Fragen an Arbeitgeber

Donnerstag, 8. September 2011 - 21:15

Die folgende Liste von Fragen wurde aus einer Kleinen Anfrage der FDP (2009, Mieke Senftleben und Kai Gersch) in Berlin abgeleitet. Hinter den Fragen steckt Kompetenz: Die Fragesteller haben das Thema “Verhaltensprävention vs. Verhältnisprävention” sehr gut verstanden und vermitteln das auch deutlich. Auch das ist eine Aufgabe solcher Anfragen. Zumindest als Oppositionspartei hatte die FDP hier gute Arbeit geleistet.

Bei den Fragen ging es um die Belastung von Lehrern an Berliner Schulen. Ich habe die Fragen so modifiziert, dass man sie in der Privatwirtschaft verwenden könnte. Man muss die Fragen dort, wo die Voraussetzungen des konkreten Falls nicht gegeben sind, natürlich ändern oder gegebenenfalls auch weglassen.

  1. Wie bewertet der Arbeitgeber die krankheitsbedingten Fehlzeiten von Mitarbeitern in seinen Betrieben als Kriterium für die Beurteilung der gesundheitlichen Belastung insbesondere vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Belastungen, denen sie ausgesetzt sind?
  2. Welchen Stellenwert hat nach Ansicht des Arbeitgebers die kontinuierliche Erfassung der Fehlzeiten von Mitarbeitern als Mittel zur Beurteilung der Veränderung und Erkennung von Tendenzen der gesundheitlichen Belastung?
  3. Welche sind nach Ansicht des Arbeitgebers die realen und potenziellen gesundheitlichen Belastungsfaktoren, unter denen Mitarbeiter in seinen Betrieben leiden?
  4. Ist der Arbeitgeber daran interessiert, die gesundheitlichen Belastung der Mitarbeiter in seinen Betrieben zu erfassen?
  5. Sofern der Fall: welcher Methoden/Parameter bedient sich der Arbeitgeber zu diesem Zweck (z.B. Gefährdungs- und Belastungsanalyse), und hält er die ihm zur Verfügung stehende Datenlage zum Gesundheitszustand der Mitarbeiter für ausreichend und statistisch valide?
  6. Wie viele Mitarbeiter wurden in den letzten 10 Jahren in den Betrieben des Arbeitgebers vorzeitig in den Ruhestand versetzt und welchen Anteil machten die vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand an der Gesamtzahl der jährlichen Versetzungen in den Ruhestand jeweils aus?
  7. Wie viele dieser vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand erfolgten in jedem der letzten 10 Jahre aus gesundheitlichen Gründen und welchen Anteil machten die gesundheitlich bedingten vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand an der Gesamtzahl der jährlichen Versetzungen von Mitarbeitern in den Ruhestand jeweils aus?
  8. Wie handhaben andere Arbeitgeber (z.B. Mitglieder in Arbeitgeber- und Personalerorganisationen, in denen auch der Arbeitgeber Mitglied ist) nach Kenntnis des Arbeitgebers die Erfassung und Auswertung der krankheitsbedingten Fehlzeiten von Mitarbeitern in seinen Betrieben?
  9. Liegen dem Arbeitgeber wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Verhaltens- in Relation zur Verhältnisprävention vor, und – sofern der Fall – welche sind dies?
  10. Wie bewertet der Arbeitgeber die Wirksamkeit von Verhaltens- in Relation zur Verhältnisprävention im Sinne der Förderung der Gesundheit der Mitarbeiter?
  11. Der Arbeitgeber referiert allgemein den Begriff “Verhältnisprävention”, ohne konkrete Maßnahmen der Verhältnisprävention in seinen Betrieben zu nennen. Ist daraus zu folgern, dass vom Arbeitgeber keine Projekte der Verhältnisprävention zur Förderung der Mitarbeitergesundheit in seinen Betrieben durchgeführt werden?
  12. Hält es der Arbeitgeber für angemessen, den Mitarbeitern angesichts der besonderen Belastungen in seinen Betrieben vorwiegend oder ausschließlich sporadisch Strategien anzubieten, wie sie selbst diese Belastungen individuell kompensieren können [Verhaltensprävention], oder ist der Arbeitgeber der Ansicht, dass vor allem im Sinne einer Verhältnisprävention die Ursachen der Belastungen erkannt und behoben werden sollten?
  13. Auf welche Weise und in welchen Intervallen werden die vom Arbeitgeber dargestellten Maßnahmen der Verhaltensprävention bei Mitarbeitern auf ihre Wirksamkeit evaluiert, wie lauten die Ergebnisse der letzten Evaluationen und wie viel haben die Maßnahmen in den letzten 5 Jahren jeweils jährlich gekostet?
  14. Gilt die “Betriebsvereinbarung über das betriebliche Gesundheitsmanagement” vom (im Folgenden BVG genannt) im Betrieb X des Arbeitgebers auch für die Mitarbeiter in anderen Betrieben dieses Arbeitgebers, und wird sie umgesetzt?
  15. Sofern nicht der Fall: warum nicht?
  16. Sofern die BVG für die o.g. Betriebe gilt: Wie viele Gesundheitskoordinatoren/-innen gemäß BVG gibt es derzeit in den Abteilungen für Arbeitsschutz, und welche Betriebe werden von ihnen betreut?
  17. Wie viele Ausschüsse für Gesundheitsmanagement gemäß BVG sind derzeit für die Mitarbeiter tätig, welche Maßnahmenkataloge gemäß BVG wurden erstellt, welche Analyseinstrumente gemäß BVG finden aktuell Anwendung und wann/wo erfolg(t)en Mitarbeiterbefragungen gemäß BVG in den Betrieben des Arbeitgebers?
  18. Wie werden die Vereinbarungen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement vom November 2007 derzeit in den Betrieben des Arbeitgebers umgesetzt?
  19. In der Gesamtvereinbarung … heißt es in Bezug auf das Gesundheitsmanagement: “Die isolierte Einführung einzelner Maßnahmen wirkt – wenn überhaupt – nur kurzzeitig und ist längerfristig als kontraproduktiv anzusehen”. Wie bewertet der Arbeitgeber diese Aussage?
  20. Wie bewertet der Arbeitgeber vor dem Hintergrund der Gesamtvereinbarung kurzfristige, sporadische Angebote von “Stresskursen” für Mitarbeiter?
  21. Sind dem Arbeitgeber Initiativen anderer Arbeitgeber zur Förderung der Mitarbeitergesundheit bekannt und – sofern der Fall – wie bewertet der Arbeitgeber diese konkreten, langfristig ausgelegten Projekte, welche gesundheitsdiagnostische, gefährdungs- und belastungsanalytische mit nachhaltigen Maßnahmen der Verhältnisprävention kombinieren?

In der Original-Anfrage ging es um die Belastung von Lehrern an Berliner Schulen. Es gab auch Anfragen der CDU, aber die Fragen der FDP weisen viel deutlicher und präziser auf die Schwachstellen im Arbeitsschutz hin.

Siehe auch: http://www.arbeitstattstress.de/verhaeltnis-und-verhaltenspraevention/

 


2013-04-14

Habe hier enmal das Schlagwort “Bundestagswahl 2013″ hinzugefügt. Die Berliner FDP kennt sich nämlich mit dem Arbeitsschutz gut aus - besonders wenn sie damit dem Berliner Senat auf die Pelle rücken kann. Wird man davon etwas im Regierungsprogramm merken?


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