Bangemachen gilt nur den schwarzen Schafen

Samstag, 18. Februar 2017 - 16:09

Die Deutsche Handwerks Zeitung (DHZ) behauptet, dass immer mehr Institute, Agenturen oder Berater das Argument der gesetzlichen Pflicht zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung nutzten, um Betriebe unter Druck zu setzen und aus ihren angebotenen Dienstleistungen privatwirtschaftliche Vorteile zu ziehen.

Davor warne die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM). Und die Diplom-Psychologin Sonja Berger aus dem Bereich Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) meint, dass man sich nicht darauf einlassen solle. Es gebe zwar die Pflicht der Betriebe, eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durchzuführen, diese zu dokumentieren und einen nachvollziehbaren Prozess zu implementieren, “aber die Androhung von Bußgeldern oder Regress von Dienstleistern und Beratern basiert nur auf deren finanziellen Interessen. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sowie alle Beteiligten des Arbeitsprogramms GDA Psyche distanzieren sich von den Angeboten der selbsternannten Experten.”

Das ist Unsinn, aber ich glaube der DHZ nicht, dass Sonja Berger hier alle Dienstleistungsanbieter tatsächlich dermaßen pauschal abgewatscht hat.

  • Zum Einen gibt es genug seriöse Anbieter, die bei der Gefährdungsbeurteilung tatsächlich helfen können.
  • Zum Anderen meinte Ursula von der Leyen noch als Arbeitsministerin:
    BILD, 2012-02-11:
    [...] Das Gesetz ist hier knallhart. So wie der Bauarbeiter einen Helm tragen muss, ist im Arbeitsschutzgesetz auch verankert, dass die psychische Belastung eines jeden Arbeitsplatzes beurteilt werden und Erkrankungen wie Burnout vorgebeugt werden muss. [...]

    BILD, 2012-06-11:

    [...] Auch das Arbeitsschutzgesetz verlangt mit seinem knallharten Strafenkatalog von jedem Chef, dass er Körper und Geist seiner Mitarbeiter aktiv schützt – werktags genauso wie am Wochenende. [...]

    SZ-Interview, 2012-07-20, S. 5:

    [...] Wir haben ein strenges Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitgeber verpflichtet, auch den psychischen Arbeitsschutz ernst zu nehmen. Die Handynutzung ist nur eine Synonym für dieses große Thema. Das Wort psychischer Arbeitsschutz ist so sperrig, das versteht erst mal keiner, übrigens auch Unternehmen selten. Oder man hat ein Vorurteil und sagt, das sind die, die ein Psychoproblem haben. Das stimmt aber alles nicht. Mir geht es darum, die Diskussion anzufachen, dass es ein Problem gibt, um dann zusammen mit den Arbeitgebern, Gewerkschaften, Ländern und Gewerbeaufsicht eine Strategie zu entwickeln, was wir tun können, um den Schutz für die Arbeitnehmer zu verbesern. [...]

    (Link und Kursivsatz nachträglich eingetragen)

    Antwort aus dem BMAS (2012-07-31) auf eine von mir an das BMAS gestellte Frage:

    Das Gesetz ist streng, wie die BM’in das deutlich gemacht hat.
    Richtig ist aber auch, dass es noch nicht flächendeckend und vollständig angewandt wird insbesondere bei Gesundheitsrisiken durch psychische Belastungen.
    Diesem Defizit, das Sie zu Recht ansprechen, wollen wir, Bund, Länder und UVT, im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) begegnen. Wir haben uns mit den Sozialpartnern ab 2013 auf das Ziel “Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingten psychischen Belastungen” verständigt.
    Ich erwarte, dass wir in diesem Feld schnell Fortschritte erzielen werden.
    Die breite öffentliche Diskussion dazu sehe ich schon als einen solchen Fortschritt an.

    Siehe auch: http://blog.psybel.de/gda-leitlinie-beratung-und-ueberwachung-bei-psychischer-belastung-am-arbeitsplatz/

Dass mit der GDA die Gesundheit bei arbeitsbedingten psychischen Belastungen geschützt werden soll, schließt eben auch ein, dass Ordnungswidrigkeiten und Straftaten bestraft werden können. “Das Gesetz ist streng, wie die Bundesministerin das deutlich gemacht hat.”

Wie bei den Dienstleistungsanbietern gibt es nämlich auch bei den Arbeitgebern schwarze Schafe, bei letzteren leider sogar mehrheitlich. Die schwarzen Schafe unter den Arbeitgebern verdienen Strafe, wenn der Rechtsbruch allzu dreist wird. Es ist leider eine Tatsache, dass sich auch heute die Mehrheit der Arbeitgeber im Bereich der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen nicht an die Vorschriften des Arbeitsschutzes hält, obwohl sie ja angeblich meinen, dass die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer auch im Interesse der Arbeitgeber sei. Offensichtlich teilt nur eine Minderheit dieser Arbeitgeber diese Ansicht. Die Mehrheit kommt ohne Druck durch Mitarbeiter und die Gewerbeaufsicht nicht in die Pötte.

Die DHZ meint:

Mit physisch und psychisch gesunden Mitarbeitern erfolgreich

Motivation für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung sollten weder Angst noch Druck sein, sondern die Einsicht der Unternehmer sowie der Führungskräfte, dass nur physisch und psychisch gesunde Beschäftigte zum Erfolg des Unternehmens beitragen können.

Dem kann ich nicht widersprechen. Jedoch stimmten noch im Jahr 2012 diesem Ratschlag nur etwa 20% der Betriebe in Deutschland zu. Die Mehrheit braucht eben doch zunächst Aufklärung (auch von guten Beratern). Und wenn das nicht reicht, dann wird leider doch Druck nötig sein, wenn die Gewerbeaufsichten und Berufsgenossenschaften ihre Aufsichtspflicht nicht verletzen wollen. Bangemachen gilt sehr wohl, und zwar bei den schwarzen Schafen.

Übrigens: Anstelle sich zunächst einen Berater zu suchen, können sich Arbeitgeber die Arbeit leichter machen, wenn sie zusammen mit den Arbeitnehmervertretern ihres Unternehmens ernsthaft an dem Thema der psychischen Belastungen arbeiten. Das alleine sorgt schon dafür, das Strafandrohungen dann kein Thema mehr sind, um das man sich Sorgen machen muss. So abgesichert, können sich Arbeitgeber dann Dienstleister suchen, die ihnen ohne Drohungen helfen, das Rad nicht selbst wieder neu erfinden zu müssen. Und bei guter Zusammenarbeit mit kompetenten Arbeitnehmervertretern kann man sich externe Hilfen möglicherweise soger ganz sparen.

 
Nachtrag (2017-02-22): http://www.arbeitstattstress.de/2017/02/sollte-man-mit-dem-gesetz-drohen/ ist von einem guten Dienstleister, der die ziemlich unverschämte pauschale Schelte der BG-Mitarbeiterin Sonja Berger sicherlich nicht verdient hat. Ich erwarte hier ein bisschen mehr Bescheidenheit von Sonja Berger. Die Berufsgenossenschaften haben die kritische Prüfung des Einbezugs psychischen Belastungen in den Arbeitsschutz der Unternehmen verpennt. Auch heute noch muss man die Prüfer der BGs zum Jagen tragen. Jetzt als BG-Mitarbeiterin auf Dienstleistern herumzuhacken, ist schon recht dreist.


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