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Praxisleitfaden der Arbeitgeber: Psychische Belastung in der Gefährdungsbeurteilung

Freitag, 7. März 2014 - 07:56

Aktualisierung eines Beitrages vom 30. September 2013

http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/res/BDA-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf/$file/BDA-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf (2013-08, 21 Seiten)

Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz
Besonderer Schwerpunkt: psychische Belastung
Ein Praxisleitfaden für Arbeitgeber
[...]

D. Gefährdungsbeurteilung und freiwillige betriebliche Gesundheitsförderung
Bei der Diskussion um psychische Belastung werden vielfach die sehr unterschiedlichen Handlungsfelder Gefährdungsbeurteilung und betriebliche Gesundheitsförderung vermischt. Während es sich bei der Gefährdungsbeurteilung um eine gesetzliche Aufgabe nach dem ArbSchG handelt, sind Aktivitäten in der Gesundheitsförderung ein freiwilliges Angebot des Arbeitgebers. Eine Trennung beider Bereiche im Unternehmen ist daher sinnvoll. [...]


E. Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Gesundheit ist nicht teilbar, körperliche und seelische Gesundheit hängen zusammen und bedingen einander. Deshalb gibt es keine Pflicht zu einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, wie sie gelegentlich in Unternehmen gefordert wird. Vielmehr gilt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung auch zu prüfen hat, ob eine Gefährdung durch psychische Belastung besteht.
        Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt werden. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 27. Juni 2013 verabschiedet. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz wird voraussichtlich Ende September 2013 den Bundesrat passieren.
        Durch die Formulierung „bei der Arbeit“ wird – so die Begründung des Gesetzentwurfs – deutlich gemacht, dass die Klarstellung nicht bezweckt, den Gesundheitszustand der Beschäftigten generell im Hinblick auf alle Lebensumstände zu verbessern. Die Schutzmaßnahmen betreffen ausschließlich Gefährdungen für die physische oder die psychische Gesundheit der Beschäftigten durch die Arbeit. Andere Beeinträchtigungen liegen außerhalb des Schutzzwecks des ArbSchG und können daher nur Gegenstand freiwilliger Maßnahmen des Arbeitgebers sein. [...]

H. Mitbestimmung
Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, steht ihm bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. [...]

“Deshalb gibt es keine Pflicht zu einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, wie sie gelegentlich in Unternehmen gefordert wird. Vielmehr gilt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung auch zu prüfen hat, ob eine Gefährdung durch psychische Belastung besteht.” Was bedeutet das?

Richtig ist, dass psychische Belastungen eine Belastungsart unter vielen anderen Belastungen sind, die die Gesundheit beeinträchtigen könnten. Allerdings werden mit den anstehenden Änderungen im Arbeitsschutzgesetz physische und psychische Belastungen nun getrennt benannt. Und wenn im Arbeitsschutzsystem eines Betriebes Gefährdungsbereiche explizit benannt werden, dann wäre es etwas erstaunlich, wenn der Bereich der psychischen Belastungen fehlt.

  • Richtig ist auch, dass es keine Pflicht zu einer gesonderten Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung gibt.
  • Aber es gibt keinen Grund, psychische Belastungen gegenüber anderen Belastungen gesondert zu vernachlässigen.

Die BDA verschweigt in ihrem ansonsten sehr gut gemachten Leitfaden den Grund für die “gelegentlichen” Forderungen in den Unternehmen: In Betrieben, in denen es einerseits Gefährdungsbeurteilungen für verschiedene Gefährdungskategorien gibt, aber andererseits die Gefährdungskategorie der psychischen Belastungen fehlt, fordern Betriebsräte konsequenterweise, dass es für psychische Belastungen genau so eine gesonderte Beurteilung gibt, wie für die anderen Belastungskategorien. Gerade wenn ein Betrieb einen guten Arbeitsschutz mit verschiedenen Prozessen für die verschiedenen körperlichen Belastungen hat, fällt nämlich gemessen an den eigenen Maßstäben des Arbeitgebers ein Fehlen der Kategorie ausgerechnet der psychischen Belastungen besonders auf, und zwar mindestens als Ordnungswidrigkeit.

Es gab leider Gewerbeaufsichten und Zertifizierungsunternehmen, die das Fehlen eines Prozesses für die Beurteilung psychischer Belastungen neben den vorhandenen anderen Prozessen wiederholt übersahen und Betrieben trotz dieses auffälligen Mangels sogar noch gute Bewertungen gaben. Sie ließen damit besonders in Betrieben mit vielen Bildschirmarbeitsplätzen eine klare Ordnungswidrigkeit zu. Diesen Systemfehler im Aufsichtswesen gibt es seit vielen Jahren. Das ging so weit, dass Arbeitnehmer, die auf diesen Missstand hinwiesen, unter den Augen der Gewerbeaufsicht und der Zertifizierer Nachteile erleiden konnten. Solch eine Aufsicht schützte die Arbeitgeber und nicht die Arbeitnehmer. Und wo jetzt der Mangel auf Betreiben vor allem der Arbeitnehmervertretung behoben wird, interessieren sich die Gewerbeaufsicht und die Zertifizierer nicht dafür, ob der Mangel in der Vergangenheit Mitarbeitern Schaden zugefügt hat. Diese Auditoren müssten dann ja selbst Fehler in der Vergangenheit zugeben.

 
Bedeutung der Arbeitnehmerertretungen

Mit Blick auf die Geschichte der Positionen der BDA ist der Praxisleitfaden der BDA und ihres Instituts (ifaa) aber nun ein deutlicher Fortschritt. Betriebs- und Personalräte sollten sich diesen hilfreichen Leitfaden genau ansehen. Hier verdient die Arbeitgebervereinigung ein Kompliment. Der Abschnitt H zur Mitbestimmung wird Arbeitnehmervertreter besonders interessieren. Er zeigt deutlich, wie wichtig ein Betriebsrat bzw. ein Personalrat ist.

Was machen Arbeitnehmer, wenn es keinen Betriebs- oder Personalrat gibt? Mitbestimmung im Arbeitsschutz kann sogar ein Grund für Betriebsratsgründungen sein. Psychische Fehlbelastungen waren beispielsweise beim Apple Store in München der Auslöser für die Einrichtung eines Betriebsrates im bis dahin in Deutschland “betriebsratsfreien” Konzern.

Das Arbeitsschutzgesetz gibt übrigens von § 15 bis § 17 allen “Beschäftigten” Rechte und Pflichten. Diese Rechte und Pflichten bestehen auch ohne dass ein Betriebsrat existiert, sind aber ohne Betriebsrat in der Praxis natürlich schwerer umzusetzen. Das gilt auch für den § 3:

[Der Arbeitgeber hat] Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

Ohne einen Betriebs- oder Personalrat kann schon die Feststellung der Erforderlichkeit zu einem Problem für die Arbeitnehmer werden.

 
Gesundheitsförderung als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers

Zum Schluss muss noch ein Irrtum korrigiert werden, der sowohl Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmervertretern immer wieder gerne unterläuft (Tabelle auf S. 7):

Betriebliche Gesundheitsförderung [...] ist eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers und daher nicht mitbestimmungspflichtig.

Das ist falsch.

Richtig und logisch zwingend ist nur, dass ein Betriebsrat freiwillige Maßnahmen nicht erzwingen kann, sonst wären sie ja nicht freiwillig. Werden sie jedoch in den Bereichen umgesetzt, die insbesondere in den §§ 87 und 89 BetrVG definiert sind, dann gelten die Mitbestimmungsrechte und Mitbestimmungspflichten des Betriebsrates. Der Betriebsrat kann sich z.B. mit Wohltaten wie Fitness-Trainings oder Psycho-Workshops befassen, wenn sie z.B. als Maßnahmen des Arbeitsschutzes dargestellt werden und/oder wenn damit auch die körperliche oder mentale Leistungsfähigkeit von einzelnen Mitarbeitern erfasst werden soll. Und wo die betriebliche Gesundheitsförderung Schnittmengen mit dem Arbeitsschutz hat, muss der Betriebsrat ebenfalls nach § 89 BetrVG mitbestimmen.

Freiwillige Leistungen, die den Arbeits- und Gesundheitsschutz betreffen, sind zwar nicht erzwingbar, aber trotz Freiwilligkeit mitbestimmungspflichtig. Das gilt für alle Maßnahmen, die der Arbeitgeber der behördlichen Aufsicht als Beitrag zum Arbeits- und Gesundheitsschutz darstellt.

Wer meint, dass die freiwillige Teilahme an einem Spiel berechtigt, die Spielregeln missachten zu können, ist noch nicht so richtig erwachsen.

Das ifaa begrüßt den Koalitionsvertrag

Montag, 16. Dezember 2013 - 22:06

http://www.presseportal.de/pm/82380/2619581/ifaa-kommentiert-koalitionsvertrag-zum-thema-ganzheitlicher-arbeitsschutz/rss:

Das ifaa begrüßt Vorhaben, Arbeitsschutz zum Thema “psychische Belastung und Arbeit” wissenschaftlich zu untermauern [...]

Dem arbeitgebernahen ifaa scheint die in den letzten Jahrzehnten schon aufgebaute wissenschaftliche Untermauerung des Arbeitsschutzes nicht in den Kram zu passen.

[...] Gleichzeitig ist die alleinige Nennung der Arbeitsplatzbedingungen als Grund für die drastische Zunahme von psychischen Erkrankungen nicht richtig”, so Sandrock weiter [...]

Das meint Stephan Sandrock. Er bezieht sich auf den folgenden Absatz im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD:

[...] Der Schutz der Beschäftigten vor Gefahren am Arbeitsplatz und die Stärkung der Gesundheit bei der Arbeit ist ein wichtiges Gebot sozialer Verantwortung. Ein deutlicher Hinweis auf die Herausforderungen, die eine sich wandelnde Arbeitswelt für den deutschen Arbeitsschutz bedeutet, ist die drastische Zunahme psychischer Erkrankungen. Unser Leitbild ist ein ganzheitlicher, physische und psychische Belastungen umfassender Gesundheitsschutz bei der Arbeit. [...]

(Link nicht im Originaltext)

Zurück zum ifaa:

[...] Aktuelle Erkenntnisse zeigen, dass psychische Belastung durch mehrere Faktoren entsteht. Dazu können auch unter Umständen die Arbeitsbedingungen gehören. “Die Gründe sind aber meist vielschichtiger. Zwei der möglichen Faktoren sind z.B. die persönliche und genetische Disposition oder besonders belastende Lebensereignisse,” [...]

Diese richtigen Erkenntnisse gibt es wohl schon seit mehreren Jahrzehnten. Aber “die persönliche und genetische Disposition” sind keine Faktoren für Belastungen, sondern für die Reaktion auf Belastungen, also für Beanspruchungen. Belastungen gehen im Arbeitsschutz von Arbeitsplätzen (einschließlich derer mobilen Erweiterungen) aus, die weder persönliche noch genetische Dispositionen haben. Das ifaa begeht hier einen Kategorienfehler.

Natürlich gibt es “unter Umständen” auch außerhalb der Arbeitswelt psychische Fehlbelastungen. Aber es verlangt ja niemand von den Arbeitgebern, sich auch noch darum zu kümmern. Solange sie aber mehrheitlich nicht einmal in ihrem eigenen Verantwortungsbereich die Arbeitsschutzvorschriften im Bereich der mentalen Arbeitsbelastung beachten, sollten die Arbeitgeber (und deren Institute) sich mit Äußerungen zur “persönlichen und genetischen Dispositionen” der Beschäftigten und zu deren Freizeitverhalten erst einmal geflissentlich zurückhalten.

Sandrock weiter:

[...] “Jeder Betrieb hat unterschiedliche Rahmenbedingungen und Bedürfnisse”, erläutert Sandrock. “Eine gesetzliche Vorschrift, wie sie der Koalitionsvertrag andeutet, ist nicht für alle durchführbar und notwendig. Zur Erhaltung der Gesundheit gehört außerdem auch der eigenverantwortliche Umgang der Beschäftigten mit ihrer Freizeit.” [...]

Die unterschiedliche Rahmenbedingungen und Bedürfnisse jedes Betriebes sind genau der Grund für eine starke Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei der betriebsnahen Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes. Hier könnte “eine gesetzliche Vorschrift” die Verantwortung der Betriebsräte und Personalräte bei der Erfüllung ihrer Mitbestimmungspflicht noch weiter stärken - ohne Vorschriften zu machen, die der Unterschiedlichkeit der Betriebe nicht gerecht werden.

Zur Problemlösung verweist die Meldung des ifaa anschließend nur auf das Gesundheitsmanagement und die Gesundheitsförderung. Zur psychischen Belastungen als Thema des Arbeitsschutzes sagt das ifaa wieder einmal nichts. Daran sieht man, wie einseitig dieses Institut der Arbeitgeber arbeitet.

Dass Arbeitgeber auch vernünftigere Stellungnahmen zum Thema der psychischen Belastungen im Arbeitsschutz geben können, zeigte vor noch nicht zu langer Zeit die Bundesvereinigung der Arbeitgeber: Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz — Besonderer Schwerpunkt: psychische Belastung — Ein Praxisleitfaden für Arbeitgeber

Unsinn vom Professor

Freitag, 13. September 2013 - 07:10

Die Saarbrückener Zeitung meldet heute, dass Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Saarländischer Unternehmensverbände (VSU), sich gegen das Argument wehre, das Fehlzeiten in den Betrieben vor allem von den Gewerkschaften mit der Belastung am Arbeitsplatz erklärt werde. Vielmehr wirke sich Arbeit in der Regel positiv auf die psychische Gesundheit aus.

Nun hören wir auch von Joachim Malter diese triviale Tatsache. Den Arbeitgebern scheint nichts Intelligenteres mehr einzufallen. Was Malter sagt, ist doch kein Gegenargument. Keiner bestreitet, dass sich gesunde Arbeit positiv auf die Gesundheit auswirkt. Hier ist es nun Malters Eristik, die davon ablenken soll, dass die Gewerkschaften nichts gegen die Arbeit haben. Allerdings kämpfen sie gegen schlechte Arbeit. Vermutlich weiß Joachim Malter das auch. Aber eine korrekte Darstellung der Gewerkschaftspositionen korrekt liegt möglicherweise nicht im Interesse der von Joachinm Malter vertretenen Arbeitgeber.

Für ein noch unintelligenteres Argument bemüht Walter einen Unsinn, den Professor Sascha Stowasser vom Düsseldorfer Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) von sich gegeben haben soll: Die Arbeit habe zu Unrecht „den Schwarzen Peter“, denn schließlich litten Arbeitslose drei Mal so häufig an psychischen Krankheiten wie Erwerbstätige.

Bisher habe ich solche Dummheiten vorwiegend vom ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Hundt zitieren können.

Kaum jemand bestreitet, dass es Arbeitslosen in der Regel schlechter geht, als Menschen mit einem guten Arbeitsplatz. Das ist aber doch gar nicht das Thema: Es geht um den Unterschied zwischen

  • gesunden Erwerbstätigen und
  • fehlbelasteteten Erwerbstätigen.

So einfach ist das. Es muss schon sehr anstrengend sein, das nicht verstehen zu wollen. Stohwasser begeht mit dem Vergleich von Arbeitslosen und Erwerbstätigen einen vorsätzlichen Kategorienfehler, denn er ist Wissenschaftler genug, um zu wissen, dass er diesen Fehler begeht.

Stohwassers Eristik wäre (wenn er richtig zitiert wurde) also kein Versehen. Und außerdem wäre sie auch noch leicht zu erklären: Träger seines Instituts sind die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie. Das beweist zwar noch nicht zwingend, dass sich die Wissenschaft hier für die Arbeitgeber prostituiert, könnte aber durchaus erklären, wieso aus dem Institut Stohwassers die gleichen Dummheiten kämen, wie aus den Arbeitgebervereinigungen.

 
In der Diskussion um die Ursachen der Zunahme psychischer Erkrankungen darf insbesondere eine Tatsache nicht vergessen werden: Seit 1996 gelingt es der großen Mehrheit der Unternehmen, die Arbeit zu verdichten und gleichzeitig ihre Pflicht zur Beurteilung psychischer Gefährdungen straflos zu missachten. Diesen Gesetzesbrechern half eine Bundesministerin von der Leyen, die auf strenge Arbeitsschutzgesetze verwies, deren Strenge aber dank einer systematisch überforderten Gewerbeaufsicht kein Arbeitgeber zu spüren bekam. Kein Wunder, wenn dann Arbeitgeberverbände mit dieser Unterstützung dreist behaupten können, es sei nicht erwiesen, dass arbeitsbedingte psychische Belastungen zunähmen. Sie haben ja schon die Beobachtung arbeitsbedingter psychischer Belastungen und damit die von ihnen geforderte Verhältnisprävention sabotiert.

Hauptsache Gesundheit: Positionen

Mittwoch, 24. April 2013 - 07:12

Arbeitgeberpositionen

Die erste Veröffentlichung in der folgenden Liste ist respektabel und anständig geschrieben. Viele Punkte in Die Sache mit der psychischen Belastung können auch Arbeitnehmervertretern als Referenz dienen. Manche dieser Punkte könnten Arbeitgebern und Arbeitnehmern helfen, in einigen Fragen eine gemeinsame Position zu finden. Die nach Die Sache mit der psychischen Belastung aufgelisteten Veröffentlichungen helfen Arbeitnehmervertretern zumindest, das Denken und die Einstellungen vieler Arbeitgeber zu verstehen und sich darauf einzustellen.

  1. A. Hofmann und K.- J. Keller (Arbeitgeberverband Metall NRW), R. Neuhaus (Institut für angewandte Arbeitswissenschaft), April 2000 (nicht 2002, wie das bei ergonassist.de steht), 59 Seiten: Die Sache mit der psychischen Belastung, Eine praxisnahe Handlungshilfe für Unternehmen in Leistung und Lohn, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft (Nr. 367/368/369/370). Die Abhandlung ist ziemlich ausführlich und geschickt gemacht: Sie ist eine Mischung aus richtigen Aussagen und auch ein bisschen Polemik. Die Abhandlung kann der Arbeitnehmerseite sehr gut helfen, die Haltung und das Vorgehen von Arbeitgebern beim Thema des Einbezugs der psychischen Belastungen in den Arbeitsschutz in Verhandlungen besser zu verstehen. Sie setzt aber auch Mindeststandards, die eine gemeinsame Ausgangsbasis für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein könnten.
    Die BAG-Beschlüsse aus dem Jahr 2004 konnten hier natürlich noch nicht berücksichtigt werden, und die in dem Artikel kritisierte paritätische Kommission (Stichwort: Gesundheitsauschuss) funktioniert bereits gut. Es kommt eben darauf an, wie so eine Kommission arbeitet.
    Suche auch:
    Hoffmann+Keller+Neuhaus+psychische-Belastung
    Einigungsstelle+psychische-Belastung+”Ralf+Neuhaus”

    Was der Artikel auch zeigt: Zumindest in den Personalabteilungen der großen Unternehmen war das Thema seit 2000 bekannt. Schon damals hatten die Arbeitgeber einen ausreichenden Wissensstand. Seit dieser Zeit kann die Missachtung der Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz bei bei der ganz großen Mehrheit der Unternehmen in Deutschland also kein Versehen mehr gewesen sein. Sie erhöhten damit wissentlich das Erkrankungsrisiko ihrer Mitarbeiter.
  2. BDA (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber), Mai 2005: Position der Arbeitgeber zur Bedeutung psychischer Belastungen bei der Arbeit.
    Die BDA meint: 

    … Die Gewerkschaften gehen davon aus, dass psychische Belastungen grundsätzlich Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz sind. Beim Fehlen besonderer Anhaltspunkte kann aus Sicht der BDA jedoch davon ausgegangen werden, dass keine Gesundheitsgefährdungen durch psychische Belastungen bestehen. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Bildschirmarbeitsplätze. …

    Was für ein Unsinn. Diese Arbeitgebervereinigung stellt sich gegen die Bildschirmarbeitsverordnung sowie gegen die Beschlüsse des BAG und verleitetet viele Unternehmer damit möglicherweise sogar zu Rechtsverstößen. Denn nach den Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts hat sich diese Position der Arbeitgeber als unrichtig erwiesen: Das Vorliegen “besonderer Anhaltsspunkte” ist für eine Gefährdungsbeurteilung schon aus Gründen der Logk nicht erforderlich, denn Anhaltspunkte werden ja erst mit der Gefährdungsbeurteilung gewonnen. (In der Praxis kann man in Anlehnung an OHSAS 18001 die Gefährdungsbeurteilung in eine Gefährungserkennung und eine Risikobewertung aufteilen.)

  3. BDA, Mai 2009: Erfolgsfaktor Psychische Gesundheit
    (Siehe auch: http://blog.psybel.de/mehr-eigenverantwortung-der-beschaeftigten/)
  4. BDA, Nov. 2010, Arbeitsschutz und Gesundheitsgefärderung: Unternehmen engagiert und erfolgreich
    (Hier ist die Trennung zwischen “gesetzlich verpflichtendem Arbeits- und Gesundheitschutz” und “freiwilliger Beteiligung” an der “Gesundheitsförderung” keine unbedeutende Nebensache: Die Unterscheidung zwischen “verpflichtend” und “freiwillig” kann den Arbeitgebern bei der Schwächung der starken Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmer im ganzheitlichen Arbeitsschutz helfen.)
  5. BDA, Geschäftsbericht 2010, S. 48-49: Psychische Gesundheit: Unternehmen aktiv
    Die BDA behauptet hier, es gäbe eine falsche “Herleitung”, dass psychische Belastung aus der Arbeitsaufgabe zu psychischen Störungen der Mitarbeiter führen. Der BDA ist demzufolge nicht bekannt, dass psychische Fehlbelastungen zu psychischen und körperlichen Erkrankungen führen können. Der Arbeitgebervereinigung fehlen also elementare Kenntnisse des ganzheitlichen Arbeitsschutzes. Was legitime Belastungen einerseits und gesundheitsgefährdende Fehlbelastungen andererseits sind, haben die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer in einem Betrieb miteinander und unter Berücksichtigung des Standes der Wissenschaft zu vereinbaren.
  6. BDA: Psychische Belastung – psychische Gesundheit (aktuelle Website, mein Kommentar dazu)
  7. Gesamtmetall und ifaa, 2011: Burnout, Depression und Demographie – Was kann und soll betriebliche Gesundheitsförderung hier leisten? (Kommentar)
  8. Arbeitgeber gegen Anti-Stress-Verordung, 2011-10: Kommentar und Link zu Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein, Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend; mit einem Link zu Stephan Sandrock, Institut für angewandte Arbeitswissenschaft, ifaa, Depression und Burnout – Wie Unternehmen damit umgehen können, 2011-09-28
  9. BDA und VDBW, 2012: Bedeutung der psychischen Gesundheit im Betrieb
  10. Alexander Gunkel (Salzgitter AG), 2012: Psychische Gesundheit – Abgestimmtes Handeln im Unternehmen schafft Handlungssicherheit und Erfolg
  11. Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa), 2012-06-27: IG Metall Entwurf für die Anti-Stress-Verordnung praxisfern und nicht zielorientiert
  12. Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, 2012-07-26: Nichterwerbstätige deutlich anfälliger // Überreglementierter Arbeitsschutz hilft hier gar nicht // Arbeitgeber müssen mit “Samthandschuhen” vorgehen..
  13. Pascal Kober (FDP), Ulrich Lange (CDU), 2012-10-25, Reden in der Bundestagsdebatte 17/201. Hier fielen mir insbesondere die eher ideologischen Bedenken Ulrich Langes zur Mitbestimmung auf. Wie die Arbeitgeber befürchtet er Mitbestimmung im Bereich unternehmensstrategischer Entscheidungen. Tatsächlich bedeutet Mitbestimmung im Bereich der psychischen Belastung auch Beeinflussung von Führungsstilen.
  14. Dieter Hundts Rede, 2013-01-29
  15. Volker Kauder (CDU), Gerda Hasselfeldt (CSU) und Fraktion; Rainer Brüderle (FDP) und Fraktion, 2013-04: Für eine humane Arbeitswelt – Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken. Als Arbeitgeberposition ist dieser Beitrag zu Arbeitsschutzthemen deswegen hier aufgelistet, weil er ganz wichtige Probleme (unzureichende Kontrolle und Missachtungd der Regeln des ganzheitlichen Arbeitsschutzes in der großen Mehrheit der Betriebe) nicht anspricht. CDU/CSU und FDP tolerieren damit erhöhte Risiken der Verletzungen von Arbeitnehmern.
  16. BDA, August 2013: Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz, Besonderer Schwerpunkt: psychische Belastung, Ein Praxisleitfaden für Arbeitgeber
  17. Suche in der BDA-Website: “psychische

 

Arbeitnehmerpositionen

  1. Mitbestimmung bei Stress und anderen psychischen Belastungen, Der Personalrat 10/2002, S. 420-427
  2. Tausendmal diskutiert und doch ist nichts passiert?,
    Computer-Fachwissen 2/2004, 9 – 14 und 3/2004, 8 – 13
  3. Gemeinsames Positionspapier von IG Metall und VDBW, Mai 2009
  4. Hauptsache Gesundheit – Tarif- und betriebspolitisches Drehbuch zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
    ver.di, Juni 2010
    Das “Drehbuch” setzt sich auch ziemlich ausführlich mit den Argumenten der Arbeitgebervereinigung (BDA) auseinander. Interessant auch das Kapitel “Tarifvertragliche und/oder betriebliche Umsetzung“.
  5. Aus Arbeitnehmersicht betrachtet: Widerstand gegen die Mitbestimmung im Arbeitsschutz
  6. Eigentlich eher als arbeitgebernah bekannt, überraschte mich die FDP mit einer ungewöhnlich kompetent gestellten Anfrage (2009) zur Belastungssituation von Lehrern an Berliner Schulen. Ich habe daraus Fragen an Arbeitgeber in der Privatwirtschaft abgeleitet, die angesichts ihres Ursprungs von Arbeitgebern sicherlich nicht als “gewerkschaftsideologisch” vom Tisch gewischt werden können.
  7. IG Metall, 2012-06, Anti-Stress-Verordnung

 

Gemeinsame Positionen

  1. Gemeinsame Erklärung von BDA und DGB (2004-04-21), Zukunft einer zeitgemäßen betrieblichen Gesundheitspolitik
    Einiges gilt wohl nicht mehr, z.B.: “DGB und BDA sind der Auffassung, dass es zur weiteren Förderung betrieblicher Gesundheitspolitik grundsätzlich keiner neuer gesetzlichen Regelungen bedarf.”

  2. Gemeinsame Erklärung von BMAS, BDA und DGB (2013-09-05), Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt
     
    Update: 2013-09-30

hr-online: Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz

Samstag, 20. April 2013 - 23:57

http://www.hr-online.de/website/radio/hr-info/index.jsp?rubrik=80093&key=standard_document_48129135&type=d&xtcr=1&xtmc=gesundheitsschutz

Arbeit und Soziales
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
(© hr, 20.04.2013)
[...] Wie müssen Unternehmen und Beschäftigte reagieren, damit Arbeit nicht dauerhaft krank macht? Das ist Thema in der Sendung “hr-iNFO-Arbeit und Soziales”. Zu Gast im Studio sind Dr. Stephan Sandrock vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft und Claudia Drewel-Sprenger von der Technologieberatungsstelle beim DGB Hessen.

Durch die Sendung führt Lars Hofmann.

Sandrocks Institut ist auf der Arbeitgeberseite, Drewel-Sprengers Organisation auf der Arbeitnehmerseite. Sachliches und gut moderiertes Gespräch, in dem auch einige Grundlagen klar werden. Kontrovers war im Wesentlichen, ob Arbeitgeber sich freiwillig oder eher mit Vorschriften motivieren lassen, gegen Fehlbelastungen vorzugehen.

Sehr häufig wies Stephan Sandrock darauf hin, das jetzt viele Unternehmen im Bereich des Gesundheitsschutzes aktiv geworden sind. Nach meinem Eindruck handelt es sich dabei aber überwiegend um Aktiviäten im Bereich der freiwilligen und eher verhaltenspräventiv orientierten Gesundheitsförderung, in der Maßnahmen keine gut dokumentierten Gefährdungsbeurteilungen voraussetzen. Dank unterausgestatteter Gewerbeaufsichten können Arbeitgeber im Bereich der psychischen Belastungen Gefährdungsbeurteilungen immer noch weitgehend unsanktioniert vermeiden, damit keine möglichen Haftungsgründe dokumentiert oder Führungsstile in Frage gestellt werden müssen.

Podast: http://mp3.podcast.hr-online.de/mp3/podcast/hr-info_arbeit_soziales/hr-info_arbeit_soziales_20130420.mp3

KPB als App

Freitag, 8. März 2013 - 22:58

Das KPB (Kurzverfahren Psychische Belastung) ist ein ziemlich grobes Instrument zur Beurteilung psychischer Belastungen und wird vom arbeitgebernahen Institut für angewandte Arbeitswissenschaft beworben. Den simplen Test gibt es jetzt auch als App für ihre Gehirnexoprothese (Smartphones usw.): https://www.google.de/search?q=App+psychisch+Belastungen+KPB+ifaa

Für 5,49 € (Hinweis: Kosten für den Arbeitsschutz trägt der Arbeitgeber) bietet das ifaa die iPad-App hier an: http://www.arbeitswissenschaft.net/KPB-App.849.0.html. Die App meldet über sich selbst:

Die App stellt nun ein zusätzliches praktisches Werkzeug für den Einsatz vor Ort dar.

Hübsche Sache, aber ohne einen mitbestimmt geregelten Einsatz der App kann man mit ihr die Vorschriften des Arbeitsschutzes nicht erfüllen. Denken Sie auch an den Datenschutz.

Besser als der KPB ist zum Beispiel das kostenlose IMPULS-Verfahren, in dem Mitarbeiter nicht nur Ist-Daten, sondern auch Soll-Daten eingeben können. So ist beispielsweise wenig Vielfalt bei der Arbeit kein Nachteil, wenn ein Mitarbeiter diese Vielfalt gar nicht wünscht.

 
Siehe auch: http://www.arbeitstattstress.de/2013/03/die-app-zum-kurzverfahren-psychische-belastung-kpb/

VDSI und BDA: Psychische Gefährdung bei der Arbeit richtig beurteilen

Dienstag, 22. Januar 2013 - 09:18

http://blog.psybel.de/paragraph-89-betrvg/

… Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.

Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen [die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen] sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen. …

 
http://dejure.org/gesetze/ArbSchG/16.html

… Die Beschäftigten haben gemeinsam mit dem Betriebsarzt und der Fachkraft für Arbeitssicherheit den Arbeitgeber darin zu unterstützen, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten und seine Pflichten entsprechend den behördlichen Auflagen zu erfüllen. …

Wie psychische Gefährdungen richtig beurteilt werden, vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen in den Betrieben.

 
http://www.vdsi.de/43/12281 und http://www.hcc-magazin.com/psychische-belastungen-bei-der-arbeit-richtig-beurteilen/4995

Psychische Gefährdung bei der Arbeit richtig beurteilen
Pressemitteilung von: Verband Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI)
Fortbildung für Fachkräfte für Arbeitssicherheit geplant

Wiesbaden, 17. Januar 2013. Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung bei der Arbeit ist für viele Unternehmen mit Unsicherheiten verbunden. Der Verband Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI) und das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) [Mitglieder des arbeitgebernahen ifaa sind die Verbände der Metall- und Elektroindustrie sowie der Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, GESAMTMETALL] entwickeln jetzt ein Qualifizierungskonzept für einen wichtigen Experten im betrieblichen Arbeitsschutz: die Fachkraft für Arbeitssicherheit. Sie soll dazu befähigt werden, psychische Gefährdungsfaktoren zu erkennen und notwendige Schritte einzuleiten.

“Unser Ziel ist es, die Fachkraft für Arbeitssicherheit für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung zu sensibilisieren und zu schulen”, erklärt Prof. Dr. Rainer von Kiparski, Vorstandsvorsitzender des VDSI. “Sie soll den Unternehmer umfassend dazu beraten, welche Verfahren sich anbieten, wann tiefergehende Analysen notwendig sind oder gegebenenfalls Experten hinzugezogen werden sollten.”

“Unternehmen brauchen Handlungssicherheit”, so Prof. Dr. Sascha Stowasser, Direktor des ifaa. “Neben unterstützenden objektiven Methoden und Instrumenten zur Erfassung der psychischen Belastung sind auch fachkundige Experten im Unternehmen notwendig. Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind als Berater der Unternehmer hierfür prädestiniert und sollen eine weitergehende Qualifikation erhalten.”

Das Projekt geht auf eine Initiative der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zurück und wurde auf einem gemeinsamen Treffen am 31. Oktober 2012 in Berlin beschlossen. “Psychische Belastungen können Ursache für Fehlbeanspruchungen sein und stellen daher ein erhebliches Risiko dar – sowohl für die Gesundheit der Arbeitnehmer als auch für die Leistungsfähigkeit der Unternehmen. Dem kann der Arbeitgeber nur begegnen, wenn ihm zuverlässige Fachexpertise zur Seite steht”, betont Dr. Volker Hansen, Leiter der BDA-Abteilung ‘Soziale Sicherung’.

Das Thema psychische Gesundheit bei der Arbeit gewinnt eine immer größere Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft. Hintergrund ist die seit Jahren steigende Zahl psychisch bedingter Fehltage und Frühberentungen. Den Schutz der Arbeitnehmer vor psychischer Fehlbelastung haben Bund, Länder und Unfallversicherungsträger zu den Hauptzielen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) erklärt. Für die Sicherheit und Gesundheit in den Betrieben ist der Arbeitgeber verantwortlich. Unterstützt wird er von der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Als “Manager für Sicherheit und Gesundheit” berät sie ihn zu allen Prozessen und erforderlichen Maßnahmen im Arbeitsschutz.

Verband Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI)
Solvejg Boehlke
Kommunikationsmanagerin
Schiersteiner Straße 39
65187 Wiesbaden
Telefon +49 611 15755-15
Telefax +49 611 15755-79
E-Mail:
www.vdsi.de

Der Verband Deutscher Sicherheitsingenieure (VDSI) ist mit über 5.200 Mitgliedern der größte Verband für Arbeitssicherheit sowie Gesundheits- und Umweltschutz in Deutschland. Als Manager für Sicherheit und Gesundheit beraten VDSI-Mitglieder Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter, wie Gefahren und Belastungen am Arbeitsplatz nachhaltig reduziert werden können.

Mal sehen, ob endlich gut wird, was lange währt. Die Empfehlungen des VDSI z.B. zur Dokumentation bei der Gefährdungsbeurteilung sind sehr hilfreich.

Ob die Fachkräfte auch lernen, wie ihnen die Arbeitnehmervertretungen helfen können?

Gesunde Prozesse

Dienstag, 14. Februar 2012 - 13:06

http://www.arbeitswissenschaft.net/Aktuelle-Termine.30.0.html


März 2012, München

Fachkongress “Erfolgreich durch gesunde Prozesse”

An Führungs- und Fachkräfte aus den Bereichen „Organisationsentwicklung, Human Ressources und Industrial Engineering“ richtet sich ein Kongress der Gesellschaft für Organisation (gfo), dem Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa) und der Deutschen MTM-Vereinigung am 28. und 29. März in München. Jeweils drei halbe Tage sind dabei den Themen „Gesundheitskultur und -führung“, „Altersgerechte Prozesse und Arbeitsplätze“ sowie der „Personalbefähigung“ gewidmet. Professor Dieter Lorenz, Direktor des Wissenschaftlichen Zentrums Dualer Hochschulstudien (ZDH), wird als Keynote-Speaker über „Produktivität im Büro“ referieren. Weitere Themen sind unter anderem die altersgerechte Produktion und Rotation am Beispiel des BMW-Werks Dingolfing (Referentin ist Werkleiterin Barbara Bergmeier) sowie die positiven und möglichen negativen Folgen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements. Dr. Brigitte Sens, Vorsitzende der Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen (GQMG) wird über „Prozessorientierung als Grundlage der Unternehmensführung“ referieren. Herr Dr. Schat vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI wird über das von ihm geleitete Transferprojekt KrIDe (Kreativität und Innovation im demografischen Wandel) berichten. Die Veranstaltung endet am ersten Tag mit einem Business-Lunch.

Ort: München. Die genaue Adresse wird zeitnah auf den Webseiten der gfo, des ifaa und der Deutschen MTM-Vereinigung bekanntgegeben.

Ansprechpartner: Carola Groth, Mail: groth(at)gfo-web.de, Tel. 0511/ 848648-160

“Business-Lunch” und “zeitnah”, das Vokabular ist schon einmal professionell. “MTM” könnte “Methods Time Measurement” sein.

Die Idee, aus der Prozess- und Projektplanung (speziell aus dem Risikomanagement) Informationen für Gefährdungsbeurteilungen zu gewinnen, kommt vielleicht auch irgendwann einmal bei solchen Kongressen auf die Tagesordnung. Allerdings neigen Arbeitgeber erfahrungsgemäß eher nicht dazu, im Gesundheitsmanagement der Verhaltensprävention Vorrang zu geben.

 
http://www.arbeitswissenschaft.net/Mitglieder-des-ifaa.32.0.html

Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft ist ein eingetragener Verein (ifaa e. V.). Mitglieder des ifaa sind die Verbände der Metall- und Elektroindustrie sowie der Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, GESAMTMETALL, Berlin. …

Das ifaa ist arbeitgebernah. Ein Kongress mit signifikanten Beiträgen z.B. zur Verhältnispävention im Arbeitsschutz wird das wohl eher nicht werden.

Arbeitgeberverband Gesamtmetall und BGF

Sonntag, 22. Januar 2012 - 10:33

Ein Interview mit arbeitgebernahen Wissenschaftlern in einer arbeitgebernahen Fachzeitschrift.

http://www.gesamtmetall.de/gesamtmetall/meonline.nsf/id/News-Betriebspraxis-301211-Burnout-betriebliche-Gesundheitsfoerderung

Burnout, Depression und Demographie – Was kann und soll betriebliche Gesundheitsförderung hier leisten?

Im Interview mit Betriebspraxis & Arbeitsforschung äußern sich Dr.-Ing. Falk-Gerald Reichel (Gesamtmetall) und Dr. Stephan Sandrock (ifaa) zur Debatte rund um den Burnout sowie zur Verantwortung der Unternehmen für die psychische und physische Gesundheit der Mitarbeiter.

Ich habe einige Punkte aus dem “Interview” herausgegriffen, die helfen, sich auf die Argumentation und die Ziele der Arbeitgeber einzustellen. Die Zitate im folgenden Text sind also aus dem Interview herausgenommen. Sie wurden von mir zum Teil kommentiert.

  • Der „Burnout“ macht Schlagzeilen. Medien, Krankenkassen und Gewerkschaften berichten von einer Zunahme dieses Phänomens. Verantwortlich wird dafür auch der angeblich oder tatsächlich gewachsene Leistungsdruck in den Unternehmen gemacht. Zu Recht? — Da wird nun – bewusst oder unbewusst – Ursache mit Wirkung verwechselt.
  • Es gibt viele weitere Einflüsse, die beim Burnout eine Rolle spielen – insbesondere aus Persönlichkeit und Lebensstil. In einem tarifgebundenen Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie verbringt ein Arbeitnehmer weniger als 18 Prozent des Jahres im Betrieb. Dass die Frage, wie und wo er die restlichen 82 Prozent verbringt, auch eine Rolle spielen musste, ist zwangsläufig, wird aber trotzdem nicht gerne gehört. [Das weinerliche "wird aber trotzdem nicht gerne gehört" ist nicht zutreffend. Der Wissenschaftler bellt hier am falschen Baum. Dieses Argument der Arbeitgeber kommt immer wieder. Soll es davon ablenken, dass der Arbeitsschutz sich nur auf Probleme im Handlungsbereich des Arbeitgebers konzentriert? Keiner verlangt von den Arbeitgebern, für außerbetriebliche Probleme ihrer Mitarbeiter Verantwortung zu übernehmen. Siehe: Dreiebenenmodell]
  • Eine öffentliche Debatte um tatsächlich oder gefühlt wachsende psychische Belastungen erleben wir übrigens auch bei Kindern in den Schulen – also noch vor dem Eintritt ins Arbeitsleben.
  • Viele Menschen fühlen sich durch die intensive Berichterstattung über den Burnout, zu dem sich Prominente zunehmend öffentlich bekennen, ermutigt, ihre persönlichen Erschöpfungsgefühle zu thematisieren. Dabei ist der Begriff „Burnout“ wissenschaftlich nicht wirklich klar definiert. Es handelt sich dabei vermutlich um eine Überlastungs-Depression. Die Grunde dafür sind vielfaltig und können weit über das Arbeitsleben hinausreichen. Zum Beispiel können finanzielle oder auch private Sorgen in der Familie dazu führen.
  • Sowohl die Betriebsrätebefragung der IG Metall als auch der DGB-Index „Gute Arbeit“ sind methodisch ungeeignet, gesicherte Aussagen zur tatsächlichen Verbreitung dieser Erscheinungen zu treffen. Denn sie beruhen auf subjektiven Aussagen und Gefühlen. [Befragungen von Betriebsräten nach Gefährdungsbeurteilungen in den Betrieben sind Fragen nach messbaren Tatsachen. Selbst die Bundesarbeitsministerin kommt zu dem Schluss, dass etwa sieben von zehn Unternehmen der Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz nicht nachkommt. Die Missachtung der Arbeitsschutzbestimmungen durch die Mehrheit der Unternehmen ist dann auch der Hauptkritikpunkt der Betriebsräte.]
  • Mitarbeiterbefragungen sind aufgrund ihrer mangelnden bedingungsbezogenen Validität und Reliabilität eher ungeeignet, psychische Belastungsfaktoren zu erfassen. Da die Auswertung von Befragungen in der Regel auch anonymisiert zu erfolgen hat, sind Rückschlüsse auf den einzelnen Arbeitsplatz und vor allem die Ableitung von gestalterischen Maßnahmen nicht möglich. [Das ist ein Irrtum, denn es gibt genügend validierte Tests. Dann führt der Wissenschaftler auch noch in die Irre und tut so, als ob es ein Ziel sei, den einzelnen Arbeitsplatz zu bewerten. Tatsächlich sind es gerade die Arbeitgeber selbst, die schon aus Kostengründen nicht jeden einzelnen Arbeitsplatz beurteilen wollen, sondern gleichartige Arbeitsplätze zusammengefasst beurteilen. Das Arbeitsschutzgesetz erlaubt dieses sinnvolle Vorgehen ja auch. Bei den Kriterien für die Zusammenfassung hat die Arbeitnehmervertretung mitzubestimmen.]
  • Die Debatte um Burnout und verwandte Phänomene verengt am Arbeitsumfeld festzumachen ist ein Irrweg, mit dem auch den meisten Betroffenen herzlich wenig geholfen sein durfte. Es ist auch deshalb spekulativ und vorschnell, weil derzeit belastbare Verfahren fehlen, um ein möglicherweise krankmachendes Belastungsgrenzniveau verlässlich angeben und erkennen zu können. [Die Arbeitgeber wollten betriebsnahe Lösungen. Die haben sie bekommen; da kann es keine außerbetrieblichen Verfahren geben. "Belastbare Verfahren" vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter betriebsnah miteinander.]
  • Gut geführte Unternehmen werden deshalb über den gesetzlichen Arbeitsschutz hinaus bestrebt sein, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu fordern. [Tatsächlich beginnen viele Unternehmen mit dem Gesundheitsmanagement ohne vorher ihre Pflichten im Arbeitsschutz erfüllt zu haben.]
  • Viele Gesundheitsprobleme von Mitarbeitern resultieren aus Fehlentwicklungen vor ihrem Unternehmenseintritt oder – wenn sie schon im Betrieb sind – auch aus Problemen in ihrer freien Zeit.
  • Aus all diesen Gründen kann GesundheitsfÖrderung nicht zu einem gesetzlichen Auftrag an die Unternehmen führen. [Ablenkungsmanöver: Die Arbeitnehmer verlangen kein gesetzlich vorgeschriebenes Gesundheitsmanagement, sondern sie fordern, dass sich die Arbeitgeber endlich an die von ihnen mehrheitlich missachteten Arbeitsschutzgesetze halten.]
  • Wo würden Sie bei der Betrieblichen Gesundheitsförderung und beim systematisch betriebenen Betrieblichen Gesundheitsmanagement die Linie zwischen Unternehmen und Staat ziehen? — Grundsätzlich haben Arbeitgeber in Deutschland die Pflicht, die Gesundheit der Mitarbeiter im Arbeitsprozess zu schützen. Dafür gibt es das umfassende gesetzliche Arbeitsschutz-Regelwerk. Eine darüber hinaus gehende Gesundheitsforderung muss jedoch freiwillig bleiben. [Wieder die Ablenkung. Die Mehrheit der Arbeitgeber erfüllt ja nicht einmal die Pflicht.]
  • Eine für mich entscheidende Frage bei der betrieblichen Gesundheitsforderung ist, ob und wie der Betrieb das Bewusstsein und die Eigenverantwortung des Mitarbeiters für die eigene Gesundheit starken kann. [Eigenverantwortung ist ein interessantes Thema. Wer sie fordert, sollte zunächst seine eigenen gesetzlich vorgeschriebenen Pflichten erfüllen.]
  • Unternehmen, die sich in der Gesundheitsforderung engagieren, können damit auch etwas für ihr Employer-Branding tun. Ein positives Arbeitgeber-Image wird im Wettbewerb um die knapper werdenden Arbeitskräfte immer wichtiger. [Employer-Branding ist ebenfalls ein interessantes Thema.]
  • Einige größere Unternehmen betreiben bereits ein systematisches Gesundheitsmanagement. Entscheidend dafür ist, dass die Maßnahmen durch das Management systematisch implementiert werden und dass sie messbare Ergebnisse haben. Das unterscheidet Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) von Betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF).
  • Mir ist bekannt, dass einige Unternehmen mit dem Work Ability Index (WAI) arbeiten, der wesentlich mehr Parameter einbezieht. Es können über eine Zeitschiene auch weiche Daten erhoben werden – zum Beispiel wie die Beschäftigten ihre subjektiv empfundene Arbeitsfähigkeit beurteilen. [Siehe: WAI. Es gibt aber auch bessere Messinstrumente.]
  • Es muss aber klar abgegrenzt sein, was gesetzlich bedingter Arbeitsschutz ist und was eine freiwillige Leistung im Sinne der Gesundheitsforderung ist. Hier darf es keine Überschneidungen geben. [Richtig. Darauf sollten Arbeitnehmervertretungen sehr genau achten, damit Pflichtleistungen nicht als freiwillige Leistungen dargestellt werden. Das kann ein Versuch sein, die Mitbestimmung zu schwächen.]
  • Deshalb rate ich dazu, bei BGM einen längerfristigen Zeithorizont einzuplanen – beispielsweise fünf Jahre. [Das Arbeitsschutzgesetz hat der Arbeitgeber jedoch sofort umzusetzen! Also Vorsicht, wenn der Arbeitgeber mit dem BGM beginnt, ohne vorher seine Hausaufgaben im Arbeitsschutz gemacht zu haben.]
  • Wie beurteilen Sie Initiativen, BGM-Systeme zertifizieren lassen zu wollen? — Das läuft der Position zuwider, dass man keine Vorgaben machen soll. Es beschränkt zudem die Individualität und Kreativität der Betriebe. [Richtig. Gerade diese Freiheit begründet, dass die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretungen beim BGM bzw. der BGF nicht kategorisch ausgeschlossen werden kann.]

Arbeitgeber gegen Anti-Stress-Verordnung

Mittwoch, 5. Oktober 2011 - 07:38

(Neu kommentiert: 2012-07-15)

“Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend” ist der Titel des untenstehend zitierten und von mir kommentierten Artikels. Ob irgendetwas “zielführend” oder “nicht zielführend” ist, kommt bekanntlich nicht nur auf den Weg an, sondern auch auf die Ziele. Es könnte sein, das Arbeitgeber (für die Stephan Sandrock und Sascha Stohwasser arbeiten) andere Ziele haben, als die Arbeitnehmer.

http://www.arbeitgeberverbaende.de/index.php?option=com_content&view=article&id=103:anti-stress-verordnung-nicht-zielfuehrend-

Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend

Psychische Erkrankungen sind auf Vielzahl von Faktoren zurückzuführen

Das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) hält die Forderung der IG Metall nach einer Anti-Stress-Verordnung für nicht zielführend. „Die Arbeitswelt als ausschließlicher Ansatz zur Erklärung psychischer Störungen ist nicht ausreichend und zweckmäßig“, so Dr. Stephan Sandrock, Arbeitspsychologe am ifaa. [Eristik: Sandrock versucht den Eindruck zu erwecken, dass die IGM die Arbeitswelt als ausschließlicher Ansatz zur Erklärung psychischer Störungen darstellt. Das ist aber nicht die Richtung, in die die IGM geht. In fertigen Vorschlag einer Anti-Stress-Verordnung (2012-06) wird auch das Dreiebenen-Modell beschrieben, in dem die Arbeitswelt nur eine Teil-Ursache psychischer Störungen ist.] Die Gründe psychischer Störungen liegen häufig in einem schwer entflechtbaren Mix aus Person, Entwicklung, privatem Umfeld, der genetischen Prägung und im Arbeitsverhältnis / Arbeitsumfeld. [Richtig. Und der Arbeitsschutz kümmert sich eben um den Teil, der dem Arbeitsverhältnis zuzuordnen ist] Eine Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung und Gesundheit abzielt, hängt vom betrieblichen Umfeld ab und kann nicht verordnet werden. [Richtig. Aber Verordnungen können helfen, Änderungen in den Unternehmenskulturen anzustoßen]

„Valide Instrumente zur Einschätzung des Burnout liegen bislang nicht vor“

Professor Dr. Stowasser, Direktor des Instituts [ifaa] und Leiter des ISO-Norm-Ausschusses ‚Grundsätze der Ergonomie‘ betont: „Bereits heute ist durch die Arbeitsschutz-gesetzgebung und durch Normung viel erreicht worden und wir haben sehr gute praxisgerechte Standards und Handlungsempfehlungen zur Bewertung und Verbesserung der psychischen Belastungssituation am Arbeitsplatz erarbeitet – denn es ist unbestritten, dass psychisch gesunde Mitarbeiter ein bedeutender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg sind.“ [Richtig. Und das Kurzverfahren Psychische Belastung (KPB) des arbeitgebernahen und von Stohwasser geleiteten Institutes (ifaa) ist ein Werkzeug von vielen. Standards und Handlungsempfehlungen speziell des LASI sind gut. Aber die Arbeitgeber missachten sie. Darum will die IGM die Unternehmer etwas intensiver motivieren.]

Was Unternehmen tun können

Schon heute werden in vielen Betrieben die Führungskräfte zum Umgang mit psychisch kranken Mitarbeitern geschult. [Aber die Pflicht, die Mitarbeiter über ihre Rechte und Pflichten in der vorgeschriebenen Unterweisung aufzuklären, wird von der Mehrheit der Arbeitgeber missachtet.] Außerdem kommt den Betriebs- und Werksärzten eine immer wichtigere Lotsenfunktion zu. „Neben der Sensibilisierung der Führungskräfte und der Qualifikation der Betriebsärzte kommt eine wichtige ergänzende Rolle dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) zu, in dessen Rahmen psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit überwunden und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.“, so Stowasser. [BEM (Betriebliches Eingliederungs Management) hat mit der im Arbeitsschutz vorgeschriebenen und von den Arbeitgebern mehrheitlich vernachlässigten Verhältnisprävention wenig zu tun. BAM betrifft bereits erkrankte Mitarbeiter. Das ist schon keine Prävention mehr.]

 
Als Ergänzung und Vertiefung zu diesem Thema finden Sie im Anhang den Artikel von Dr. Stephan Sandrock “Depression und Burnout – Wie Unternehmen damit umgehen können” aus der aktuellen, vom ifaa herausgegebenen Zeitschrift ‚Betriebspraxis & Arbeitsforschung‘ (Ausgabe 209).

>> Anhang [Depression und Burnout - Wie Unternehmen damit umgehen können von Stephan Sandrock (Dateidatum: 2011-09-28). Das geht an dem Ziel der IGM und des Arbeitsschutzgesetzes vorbei: Durchsetzung der Verhältnisprävention. Die Arbeitgeber haben anscheinend andere Ziele, als der Gesetzgeber und die IGM. Insofern mag die "Verordnung" der IGM aus Sicht der Arbeitgeber tatsächlich nicht "zielführend"sein. In Sandrocks Veröffentlichung geht es insbesondere um psychische Erkrankungen. Der Arbeitsschutz dient jedoch der präventiven Erhaltung der Gesundheit. Und gesundheit ist mehr, als nur die Abwesendheit von Krankheit]

(Anmerkungen und Links in eckigen Klammern nachträglich wurden eingetragen.)

Und nun zum Ausgleich noch ein Schmankerl von einer Berufsgenossenschaft:

Andere Belastungsquellen wirken aus der Freizeit in die Arbeit hinein: aus dem Privatleben (Familie, Freunde), aus nebenberuflicher Betätigung (z.B. Verein) sowie aus den Problemen von Nachbarschaft, Kommune und Gesellschaft (siehe Außenkreis des Modells). Arbeits- und Freizeitbelastungen lassen sich in ihren Wirkungen heute noch nicht völlig trennen. Studien belegen aber, dass die Arbeitsbelastungen das Privatleben nachhaltiger stören als umgekehrt!

 


2012-06-27:
http://www.arbeitswissenschaft.net/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=fileadmin/Redaktion/PDF-Downloads/PI_-_Anti-Stress-Verordnung_praxisfern.27.06.2012.pdf&t=1342297518&hash=e0ec6bb82a5e5ce755f3778fac49d8cb
Anti-Stress-Verordnung praxisfern und nicht zielorientiert

27.06.2012

Neue Verordnung der IG Metall liefert keine neuen Ansätze

Der heute von der IG Metall veröffentlichte Entwurf für eine sogenannte Anti-Stress-Verordnung löst die aktuellen Herausforderungen im Kampf gegen psychische Störungen in unserer Gesellschaft nicht [Begründung?]. Der vorgestellte Entwurf einer Verordnung gibt den Unternehmen keine Handlungsanleitung [Soll er auch nicht. Es geht darum, dass existierende Handlungsanleitungen endlich respektiert werden. Es ist bekannt, was und wie geprüft wird. Daraus ergeben sich klare Handlungsanweisungen an Unternehmen.] und ist für die betriebliche Praxis demnach [Wieso "demnach"? Da fehlt doch vorher schon die Begründung.] untauglich. “Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen können mit den sehr allgemein gehaltenen Beurteilungskriterien für die Ausgestaltung der Arbeitsorganisation, Arbeitsgestaltung und sozialen Beziehungen überhaupt nichts anfangen” [Unlogisch. Gerade die Arbeitgeber wollten wg. Entbürokratisierung und wg. der Unterschiede zwischen den Betrieben keine Detailregelungen.], so Professor Dr. Sascha Stowasser, Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa). Mit dem IGM-Entwurf ist ein deutlicher Rückschritt gegenüber bereits bestehenden Regelwerken wie zum Beispiel der international gültigen Norm zur arbeitsbedingten psychischen Belastung festzustellen. [Eristische Argumentation. Der Entwurf hat eine andere Aufgabe, als die Norm.]

Wichtiger sind umsetzbare und konkrete Handlungshilfen

Unternehmen benötigen vielmehr Handlungshilfen, die die praktische Umsetzung der im Arbeitsschutzgesetz geforderten Gefährdungsbeurteilung – d.h. die arbeitsplatzorientierte Bewertung körperlicher und geistiger Aspekte der Arbeit – ermöglicht. [Eristische Argumentation. Handlungshilfen gibt es genug von den Berufsgenossenschaften (wurde von der BDA bekämpft) und den Aufsichtsbehörden. Die Verordnung soll helfen, dass diese Handlungshilfen auch umgesetzt werden.] Hierfür gibt es heutzutage bereits eine Reihe von Verfahren. Diese sind in der Praxis oft unbekannt – Aufklärung über Existenz und Einsatzmöglichkeit sollte weitflächig durch Politik, Sozialpartner und Wissenschaft betrieben werden. [Das ifaa klärt z.B. nicht auf, sondern macht Werbung vorwiegend für den von ihm entwickelten Einfachverfahren, dem KPB. Seriös ist dagegen die Aufklärung der BAuA.] Die geforderte Anti-Stress-Verordnung der IGM löst diese Aufgabe nicht. [Das ist auch nicht die Aufgabe der Verordnung.] Ein erfolgswirksamerer Ansatzpunkt ist die startende Zielsetzung der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). ["Startende Zielsetzung"? Die Verordnung soll bei der Durchsetzung der Ziele der GDA helfen. Und die GDA-Leitlinie zu psychischen Belastungen wird von den Arbeitgebern bekämpft] Auch das Arbeitsschutzgesetz, Verordnungen und Normungen berücksichtigen das Thema psychische Belastung bereits hinreichend. [Das ist richtig. Leider wurden diese Normen aber bisher missachtet.]

Das Thema ,,Psychische Gesundheit” objektiv betrachten

Die mediale Hetze, wie sie derzeit seitens IG Metall betrieben wird, verunsachlicht die Diskussion. [Was ist daran jetzt "objektiv"?] “Eine versachlichte und objektive Diskussion des Themas psychische Gesundheit muss eingeleitet werden. [Richtig.] Hierzu gehört die offene Aussprache vieler Facetten dieses komplexen Themas, wie zum Beispiel: Sensibilisierung und Eigenverantwortung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Versorgungslage in Deutschland, die unterschiedliche Betroffenheit verschiedener Branchen”, betont Dr. Stephan Sandrock, Arbeitspsychologe am ifaa. [Richtig. Die in der LASI LV 54 verlangte unternehmerische Eigenverantwortung wurde hier allerdings vergessen.]

Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V. (ifaa)
Ansprechpartnerin: Dorothée Werry, Uerdinger Straße 56, 40474 Düsseldorf,
Telefon: 0211 542263-24, d.werry@ifaa-mail.de, www.arbeitswissenschaft.net

(Link und Anmerkungen in eckigen Klammern wurden nachträglich eingetragen.)

Dr. rer. pol. Stephan Sandrock ist Mitarbeiter des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft, einem eingetragener Verein (ifaa e. V.). Mitglieder des ifaa sind die Verbände der Metall- und Elektroindustrie sowie der Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, GESAMTMETALL, Berlin.

Ich selbst habe auch noch immer (siehe oben) Bedenken gegen so eine Verordnung. Besser wäre eine Stärkung der Kompetenz und der Durchsetzungsfähigkeit der Betriebs- und Personalräte. Inzwischen glaube ich aber fast, dass dieser Weg wegen der damit verbundenen Belastungen viele Arbeitnehmervertreter überfordert.