Schlagwort 'häufigere Diagnosen'

Maßnahmen gegen Arbeitshetze

Donnerstag, 7. Februar 2013 - 15:39

http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-DCA8B93A-1A81082E/internet/style.xsl/interview-mit-hans-juergen-urban-zur-anti-stress-verordnung-11215.htm

Interview mit Hans-Jürgen Urban zur Anti-Stress-Verordnung

Verbindliche Regelungen zum Schutz der Beschäftigten

07.02.2013 Ι Der kürzlich vorgelegte “Stressreport Deutschland 2012″ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin belegt, wie dringlich Maßnahmen gegen Stress und Arbeitshetze im Betrieb sind. Die IG Metall hat konkrete Vorstellungen, wie mit Hilfe einer “Anti-Stress-Verordnung” die Beschäftigten besser geschützt werden können. Das erläutert Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall

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Fünf Argumente der BDA

Sonntag, 27. Januar 2013 - 12:03

“Erfolgsfaktor Psychische Gesundheit” ist ein Positionspapier der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Veöffentlichung ist sehr interessant, weil man hier die wichtigsten Argumentationsversuche der Arbeitgeber kennenlernen kann, die größtenteils schon im Jahr 2009 vorbereitet wurden. Da ist zum Beispiel
(1) die schlichte Falschdarstellung, “dass die Ursachen psychischer Erkrankungen meist außerhalb des beruflichen Umfelds liegen.” In dem Papier findet man auch den bekannten
(2) Versuch, die Bereitschaft der Unternehmer anzupreisen, bei der freiwilligen Gesundheitsförderung (das ist nicht der vorgeschriebene Gesundheitschutz) über ihren Verantwortungsbereich hinauszugehen. Die Praxis zeigt, dass dabei der der vorgeschriebene Arbeitsschutz gerne übersprungen wird.
(3) Nicht fehlen darf natürlich der Hinweis auf verbesserte Diagnosemöglichkeiten, die angeblich die Zunahme erkannter psychischer Erkrankungen erklären. Auch
(4) das an die Arbeitnehmer gerichtete Eigenverantwortungsmantra von einer Vereinigung, deren Mitglieder mehrheitlich ihrer Verantwortung nicht gerecht wurden, war schon 2009 dabei.
(5) Das fieseste Argument der Arbeitgeber ist “Arbeit stärkt psychische Gesundheit” in Verbindung mit “Arbeitslose durch psychische Störungen deutlich stärker betroffen”. Kürzlich hatte es Dieter Hundt wieder einmal mit dieser Eristik versucht. - Hier haben wir die ganze BDA-Rhetorik auf zwei Seiten zusammengesammelt, weswegen sich die Lektüre durchaus lohnt.

(Dieser Text war ursprünglich ein Absatz in http://blog.psybel.de/arbschg-aenderung-ist-eine-klarstellung/#Erfolgsfaktor)

Mehr Eristik von Dieter Hundt

Donnerstag, 10. Januar 2013 - 22:03

http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/id/DE_Interview_in_der_Welt

… Hundt: Psychische Erkrankungen sind ein Problem, das die Arbeitgeber sehr ernst nehmen, das aber nicht durch Arbeit verursacht wird. Studien belegen, dass psychische Erkrankungen in der nicht erwerbstätigen Bevölkerung häufiger auftreten als bei denjenigen, die arbeiten. Nicht die Zahl der psychischen Erkrankungen hat zugenommen, sondern die Zahl der entsprechenden Diagnosen, weil Ärzte im Vergleich zu früher über größeres Wissen verfügen und die Menschen offener mit psychischen Problemen umgehen. Für psychische Erkrankungen gibt es viele Einflussfaktoren, die oft im Privatleben und Freizeitverhalten liegen und von den Unternehmen nur schwer zu beeinflussen sind.

Die Welt: Umfragen zufolge hat nur ein Bruchteil der Unternehmen das Problem auf der Agenda.

Hundt: Das kann ich nicht bestätigen. Arbeit schafft in der Regel Zufriedenheit, ein besseres Selbstwertgefühl und gesellschaftliche Anerkennung. Auch kleinere Unternehmen tun heute sehr viel, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu fördern. Wir sind doch alle aus ureigenem Interesse auf gesunde, motivierte und tatkräftige Arbeitnehmer angewiesen. Die Unternehmen können aber nicht alles reparieren, was in Einzelfällen in anderen Lebensbereichen schiefläuft.

Dieter Hundts Trick: Er nennt Fakten, die aber die Zunahme der arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen nicht widerlegen. Diese Zunahme ist aber eine Tatsache und hat Gründe, für die auch die von Hundt vertretene Klientel verantwortlich ist.

Hundt betreibt Eristik und weiß das natürlich auch: Niemand verlangt von den Arbeitgebern, alles zu reparieren, was in Einzelfällen in anderen Lebensbereichen schiefläuft. Es würde schon reichen, wenn sich alle Arbeitgeber endlich erst einmal um die nur in ihrem Handlungs- und Verantwortungsbereich auftretenden Fehlbelastungen kümmern würden. Mehr verlangt niemand, aber nicht einmal das schaffen sie: Nur ein kleiner Teil der Unternehmen hat das Problem auf der Agenda. Der große Rest der von Dieter Hundt repräsentierten Unternehmen verstößt gegen die Vorschriften.

Hundt bereitet sich wohl auf eine Veranstaltung des BMAS zur Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie am 29. Januar vor: http://blog.psybel.de/gda-auftaktveranstaltung-des-bmas-zur-psychischen-belastung/

Siehe auch:

Zunahme psychischer Erkrankungen nur wegen besserer Diagnosemöglichkeiten?

Donnerstag, 10. Januar 2013 - 07:04

2013-01-04, Interview mit Norbert Breutmann
http://www.ksta.de/politik/interview–bereitschaft-zur-therapie-waechst-,15187246,21391898.html

… Wissenschaftliche Studien und die OECD sagen, dass psychische Erkrankungen über die letzten Jahrzehnte im wesentlichen konstant geblieben sind. Wir haben allerdings eine viel höhere Bereitschaft, sich behandeln zu lassen. Früher war die Dunkelziffer deutlich höher. Inzwischen ist die Bereitschaft spürbar gewachsen, zum Arzt zu gehen. Bei Hausärzten haben wir inzwischen eine größere Sensibilität gegenüber diesem Thema. Insofern wird auch mehr diagnostiziert und mehr krankgeschrieben aus psychischen Gründen.

Norbert Breutmann vertritt hier eine Position der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Er ist dort für Arbeitswissenschaft und Soziale Sicherung zuständig. Das derzeitige Argumentationsmuster der BDA ist, dass arbeitsbedingte psychische Erkrankungen nicht wirklich zunähmen, sondern dass die beobachtete Zunahme eine Folge besserer Diagnosemöglichkeiten und der Enttabuisierung des Themas sei.

Diese Position ist richtig. Aber der Umgang damit ist häufig falsch. Erstens ist es natürlich immer ein Problem, mit “Dunkelziffern” zu argumentieren. Sie bleiben ja auch für die OECD dunkel. Zweitens: So, wie Arbeitgeber und die für sie arbeitenden Arbeitswissenschaftler diese Position häufig vortragen, wird der Eindruck erweckt, dass sie die einzige Erklärung für die Zunahme psychischer Erkrankungen sei. Um das ein bisschen zurechtzurücken, möchten Sie sich vielleicht auch mit anderen Sichtweisen vertraut machen:

  • kürzer: http://www.taz.de/!107690/
    taz: Herr Siegrist, gibt es wirklich mehr Stress im Beruf?

    Johannes Siegrist: Ja, in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren haben sich in vielen Branchen die täglichen Anforderungen verschärft. Das zeigen Längsschnittstudien, unter anderem aus Schweden.

  • länger: http://blog.psybel.de/stichwort/rolf-haubl/
  •  
    Breutmann spricht sich (in Übereinstimmung mit Arbeitgeberpositionen) auch gegen eine konkretere Gesetzgebung aus, wie sie von der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister der Länder (ASMK) gefordert wird. Die Arbeitgeber setzen auf die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA). Den Hinweis auf ein Vollzugsdefizit bei der Gewerbeaufsicht habe ich allerdings bisher von der Arbeitgeberseite so deutlich noch nicht gehört:

    … Mit dem neuen Jahr startet eine Kampagne, um die Handlungsunsicherheit [im Bereich der psychischen Belastungen im Arbeitsschutz] zu beseitigen. Ende Januar gibt es dazu eine Auftaktveranstaltung mit der Bundesministerin.

    Dahinter steckt die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie, in der Bund, Länder und die Unfallversicherung zusammenarbeiten. Hier hat man sich darauf verständigt, sich 2013 dem Thema psychische Belastung im Arbeitsprozess schwerpunktmäßig zu widmen. Das ist effektiver als eine neue Verordnung. Bei der würde sich ja auch die Frage stellen, inwieweit sie überhaupt vollzogen werden kann. Wir haben ja ohnehin ein Vollzugsdefizit bei der Gewerbeaufsicht, weil die Länder, gerade auch NRW, dafür viel zu wenig Beamte haben, um Kontrollen vorzunehmen. …

    (Link nachträglich eingefügt)

    In die Frührente gebrannt

    Montag, 31. Dezember 2012 - 16:17

    http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/versorgungsforschung/article/829237/risiko-rente-burn-out-treibt-immer-job.html

    Die Ärztezeitung zitiert die Welt am Sonntag. Es wurde angegeben, dass 24% der Frühverrentungen im Jahr 2000 auf Burnout zurückzuführen seien. Im Jahr 2010 waren es dann schon 39%, und 41% im Jahr 2011 (73000 Menschen). Wachstum ist möglich.

    Oft wird darauf hingewiesen, dass eine bessere Erkennbarkeit und die Enttabuisierung von “Burnout” dieses Wachstum erkläre. Ich meine auch, dass das zum Teil der Fall ist. Die Erklärung wird aber auch oft so dargeboten, als ob dieser Fortschritt das Problem des zunehmenden Burnouts entschuldige. Das ist so, als wolle man z.B. des Problem der Gesundheitsschäden durch Asbest mit der Entschuldigung verniedlichen, dass man heute über diese Gefährdung besser Bescheid wisse, als früher.

    “Gewerkschaften und Oppositionspolitiker machen eine zunehmende Belastung am Arbeitsplatz für diese Entwicklung verantwortlich.” Sie lernen es wohl nie: Inzwischen sollte eigentlich begriffen worden sein, dass Belastungen nicht krank machen, sondern es sind die Fehlbelastungen, die die Menschen verletzen können, wenn im Arbeitsschutz die Verhältnisprävention nicht ausreicht.

    Schuld sind meiner Ansicht nach insbesondere schlechte Audits durch die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaften. Leider achten die Zertifizierungsgesellschaften auch nicht genügend darauf, dass psychische Belastungen ordentlich (also auch mitbestimmt) in die Arbeitsschutzmanagementsysteme der Unternehmen mit einbezogen werden.

     


    2013-01-03
    http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/52875
    … Arbeitgeberverbände wiesen die Statistik dagegen als irreführend zurück. Es gebe nicht mehr psychische Erkrankungen als früher, lediglich mehr Diagnosen. …

    Diese Art von Rhetorik meinte ich mit der Asbestgeschichte oben.