden Fehlbelastungen andererseits sicherzustellen.

Die “Anti-Stress-Verordung” richtet sich gegen eine rechtswidrige Fremdbestimmung von Arbeitnehmern durch ihre Arbeitgeber. Die Mehrheit der Arbeitgeber haben sich seit 1996 lange genug gegen ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen gewehrt, dabei geltendes Arbeitsschutzrecht gebrochen und das Selbstbestimmungsrecht auf Gesundheit ihrer Mitarbeiter untergraben. Die Antistressverordnung soll dieser Anarchie ein Ende setzen. Vorschriften, die nicht durchgesetzt werden, schaden auch dem Rechtsstaat.

 
Der SPIEGEL selbst setzt noch eine Falschdarstellung darauf:

[...] Stress im Job hätten die Parteien schon vor der Wahl gern per Gesetz verboten. [...]

Wird so auch innerhalb des SPIEGEL über psychische Belastungen diskutiert? In dem Laden hat es ein Arbeitsschützer sicherlich nicht leicht. So wie DER SPIEGEL über das Thema der psychischen Belastung berichtet, sollte sich die Gewerbeaufsicht fragen, ob dieses Magazin auch als Arbeitgeber den heute geforderten Arbeitsschutz überhaupt verstanden hat. Wie geht es in den Redaktionen des SPIEGEL zu? Wie schützt dieser Arbeitgeber seine Mitarbeiter vor Fehlbelastungen? Welche Führungskultur herrscht beim SPIEGEL heute? Dürfen Redakteure das Thema der psychischen Belastung so kritisch angehen, dass das auch Fragen zum beim SPIEGEL praktizierten Arbeitsschutz aufwirft?

An die für den SPIEGEL zuständigen Gewerbeaufsichten: Bitte insbesondere die Qualität und die Mitbestimmtheit der nach § 12 ArbSchG vorgeschriebenen Unterweisung der SPIEGEL-Mitarbeiter überprüfen.

Unsinn vom Professor

Freitag, 13. September 2013 - 07:10

Die Saarbrückener Zeitung meldet heute, dass Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Saarländischer Unternehmensverbände (VSU), sich gegen das Argument wehre, das Fehlzeiten in den Betrieben vor allem von den Gewerkschaften mit der Belastung am Arbeitsplatz erklärt werde. Vielmehr wirke sich Arbeit in der Regel positiv auf die psychische Gesundheit aus.

Nun hören wir auch von Joachim Malter diese triviale Tatsache. Den Arbeitgebern scheint nichts Intelligenteres mehr einzufallen. Was Malter sagt, ist doch kein Gegenargument. Keiner bestreitet, dass sich gesunde Arbeit positiv auf die Gesundheit auswirkt. Hier ist es nun Malters Eristik, die davon ablenken soll, dass die Gewerkschaften nichts gegen die Arbeit haben. Allerdings kämpfen sie gegen schlechte Arbeit. Vermutlich weiß Joachim Malter das auch. Aber eine korrekte Darstellung der Gewerkschaftspositionen korrekt liegt möglicherweise nicht im Interesse der von Joachinm Malter vertretenen Arbeitgeber.

Für ein noch unintelligenteres Argument bemüht Walter einen Unsinn, den Professor Sascha Stowasser vom Düsseldorfer Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) von sich gegeben haben soll: Die Arbeit habe zu Unrecht „den Schwarzen Peter“, denn schließlich litten Arbeitslose drei Mal so häufig an psychischen Krankheiten wie Erwerbstätige.

Bisher habe ich solche Dummheiten vorwiegend vom ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Hundt zitieren können.

Kaum jemand bestreitet, dass es Arbeitslosen in der Regel schlechter geht, als Menschen mit einem guten Arbeitsplatz. Das ist aber doch gar nicht das Thema: Es geht um den Unterschied zwischen

  • gesunden Erwerbstätigen und
  • fehlbelasteteten Erwerbstätigen.

So einfach ist das. Es muss schon sehr anstrengend sein, das nicht verstehen zu wollen. Stohwasser begeht mit dem Vergleich von Arbeitslosen und Erwerbstätigen einen vorsätzlichen Kategorienfehler, denn er ist Wissenschaftler genug, um zu wissen, dass er diesen Fehler begeht.

Stohwassers Eristik wäre (wenn er richtig zitiert wurde) also kein Versehen. Und außerdem wäre sie auch noch leicht zu erklären: Träger seines Instituts sind die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Das beweist zwar noch nicht zwingend, dass sich die Wissenschaft hier für die Arbeitgeber prostituiert, könnte aber durchaus erklären, wieso aus dem Institut Stohwassers die gleichen Dummheiten kämen, wie aus den Arbeitgebervereinigungen.

 
In der Diskussion um die Ursachen der Zunahme psychischer Erkrankungen darf insbesondere eine Tatsache nicht vergessen werden: Seit 1996 gelingt es der großen Mehrheit der Unternehmen, die Arbeit zu verdichten und gleichzeitig ihre Pflicht zur Beurteilung psychischer Gefährdungen straflos zu missachten. Diesen Gesetzesbrechern half eine Bundesministerin von der Leyen, die auf strenge Arbeitsschutzgesetze verwies, deren Strenge aber dank einer systematisch überforderten Gewerbeaufsicht kein Arbeitgeber zu spüren bekam. Kein Wunder, wenn dann Arbeitgeberverbände mit dieser Unterstützung dreist behaupten können, es sei nicht erwiesen, dass arbeitsbedingte psychische Belastungen zunähmen. Sie haben ja schon die Beobachtung arbeitsbedingter psychischer Belastungen und damit die von ihnen geforderte Verhältnisprävention sabotiert.

Die Kunstgriffe der vbw

Montag, 2. September 2013 - 23:12

http://www.b4bschwaben.de/nachrichten/dillingen_artikel,-Klartext-Mythos-psychische-Belastung-am-Arbeitsplatz-_arid,129993.html

vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
Klartext: Mythos psychische Belastung am Arbeitsplatz
Dillingen | 30.08.2013

Hier wird kein Blatt vor dem Mund genommen. Die vbw stellt sich gegen den Mythos, dass psychische Belastung vornehmlich durch Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird. Die Realität sieht komplett anders aus.

Eristischer Kunstgriff: Verstärkt wohl durch die Bearbeitung der vbw-Pressemeldung “Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen / Mythen und Fakten zur Arbeitswelt: Teil 6″ durch B4B Schwaben, wird hier der Mythos zusammengebastelt, dass es einen Mythos gäbe, dass psychische Belastung vornehmlich durch Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird. Natürlich wird auch das gelegentlich den Arbeitgebern vorgeworfen. Die inzwischen öffentliche Kritik setzt aber woanders an: Es war bisher für Mitarbeiter recht gefährlich, das Thema der psychischen Belastungen überhaupt anzusprechen.

Beispiel: Überlastungsanzeigen landeten bei den Personalabteilungen, die den betroffenen Mitarbeitern dann zur Stressminderung eine Minderung der Arbeitsbelastung und damit auch des Einkommens “anboten”, anstelle zuallererst einmal nachzusehen, wie die vom Arbeitsplatz des Mitarbeiters auf ihn wirkenden psychischen Belastungen beurteilt wurden. In den meisten Fällen gab es da nichts, denn bisher konnten viele Arbeitgeber es sich straflos leisten, in den vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen keine ernsthafte Beurteilung psychischer Belastungen vorzunehmen.

Warum es falsch ist, “dass psychische Belastung vornehmlich durch Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird”, erklärt der Artikel nicht. Eine solche Behauptung wäre nämlich tatsächlich falsch, aber den eigentlichen Grund für den Fehler in dieser Aussage haben die Autoren des vdw gar nicht verstanden: Sachlich richtig ist, dass umgekehrt die Beanspruchung des Menschen am Arbeitsplatz durch die vom Arbeitsplatz ausgehende und auf den Menschen wirkende psychische Belastung hevorgerufen wird. Und selbst das ist noch kein Problem, denn das ist die Eigenschaft von Arbeit! Ohne Belastungen gibt es keine Jobs. Die vbw wehrt sich dagegen, dass Arbeit schlecht gemacht wird. Aber ihr Gebrauch des Begriffes “Belastung” macht schon den Begriff der Belastung schlecht. Belastung als negativ darzustellen, mag der übliche Sprachgebrauch sein, aber das ist keine Entschuldigung für einen “Klartext”, der die Dinge klären soll.

Zum Problem werden Belastungen erst, wenn sie Fehlbelastungen sind. Dann können krank machende Beanspruchungen die Folge psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz sein. Niemand will Arbeit schlecht machen. Aber der Widerstand gegen krank machende Arbeit wird jetzt immer stärker.

Wer unterscheidet zwischen Belastungen und Fehlbelastungen? In den Betrieben entscheiden das Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam und betriebsnah innerhalb des weiten Rahmens des Arbeitsschutzgesetzes. Es geht also um Mitbestimmung. Die jedoch ist bei einigen Arbeitgebern immer noch unbeliebt.

 

Es gibt viele Mythen und pseudo Fakten, die sich in der öffentlichen Meinung zur Arbeitswelt festgesetzt haben. Eine dieser Mythen rankt sich um das Thema psychische Belastung. Viele glauben, dass psychische Belastung einzig und allein aus dem vermeidlichen Stress am Arbeitsplatz resultiert. Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. setzt sich diesem Gerücht entgegen. Psychische Belastungen im Alltag nehmen zu, das ist Fakt. „Ich warne aber davor, psychische Erkrankungen auf den vermeintlich steigenden Stress in der Arbeitswelt zurückzuführen“, so vbw Geschäftsführer Bertram Brossardt. „Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen, die von der Veranlagung bis zur Belastung im Arbeits- und Privatleben reichen. Studien belegen, dass befriedigende Arbeit die psychische Gesundheit nicht schwächt, sondern stärkt.“

Eristischer Kunstgriff: “Studien belegen…” Dass befriedigende Arbeit die psychische Gesundheit nicht schwächt, sondern stärkt, ist etwa seit dem Pleistozän bekannt. Niemend stellt in Frage, dass befriedigende Arbeit befriedigt (solange es nicht um suchthafte Befriedigung geht). Hier wir am falschen Baum gebellt. Beim seit dem Jahr 1996 geforderten Einbezug psychischer Belastungen in den ganzheitlichen Arbeitsschutzes geht es z.B. um unbefriedigende Arbeit, aber auch um suchthaft befriedigende Arbeit.

Nächster Kunstgriff: “Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen, die von der Veranlagung bis zur Belastung im Arbeits- und Privatleben reichen.” Richtig. Auch das ist bekannt. Aber wie können Arbeitgeber es wagen, etwas zu psychische Fehlbelastungen im Arbeitsleben zu sagen, wenn sie sich seit 1997 mehrheitlich schon gegen die Erfassung und Beobachtung von psychischen Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung gewehrt haben? Ihr Interesse, Ursachen im Arbeitsleben entdecken zu können, war jedenfalls bisher nicht sehr ausgeprägt.

Noch ein Kunstgriff: die Warnung, psychische Erkrankungen auf den vermeintlich steigenden Stress in der Arbeitswelt zurückzuführen. Diese Warnung ist genauso unsinnig, wie psychische Erkrankungen nur auf die Arbeitswelt zurückzuführen. Die Warnung ist sogar ein Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz, denn hier muss es möglich sein, nach einer ordentlichen Gefährdungsbeurteilung psychische Erkrankungen durchaus auch einmal auf gefährdende Arbeitsbedingungen zurückzuführen.

 

Erwerbstätige erkranken deutlich seltener
Nach einer Erhebung des BKK-Bundesverbands leiden Erwerbstätige deutlich seltener an psychischen Störungen als Arbeitslose. Nur 12 Prozent der männlichen und 16 Prozent der weiblichen Beschäftigten suchen pro Quartal einen Arzt wegen psychischer Probleme auf. Bei Arbeitslosen und Rentnern sind es dagegen 20 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen. Außerdem stehen den 5,2 Krankheitstagen aufgrund psychischer Erkrankungen von Arbeitslosen die 1,5 Tage der Erwerbstätigen gegenüber. Menschen ohne Arbeit haben eine wesentlich größere Wahrscheinlichkeit psychisch zu erkranken.

Eristischer (und wenig origineller) Kunstgriff: Den Trick mit “Arbeit macht mehr Freude als Erwerbslosigkeit” versuchte Dieter Hundt schon früher. Es ist auch irreführend, z.B. einen gestressten 40jährigen Arbeitnehmer mit einem Rentner zu vergleichen. Seriös wäre dagegen eine Unterscheidung innerhalb der Gruppe der Erwerbstätigen zwischen nicht krank machender (und dann oft den Menschen bereichender) Arbeitsbelastung und krank machender Arbeitsbelastung. Das ist die Aufgabe beispielsweise der Gefährdungsbeurteilung. Genau hier will es der Mehrheit der Arbeitgeber auch heute noch nicht gelingen, in ihrem Arbeitsschutz mitbestimmte und auditierbare Verfahren zur Erkennung und Bewertung psychischer Belastungen zu implementieren. Woran mag das liegen?

 

Arbeitgeber auf Arbeitnehmer gut eingestellt
Ganz unabhängig von diesem großen Unterschied hat sich die bayerische Wirtschaft dem Thema Gesundheit bereits angenommen. „Unser Focus muss auf Prävention und Früherkennung liegen, um psychische Erkrankungen zu vermeiden“, so Brossardt. „Hier ist bereits viel geschehen: 93 Prozent der Unternehmen haben laut Institut der deutschen Wirtschaft Köln Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsplatzes im Rahmen eines Gesundheitsmanagements eingeleitet. Dieses Engagement wird auch von den Mitarbeitern honoriert: Rund zwei Drittel der Beschäftigten sind der Meinung, dass sich ihr Betrieb gut oder sehr gut um ihre Gesundheit kümmert.“

Eristischer Kunstgriff: Argumentation mit Gesundheit insgesamt. Es geht um den mangelhaften Arbeitsschutz, nicht um das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) schlechthin. Wie viele der Beschäftigten sind der Meinung, dass sich ihr Betrieb gut oder sehr gut um ihre psychische Gesundheit kümmert?

Im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements tun die Unternehmen tatsächlich werbewirksam viel, z.B. Rückenschule, Yoga, gerne auch Fünf Tibeter usw. Aber in der Praxis überwiegt dabei die Verhaltensprävention. Die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Verhältnisprävention wird dagegen im BGM oft marginalisiert. Der vorgeschriebene Arbeitsschutz kann ein Teil des ansonsten freiwilligen BGM sein, aber er würde (bei seiner ernsthaften Umsetzung im Bereich der psychischen Belastungen) Führungsstile und die Arbeitsorganisation transparenter machen und stärker in Frage stellen, als das die Arbeitgeber das bisher gewohnt waren. Das ist es, was bis etwa 2011 die seit 1996 stattfindende Missachtung der Pflicht erklärt, psychische Belastungen mitbestimmt in den Arbeitsschutz einzubeziehen.

 

M+E Industrie kümmert sich um Gesundheit am Arbeitsplatz
Die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber bayme vbm nehmen dieses Thema ebenfalls ernst. Deshalb haben sie den „Aktionstagprogramm psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ im Bereich der gesundheitlichen Vorsorge ins Leben gerufen. „Damit wollen wir zum einen wissenschaftlichen Beitrag leisten und so die Diskussion versachlichen“, erklärt Brossardt. „Zum anderen bieten wir Betrieben Workshops zur Weiterbildung von Führungskräften und Betriebsärzten an. Ab 01. September 2013 stehen mit unserer Hotline zwei Psychologen für eine telefonische Beratung für Mitarbeiter und Führungskräfte unserer Mitgliedsunternehmen zur Verfügung, um bei psychischer Belastung frühzeitig intervenieren und helfen zu können.“ Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt. bayme vbm wendet fast 1,7 Mio. Euro für diese Maßnahmen auf.

Die Wissenschaftlichkeit des Beitrages der vbw bedarf sicherlich einer nachhaltigen Beobachtung. Mitarbeiter, die psychischen Fehlbelastungen ausgesetzt sind, sollten den hier zitierten “Klartext” genau durchlesen, bevor sie sich entscheiden, bei der Hotline der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft anzurufen. Da mag es klüger sein, mögliche psychische Belastungen zunächst erst einmal mit einem Mitglied des Betriebsrates zu besprechen. Auch die Hausärzte kennen sich zunehmend besser mit dem Thema aus.

 
Links:

Hundts Eristik hört nicht auf

Samstag, 25. Mai 2013 - 08:32

Bildunterschrift in http://www.suedkurier.de/nachrichten/wirtschaft/themensk/8222-Ich-warne-vor-gesetzlichen-Quoten-8220;art410950,6077101

Wirtschaftsredakteurin Julia Kipping im Gespräch mit Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt.
Bild: BDA

Sehr effizient: Die BDA ist so freundlich, zum Interview auch noch die Fotos zu machen. Das erleichtert dem Südkurier sicherlich die Arbeit.

 
http://www.bda-online.de/www/arbeitgeber.nsf/id/de_interview-dh-im-suedkurier

[...] Sie [Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt] haben sich zuletzt auch mit psychischen Erkrankungen in der Arbeitswelt auseinandergesetzt. Wie ernst nehmen die Arbeitgeber das Problem?

Die Arbeitgeber nehmen dieses Thema sehr ernst. Ich warne aber dringend vor einer polemischen und nicht wissenschaftlich fundierten Diskussion. In den laufenden Debatten stelle ich fest, wie unterschiedlich Zahlen und Fakten interpretiert werden. Wir brauchen eine verlässliche Basis, um nicht aneinander vorbeizureden. Ich beklage, dass insbesondere von Gewerkschaftsseite und auch von einigen Parteien teilweise polemisch argumentiert wird, was in der Sache nicht hilfreich ist. Studien zeigen, dass Arbeit nie die alleinige Ursache für psychische Störungen ist. Ich behaupte sogar, sie ist es nur in ganz geringem Umfang. Untersuchungen belegen im Gegenteil die bessere psychische Gesundheit von Erwerbstätigen im Vergleich mit Nicht-Berufstätigen.

Wenn die Belastungen nicht nur von der Arbeit kommen, woher kommen sie dann? Ist es vielleicht auch die ständige Erreichbarkeit, das immer schnellere Leben?

Die Informationsflut, der wir den ganzen Tag ausgesetzt sind, kann eine Rolle spielen. Selbstverständlich können psychische Störungen durch die Arbeit zusätzlich verstärkt werden. Aber in der öffentlichen Diskussion wird bedauerlicherweise immer wieder der Eindruck erweckt, Arbeit sei der Hauptgrund. Ich bin davon überzeugt, dass das Gegenteil der Fall ist: Arbeit schafft in aller Regel Anerkennung und Selbstbestätigung. Eine Verunglimpfung von Arbeit erzeugt in der Gesellschaft falsche Vorstellungen. [...]

(Link nachträglich eingefügt)

Wieder ein Beispiel für Hundts unredliche Rhetorik: Dieser Vertreter der Arbeitgeber verfälscht die Argumente seiner Gegner und kritisiert sie dann. Die Befürworter härterer Vorschriften zum Einbezug mentaler Arbeitsbelastung* in den Arbeitsschutz behaupten doch überhaupt nicht, dass Arbeit die alleinige Ursache für psychische Störungen sei. Hundt beklagt falsche Darstellungen, dabei strengt sich die große Mehrheit der Arbeitgeber seit 1996 kräftig an, mentale Arbeitsbelastungen in ihren Betrieben gar nicht erst zu erfassen. Sie sind einfach nicht daran interessiert, dass die Situation in den Betrieben so sachlich und faktenbasiert diskutiert werden kann, wie Dieter Hundt das zu wünschen vorgibt.

Noch ein Trick: “Selbstverständlich können psychische Störungen durch die Arbeit zusätzlich verstärkt werden.” Mit diesem Satz wird der Eindruck vermittelt, dass es um eine Verstärkung bereits vorhandener “psychischer Störungen” geht. Der Arbeitsschutz hat aber schon dem Entstehen arbeitsbedingter psychischer Erkrankungen vorzubeugen, insbesondere durch eine auditierbare und mitbestimmte Beurteilung der Arbeitsbedingungen. Diese jetzt schon geltende Pflicht zum Einbezug mentaler Arbeitsbelastunen (bzw. psychischer Belastungen) wird demnächst noch einmal ganz konkret in das Arbeitsschutzgesetz geschrieben, denn ohne klare Vorschriften lässt sich die Mehrheit der Arbeitgeber anscheinend nicht zu einem ernsthaften Einbezug mentaler Arbeitsbelastungen in den Arbeitsschutz bewegen.

Dieter Hundt verwendet seine Rhetorik nicht erst seit heute. Im fehlen einfach vernünftige Argumente.

* “Mental Workload” in der Norm ISO 10075 wurde in der deutschen Norm etwas unglücklich mit “psychische Belastung” übersetzt.

Psychische Gesundheit am 13. Mai im Bundestag

Mittwoch, 17. April 2013 - 23:45

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/130/1713088.pdf

Für eine humane Arbeitswelt – Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken
[...]
Volker Kauder [CDU], Gerda Hasselfeldt [CSU] und Fraktion
Rainer Brüderle [FDP] und Fraktion

Die zweite von 15 Forderungen in dem Antrag der Koalitionsfraktionen ist,

durch mehr Öffentlichkeitsarbeit bei Unternehmen, Verwaltungen, sonstigen Einrichtungen und Belegschaften verstärkt für die betriebliche Gesundheitsförderung zu werben.

Mit Gesundheitsförderung von mangelhaftem Arbeitsschutz ablenken: Die Werbung für die betriebliche Gesundheitsförderung ist jetzt schon viel umfangreicher (und wohl auch besser finanziert), als die Werbung für den vorschriftsmäßigen Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Anstelle der Gewerbeaufsicht ausreichende Ressourcen zu geben, soll nach dem Willen der Koalition noch mehr Geld in eine betriebliche Gesundheitsförderung gesteck werden, die im Gegensatz zum Arbeits- und Gesundheitsschutz auch die Ressourcen (Zeit und Geld) der Arbeitnehmer beanspruchen kann.
    Der Antrag der Regierungsparteien ist ein Versuch (ähnlich der Strategie des FDP-geführten Bundesministeriums für Gesundheit), betriebliche Gesundheitsförderung vor dem Arbeitsschutz in den Vordergrund zu stellen. Tatsächlich ist die betriebliche Gesundheitsförderung nur eine Ergänzung des Arbeitsschutzes.
    Die Forderungen im Antrag der Regierungsfraktionen sehen auf den ersten Blick sinnvoll aus, könnten (und sollen?) aber von den bekannten Mängeln bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes ablenken. Der verhältnispräventionsorientierte Arbeitsschutz liegt speziell der FDP wohl ohnehin nicht so sehr, weil er die unternehmerische Verantwortung erhöht. Mit dem Antrag der Regierungskoalition wird Arbeitsschutz unter vielen Forderungen erdrückt, die nichts mit dem Arbeitsschutz zu tun haben.

Gewerbeaufsicht: Anstelle in dem Antrag viele nicht zum Arbeitsschutz gehörenden Forderungen zusammen zu rühren, wäre es einfacher, ersteinmal die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes sicherzustellen und die Gewerbeaufsichten wieder vernünftig arbeiten zu lassen. Das ist aber nicht das Ziel der Koalitionsfraktionen. Die Aufsicht darf weiter hungern, bedient werden statt dessen die Unternehmen mit der Forderung,

den Richtwert in § 20 Abs. 2 SGB V für die Gesundheitsförderung zu erhöhen und zwei Euro pro Versicherten als Mindestwert für die BGF festzuschreiben, mit dem Ziel Investitionen in den Erhalt der Gesundheit am Arbeitsplatz zu steigern. Nicht in Anspruch genommene Mittel sollen regionalen Kooperationen der Krankenkassen mit örtlichen Unternehmensorganisationen zugutekommen.

Gefährdungsbeurteilung: Besonders fällt auf, dass im Entwurf der Koalition nichts zur Gefährdungsbeurteilung gesagt wird. Das ist fast schon eine Sabotage der noch ziemlich frischen Anstrengungen der letzten zwei bis drei Jahre, die bisherigen Anarchie im Arbeitsschutz zu beenden: Etwa 80% der Unternehmen versäumen auch heute noch, auch psychische Belastungen vorschriftsmäßig in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen.

Mitbestimmung: Die Forderungen der CDU/CSU und FDP ignorieren nicht nur die Gefährdungsbeurteilung, eines der wichtigsten Instrumente des Arbeitsschutzes. Auch die Rolle der Personal- und Betriebsräte interessiert diese Koalitionspolitiker nicht.

[...] Da die besten Lösungen partnerschaftlich gefunden werden, obliegt es Arbeitgebern wie Arbeitnehmern, gemeinsam ihrer Verantwortung für den Erhalt der psychischen Gesundheit nachzukommen. Nach den Ergebnissen der BIBB/BAuAErwerbstätigenbefragung 2011/2012 herrscht in den Betrieben ein gutes soziales Miteinander, allerdings fühlen sich viele Beschäftigte zu wenig von ihrem Vorgesetzten unterstützt (BAuA: Stressreport Deutschland 2012). Während Vorgesetzte sich von einer ständigen Erreichbarkeit ihrer Mitarbeiter verabschieden müssen, müssen Arbeitnehmer aber auch selbstbewusst genug sein, ihr Handy in ihrer Freizeit auszuschalten. Freizeit und die damit einhergehenden Erholungsmöglichkeiten muss für alle Beteiligten eine größere Bedeutung annehmen. [...]

Man sieht, dass durchaus an ein gemeinsames Vorgehen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gedacht wurde. Aber dass das Mitbestimmung heißt, haben zumindest die Antragssteller der CDU, CSU und FDP anscheinend bis heute nicht verstanden. Dabei war es doch die Philosophie des Arbeitsschutzgesetzes, anstelle bürokratischer Regeln einen weiten Rahmen zu bieten, innerhalb dessen dann Arbeitgeber und Arbeitnehmer betriebsnahe Lösungen finden. Diesen Politikern passt aber wohl diese ganze Richtung nicht, obwohl auf der Arbeitsebene beispielsweise in einem bayerischen Staatsministerium die Bedeutung von Arbeitnehmervertretern (zusammen mit den Betriebsärzten) schon angesichts der Überforderung der Gewerbeaufsicht sehr gut verstanden wird. Mitbestimmung hat für die Koalitionsparteien im Arbeitsschutz offensichtlich keine Bedeutung. Hier hat sich die FDP wohl durchgesetzt.

Pflichtverletzungen im Arbeitsschutz: Die Koalition sieht (abgesehen von ein paar inzwischen verhallten Drohungen Ursula von der Leyens) den Pflichtverletzungen der Arbeitgeber ziemlich untätig zu und scheint diese Versäumnisse auch weiterhin zulassen zu wollen. Die Regierungsparteien fördern also weniger die Gesundheit, sondern sie tolerieren die Rechtsverstöße der Mehrheit der Arbeitgeber und fördern damit die speziell von der FDP geschickt betriebene Schwächung des Arbeitsschutzes.

Ursachen psychischer Erkrankungen: Im Antrag gibt es dazu Mutmaßungen. Dazu siehe http://blog.psybel.de/stichwort/arbeitsbedingte-risiken/

Eristik: Die Antragssteller der Koalitionsfraktion sind sich auch nicht zu schade, auf die psychische Belastung von Arbeitslosen zu verweisen und damit Dietmar Hundts eristische Argumentation zu übernehmen, allerdings in einer noch ausgefuchsteren Weise, als Hundt das versuchte.

 
Am 13. Mai im Bundestag:
Bei der öffentlichen Expertenanhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestagsliegen jetzt vier Anträge vor.
http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a11/anhoerungen/2013/133_Sitzung_psych_Belastung/Gegenstand/index.html

Navigationspfad: Startseite > Der Bundestag > Ausschüsse > Arbeit und Soziales > Anhörungen > Öffentliche Anhörungen 2013 > 13.05.2013: Psychische Belastungen in der Arbeitswelt > Gegenstand der Anhörung

Ausschuss für Arbeit und Soziales – Gegenstand der Anhörung

 

PS: In dem Antrag der CSU/CDU/FDP werden auch gesundheitsziele.de, die Initiative Gesundheit & Arbeit und das Deutsche Netzwerk für betriebliche Gesundheitsförderung erwähnt. Hier ist die Versicherungswirtschaft gut vertreten, aus der in der Vergangenheit kaum Kritik an jene Arbeitgebern gerichtet wurde, die ihre Pflichten im Arbeitsschutz ignorierten.

Noch ein Datum: Am 22. April geht es im Bundestag um Änderungen des Arbeitsschutzgesetzes: Psychische Belastungen sollen darin explizit genannt werden.

Depression und Arbeit

Dienstag, 12. Februar 2013 - 07:03

Vortrag bei der ESJA-Bayern,

  • Peter Angerer und Mechthild Heinmüller (Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin), Klinikum der Universität München,
  • Harald Gündel und Heribert Limm (Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Ulm),
  • Jürgen Glaser (Arbeits- und Organisationspsychologie,Universität Konstanz):

http://ejsa-bayern.de/w/images/5/55/EJSA_P8_Depression_pdf.pdf (2012-03-11, Heribert Limm)

  • Gesundheit von Menschen mit und ohne Arbeit, BKK-Gesundheitsreport 2009
  • Gesundheit arbeitsloser Menschen
  • Funktionen von Arbeit
  • Langfristige Folgen von Fehlbelastung / Stress
  • Häufigkeit von Depressionen
  • Fallbeispiel – Herr C.
  • Zwei-Fragen-Test
  • Kernkriterien der Depression
  • Körperbeschwerden und Depression
  • Übergänge vom „Normalen“ – Ausprägungen der Depression
  • Depression
  • Frühe Zeichen (“Warnsymptome”) einer psychischen Beeinträchtigung
    (Depression, beginnende Alkoholabhängigkeit, ..)
  • Frühe Warnzeichen
  • Depression – Schweregrade
  • Verlauf
  • Behandlung der Depression
  • Selbsthilfeangebote
  • Anlaufstellen in München
  • Zusammenfassung

(Ich zitiere hier nur die Folientitel)

Hier wird auch das Thema “Arbeit vs. Arbeitslosigkeit” aufgegriffen. Ich hoffe, dass das nicht Dieter Hundts Ertistik bedienen, sondern nur ein Publikum aufschließen soll, dass meint, es gäbe ernsthafte Behauptungen, das Arbeit krank mache.