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Unsinn vom Professor

Freitag, 13. September 2013 - 07:10

Die Saarbrückener Zeitung meldet heute, dass Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Saarländischer Unternehmensverbände (VSU), sich gegen das Argument wehre, das Fehlzeiten in den Betrieben vor allem von den Gewerkschaften mit der Belastung am Arbeitsplatz erklärt werde. Vielmehr wirke sich Arbeit in der Regel positiv auf die psychische Gesundheit aus.

Nun hören wir auch von Joachim Malter diese triviale Tatsache. Den Arbeitgebern scheint nichts Intelligenteres mehr einzufallen. Was Malter sagt, ist doch kein Gegenargument. Keiner bestreitet, dass sich gesunde Arbeit positiv auf die Gesundheit auswirkt. Hier ist es nun Malters Eristik, die davon ablenken soll, dass die Gewerkschaften nichts gegen die Arbeit haben. Allerdings kämpfen sie gegen schlechte Arbeit. Vermutlich weiß Joachim Malter das auch. Aber eine korrekte Darstellung der Gewerkschaftspositionen korrekt liegt möglicherweise nicht im Interesse der von Joachinm Malter vertretenen Arbeitgeber.

Für ein noch unintelligenteres Argument bemüht Walter einen Unsinn, den Professor Sascha Stowasser vom Düsseldorfer Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) von sich gegeben haben soll: Die Arbeit habe zu Unrecht „den Schwarzen Peter“, denn schließlich litten Arbeitslose drei Mal so häufig an psychischen Krankheiten wie Erwerbstätige.

Bisher habe ich solche Dummheiten vorwiegend vom ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Hundt zitieren können.

Kaum jemand bestreitet, dass es Arbeitslosen in der Regel schlechter geht, als Menschen mit einem guten Arbeitsplatz. Das ist aber doch gar nicht das Thema: Es geht um den Unterschied zwischen

  • gesunden Erwerbstätigen und
  • fehlbelasteteten Erwerbstätigen.

So einfach ist das. Es muss schon sehr anstrengend sein, das nicht verstehen zu wollen. Stohwasser begeht mit dem Vergleich von Arbeitslosen und Erwerbstätigen einen vorsätzlichen Kategorienfehler, denn er ist Wissenschaftler genug, um zu wissen, dass er diesen Fehler begeht.

Stohwassers Eristik wäre (wenn er richtig zitiert wurde) also kein Versehen. Und außerdem wäre sie auch noch leicht zu erklären: Träger seines Instituts sind die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Das beweist zwar noch nicht zwingend, dass sich die Wissenschaft hier für die Arbeitgeber prostituiert, könnte aber durchaus erklären, wieso aus dem Institut Stohwassers die gleichen Dummheiten kämen, wie aus den Arbeitgebervereinigungen.

 
In der Diskussion um die Ursachen der Zunahme psychischer Erkrankungen darf insbesondere eine Tatsache nicht vergessen werden: Seit 1996 gelingt es der großen Mehrheit der Unternehmen, die Arbeit zu verdichten und gleichzeitig ihre Pflicht zur Beurteilung psychischer Gefährdungen straflos zu missachten. Diesen Gesetzesbrechern half eine Bundesministerin von der Leyen, die auf strenge Arbeitsschutzgesetze verwies, deren Strenge aber dank einer systematisch überforderten Gewerbeaufsicht kein Arbeitgeber zu spüren bekam. Kein Wunder, wenn dann Arbeitgeberverbände mit dieser Unterstützung dreist behaupten können, es sei nicht erwiesen, dass arbeitsbedingte psychische Belastungen zunähmen. Sie haben ja schon die Beobachtung arbeitsbedingter psychischer Belastungen und damit die von ihnen geforderte Verhältnisprävention sabotiert.

Frage an die Bundesarbeitsministerin

Dienstag, 20. März 2012 - 07:16

An die Bundesministerin für Arbeit und Soziales

 
Sehr geehrte Frau Dr. von der Leyen,

Ihr Interview in der Saarbrückener Zeitung irritiert mich zunehmend, nicht nur weil Sie inzwischen ihren Hinweis auf “Unwissen und Hilflosigkeit” der Arbeitgeber wiederholten.

Noch einmal das Interview (letzter Teil): http://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Interviews/interview-vdl-saarbruecker-zeitung-2011_12_27.html


Saarbrücker Zeitung: Was haben Sie sich für 2012 vorgenommen?

Von der Leyen: Es gibt ein Thema, das bislang viel zu kurz gekommen ist: die psychischen Belastungen in der Arbeitswelt. Jeder dritte Bürger, der heute vorzeitig in Rente geht, tut das, weil er den Anforderungen seines Jobs psychisch nicht mehr gewachsen ist. Im Schnitt gehen die Leute mit Mitte Vierzig. Das ist für die Betriebe wie für die Gesellschaft ein Riesenverlust. Allein die Behandlungskosten dafür belaufen sich auf geschätzte 27 Milliarden Euro im Jahr. Diese Zahlen sollten aufrütteln.

Saarbrücker Zeitung: Was wollen Sie dagegen tun?

Von der Leyen: Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss, wer den Arbeitsschutz auch in seelischer Hinsicht vernachlässigt, mit empfindlichen Strafen bis hin zu Gefängnis oder Betriebsstilllegung rechnen. Wir brauchen also keine schärferen Gesetze. Studien zeigen, dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit. Deswegen müssen wir besser informieren, Lösungswege aufzeigen, kontrollieren und die Beteiligten motivieren.

Saarbrücker Zeitung: Warum?

Von der Leyen: Arbeitsausfälle, Behandlung und Renten kosten, kluge Vorsorge kann Milliardensummen sparen. Wir wollen uns im nächsten Jahr mit den Tarifpartnern, Sozialversicherungsträgern sowie Länderexperten zusammensetzen, um wirksame Maßnahmen gegen psychische Überlastungen im Beruf zu entwickeln. Ich stelle mir dazu eine breit angelegte Kampagne vor.

Sie sagten, dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen und meinten: “Wer den Arbeitsschutz auch in seelischer Hinsicht vernachlässigt, [muss] mit empfindlichen Strafen bis hin zu Gefängnis oder Betriebsstilllegung rechnen”. Frage: Wieviele Ordungswidrigkeiten wurden seit 2005 wegen Vernachlässigung des Arbeitsschutzes in seelischer Hinsicht festgestellt? Wieviele wurden geahndet? (2012-07-19: Die Antwort vom BMAS enthielt vor allem Informationen, die Sie der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zur “Aufsichtstätigkeit beim Arbeitsschutz” entnehmen können.)

Ich frage nicht einmal nach Gefängnisstrafen und Betriebsstillegungen, was dem Erhalt von Arbeitsplätzen auch nicht besonders zuträglich wäre. Solche Drohungen können es außerdem den Arbeitnehmervertretern in einem Unternehmen erschweren, Mängel im Arbeitsschutz anzusprechen.

In Bayern soll mit Zielvereinbarungen gearbeitet werden. Kann es aber sein, dass selbst diese milde Maßnahme nicht funktioniert und Aufsichtspersonen es durchgehen lassen, wenn von Unternehmen z.B. die Einhaltung der Bildschirmarbeitsverordnung behauptet wird, obwohl es die in der Verordnung geforderten Beurteilungen psychischer Belastungen nicht gibt?

 
Es gibt beim Arbeitsschutz außerdem noch ein Einstellungsproblem, das auch am Ende Ihres Interviews deutlich wird. Wenn Sie gefragt werden, warum der Arbeitsschutz umgesetzt werden muss, dann hat eines die höchste Priorität: Der Arbeitgeber darf keine Körperverletzungen riskieren! Ein Unternehmer, der in seinem Unternehmen psychisch wirksame Belastungen nicht von den Arbeitnehmern mitbestimmt und den Vorschriften entsprechend beurteilt, riskiert heute wissentlich eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos seiner Mitarbeiter.

Es nervt zunehmend, wie sehr selbst Berufsgenossenschaften, Gewerbeaufsichten, Bundesarbeitsministerinnen und sogar Gewerkschaften glauben, auf die wirtschaftlichen Folgen der Pflichtverletzungen der Unternehmen beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz hinweisen zu müssen, um die Unternehmen zur Einhaltung der Vorschriften zu bewegen. Das meine ich mit “Einstellungsproblem”. Auch von Ihnen hätte auf die Frage “warum?” der Saarbrücker Zeitung eine bessere Antwort gegeben werden müssen müssen. Sie, Frau Dr. von der Leyen, sind Ärztin. Zunächst geht es darum, Körperverletzung zu verhindern.

 
Mit freundlichen Grüßen
Götz Kluge

 
PS:

Das Gehirn des modernen Menschen ist ökonomisch verseucht.

Herrmann Broch, Massenwahntheorie. 1939 bis 1948. 3. Teil, Kapitel 5.8. Totalwirtschaft und Totalversklavung
 

Von der Leyen kündigt Kampagne an

Mittwoch, 28. Dezember 2011 - 07:41

http://www.rp-online.de/politik/deutschland/von-der-leyen-plant-kampagne-gegen-burn-out-1.2652967

Wie auch die Saarbrückener Zeitung meldet, plant Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen eine breit angelegte Kampagne zur Bekämpfung psychischer Überbelastungen in der Arbeitswelt. Mit den Tarifpartnern, Sozialversicherungsträgern sowie Länderexperten wolle sie im kommenden Jahr “wirksame Maßnahmen” gegen diese Probleme entwickeln, kündigte von der Leyen der Zeitung zufolge an.

Strengere Gesetze seien, so die Zeitung, nach Ansicht von der Leyens nicht nötig.

Schon jetzt gebe es strenge Arbeitsschutzbestimmungen auch mit Blick auf seelische Belastungen.

Studien zeigten aber, “dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit“. Daher müsse man besser informieren und Lösungswege aufzeigen. Dies solle die von ihr geplante “breit angelegte Kampagne” erreichen.

(Link und Hervorhebung nachträglich eingefügt)

Hier stimmt fast alles, vielleicht auch die “Hilflosigkeit”. (Gibt es erlernte Hilflosigkeit auch bei Organisationen?) Aber die “Unwissenheit” wurde von zu vielen Arbeitgebern geradezu proaktiv gepflegt. Mitarbeiter und Betriebsräte, die auf das Thema aufmerksam machten, wurden unter Druck gesetzt. Dokumentiert wird die Absichtlichkeit des Unwissens der Arbeitgeber einfach dadurch, dass die Gewerkschaften das Thema schon vor Jahren aufgriffen. Das ist gut dokumentiert. Die Arbeitgeber wussten, was sie taten und was sie unterließen: Tausendmal diskutiert, und doch ist nichts passiert.

Sehr gut ist, dass die Arbeitsministerin strengere Gesetze nicht für nötig hält. Strengere Gesetze wären meiner Ansicht nach sogar schädlich. Aber Arbeitgeber, die ohne einen ausreichenden Arbeitsschutz die Gesundheit ihrer Mitarbeiter riskieren, müssen leichte in Haftung genommen werden können.

Woran wir uns wieder gewöhnen müssen, ist ein Rechtsstaat, in dem Unternehmen geltene Schutzgesetze zu beachten haben und in dem Aufsichtbehörden diese Schutzgesetzen durchsetzen können und dürfen. Dabei gibt es häufig noch ein Problem: Manche Arbeitgeber schaffen es gerade noch, Betriebsräte “einzubeziehen”, das Wort “Mitbestimmung” fehlt dann häufig sogar schon in ihrem Vokabular. Das behindert die Umsetzung der als Rahmenbestimmungen formulierten Regeln des Arbeitsschutzes. Betriebsräte bestimmen mit. Es herrscht sogar Mitbestimmungspflicht! Es geht also nicht nur um mehr Respekt vor Schutzgesetzen, sondern auch um das Betriebsverfassungsgesetz und um die Förderung der Betriebsräte beim Aufbau der für ihre Aufgaben erforderlichen Kompetenzen.

Komplettes Interview: http://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Interviews/interview-vdl-saarbruecker-zeitung-2011_12_27.html

 
Anmerkung: In der Süddeutschen Zeitung wurde im Oktober eine vermeintlich hysterische Verwendung des Begriffes “Burn-out” kritisiert. Die nüchtern geschriebene Meldung der Saarbrückener Zeitung gaben die Süddeutschen unter dem Titel “Von der Leyen plant Burn-out-Gipfel” wieder.