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Politiker erleichtern Missachtung des Arbeitsschutzgesetzes

Sonntag, 8. September 2013 - 10:20

Alle politischen Parteien, die an der Gestaltung und Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes mitgewirkt hatten und noch mitwirken, hatten den Unternehmen gleichzeitig auch die Missachtung des Gesetzes erleichtert. Immerhin haben die SPD und die Grünen dazugelernt und sind mit der “Anti-Stress-Verordnung” nun auf dem richtigen Weg.

Arbeitgeber kommen mit ihrer Gestaltungsfreiheit nicht zurecht: Nun kam es unter der Moderation des BMAS zu einer gemeinsamen Erklärung der BDA und des DGB zur psychische Gesundheit in der Arbeitswelt. Die Erklärung ist zwar schon ganz brauchbar, aber das Grundproblem wurde nicht deutlich. Ein Hinweis auf das Grundproblem ist die Forderung der Arbeitgeber nach “Handlungssicherheit”. Sie kommen mit der Gestaltungsfreiheit nicht zurecht, die sie sich noch im letzten Jahrhundert mit intensiver Lobbyarbeit verschafft hatten: Damals trieben sie auf europäischer Ebene die “Entbürokratisierung” der Gesetzgebung voran. Resultat waren eine europäische Arbeitsschutzrichtlinie, die zu Rahmengesetzen führte, innerhalb derer Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschiedliche Regelungen für einzelne Betriebe vereinbaren konnten. Ihre Gestaltungsfreiheit haben die meisten Arbeitgeber bis heute nicht genutzt, obwohl sie auch eine Gestaltungspflicht war. Denn auch die Gewerbeaufsichten waren mit dieser Situation überfordert. Ich glaube inzwischen, dass das durchaus poltisch beabsichtigt war.

Es geht ans Eingemachte: Anstelle sich rechtzeitig mit den Personal- und Betriebsräten zusammenzusetzen und zu Vereinbaren zu kommen, gelang es den meisten Arbeitgebern so, das Thema bis etwa in das Jahr 2011 zu verschleppen. Wie kann das sein, wenn sie doch behaupten, ein guter Arbeitsschutz sei aus wirtschaftlichen Gründen auch im Interesse der Wirtschaft? Das kann deswegen sein, weil noch immer nicht begriffen wurde, dass sich zu viele Führungskräfte individuell gegen einen gut dokumtierten Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz wehren: Ein wichtiger Grund für die fehlende Begeisterung der Unternehmern beim Thema der psychischen Belastungen ist, dass Führungskräfte ahnen/wissen, dass es bei ggf. erforderlichen Veränderungen häufig ans Eingemachte (Organisation, Personaleinsatz/ -entwicklung, Führung/ Kommunikation) geht - und dass man dieses (Diskussions-) Risiko scheut.

Der Arbeitsschutz begrenzt die Unternehmensautonomie: Im Grunde versteht die BDA insbesondere die Mitbestimmung beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz als einen Angriff auf die Unternehmensautonomie. In Deutschland dürfen die Unternehmen aber autonom genug sein, sich über das Gesetz zu stellen. Sie ignorieren einfach jene Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes, mit denen sie nicht einverstanden sind. Sie machen das, weil sie das können. Das ist Anarchie. In diesen Unternehmen wird insbesondere der mitbestimmte Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz als eine Einschränkung der Unternehmensführung gesehen. Zur Führung gehört, auf Arbeitnehmer in verschiedenster Weise Druck ausüben zu können. Da auch Arbeitnehmer nicht immer ihre vertraglichen und gesetzlichen Pflichten erfüllen, kann solch ein Druck fallweise legitim sein, aber ein vorschriftsmäßiger Arbeitsschutz mit einer guten Dokumentation erhöht die Verantwortung, die Arbeitgeber für ihre Maßnahmen gegenüber Arbeitnehmern haben. Die dabei durch einen ordentlichen Arbeitsschutz hergestellte Transparenz stellt bisher nicht offen dokumentierte Führungsstile jedoch in Frage. Das ist für manchen “Macher” schwer verdaulich.

Rechtsbrüche an der Tagesordnung: Wir haben hier einen Kampf um neue Grenzen für Macht. Eine Bundesregierung, die naiv glaubt, dass wirtschaftlichen Gründe als Motivation der Arbeitgeber für einen guten Arbeitsschutz ausreichen, vergisst, dass das Interesse “der Wirtschaft” nicht unbedingt dem Interesse der vielen einzelnen Führungskräfte entspricht, ihre Handlungsspielräume zu maximieren und gleichzeitig Verantwortung zu vermeiden. Es ist doch spätestens seit 1996 klar: Zu viele Führungskräfte missachten die ihnen unangenehmen Passagen des Arbeitsschutzgesetzes seit langer Zeit und mit großer Beharrlichkeit. Auch beim Arbeitszeitgesetz ist längst bekannt, dass Rechtsbruch seit Jahrzehnten dort an der Tagesordnung ist, wo nicht so genau hingesehen werden kann. Dort, wo genau hingesehen wird, zahlen z.B. “eigenverantwortlich handelnde” LKW-Fahrer die Strafe für nicht ausreichende Ruhezeiten selbst. Das hat banale Ursachen: Die Politik will nicht wahrnehmen, wie es um die realen Abhängigkeitsverhältnisse in der Arbeitswelt bestellt ist. Dann werden Schutzvorschriften so gestaltet, dass sie nur schwer umzusetzen sind.

Gesetze sind nur auf dem Papier “streng”: Bei psychischen Belastungen ist das Hinsehen viel komplizierter, als im “klassischen” technischen Arbeitsschutz. Die Gewerbeaufsichten blickten einfach nicht durch. Darum konnte auch im Arbeitsschutz unter den Augen der Gewerbeaufsicht die Anarchie herrschen. CDU, CSU und insbesondere die FDP unternehmen nichts wirklich Wirksames gegen diese Zustände. Die Bundesministerin von der Leyen sprach von “strengen” Gesetzen, aber diese Strenge wurde seit 1996 nicht spürbar. Mit solchen Frivolitäten hilft die Bundesregierung vielen Arbeitgebern, wichtige Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes souverän zu ignorieren.

Fragen an Arbeitgeber: Mir ist hier allerdings eine Ausnahme bekannt: Dort wo die FDP einer Regierung, an der sie nicht beteiligt war, an den Wagen fahren konnte, interessierte sie sich plötzlich und mit überraschender Kompetenz für das Thema der psychischen Belastungen. Ausgerechnet aus einer Anfrage der FDP im Senat des Landes Berlin entstand meine Liste von Fragen an Arbeitgeber. Die FDP kennt sich also aus. Von der FDP wird aber trotzdem kaum zu erwarten sein, dass sie gleichermaßen deutliche Fragen an die vielen Unternehmen richten wird, in denen sie ihre Klientel sieht. Das ist eine besonders üble Politik wider besseren Wissens.

AuS-Gesetzgebungsreport

Freitag, 10. Mai 2013 - 06:47

Der Arbeitsrechts-Berater – Informationsdienst für die Beratungspraxis
“powered by AuS…. Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrechte (IDEAS) an der Universität zu Köln”
http://www.arbrb.de/aus_gesetzgebungsreport.html

(Nur ausgewählte Überschriften sind hier wiedergegeben.)

Hauptsache Gesundheit: Positionen

Mittwoch, 24. April 2013 - 07:12

Arbeitgeberpositionen

Die erste Veröffentlichung in der folgenden Liste ist respektabel und anständig geschrieben. Viele Punkte in Die Sache mit der psychischen Belastung können auch Arbeitnehmervertretern als Referenz dienen. Manche dieser Punkte könnten Arbeitgebern und Arbeitnehmern helfen, in einigen Fragen eine gemeinsame Position zu finden. Die nach Die Sache mit der psychischen Belastung aufgelisteten Veröffentlichungen helfen Arbeitnehmervertretern zumindest, das Denken und die Einstellungen vieler Arbeitgeber zu verstehen und sich darauf einzustellen.

  1. A. Hofmann und K.- J. Keller (Arbeitgeberverband Metall NRW), R. Neuhaus (Institut für angewandte Arbeitswissenschaft), April 2000 (nicht 2002, wie das bei ergonassist.de steht), 59 Seiten: Die Sache mit der psychischen Belastung, Eine praxisnahe Handlungshilfe für Unternehmen in Leistung und Lohn, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft (Nr. 367/368/369/370). Die Abhandlung ist ziemlich ausführlich und geschickt gemacht: Sie ist eine Mischung aus richtigen Aussagen und auch ein bisschen Polemik. Die Abhandlung kann der Arbeitnehmerseite sehr gut helfen, die Haltung und das Vorgehen von Arbeitgebern beim Thema des Einbezugs der psychischen Belastungen in den Arbeitsschutz in Verhandlungen besser zu verstehen. Sie setzt aber auch Mindeststandards, die eine gemeinsame Ausgangsbasis für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein könnten.
    Die BAG-Beschlüsse aus dem Jahr 2004 konnten hier natürlich noch nicht berücksichtigt werden, und die in dem Artikel kritisierte paritätische Kommission (Stichwort: Gesundheitsauschuss) funktioniert bereits gut. Es kommt eben darauf an, wie so eine Kommission arbeitet.
    Suche auch:
    Hoffmann+Keller+Neuhaus+psychische-Belastung
    Einigungsstelle+psychische-Belastung+”Ralf+Neuhaus”

    Was der Artikel auch zeigt: Zumindest in den Personalabteilungen der großen Unternehmen war das Thema seit 2000 bekannt. Schon damals hatten die Arbeitgeber einen ausreichenden Wissensstand. Seit dieser Zeit kann die Missachtung der Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz bei bei der ganz großen Mehrheit der Unternehmen in Deutschland also kein Versehen mehr gewesen sein. Sie erhöhten damit wissentlich das Erkrankungsrisiko ihrer Mitarbeiter.
  2. BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber), Mai 2005: Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit.
    Die BDA meint: 

    … Die Gewerkschaften gehen davon aus, dass psychische Belastungen grundsätzlich Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz sind. Beim Fehlen besonderer Anhaltspunkte kann aus Sicht der BDA jedoch davon ausgegangen werden, dass keine Gesundheitsgefährdungen durch psychische Belastungen bestehen. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Bildschirmarbeitsplätze. …

    Was für ein Unsinn. Diese Arbeitgebervereinigung stellt sich gegen die Bildschirmarbeitsverordnung sowie gegen die Beschlüsse des BAG und verleitetet viele Unternehmer damit möglicherweise sogar zu Rechtsverstößen. Denn nach den Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts hat sich diese Position der Arbeitgeber als unrichtig erwiesen: Das Vorliegen “besonderer Anhaltsspunkte” ist für eine Gefährdungsbeurteilung schon aus Gründen der Logk nicht erforderlich, denn Anhaltspunkte werden ja erst mit der Gefährdungsbeurteilung gewonnen. (In der Praxis kann man in Anlehnung an OHSAS 18001 die Gefährdungsbeurteilung in eine Gefährungserkennung und eine Risikobewertung aufteilen.)

  3. BDA, Mai 2009: Erfolgsfaktor Psychische Gesundheit
    (Siehe auch: http://blog.psybel.de/mehr-eigenverantwortung-der-beschaeftigten/)
  4. BDA, Nov. 2010, Arbeitsschutz und Gesundheitsgefärderung: Unternehmen engagiert und erfolgreich
    (Hier ist die Trennung zwischen “gesetzlich verpflichtendem Arbeits- und Gesundheitschutz” und “freiwilliger Beteiligung” an der “Gesundheitsförderung” keine unbedeutende Nebensache: Die Unterscheidung zwischen “verpflichtend” und “freiwillig” kann den Arbeitgebern bei der Schwächung der starken Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmer im ganzheitlichen Arbeitsschutz helfen.)
  5. BDA, Geschäftsbericht 2010, S. 48-49: Psychische Gesundheit: Unternehmen aktiv
    Die BDA behauptet hier, es gäbe eine falsche “Herleitung”, dass psychische Belastung aus der Arbeitsaufgabe zu psychischen Störungen der Mitarbeiter führen. Der BDA ist demzufolge nicht bekannt, dass psychische Fehlbelastungen zu psychischen und körperlichen Erkrankungen führen können. Der Arbeitgebervereinigung fehlen also elementare Kenntnisse des ganzheitlichen Arbeitsschutzes. Was legitime Belastungen einerseits und gesundheitsgefährdende Fehlbelastungen andererseits sind, haben die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer in einem Betrieb miteinander und unter Berücksichtigung des Standes der Wissenschaft zu vereinbaren.
  6. BDA: Psychische Belastung – psychische Gesundheit (aktuelle Website, mein Kommentar dazu)
  7. Gesamtmetall und ifaa, 2011: Burnout, Depression und Demographie – Was kann und soll betriebliche Gesundheitsförderung hier leisten? (Kommentar)
  8. Arbeitgeber gegen Anti-Stress-Verordung, 2011-10: Kommentar und Link zu Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein, Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend; mit einem Link zu Stephan Sandrock, Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa, Depression und Burnout – Wie Unternehmen damit umgehen können, 2011-09-28
  9. BDA und VDBW, 2012: Bedeutung der psychischen Gesundheit im Betrieb
  10. Alexander Gunkel (Salzgitter AG), 2012: Psychische Gesundheit – Abgestimmtes Handeln im Unternehmen schafft Handlungssicherheit und Erfolg
  11. Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa), 2012-06-27: IG Metall Entwurf für die Anti-Stress-Verordnung praxisfern und nicht zielorientiert
  12. Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, 2012-07-26: Nichterwerbstätige deutlich anfälliger // Überreglementierter Arbeitsschutz hilft hier gar nicht // Arbeitgeber müssen mit “Samthandschuhen” vorgehen..
  13. Pascal Kober (FDP), Ulrich Lange (CDU), 2012-10-25, Reden in der Bundestagsdebatte 17/201. Hier fielen mir insbesondere die eher ideologischen Bedenken Ulrich Langes zur Mitbestimmung auf. Wie die Arbeitgeber befürchtet er Mitbestimmung im Bereich unternehmensstrategischer Entscheidungen. Tatsächlich bedeutet Mitbestimmung im Bereich der psychischen Belastung auch Beeinflussung von Führungsstilen.
  14. Dieter Hundts Rede, 2013-01-29
  15. Volker Kauder (CDU), Gerda Hasselfeldt (CSU) und Fraktion; Rainer Brüderle (FDP) und Fraktion, 2013-04: Für eine humane Arbeitswelt – Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken. Als Arbeitgeberposition ist dieser Beitrag zu Arbeitsschutzthemen deswegen hier aufgelistet, weil er ganz wichtige Probleme (unzureichende Kontrolle und Missachtungd der Regeln des ganzheitlichen Arbeitsschutzes in der großen Mehrheit der Betriebe) nicht anspricht. CDU/CSU und FDP tolerieren damit erhöhte Risiken der Verletzungen von Arbeitnehmern.
  16. BDA, August 2013: Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz, Besonderer Schwerpunkt: psychische Belastung, Ein Praxisleitfaden für Arbeitgeber
  17. Suche in der BDA-Website: “psychische

 

Arbeitnehmerpositionen

  1. Mitbestimmung bei Stress und anderen psychischen Belastungen, Der Personalrat 10/2002, S. 420-427
  2. Tausendmal diskutiert und doch ist nichts passiert?,
    Computer-Fachwissen 2/2004, 9 – 14 und 3/2004, 8 – 13
  3. Gemeinsames Positionspapier von IG Metall und VDBW, Mai 2009
  4. Hauptsache Gesundheit – Tarif- und betriebspolitisches Drehbuch zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
    ver.di, Juni 2010
    Das “Drehbuch” setzt sich auch ziemlich ausführlich mit den Argumenten der Arbeitgebervereinigung (BDA) auseinander. Interessant auch das Kapitel “Tarifvertragliche und/oder betriebliche Umsetzung“.
  5. Aus Arbeitnehmersicht betrachtet: Widerstand gegen die Mitbestimmung im Arbeitsschutz
  6. Eigentlich eher als arbeitgebernah bekannt, überraschte mich die FDP mit einer ungewöhnlich kompetent gestellten Anfrage (2009) zur Belastungssituation von Lehrern an Berliner Schulen. Ich habe daraus Fragen an Arbeitgeber in der Privatwirtschaft abgeleitet, die angesichts ihres Ursprungs von Arbeitgebern sicherlich nicht als “gewerkschaftsideologisch” vom Tisch gewischt werden können.
  7. IG Metall, 2012-06, Anti-Stress-Verordnung

 

Gemeinsame Positionen

  1. Gemeinsame Erklärung von BDA und DGB (2004-04-21), Zukunft einer zeitgemäßen betrieblichen Gesundheitspolitik
    Einiges gilt wohl nicht mehr, z.B.: “DGB und BDA sind der Auffassung, dass es zur weiteren Förderung betrieblicher Gesundheitspolitik grundsätzlich keiner neuer gesetzlichen Regelungen bedarf.”

  2. Gemeinsame Erklärung von BMAS, BDA und DGB (2013-09-05), Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt
     
    Update: 2013-09-30

Prävention im Bundesrat

Sonntag, 21. April 2013 - 15:40

909. Sitzung des Bundesrates, 2013-05-03 (http://www.bundesrat.de/cln_340/nn_2385280/DE/parlamentsmaterial/to-plenum/909-sitzung/to-node,param=true.html?__nnn=true):

TOP 25 [wurde später zu TOP 32]

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention

217/13
Drucksache  [pdf, 355 KB]: Download

Hier geht es um einen Entwurf der schwarz-gelben Bundesregierung. Etwas für Prävention zu tun ist zwar lobenswert und sieht auch gut aus, aber das über die betriebliche Gesundheitsförderung zu tun bekommt ein Geschmäckle, wenn gleichzeitig offensichtliche Mängel in Arbeitsschutz aufrecht erhalten werden. Insbesondere bleiben die Gewerbeaufsichten geschwächt, weswegen die Unternehmen ohne große Sorge im Bereich der psychischen Belastungen gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes verstoßen können - und das mehrheitlich auch tun. Bevor Steuergelder in Gesetze mit guten Absichten gesteckt werden, müssten damit vorher die Aufsichtsbehörden gestärkt werden. Jedoch hat speziell die FDP ein eher geringes Interesse an einer strengeren Kontrolle ihrer Klientel.

Parallel wird derzeit noch an einer Änderung des Arbeitsschutzgesetzes gerbeitet. Zwar werden psychische Belastungen dann im ArbSchG ausdrücklich thematisiert. Aber gleichzeitig wird die Aufsicht weiterhin so schwach gehalten, dass die Umsetzung des ArbSchG nur mit starken Arbeitnehmervertretern möglich ist.

Siehe auch: http://blog.psybel.de/praevention-im-bundestag/

Psychische Gesundheit am 13. Mai im Bundestag

Mittwoch, 17. April 2013 - 23:45

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/130/1713088.pdf

Für eine humane Arbeitswelt – Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken
[...]
Volker Kauder [CDU], Gerda Hasselfeldt [CSU] und Fraktion
Rainer Brüderle [FDP] und Fraktion

Die zweite von 15 Forderungen in dem Antrag der Koalitionsfraktionen ist,

durch mehr Öffentlichkeitsarbeit bei Unternehmen, Verwaltungen, sonstigen Einrichtungen und Belegschaften verstärkt für die betriebliche Gesundheitsförderung zu werben.

Mit Gesundheitsförderung von mangelhaftem Arbeitsschutz ablenken: Die Werbung für die betriebliche Gesundheitsförderung ist jetzt schon viel umfangreicher (und wohl auch besser finanziert), als die Werbung für den vorschriftsmäßigen Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Anstelle der Gewerbeaufsicht ausreichende Ressourcen zu geben, soll nach dem Willen der Koalition noch mehr Geld in eine betriebliche Gesundheitsförderung gesteck werden, die im Gegensatz zum Arbeits- und Gesundheitsschutz auch die Ressourcen (Zeit und Geld) der Arbeitnehmer beanspruchen kann.
    Der Antrag der Regierungsparteien ist ein Versuch (ähnlich der Strategie des FDP-geführten Bundesministeriums für Gesundheit), betriebliche Gesundheitsförderung vor dem Arbeitsschutz in den Vordergrund zu stellen. Tatsächlich ist die betriebliche Gesundheitsförderung nur eine Ergänzung des Arbeitsschutzes.
    Die Forderungen im Antrag der Regierungsfraktionen sehen auf den ersten Blick sinnvoll aus, könnten (und sollen?) aber von den bekannten Mängeln bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes ablenken. Der verhältnispräventionsorientierte Arbeitsschutz liegt speziell der FDP wohl ohnehin nicht so sehr, weil er die unternehmerische Verantwortung erhöht. Mit dem Antrag der Regierungskoalition wird Arbeitsschutz unter vielen Forderungen erdrückt, die nichts mit dem Arbeitsschutz zu tun haben.

Gewerbeaufsicht: Anstelle in dem Antrag viele nicht zum Arbeitsschutz gehörenden Forderungen zusammen zu rühren, wäre es einfacher, ersteinmal die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes sicherzustellen und die Gewerbeaufsichten wieder vernünftig arbeiten zu lassen. Das ist aber nicht das Ziel der Koalitionsfraktionen. Die Aufsicht darf weiter hungern, bedient werden statt dessen die Unternehmen mit der Forderung,

den Richtwert in § 20 Abs. 2 SGB V für die Gesundheitsförderung zu erhöhen und zwei Euro pro Versicherten als Mindestwert für die BGF festzuschreiben, mit dem Ziel Investitionen in den Erhalt der Gesundheit am Arbeitsplatz zu steigern. Nicht in Anspruch genommene Mittel sollen regionalen Kooperationen der Krankenkassen mit örtlichen Unternehmensorganisationen zugutekommen.

Gefährdungsbeurteilung: Besonders fällt auf, dass im Entwurf der Koalition nichts zur Gefährdungsbeurteilung gesagt wird. Das ist fast schon eine Sabotage der noch ziemlich frischen Anstrengungen der letzten zwei bis drei Jahre, die bisherigen Anarchie im Arbeitsschutz zu beenden: Etwa 80% der Unternehmen versäumen auch heute noch, auch psychische Belastungen vorschriftsmäßig in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen.

Mitbestimmung: Die Forderungen der CDU/CSU und FDP ignorieren nicht nur die Gefährdungsbeurteilung, eines der wichtigsten Instrumente des Arbeitsschutzes. Auch die Rolle der Personal- und Betriebsräte interessiert diese Koalitionspolitiker nicht.

[...] Da die besten Lösungen partnerschaftlich gefunden werden, obliegt es Arbeitgebern wie Arbeitnehmern, gemeinsam ihrer Verantwortung für den Erhalt der psychischen Gesundheit nachzukommen. Nach den Ergebnissen der BIBB/BAuAErwerbstätigenbefragung 2011/2012 herrscht in den Betrieben ein gutes soziales Miteinander, allerdings fühlen sich viele Beschäftigte zu wenig von ihrem Vorgesetzten unterstützt (BAuA: Stressreport Deutschland 2012). Während Vorgesetzte sich von einer ständigen Erreichbarkeit ihrer Mitarbeiter verabschieden müssen, müssen Arbeitnehmer aber auch selbstbewusst genug sein, ihr Handy in ihrer Freizeit auszuschalten. Freizeit und die damit einhergehenden Erholungsmöglichkeiten muss für alle Beteiligten eine größere Bedeutung annehmen. [...]

Man sieht, dass durchaus an ein gemeinsames Vorgehen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gedacht wurde. Aber dass das Mitbestimmung heißt, haben zumindest die Antragssteller der CDU, CSU und FDP anscheinend bis heute nicht verstanden. Dabei war es doch die Philosophie des Arbeitsschutzgesetzes, anstelle bürokratischer Regeln einen weiten Rahmen zu bieten, innerhalb dessen dann Arbeitgeber und Arbeitnehmer betriebsnahe Lösungen finden. Diesen Politikern passt aber wohl diese ganze Richtung nicht, obwohl auf der Arbeitsebene beispielsweise in einem bayerischen Staatsministerium die Bedeutung von Arbeitnehmervertretern (zusammen mit den Betriebsärzten) schon angesichts der Überforderung der Gewerbeaufsicht sehr gut verstanden wird. Mitbestimmung hat für die Koalitionsparteien im Arbeitsschutz offensichtlich keine Bedeutung. Hier hat sich die FDP wohl durchgesetzt.

Pflichtverletzungen im Arbeitsschutz: Die Koalition sieht (abgesehen von ein paar inzwischen verhallten Drohungen Ursula von der Leyens) den Pflichtverletzungen der Arbeitgeber ziemlich untätig zu und scheint diese Versäumnisse auch weiterhin zulassen zu wollen. Die Regierungsparteien fördern also weniger die Gesundheit, sondern sie tolerieren die Rechtsverstöße der Mehrheit der Arbeitgeber und fördern damit die speziell von der FDP geschickt betriebene Schwächung des Arbeitsschutzes.

Ursachen psychischer Erkrankungen: Im Antrag gibt es dazu Mutmaßungen. Dazu siehe http://blog.psybel.de/stichwort/arbeitsbedingte-risiken/

Eristik: Die Antragssteller der Koalitionsfraktion sind sich auch nicht zu schade, auf die psychische Belastung von Arbeitslosen zu verweisen und damit Dietmar Hundts eristische Argumentation zu übernehmen, allerdings in einer noch ausgefuchsteren Weise, als Hundt das versuchte.

 
Am 13. Mai im Bundestag:
Bei der öffentlichen Expertenanhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestagsliegen jetzt vier Anträge vor.
http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a11/anhoerungen/2013/133_Sitzung_psych_Belastung/Gegenstand/index.html

Navigationspfad: Startseite > Der Bundestag > Ausschüsse > Arbeit und Soziales > Anhörungen > Öffentliche Anhörungen 2013 > 13.05.2013: Psychische Belastungen in der Arbeitswelt > Gegenstand der Anhörung

Ausschuss für Arbeit und Soziales – Gegenstand der Anhörung

 

PS: In dem Antrag der CSU/CDU/FDP werden auch gesundheitsziele.de, die Initiative Gesundheit & Arbeit und das Deutsche Netzwerk für betriebliche Gesundheitsförderung erwähnt. Hier ist die Versicherungswirtschaft gut vertreten, aus der in der Vergangenheit kaum Kritik an jene Arbeitgebern gerichtet wurde, die ihre Pflichten im Arbeitsschutz ignorierten.

Noch ein Datum: Am 22. April geht es im Bundestag um Änderungen des Arbeitsschutzgesetzes: Psychische Belastungen sollen darin explizit genannt werden.

Prävention im Bundestag

Donnerstag, 4. April 2013 - 07:24

http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/521/52131.html (2013-03-22)
Aktueller Stand: Dem Bundesrat zugeleitet – Noch nicht beraten (geplant für 2013-05-03)

[...]
Inhalt

Unterstützung der Bevölkerung bei gesundheitsförderlichem Verhalten und Reduktion gesundheitlicher Risiken durch zielgerichtete Ausgestaltung der Krankenkassenleistungen zur Primärprävention und Früherkennung von Krankheiten: Einrichtung einer Ständigen Präventionskonferenz, Maßnahmen in den Bereichen betriebliche Gesundheitsförderung, Wettbewerb bei Krankenkassen, Finanzierung von Präventionsleistungen, Qualitätssicherung u.a.;
Änderung und Einfügung versch. §§ Fünftes Buch Sozialgesetzbuch sowie Änderung §§ 1 und 8 Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte
Schlagwörter

Betriebliche Gesundheitsförderung; Früherkennung von Krankheiten; Gesetzliche Krankenversicherung; Gesetz zur Förderung der Prävention ; Gesundheitsvorsorge; Krankenkasse; Sozialgesetzbuch V; Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte
[...]

 
Der Entwurf trägt die Handschrift der FDP und ihrer Klientel (http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2013/0217-13.pdf):

[...]
B. Lösung

  • Fortentwicklung der Leistungen zur Prävention und zur Früherkennung von Krankheiten im Fünften Buch Sozialgesetzbuch;
  • Unterstützung der Verständigung auf gemeinsame Gesundheitsförderungs- und Präventionsziele durch Einrichtung einer Ständigen Präventionskonferenz beim Bundesministerium für Gesundheit;
    [FDP-Politik parallel zur GDA und zu v. d. Leyens (CDU) Arbeitsministerium?]
  • Ausrichtung der Leistungen auf gemeinsame verbindliche Gesundheitsförderungs- und Präventionsziele;
  • Förderung der Verantwortung der Menschen, der Selbstverwaltung und der Unternehmen;
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für die betriebliche Gesundheitsförderung;
    [siehe auch: http://blog.psybel.de/gesundheitsmanagement-als-schleier/]
  • Förderung des Wettbewerbs der Krankenkassen auch im Bereich der Prävention;
  • Stärkung der medizinischen Vorsorgeleistungen;
  • Präventionsorientierte Fortentwicklung der Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen;
  • Zielgerichtete Neustrukturierung der Finanzierung von Leistungen zur Prävention;
  • Sicherstellung der Qualität und Förderung der Wirksamkeit von Prävention und Gesundheitsförderung.

C. Alternativen
Keine.
[...]

Eine Alternative (bzw. eine Voraussetzung für eine glaubwürdige Gesundheitsförderung) ist in den Betrieben: Beendigung der Schwächung der Aufsicht im Arbeitsschutz. Die Überforderung der Aufsicht ist so nachhaltig, dass sie eigentlich kein Versehen sein kann.

FDP zu spät dran

Donnerstag, 28. März 2013 - 23:52

http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article114765065/Politik-streitet-ueber-Anti-Stress-Gesetz-des-SPD-Senats.html

26.03.13
Psychische Belastung am Arbeitsplatz
Politik streitet über Anti-Stress-Gesetz des SPD-Senats

FDP-Gesundheitspolitiker Wieland Schinnenburg lehnt das Vorhaben ab, Firmen per Gesetz zum Schutz der Mitarbeiter vor psychischen Belastungen zu zwingen. [...]

Zu spät. Die Firmen müssen jetzt schon “per Gesetz” ihre Mitarbeiter vor psychischen Fehlbelastungen schützen. Das wird demnächst auch noch ein bisschen klarer im Arbeitsschutzgesetz stehen.

Die Tarifvertragsparteien sind hier übrigens weniger gefragt. Es geht ja schließlich um betriebsnahe Lösungen. Das regeln lokale Betriebsleitungen und lokale Betriebsräte miteinander vorwiegend in Betriebsvereinbarungen, nicht in Tarifverträgen.

Auch geht es dem Hamburger Senat nicht um ein Gesetz, sondern um eine Verordnung.

Gesundheitsminister schnappt sich den Arbeitsschutz

Dienstag, 18. Dezember 2012 - 06:06

http://www.haufe.de/sozialwesen/leistungen-sozialversicherung/praevention-koalition-einigt-sich-auf-praeventionsstrategie_242_156026.html

14.12.2012

Prävention: Koalition einigt sich auf Präventionsstrategie Mit neuer Strategie für mehr Gesundheitsvorsorge.

Eine neue Strategie zur Gesundheitsvorsorge soll mehr Menschen zu einem gesünderen Leben bewegen.

Die Koalition einigt sich auf die Eckpunkte einer seit langem angekündigten Präventionsstrategie für mehr Gesundheitsvorsorge in Deutschland. Schwerpunkte sind eine Stärkung der betrieblichen Gesundheitsvorsorge und neue Ansätze für soziale Brennpunkte. Das teilte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums der dpa am 13.12.2012 auf Anfrage mit. Die gesetzlichen Änderungen sollen im Jahr 2013 angegangen werden. …

Die FDP arbeitet weiter an der Besetzung des Arbeitsschutzthemas Prävention durch das Bundesgesundheitsministerium. Von Ursula von der Leyen hört man hier nicht mehr so viel.

Info:

  • Betriebliche Gesundheitsvorsorge – vorwiegend Verhältnisprävention – vorgeschriebener Arbeits- und Gesundheitsschutz – während der Arbeitszeit – auf Kosten des Arbeitgebers – Standards: OHSAS 18001, ILO-OSH usw. – Mitbestimmung: zwingend – Politik: BMAS (von der Leyen, CDU)
  • (Betriebliche) Gesundheitsförderung – vorwiegend Verhaltensprävention – freiwillige Angebote an Mitarbeiter – auch während der Freizeit – auch mit finanzieller Beteiligung der Mitarbeiter (“Eigenverantwortung”) – Standards: evtl. DIN SPEC 91020 – Mitbestimmung: mindestens konsensual – Politik: BMG (Bahr, FDP)

 


2012-11
http://www.bmg.bund.de/praevention/betriebliche-gesundheitsfoerderung/best-practice-beispiele-bayern/projekte-psychische-belastungen/foerderung-psychischer-gesundheit-in-der-arbeitswelt.html
Frage an Siemens Healthcare:
Förderung psychischer Gesundheit in der Arbeitswelt – Siemens Healthcare und
Siemens-Betriebskrankenkasse

Wo haben Sie Präventionsbedarf?

Mit dem Projekt soll Stress, Burnout und weiteren psychischen Erkrankungen präventiv entgegengewirkt werden. Die Handlungskompetenz und das Wissen zu den Themen psychische Gesundheit und Umgang mit belasteten Mitarbeitern, sowie die Zufriedenheit mit der eigenen Work­Life­Balance soll erhöht werden. Außerdem soll das Thema „psychische Belastung“ enttabuisiert werden und Entspannungsmethoden erprobt werden. …

Das Bundesgesundheitsministerium des Daniel Bahr (FDP) hilft hier der Firma Siemens, Verhaltensprävention als das Hauptwerkzeug gegen psychische Fehlbelastungen darzustellen. Das ist natürlich falsch. Aber im Augenblick kann Daniel Bahr das durchsetzen.

Für den Arbeitsschutz ist eigentlich die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zuständig. Jetzt aber läuft erst einmal das Projekt von Arbeitgebern und FDP, den verhältnispräventiven Arbeitsschutz in einem überwiegend verhaltenspräventiven Betrieblichen Gesundheitsmanagement zu marginalisieren.

Übrigens: Die FDP versteht die Wichtigkeit des verhältnispräventiven Arbeitsschutzes dann sehr gut, wenn sie der SPD damit auf die Füße treten kann. Sollte sie im Jahr 2013 nicht unter 5% bleiben, bestünde eine gewissermaßen nationale Arbeitsschutzmaßnahme also darin, die FDP auch im Bundestag in die Opposition zu schicken, damit sie einer regierenden SPD kräftig zuleibe rücken kann.

 


http://www.european-news-agency.de/wirtschaft_und_finanzen/psychische_erkrankungen_werden_ernster_genommen-52181/
Psychische Erkrankungen werden ernster genommen

Verfasser: Siegfried Kubiak
Barendorf, 23.08.2012, 18:37 Uhr

Barendorf [ENA] Das Bundesgesundheitsministerium fördert ein dreijähriges Projekt des „Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit“ zur Einbindung der Medien in Maßnahmen zur Bekämpfung von Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Monatlich sollen damit Journalisten über aktuelle Themen aus dem Bereich der seelischen Gesundheit informiert werden. Hintergrundmaterialien werden angeboten. …

… Das Deutsche Institut für Normung e.V. hat im Juli dieses Jahres einen neuen Zertifizierungsstandard DIN SPEC 91020 für das betriebliche Gesundheitsmanagement vorgestellt, weil bereits heute knapp 28 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 60 und 65 Jahre alt sind. Die Zahl derjenigen, die vor Rentenbeginn ausscheiden wächst jedoch. Fast jeder Vierte scheide vorzeitig wegen Rückenproblemen, Depressionen, Burnout oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus dem Berufsleben aus. Die Anforderungen an die DIN SPEC 91020 würden ermöglichen, dass die Arbeitsorganisation, Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse gesundheitsfördernd gestaltet werden.

(European News Agency. Executive-Patronage: Deutscher Verband der Pressejournalisten AG.)

Siegfried Kubiak packt das Projekt des Bundesgesundheitsministeriums mit Werbung für die DIN SPEC 91020 zusammen. Die DIN SPEC 91020 dient dem freiwilligen Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Arbeitsbedingte “Rückenproblemen, Depressionen, Burnout oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen” sowie daraus entstehende Frühverrentung haben jedoch von Arbeitgebern mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz verhindert zu werden, und zwar verhältnispräventiv. Dafür gibt es andere Normen (z.B. OHSAS 18001 oder ILO-OSH), auf die Sigfried Kubiak jedoch nicht hinweist. Die DIN SPEC 91020 wurde nach dem PAS-Verfahren entwickelt, bei dem das DIN Standards zum Arbeitsschutz explizit ausschließt, da diese einen Konsens zwischen den am Standard interessierten Parteien erfordern.

Krankenkassen vergessen den Arbeitsschutz

Samstag, 15. Dezember 2012 - 09:44

http://www.presseportal.de/pm/63330/2382903/praeventionsbericht-2012-krankenkassen-engagieren-sich-verstaerkt-fuer-psychische-gesundheit-im

… “Die gesetzlichen Krankenkassen konzentrieren sich damit schon heute auf das, was der Bundesgesundheitsminister jetzt fordert – nämlich intensiv die betriebliche Gesundheitsförderung und Maßnahmen in Lebenswelten vor Ort zu fördern”, so Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes. “Gesundheitsförderung ist dann erfolgreich, wenn sie die Menschen auf möglichst vielen verschiedenen Wegen anspricht und dadurch erreicht. Eine Verengung auf eine ärztliche Verordnung, wie derzeit offenbar im Bundesgesundheitsministerium überlegt wird, wäre ein falscher Ansatz. Prävention muss z. B. im Kindergarten, am Arbeitsplatz und in der Schule beginnen und nicht erst dann, wenn jemand bereits zum Arzt geht.” ..

Bellen am falschen Baum. Der Arbeitsschutz stellt die Prävention sicher – vorausgesetzt, dass sich die Arbeitgeber an die Vorschriften halten. Wenn die Krankenkassen besser darauf geachtet hätten, dann gäbe es jetzt schon weniger Erkrankungen.

… Engagement in der betrieblichen Gesundheitsförderung ausgebaut

Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz – das bedeutet geringere krankheitsbedingte Kosten und mehr Lebensqualität für den Einzelnen. Deshalb haben die Krankenkassen 2011 wie in den Vorjahren ihr Engagement in der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) ausgeweitet …

Mit welcher Absicht wird der Arbeitsschutz am Arbeitsplatz nicht berücksichtigt? Warum wird (abgesehen von der Techniker Krankenkasse) das Engagement beim Arbeitsschutz nicht ausgebaut?

Psychische Erkrankungen verursachen rund 10 Prozent aller Krankheitstage in deutschen Unternehmen und sind seit Jahren die Hauptursache für krankheitsbedingte Frühverrentungen. Entsprechend den gewandelten Belastungen am Arbeitsplatz mit zunehmender Hektik und fortschreitender Arbeitsverdichtung verstärkten die Krankenkassen 2011 weiter ihre Aktivitäten zur Förderung der psychischen Gesundheit von Arbeitnehmern. “Die Anforderungen in der Arbeitswelt haben sich in den letzten Jahren rasant verändert. In der Folge sind vor allem kognitive und psychosoziale Belastungen gestiegen – Stress ist inzwischen das zweithäufigste arbeitsbedingte Gesundheitsproblem. Der Präventionsbericht zeigt, dass die Krankenkassen hier aktiv gegensteuern”, so Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS.

2011 gehörten Maßnahmen zum Stressmanagement bzw. zur Stressbewältigung und Angebote zur gesundheitsgerechten Mitarbeiterführung neben der Reduktion von körperlichen Belastungen zu den häufigsten Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz

Der Präventionsbericht zeigt, dass die Krankenkassen die Bedeutung des Arbeitsschutzes noch immer nicht verstehen.

 
Präventionsbericht: http://www.mds-ev.de/Praeventionsbericht.htm (direkt: http://blog.psybel.de/wp-content/uploads/2012/12/Praeventionsbericht_2011_final_ungschuetzt.pdf)

… Mittlerweile wird die betriebliche Gesundheitsförderung – insbesondere in Großbetrieben – zunehmen in ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement integriert. Das betriebliche Gesundheitsmanagement kann darüber hinaus beispielsweise Initiativen des Arbeitgebers zum Arbeitsschutz, zur Wiedereingliederung langfristig Erkrankter, zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zur Hilfe in privaten Krisen und anderes mehr umfassen. …

Was bezweckt der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) mit solchen Aussagen? Damit es klar ist: Der Arbeitsschutz ist keine Nebensache. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement “kann” den Arbeitsschutz nicht umfassen, sondern der Arbeitgeber hat den Arbeitsschutz mit Einbezug der psychischen Belastungen vorschriftsmäßig umzusetzen.

 
http://www.welt.de/wirtschaft/article112025787/Kassen-sollen-mehr-Geld-in-Praevention-stecken.html

Kassen sollen mehr Geld in Prävention stecken

Sechs Euro pro Mitglied fließen künftig qua Gesetz in die Vorsorge. So soll Krebs häufiger erkannt, die Zahl der Diabetes-Fälle reduziert oder psychisches Leiden im Job verringert werden.

Die schwarz-gelbe Koalition will die gesetzlichen Krankenkassen zu verstärkten Investitionen in die Gesundheitsförderung verpflichten. Der Schwerpunkt soll dabei auf der Krankheitsvorbeugung in den Betrieben liegen. Dies sieht eine 16-seitige Präventionsstrategie vor, auf die sich die Gesundheitsexperten von Union und FDP verständigt haben. …

Die Kassen merken’s nicht. Der Arbeitsschutz muss von den Unternehmen bezahlt werden, nun sollen aber die Kassen mitzahlen. Das sollte für die Kassen doch Motivation genug sein, beim Arbeitsschutz der Unternehmen ein bisschen schärfer hinzusehen.

… Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr sagte am Freitag, Ziel der Strategie sei es, einen gesunden Lebensstil zu fördern und Krankheiten zu vermeiden. Das Konzept setze auf die Eigenverantwortung der Bürger. Die Krankenkassen sollten künftig nur noch qualitätsgesicherte Präventionsmaßnahmen finanzieren. Ein Schwerpunkt solle außer in den Betrieben in sozialen Brennpunkten liegen. …

http://www.daniel-bahr.de/wcsite.php?wc_c=21749&wc_lkm=2611

… Die Prävention verstanden als aktive Gesundheitsvorsorge ist primär eine individuelle Herausforderung. Jeder Einzelne ist dafür verantwortlich, durch eine gesundheitsbewusste Lebensweise der Entstehung von Gesundheitsrisiken vorzubeugen, qualitätsgesicherte Angebote sachgerecht zu nutzen und auch bei bereits vorhandenen Krankheiten durch ein verantwortungsbewusstes Verhalten dazu beizutragen, dass eine Besserung erreicht oder eine Verschlimmerung vermieden werden kann. Es ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung zur Vermeidung, Heilung und Linderung bei vielen Erkrankungen zu verdeutlichen und zielgerichtet Menschen, die von sich heraus ohne Hilfe nicht zu einem gesundheitsbewussten Leben in der Lage sind, dabei zu unterstützen, entsprechende Aktivitäten zu entfalten. Die Finanzierung darf deshalb nicht allein auf die Kranken- bzw. Sozialversicherung zentriert werden. …

Das ist überwiegend Verhaltensprävention. Die ist freiwillig. Die Verhältnisprävention verstanden als aktiver Arbeitsschutz ist primär eine den Unternehmen vorgeschriebene Aufgabe. Die Finanzierung ist daher auf sie zu zentrieren.

Die Mehrheit der Arbeitgeber greift den Arbeitsschutz einerseits durch die offene Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften an und andererseits über den Umweg über das Bundesgesundheitsministerium. Bahrs Schwerpunkt liegt zusammen mit den Interessen der Arbeitgeber auf der Eigenverantwortung der in den Betrieben Beschäftigten. Bahr und die Mehrheit der Unternehmen bremsen schon seit einiger Zeit den ganzheitlichen Arbeitsschutz aus, denn der Arbeitsschutz nimmt die Arbeitgeber in die Pflicht. Die den Arbeitgebern vorgeschriebene Verhältnisprävention gegen arbeitsbedingte Erkrankungen müsste von Ursula von der Leyen (BMAS) nachhaltig eingefordert werden. Sie hat dazu aber nur kurz etwas Lärm gemacht zu haben und scheint danach von Daniel Bahr (BMG) geschickt zur Seite gedrängt worden zu sein.

Die Krankenkassen sollten einmal bei Ursula von der Leyen anklopfen.

 
Links:

Bundestagsdebatte 17/201

Donnerstag, 1. November 2012 - 16:08


http://dbtg.tv/fvid/1975670

 
http://www.das-parlament.de/2012/44-45/Innenpolitik/41250030.html

Psychische Belastungen in der Arbeitswelt

Über die Bedingungen der Arbeitswelt hat der Bundestag am Donnerstag vergangener Woche debattiert. Die Fraktion Die Linke hatte einen Antrag (17/11042) vorgelegt, der eine “Anti-Stress-Verordnung” fordert. Die soll es ermöglichen, im Dialog mit Beschäftigten Ursachen für psychische Belastungen zu benennen und gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zudem forderte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung in einem weiteren Antrag (17/10867) dazu auf, Arbeitsplätze “alters- und alternsgerecht” zu gestalten. Es seien Bedingungen notwendig, die für alle Altersklassen und das ganze Berufsleben eines Menschen gelten. Im Anschluss an die Debatte wurden die beiden Anträge zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.

 

2012-10-25
17/201 (201. Sitzung, 17. Wahlperiode)

TOP 6 Psychische Belastungen in der Arbeitswelt

Es geht zwei Anträge:

  1. 6.a) Beratung Antrag DIE LINKE.
    Psychische Belastungen in der Arbeitswelt reduzieren
    - Drucksache 17/11042 -
    … Ein individuelles Vetorecht für die Beschäftigten ist zu verankern, das dann greift, wenn die Arbeitsanforderungen zu gravierenden negativen Belastungen für die Psyche führen. Bereits bestehende Beschwerde- und Einspruchsmöglichkeiten (Arbeitsschutzgesetz, Betriebsverfassungsgesetz, Überlastungsanzeigen) müssen entsprechend ausgebaut und stärker bekannt gemacht werden. Die Aufgabe, individuelle Belastungsschwerpunkte zu identifizieren und konkrete Gegenmaßnahmen daraus abzuleiten, erhält eine verpflichtend einzurichtende Kommission zur Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes, die paritätisch mit Vertreterinnen und Vertretern der Beschäftigten und der Arbeitgeber besetzt ist und verbindliche Entscheidungen fällen kann. Bei Nicht-Einigung entscheidet die Einigungsstelle. …

    Anmerkung: Tatsächlich haben nach meiner Ansicht die Arbeitnehmervertretungen bereits heute speziell in nach OHSAS 18001:2007 zertifizierten Betrieben die Pflicht, im Fall von (potentiell) krank machenden Vorfällen (Punkt 3.9), bei der Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung der Schutzmaßnahmen (Punkt 4.3.1) sowie bei der Vorfalluntersuchungen, der Bearbeitung von Nichtkonformitäten und Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen (Punkt 4.5.3) mitzubestimmen (Punkt 4.4.3.1). Dazu müssten sie allerdings ersteinmal aufwachen und die nötige Kompetenz erwerben. Dem Gesetzgeber empfehle ich, bei Entwürfen OHSAS 18002:2008 (das ist OHSAS 18001:2007 mit Hinweisen zur Umsetzung) zu berücksichtigen, was auch den Unternehnmen bei der Organisation des Arbeitsschutzes helfen würde.

  2. 6.b) Beratung Antrag B90/GRÜNE
    Psychische Gefährdungen mindern – Alters- und alternsgerecht arbeiten
    - Drucksache 17/10867 -
    … In Deutschland existieren zwar Arbeitsschutzgesetze, aber es besteht ein Umsetzungsdefizit auf betrieblicher und gesetzgeberischer Ebene. So fehlen in vielen Betrieben Gefährdungsbeurteilungen, die aufzeigen, welche gesundheitlichen Belastungen auftreten und wie sie vermieden werden können. Und obwohl seit 2004 die europäische Sozialpartnervereinbarung zu Stress am Arbeitsplatz existiert, gehört Deutschland zu den wenigen europäischen Ländern, in denen weiterhin ein Regelungsdefizit besteht. Die Bundesregierung muss daher endlich die europäische Rahmenvereinbarung zu arbeitsbedingtem Stress mit untergesetzlichen Regelungen unterlegen, um Beschäftigte effektiver vor psychischen Gefährdungen am Arbeitsplatz zu schützen. Arbeitgeber sind in Zusammenarbeit mit den zuständigen Interessenvertretungen (gegebenenfalls Schwerbehindertenvertretungen), Integrationsämtern und Rehabilitationsträgern zur gesundheitlichen Prävention in ihren Betrieben verpflichtet. Diese Präventionsverpflichtung, die unter anderem durch das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) erfüllt wird, muss – insbesondere in kleinen und mittleren Betrieben – gestärkt werden. …

    Anmerkung: Die Vorlage der Grünen beschreibt den Verbesserungsbedarf beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz recht gut, aber BEM dient nicht der Prävention. Allerdings gilt auch, dass Betriebliches Eingliederungsmanagement ohne den seit 1996 vorgeschriebenen verhältnispräventiven Arbeitsschutz natürlich keine Sinn macht: Kranke werden an kranken Arbeitsplätzen nicht nicht gesund.

 

Im Video oben können Sie sich die ganze Debatte ansehen. Über http://suche.bundestag.de/plenarprotokolle/search.form habe ich die Einzelbeiträge gefunden:

Protokoll(PDF | 3,0 MB) Video des Tagesordnungspunkts
Alle Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

Die Beiträge von Pascal Kober (FDP) und Ulrich Lange (CDU) sind recht anschauliche und aktuelle Darstellungen von Positionen, die auch von den Arbeitgebern vertreten werden. Darum habe ich in http://blog.psybel.de/hauptsache-gesundheit/ auf die Redebeiträge der beiden Abgeordneten hingewiesen.

Beide Abgeordneten lobten unüberraschenderweise die jüngsten Aktivitäten ihrer Koalition beim Einbezug der psychischen Belastungen in den Arbeitsschutz - die 16 Jahre zu spät kommen und zum Teil Ablenkung sind: Pascal Kober gibt ein Beispiel für die Betonung der Gesundheitsförderung beim Thema psychische Belastung, obwohl diese die ja oft eher verhaltenspräventionsorientiert ist und in das Privatleben der Mitarbeiter eingreift. Der Arbeitsschutz schreibt dagegen Verhältnisprävention vor. Meiner Ansicht nach muss genau beobachtet werden, wie ideologisch die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie orientiert sein wird, denn die gemeinsame Begeisterung von Schwarz-Gelb und der Arbeitgeber für dieses Projekt ist auffällig.

Ulrich Lange weist darauf hin, das man nicht immer auf die “schwarzen Schafe” unter den Unternehmen sehen solle:

… Wir haben durchaus Vertrauen in unsere Unternehmen, in unsere Unternehmer und Unternehmerinnen, dass das Arbeitsschutzgesetz in den Betrieben angewendet wird. Man sollte hier nicht immer das Negativbeispiel nennen, auf das schwarze Schaf abzielen. In vielen Betrieben wird mit den Arbeitnehmervertretungen zusammen sehr wohl, sehr gut und sehr konstruktiv an diesem Thema gearbeitet. …

Der Anwalt Lange weiß, wie man die Unwahrheit sagt, ohne zu lügen. Er weiß natürlich, dass die schwarzen Schafen die große Mehrheit sind. Die Mehrheit der Unternehmen hat wichtige Teile des ganzheitlichen Arbeitsschutz spätestens seit dem Jahr 2005 wissentlich missachtet. Im Gegensatz zu Langes Darstellung handelten die Unternehmen im Bereich der psychischen Belastungen überwiegend verantwortungslos. Weiterhin macht Lange die Furcht der Unternehmer (und damit die Vorbehalte der Arbeitgeber) vor der Mitbestimmung im Arbeitsschutz sehr deutlich:

… Zum Betriebsverfassungsgesetz. Mit dieser Keule, mit der Sie schlagen, sind Sie bei einem alten Thema. Immer dann, wenn wir hier irgendetwas diskutieren, wollen Sie über das Betriebsverfassungsrecht Dinge regeln, womit letztlich die Systematik dieses Gesetzes und das Grundverständnis über die Stellung unserer Betriebe verändert würden. Sie wollen ein Mitbestimmungsrecht bei wirtschaftlichen Fragen und bei der strategischen Ausrichtung. …

Die Gefährdungserkennung, Risikobeurteilung und Festlegung der Schutzmaßnahmen (z.B. nach OHSAS 18001:2007, Punkt 4.3.1) sowie die Vorfalluntersuchungen, die Bearbeitung von Nichtkonformitätren und Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen (z.B. nach OHSAS 18001:2007, Punkt 4.5.3) mag die strategische Ausrichtung und wirtschaftliche Fragen eines Unternehmens berühren. Aber hier herrscht bereits eine Mitbestimmungspflicht, für die die Unternehmen mit den Arbeitnehmern Prozesse zu vereinbaren haben (z.B. nach OHSAS 18001:2007, Punkt 4.4.3.2).

Ohne die Impulsgebung durch Gewerkschaften, Betriebsräte und (leider nur vereinzelt) auch die Aufsichtssbehörden wäre die Mehrheit der von Ulrich Lang gelobten Unternehmen heute nicht motiviert, die Voerschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes zu respektieren.

Zur SPD: http://www.spdfraktion.de/themen/reden/psychische-belastungen-der-arbeitswelt-verhindern

… Die SPD wird in den nächsten Wochen einen umfassenden Antrag zur Modernisierung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes vorlegen. …