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Dummheiten vom Arbeitgeberverband

Freitag, 5. August 2016 - 22:56

Der Arbeitgeberverband wird frech und der Bayernkurier reicht’s durch: https://www.bayernkurier.de/inland/16221-absurder-schutz-fuer-schwangere

05.08.2016 | 12:33 Uhr
Mutterschutzgesetz

Absurder Schutz für Schwangere?

Unnötige Bürokratie und ein Beschäftigungsverbot für werdende Mütter: Dieser massiven Kritik sieht sich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig wegen ihrer geplanten Reform des Mutterschutzgesetzes ausgesetzt. Die CDU warnt vor der Einführung “absurder Pflichten”.

[...]

Für Unmut sorgen zudem geplante sogenannte Gefährdungsanalysen für Arbeitsplätze. Gesamtmetall-Vertreterin Bartos sagte: Sollte der Entwurf ohne Änderungen in Kraft treten, würden alle Arbeitgeber verpflichtet, für jeden einzelnen Arbeitsplatz zu prüfen, ob mit der dortigen Tätigkeit Gefährdungen für Schwangere oder Stillende verbunden seien – selbst wenn dort aktuell ein Mann arbeite. Zudem sehe der Entwurf auch entsprechende Dokumentations- und Informationspflichten vor, klagte Bartos. Folglich müsse sogar einem Mann erklärt werden, ob an seinem Arbeitsplatz mögliche Gefährdungen für Schwangerschaften vorliegen.

Nach den Buchstaben des Gesetzes muss also der FC Bayern München tatsächlich nachweisbar Manuel Neuer darüber informieren, ob und welches Risiko für ihn bei der Arbeit besteht, falls er schwanger werden sollte.

Annette Bartos, Arbeitgeberverband Gesamtmetall

Für das Familienministerium sei die Kritik nicht nachvollziehbar, sagte eine Sprecherin. Die Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen sei bereits in geltendem Recht verankert. Weil Arbeitsplätze vom Geschlecht unabhängig zu vergeben sind, komme auch jeder für eine Frau in Betracht.

[...]

Wenn man die den Arbeitgeber seit 1997 für alle Arbeitsplätze gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung so dumm durchführt, wie Annette Bartos (“Sozialpolitik-Expertin” des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall) das vorschlägt, dann liegt das nicht an dummen Gesetzen. Rechtsbruch im Arbeitsschutz ist keine Seltenheit. Dann aber noch frech zu werden, hat schon eine neue Qualität.

Warum brauchen sich Arbeitgeber seit 1997 bei der Beurteilung von Arbeitsplätzen nicht an das Arbeitsschutzgesetz zu halten?
Weil sie’s können.
Danke, liebe Gewerbeaufsicht und liebe Berufsgenossenschaften.

 


http://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/leistungen/abteilung05/56/schwangere/bekanntgabe/index.html

CDU-Anfrage zur psychischen Belastung

Samstag, 7. März 2015 - 12:02

Nichts gegen den Einsatz von Oppositionsparteien für das Thema der psychischen Belastungen. Ich stelle mir aber oft die Frage, ob sie sich für das Thema genauso einsetzen würden, wenn sie Regierungspartei sind. Ich habe in diesem Blog schon ein Beispiel mit der FDP als Oppositionspartei in Berlin gegeben. Aus dem letzen Jahr nun stammt folgendes Beispiel der CDU in Baden-Württemberg. (Der CSU-Regierung in Bayern zum Beispiel müsste man diese Fragen auch stellen. Da hat die Gewerbeaufsicht weder Zeit noch Mut, die Beurteilung psychischer Belastungen in den Betrieben kritisch zu überprüfen.)

Noch ein Hinweis. Auch hier wieder begeht der Anfrager den Fehler, von einer “Erweiterung” des Arbeitsschutzgesetzes im Jahr 2014 zu sprechen. Tatsächlich wurde aber nur geltendes Recht klarer formuliert.

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 5386
15. Wahlperiode 27. 06. 2014

Kleine Anfrage des Abg. Stefan Teufel CDU
und Antwort
des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren

Arbeitsschutz unter dem Aspekt psychischer Belastungen

Kleine Anfrage
Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie beurteilt sie aus ihrer Sicht das seit Januar 2014 geltende Bundesgesetz zu Erweiterung des Arbeitsschutzes insbesondere im Hinblick auf die festgeschriebene Dokumentation psychischer Belastung bei Arbeitnehmern?
  2. Wie schneidet Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländer beim Thema Stress- und Burnout-Problematik ab?
  3. Weshalb wurden die Arbeitgeber in Baden-Württemberg im Gegensatz zu jenen in anderen Bundesländern seitens der Gewerbeaufsicht noch nicht über die Änderungen im Gesetz ausführlich informiert?
  4. Worauf führt sie die in Frage 3 angesprochene Tatsache zurück?
  5. Erhält die Gewerbeaufsicht seitens des Ministeriums personelle Unterstützung bei der Umsetzung der Novellierung?
  6. Um wie viele Betriebe muss sich ein Mitarbeiter in der Gewerbeaufsicht aktuell kümmern?
  7. Gibt es aktuelle Zahlen, die belegen, wie viele Unternehmen sich tatsächlich um die psychische Belastung ihrer Mitarbeiter kümmern?
  8. Hat das Ministerium selbst eine psychische Gefährdungsbeurteilung – wie vorgeschrieben – für seine Mitarbeiter umgesetzt?
  9. Gibt es – wie in anderen Bundesländern – eine landesweite Initiative zum Thema „Psychische Belastung des Pflegepersonals“ und wenn nicht, ist diese angedacht?

26. 06. 2014
Teufel CDU

Kompletter Text: http://blog.psybel.de/wp-content/uploads/2015/03/15_5386_D.pdf

Merkel gegen, CDA für Anti-Stress-Verordnung

Sonntag, 9. November 2014 - 12:42

Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte auf dem Arbeitgebertag (2014-11-04), “dass ich einer Anti-Stress-Verordnung sehr skeptisch bis ablehnend gegenüberstehe”. Betriebliche Lösungen müssten greifen. Auf betriebliche Lösungen setzt auch Sigmal Gabriel. Weil aber Auditoren (obwohl bei der DAkkS akkreditiert) und Gewerbeaufsichten weiterhin mutlos und hilflos sind, wenn psychische Belastungen in von ihnen inspizierten Betrieben nicht ernsthaft erfasst und beurteilt werden, haben die Arbeitnehmer und ihre Vertreter keine guten Möglichkeiten, bei der Minderung pssychischer Fehlbelastungen wenigstens die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes durchzusetzen. Arbeitnehmer in Betrieben ohne Arbeitnehmervertretungen bleibt leider nur die überforderte behördliche Aufsicht, also können die Arbeitgeber hier ohne mitbestimmte Arbeitsschutzprozesse weiterhin locker gegen Vorschriften verstoßen.

Arbeitgeber wehren sich schon aus Gründen der Haftungsvermeidung dagegen, psychische Fehlbelastungen zu dokumentieren. Ich kenne den Fall einer Mitarbeiterin, die in ihrem Betrieb eine Fehlbelastungsmeldung einreichte. Daraufhin bederohte der Arbeitgeber sie massiv mit einer Abmahnung. Die behördliche Aufsicht und die externen Auditoren rügten das nicht einmal mündlich. Die Mitarbeiteren konnte zuvor durch Klageandrohung die Rücknahme der Abmahnung erreichen; die Aufsicht und die Auditoren meinten, deswegen sei der Fall nicht nur arbeitsvertragsrechtlich, sondern auch arbeitsschutzrechtlich abgeschlossen. Dass die Mitarbeiterin drei Monate lang massivem Druck ausgesetzt war, ließ die Gewerbeaufsicht (und die externen Auditoren des Arbeitsschutzmanagementsystems) kalt. Ohne Rückhalt durch die Aufsicht traute sich dann auch der Betriebsrat nicht, eine Erfassung des Vorfalls als psychische Fehlbelastung durchzusetzen.

Das Hauptproblem im Arbeitsschutz sind immer noch vorwiegend technisch orientierte Aufsichtspersonen, die das Thema der psychischen Belastungen nicht begreifen und auch nicht wissen, wie sie in diesem Bereich eine Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes erreichen können. Die Kontrolle funktioniert im Bereich der Minderung psychischen Fehlbelastungen einfach nicht.

Die Bundeskanzlerin ist eine durchsetzungsfähige Frau, die nicht nur Stress aushalten, sondern Anderen auch bereiten kann. Den könnte der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, zu spüren bekommen, wenn er seiner Chefin beim Thema Anti-Stress-Verordnung nocheinmal widersprechen sollte. Zurückgezogen hat er seinen Widerspruch bisher aber auch nicht.


Schon im Jahr 2005 wollte Angela Merkel, robust wie sie nun einmal ist, Bremsklötze niederwalzen, die sich dem Wachstum entgegenstellen. Als ich das damals las, kam mir sogleich die Merkelwalze in den Sinn.

 


24. September 2014 – 02:42

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/anti-stress-verordnung-merkel-will-arbeitnehmer-nicht-vor-mailflut-schuetzen/10731926.html

[...] In ihrem Video-Podcast sagte Merkel am Samstag auf die Frage, ob die Arbeitgeber nach dem Mindestlohn und dem Rentenpaket mit weiteren Regulierungen rechnen müssten, etwa einer Anti-Stress-Verordnung: „Ich glaube, sie müssen nicht mit weiteren Regulierungen rechnen. Ich stehe einer Anti-Stress-Verordnung sehr kritisch gegenüber.“ Jetzt heiße es, in die Zukunft zu blicken – mit den Schwerpunkten Forschung und Investitionen, solide Haushaltspolitik „und, wo immer es möglich ist, auch Bürokratieabbau“

Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, will das Nein Merkels nicht hinnehmen. Er hält rechtlich verbindliche Regelungen zur Vermeidung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz für überfällig. „Die steigenden Fehlzeiten und Frühverrentungen wegen psychischen Erkrankungen zeigen, dass politischer Handlungsbedarf besteht“, sagte Bäumler dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Hier werden Kosten aus der Arbeitswelt in die Krankenversicherung und Rentenversicherung verlagert.“ [...]

Siehe auch: http://blog.psybel.de/die-anti-stress-verordnung-jetzt-auf-den-weg-bringen/

Unsere Bundeskanzlerin möchte also jenen Arbeitgebern, die sich straflos über die Vorschriften des Arbeitsschutzes hinwesetzen, unter dem Deckmantel des “Bürokratieabbaus” auch weiterhin keine Hindernisse in den Weg legen. Angela Merkel toleriert damit die bestehende Anarchie im Arbeitsschutz. Sie ist mitverantwortlich dafür, dass die Gewerbeaufsicht weiterhin überfordert bleibt. Es ist von 1996 bis heute ja nicht einmal die “Bürokratie” aufgebaut worden, die für die Aufsicht im ganzheitlichen Arbeitsschutz erforderlich ist. Recht so gestaltet zu lassen, dass auf dem Papier gut aussieht, aber in der Praxis nicht ausreichend wirksam werden kann, ist eigentlich schon ziemlich schäbig.

CDU/CSU: Reine Wohlfühlprogramme

Samstag, 18. Oktober 2014 - 20:23

Peter Ramsauer (CSU) hat vorgeschlagen, zur Stärkung der Wirtschaft Koalitionsprojekte auszusetzen. In der Unionsfraktion ist Ramsauer mit diesem Ansinnen nicht alleine. Michael Fuchs (Unions-Fraktionsvize), Gerda Hasselfeldt (CSU-Landesgruppenchefin) und Carsten Linnemann (Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung) ziehen mit. Auch dabei bleibt es nicht (http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/koalitionskrach-kuendigt-sich-an-ramsauer-will-mindestlohn-aussetzen/10840820.html):

[...] Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), springt Ramsauer zur Seite. [...] Entsprechend müssten die geplanten Regelungen 

  • zur Frauenquote,
  • zum Gesetz zur „besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“
  • oder das Anti-Stress-Gesetz

auf den Prüfstand. „Angesichts der gedämpften Wachstumsprognosen können wir bei den Ausgaben nicht einfach so weitermachen und mit dem Füllhorn übers Land ziehen“, warnte Pfeiffer. „Es ist an der Zeit, reine Wohlfühlprogramme zu überdenken oder zumindest zu verschieben.“ [...]

(Originalzitat mit von mir verändertem Layout)

Dem wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU reichen die Verzögerungstricks, die die Unionsparteien in den Koalitionsvertrag einbauen konnten, wohl noch nicht aus.

 


Abschließend müssen wir noch klären, was unter “reine Wohlfühlprogramme” zu verstehen ist.

http://wortschatz.uni-leipzig.de/cgi-portal/de/wort_www?site=208&Wort_id=15312549
2014-10-18:

Wort: Wohlfühlprogramm
Anzahl: 37
Häufigkeitsklasse: 18 (d.h. der ist ca. 2^18 mal häufiger als das gesuchte Wort)

Beispiel(e):
Als Highlight erwartet alle Saunafans bei zwei Mitternachtssaunen am 3. und 17. Oktober ein außergewöhnliches Aufguss- und Wohlfühlprogramm mit ausgewählten Düften wie Mango oder Tropical Fruits sowie einzigartige Erlebnisaufgüsse und exotische Masken. (Quelle: www.tz-online.de, 2011-01-31)
Du kannst dein Wohlfühlprogramm mit einem Gesichtspeeling und einem Ganzkörperpeeling beginnen. (Quelle: www.krone.at, 2011-01-11)
»Ein abwechslungsreiches Wohlfühlprogramm für müde Mamas« lautet daher die Zweitüberschrift des Abends, der in Kooperation mit dem Fam.o.S. stattfindet. (Quelle: www.haller-kreisblatt.de, 2011-01-04)
weitere Beispiele

Signifikante Kookkurrenzen für Wohlfühlprogramm:
Kreuz (47.6), Privatklinik (46.83), Patienten (36.68), ein (15.3), Österreich (14.27), neben (13.82), für (13.09), mit (9.45), Mit (9.24), Ein (9.05), lassen (8.82), sowie (8.04)
Signifikante linke Nachbarn von Wohlfühlprogramm:
Ein (21.22), zum (15.8), ein (10.45), das (8.61), und (3.96)
Signifikante rechte Nachbarn von Wohlfühlprogramm:
für (21.25), mit (13.68)

Hinsichtlich des Begriffes “Füllhorn” bitte ich die geneigten Leser dieses Blogs, sich gegebenenfalls selbst bei der Uni Leipzig zu informieren.

Kauder hat Stress mit Nahles

Donnerstag, 28. August 2014 - 07:26

Die Union ist gegen die von Andrea Nahles vorangetriebene Anti-Stress-Verordnung. “Gerade heute brauchen die Unternehmer die Flexibilität ihrer Mitarbeiter”, so zitierte das Handelsblatt heute den Unions-Fraktionschef Volker Kauder. “Da arbeiten Menschen aus vielen Ländern der Welt an einem Projekt, manchmal 14 Tage am Stück”, und danach nähmen sie sich mehrere Tage frei - meint Kauder. Unternehmen gingen - angesichts des Fachkräftemangels - ohnehin sorgsam mit ihren Mitarbeitern um, da leuchte ihm die Notwendigkeit einer Anti-Stress-Verordnung nicht ein.

Eine gut gemachte Anti-Stress-Verordung schränkt die Flexibilität der Unternehmen aber überhaupt nicht ein. Die Verordnung soll doch nur dafür sorgen, dass seit Jahren geltendes Recht zu tatsächlich umgesetzten Recht wird, so wie sich das in einem Rechtsstaat nun einmal gehört. Psychische Belastungen werden dabei aber gar nicht verboten. Das ist in Ordnung, denn ohne psychische Belastungen gibt es keine Arbeit. Psychische Fehlbelastungen müssen jedoch gemindert werden, und zwar nachprüfbar. Kauder mag das nicht, aber im vorigen Jahrhundert mussten man sich ja auch erst daran gewöhnen, dass physische Fehlbelastungen nicht mehr hingenommen werden müssen. Heute sind vermeidbare psychische Fehlbelastungen nicht mehr akzeptabel.

Gerade heute brauchen die Menschen angesichts der von den Unternehmen benötigten Flexibilität eine gesunde Psyche. Andrea Nahles weiß, wie man Themen in’s Gespräch bringt.

 


Aus einem Interview im heutigen Handelsblatt wird (von der Agentur AFP?) herausgelesen, dass der Unionsfraktionschef Kauder “strikt” gegen die von Arbeitsministerin Nahles geplante Anti-Stress-Verordnung sei. Es ginge auch ohne neue Regeln. Das stimmt: Für die Mehrheit der Unternehmer und die überforderten Gewerbeaufsichten ginge es auch ohne neue Regeln, weiterhin ungestraft gegen das Arbeitsschutzgesetz zu verstoßen. Das Unterfangen, das Thema “psychische Belastung am Arbeitsplatz” möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten blieb dank dieser Situation zu lange ungestört.

Thema des Interviews mit Volker Kauder, das im Handelsblatt fast eine ganze Seite füllt, war “Mehr Mut für neue Ideen”. In einem kleinen Absatz sagte Kauder auch etwas zur Anti-Stress-Verordnung. Unter dem Titel “Stress mit dem Arbeitsschutzgesetz” schrieb Frank Specht dann noch einen Artikel neben dem Interview über die Ablehnung einer Anti-Stress-Verordnung durch die Union und die Arbeitgebervereinigung BDA. Specht schreibt, der Generalsekretär der CDU, Wolfgang Steiger warne davor, die Freiheiten von Unternehmernund Arbeitnehmern weiter einzuschränken. Das Argumentationsmuster ist bekannt, aber eine Anti-Stress-Verordung könnte beiden Parteien ja auch weiterhelfen, ihre Freiheiten besser zu nutzen.

Noch als Arbeitsministerin erkannte Ursula v.d. Leyen “Unwissenheit und Hilflosigkeit” beim Thema der arbeitsbedingten psychischen Belastungen. Das ist keine gute Basis für die Nutzung der Freiheit, die das Arbeitsschutzgesetz den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern als Rahmengesetz gewährt und die Frakn Specht verteidigen will. Der sich aus dieser Freiheit ergebende Gestaltungsbedarf wurde von 1996 bis etwa 2011 kaum befriedigt. Da kann man schon auf die Idee kommen, mit einer Verordnung ein bisschen nachzuhelfen.

Wie kann man gegen eine Verordnung sein, die es noch gar nicht gibt? Es kommt doch darauf an, wie eine solche Verordnung dafür sorgt, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber endlich in die Puschen kommen. Eine solche Verordnung könnte ja nicht nur Hilfestellung bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes geben, sondern auch helfen, den § 89 BetrVG (Mitbestimmung im Arbeitsschutz) zeitgemäß umzusetzen, und zwar auch in Betrieben ohne Arbeitnehmervertretung.

So könnte man z.B. Betriebe fördern, in denen mindestens ein Arbeitnehmervertreter (oder Arbeitnehmer, wenn es keinen Betriebsrat gibt) das Arbeitsschutzmanagement nach ISO 19011 gut qualifiziert und professionell auditieren kann. Arbeitsschutz-Audits müssten explizit als “Besichtigungen” im Sinne des § 89 definiert werden, um die Teilnahme der Mitarbeiter (bzw. deren Vertreter) an Audits sicherzustellen. Die Arbeitnehmer müssten nicht nur das Recht haben, die in Audits gewonnenen Erkenntnisse zu erfahren, sondern sie müssten dieses Recht auch in der Praxis nutzen können.

Ich finde, dass Festlegungen von Belastungsgrenzen in einer Anti-Stress-Verordnung wenig Sinn machen. Die Grenzen müssten sehr hoch liegen, um allgemeinverbindlich zu sein. Belastungsgrenzen sollten tatsächlich die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber betriebsnah miteinander vereinbaren. Wichtiger ist es, im Arbeitsschutz glaubwürdige Prozesse zu haben, die nicht nur auf dem Papier stehen, sondern Fehlbelastungen tatsächlich vorbeugen und auch für die Arbeitnehmer vollständig transparent und nachvollziehbar sind. Um an der Gestaltung mitwirken zu können, brauchen insbesondere die Arbeitnehmer jedoch mehr Wirkungsmöglichkeiten und auch eine bessere Qualifikation. Wer mitbestimmen will, muss sich in der mitbestimmten Thematik gut auskennen. Daran hapert es auch bei vielen Arbeitnehmervertretern. Hier könnte eine praxisnah gestaltete Anti-Stress-Verordnung ebenfalls weiterhelfen.

Die “Anti-Stress-Verordnung” jetzt auf den Weg bringen

Mittwoch, 13. August 2014 - 07:08

http://www.cda-bund.de/news/alle-news/news/alle-news/news-detailansicht/?L=gsnoqvyy&tx_ttnews%5Btt_news%5D=2725&cHash=64b8f366c904c0c3a38049d9c249e967

CDA-Vize Christian Bäumler: Die “Anti-Stress-Verordnung” jetzt auf den Weg bringen
Montag, 11. August 2014

Christian Bäumler, erster stellvertretender CDA-Bundesvorsitzender, unterstützt die Forderung nach einer „Anti-Stress-Verordnung“: „Die Unions-Fraktion darf das Thema nicht der SPD überlassen. Sie muss der Arbeitsministerin signalisieren: Wir wollen jetzt verbindliche Regeln zum Schutz der Psyche im Job. Die ‚Anti-Stress-Verordnung‘ steht schließlich im Koalitionsvertrag: CDU/CSU und SPD benennen sie explizit als Option, die seelische Gesundheit in der Arbeitswelt besser zu schützen. Das Ministerium muss jetzt einen Entwurf erarbeiten – gemeinsam mit den Sozialpartnern.

Die Politik darf sich nicht hinter vermeintlich fehlenden wissenschaftlichen Erkenntnissen verstecken, sondern muss handeln. Denn immer mehr Beschäftigte gehen vor Stress und Druck in die Knie. Das belegen zum Beispiel der Stress-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin oder der DGB-Index Gute Arbeit. Nicht umsonst wird auch im Koalitionsvertrag die Zunahme psychischer Erkrankungen als ‚Herausforderung für den Arbeitsschutz‘ bezeichnet.“

Koalitionsvertrag: Ganzheitlicher Arbeitsschutz

Donnerstag, 28. November 2013 - 07:06

https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf und http://www.spd.de/linkableblob/112790/data/20131127_koalitionsvertrag.pdf, Auszug:

Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und SPD
18. Legislaturperiode

Ganzheitlicher Arbeitsschutz

Der Schutz der Beschäftigten vor Gefahren am Arbeitsplatz und die Stärkung der Gesundheit bei der Arbeit ist ein wichtiges Gebot sozialer Verantwortung. Ein deutlicher Hinweis auf die Herausforderungen, die eine sich wandelnde Arbeitswelt für den deutschen Arbeitsschutz bedeutet, ist die drastische Zunahme psychischer Erkrankungen. Unser Leitbild ist ein ganzheitlicher, physische und psychische Belastungen umfassender Gesundheitsschutz bei der Arbeit. Die Zusammenarbeit mit der allgemeinen Gesundheitspolitik wird ausgebaut. Betriebliche Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz werden enger verknüpft. Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) wollen wir stärken und mehr Verbindlichkeit erreichen.

Gesundheitszirkel in den Betrieben haben sich in der Praxis als erfolgreicher Ansatz erwiesen. Wir wollen erreichen, dass in Unternehmen in Kooperation mit den gesetzlichen Krankenkassen solche Zirkel vermehrt eingerichtet werden. Wir werden die Entwicklung neuer Präventionskonzepte und betrieblicher Gestaltungslösungen bei psychischer Belastung in enger Zusammenarbeit mit den Trägern der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie vorantreiben, den Instrumenteneinsatz besser ausrichten, auf eine verbesserte Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken und in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen. Es erfolgt eine wissenschaftliche Standortbestimmung, die gleichzeitig eine fundierte Übersicht über psychische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt gibt und Handlungsoptionen für notwendige Regelungen aufzeigt. Im Lichte weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse schließen wir insoweit auch verbindliche Regelungen in der Form einer Verordnung gegen psychische Erkrankungen nicht aus.

Der Schutz und die Stärkung der physischen Gesundheit in besonders belastenden Tätigkeiten werden weiter verbessert, die entsprechende Forschung unter Begleitung der Tarifpartner intensiviert und Lösungsvorschläge zur Vermeidung arbeitsbedingter Verschleißerkrankungen und Frühverrentungen erarbeitet.

Kontrolle des Arbeitsschutzes: Im 1. Entwurf (Stand 24.11. 20:00) stand: “auf eine Personalaufstockung bei der Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken”. Im finalen Text steht “auf eine verbesserte Kontrolle des Arbeitsschutzes hinwirken”. Wir sollten uns also in Erinnerung behalten, dass in den Koalitionsverhandlungen der Personalmangel bei der Gewerbeaufsicht angesprochen wurde. Es sind noch andere Schwächen zu beheben (die in der Vergangenheit aus meiner Sicht wegen der Fehleinschätzung des unternehmerischen Verantwortungsbewusstseins bewusst von der Politik toleriert wurden). Konkrete Maßnahmen müssen aber bezahlt werden.

Arbeitsschutz in Zusammenarbeit mit der allgemeinen Gesundheitspolitik: In der Vergangenheit hatten sich nach meinem Eindruck das CDU-geführte Bundesministerium für Arbeit (mit dem verhältnispräventiv orientierten Arbeitsschutz) und das FDP-geführte Ministerium für Gesundheit (mit einer überwiegend verhaltenspräventiv angelegten Gesundheitsförderung) nicht sonderlich gut abgestimmt. Zusammenarbeit ist gut, aber mit dem beabsichtigten Ausbau der Zusammenarbeit des Arbeitsschutzes mit der allgemeinen Gesundheitspolitik könnte weiterhin versucht werden, die Kosten des Arbeitsschutzes weg von den Arbeitgebern hin zu den Mitarbeitern und der Gemeinschaft der Krankenversicherten und Steuerzahler zu verschieben.
        Darum ein wichtiger Hinweis: Verkauft ein Arbeitgeber z.B. der Gewerbeaufsicht, den Auditoren, seinen Mitarbeitern usw. Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitförderung als “Arbeitsschutzmaßnahmen”, dann muss der Arbeitgeber die Kosten tragen und vor der Durchführung der Arbeitsschutzmaßnahme die Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates oder des Personalrates beachtet haben. Wenn die Maßnahme überwiegend verhaltenspräventiv ist, dann ist sie nachrangig gegenüber den im Arbeitsschutz vorgeschriebenen verhältnispräventiven Maßnahmen. Und Maßnahmen, für die Mitarbeiter eigene Zeit und eigenes Geld aufbringen müssen (selbst, wenn nur teilweise), sind keine Arbeitsschutzmaßnahmen.

Klarstellung: Mit “in bestehenden Arbeitsschutzverordnungen, die noch keine Klarstellung zum Schutz der psychischen Gesundheit enthalten, dieses Ziel aufnehmen” steht nun auch im Koalitionsvertrag, dass hier nur eine Klarstellung vorgenommen wird. Die Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz besteht nämlich schon seit dem Jahr 1996.

Anti-Stress-Verordnung: Wissenschaftliche Standortbestimmungen, die gleichzeitig eine fundierte Übersicht über psychische Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt geben und Handlungsoptionen für notwendige Regelungen aufzeigen, sind längst verfügbar. Die Koalitionsverhandler einigten sich nur auf ein unverbindliches Nachdenken über eine “Verordnung gegen psychische Erkrankungen”, die die SPD will, aber nicht so sehr die CDU/CSU. Damit reiht sich dieses wohl auch als “Anti-Stress-Verordnung” bekannte Thema in eine Warteschlange mit über 80 Prüfaufträgen im Koalitionsvertrag ein, mit denen diese Koalition die Leidensfähigkeit der Bürger prüfen wird.

Politiker erleichtern Missachtung des Arbeitsschutzgesetzes

Sonntag, 8. September 2013 - 10:20

Alle politischen Parteien, die an der Gestaltung und Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes mitgewirkt hatten und noch mitwirken, hatten den Unternehmen gleichzeitig auch die Missachtung des Gesetzes erleichtert. Immerhin haben die SPD und die Grünen dazugelernt und sind mit der “Anti-Stress-Verordnung” nun auf dem richtigen Weg.

Arbeitgeber kommen mit ihrer Gestaltungsfreiheit nicht zurecht: Nun kam es unter der Moderation des BMAS zu einer gemeinsamen Erklärung der BDA und des DGB zur psychische Gesundheit in der Arbeitswelt. Die Erklärung ist zwar schon ganz brauchbar, aber das Grundproblem wurde nicht deutlich. Ein Hinweis auf das Grundproblem ist die Forderung der Arbeitgeber nach “Handlungssicherheit”. Sie kommen mit der Gestaltungsfreiheit nicht zurecht, die sie sich noch im letzten Jahrhundert mit intensiver Lobbyarbeit verschafft hatten: Damals trieben sie auf europäischer Ebene die “Entbürokratisierung” der Gesetzgebung voran. Resultat waren eine europäische Arbeitsschutzrichtlinie, die zu Rahmengesetzen führte, innerhalb derer Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschiedliche Regelungen für einzelne Betriebe vereinbaren konnten. Ihre Gestaltungsfreiheit haben die meisten Arbeitgeber bis heute nicht genutzt, obwohl sie auch eine Gestaltungspflicht war. Denn auch die Gewerbeaufsichten waren mit dieser Situation überfordert. Ich glaube inzwischen, dass das durchaus poltisch beabsichtigt war.

Es geht ans Eingemachte: Anstelle sich rechtzeitig mit den Personal- und Betriebsräten zusammenzusetzen und zu Vereinbaren zu kommen, gelang es den meisten Arbeitgebern so, das Thema bis etwa in das Jahr 2011 zu verschleppen. Wie kann das sein, wenn sie doch behaupten, ein guter Arbeitsschutz sei aus wirtschaftlichen Gründen auch im Interesse der Wirtschaft? Das kann deswegen sein, weil noch immer nicht begriffen wurde, dass sich zu viele Führungskräfte individuell gegen einen gut dokumtierten Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz wehren: Ein wichtiger Grund für die fehlende Begeisterung der Unternehmern beim Thema der psychischen Belastungen ist, dass Führungskräfte ahnen/wissen, dass es bei ggf. erforderlichen Veränderungen häufig ans Eingemachte (Organisation, Personaleinsatz/ -entwicklung, Führung/ Kommunikation) geht - und dass man dieses (Diskussions-) Risiko scheut.

Der Arbeitsschutz begrenzt die Unternehmensautonomie: Im Grunde versteht die BDA insbesondere die Mitbestimmung beim Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz als einen Angriff auf die Unternehmensautonomie. In Deutschland dürfen die Unternehmen aber autonom genug sein, sich über das Gesetz zu stellen. Sie ignorieren einfach jene Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes, mit denen sie nicht einverstanden sind. Sie machen das, weil sie das können. Das ist Anarchie. In diesen Unternehmen wird insbesondere der mitbestimmte Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz als eine Einschränkung der Unternehmensführung gesehen. Zur Führung gehört, auf Arbeitnehmer in verschiedenster Weise Druck ausüben zu können. Da auch Arbeitnehmer nicht immer ihre vertraglichen und gesetzlichen Pflichten erfüllen, kann solch ein Druck fallweise legitim sein, aber ein vorschriftsmäßiger Arbeitsschutz mit einer guten Dokumentation erhöht die Verantwortung, die Arbeitgeber für ihre Maßnahmen gegenüber Arbeitnehmern haben. Die dabei durch einen ordentlichen Arbeitsschutz hergestellte Transparenz stellt bisher nicht offen dokumentierte Führungsstile jedoch in Frage. Das ist für manchen “Macher” schwer verdaulich.

Rechtsbrüche an der Tagesordnung: Wir haben hier einen Kampf um neue Grenzen für Macht. Eine Bundesregierung, die naiv glaubt, dass wirtschaftlichen Gründe als Motivation der Arbeitgeber für einen guten Arbeitsschutz ausreichen, vergisst, dass das Interesse “der Wirtschaft” nicht unbedingt dem Interesse der vielen einzelnen Führungskräfte entspricht, ihre Handlungsspielräume zu maximieren und gleichzeitig Verantwortung zu vermeiden. Es ist doch spätestens seit 1996 klar: Zu viele Führungskräfte missachten die ihnen unangenehmen Passagen des Arbeitsschutzgesetzes seit langer Zeit und mit großer Beharrlichkeit. Auch beim Arbeitszeitgesetz ist längst bekannt, dass Rechtsbruch seit Jahrzehnten dort an der Tagesordnung ist, wo nicht so genau hingesehen werden kann. Dort, wo genau hingesehen wird, zahlen z.B. “eigenverantwortlich handelnde” LKW-Fahrer die Strafe für nicht ausreichende Ruhezeiten selbst. Das hat banale Ursachen: Die Politik will nicht wahrnehmen, wie es um die realen Abhängigkeitsverhältnisse in der Arbeitswelt bestellt ist. Dann werden Schutzvorschriften so gestaltet, dass sie nur schwer umzusetzen sind.

Gesetze sind nur auf dem Papier “streng”: Bei psychischen Belastungen ist das Hinsehen viel komplizierter, als im “klassischen” technischen Arbeitsschutz. Die Gewerbeaufsichten blickten einfach nicht durch. Darum konnte auch im Arbeitsschutz unter den Augen der Gewerbeaufsicht die Anarchie herrschen. CDU, CSU und insbesondere die FDP unternehmen nichts wirklich Wirksames gegen diese Zustände. Die Bundesministerin von der Leyen sprach von “strengen” Gesetzen, aber diese Strenge wurde seit 1996 nicht spürbar. Mit solchen Frivolitäten hilft die Bundesregierung vielen Arbeitgebern, wichtige Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes souverän zu ignorieren.

Fragen an Arbeitgeber: Mir ist hier allerdings eine Ausnahme bekannt: Dort wo die FDP einer Regierung, an der sie nicht beteiligt war, an den Wagen fahren konnte, interessierte sie sich plötzlich und mit überraschender Kompetenz für das Thema der psychischen Belastungen. Ausgerechnet aus einer Anfrage der FDP im Senat des Landes Berlin entstand meine Liste von Fragen an Arbeitgeber. Die FDP kennt sich also aus. Von der FDP wird aber trotzdem kaum zu erwarten sein, dass sie gleichermaßen deutliche Fragen an die vielen Unternehmen richten wird, in denen sie ihre Klientel sieht. Das ist eine besonders üble Politik wider besseren Wissens.

Psychische Gesundheit am 13. Mai im Bundestag

Mittwoch, 17. April 2013 - 23:45

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/130/1713088.pdf

Für eine humane Arbeitswelt – Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken
[...]
Volker Kauder [CDU], Gerda Hasselfeldt [CSU] und Fraktion
Rainer Brüderle [FDP] und Fraktion

Die zweite von 15 Forderungen in dem Antrag der Koalitionsfraktionen ist,

durch mehr Öffentlichkeitsarbeit bei Unternehmen, Verwaltungen, sonstigen Einrichtungen und Belegschaften verstärkt für die betriebliche Gesundheitsförderung zu werben.

Mit Gesundheitsförderung von mangelhaftem Arbeitsschutz ablenken: Die Werbung für die betriebliche Gesundheitsförderung ist jetzt schon viel umfangreicher (und wohl auch besser finanziert), als die Werbung für den vorschriftsmäßigen Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Anstelle der Gewerbeaufsicht ausreichende Ressourcen zu geben, soll nach dem Willen der Koalition noch mehr Geld in eine betriebliche Gesundheitsförderung gesteck werden, die im Gegensatz zum Arbeits- und Gesundheitsschutz auch die Ressourcen (Zeit und Geld) der Arbeitnehmer beanspruchen kann.
    Der Antrag der Regierungsparteien ist ein Versuch (ähnlich der Strategie des FDP-geführten Bundesministeriums für Gesundheit), betriebliche Gesundheitsförderung vor dem Arbeitsschutz in den Vordergrund zu stellen. Tatsächlich ist die betriebliche Gesundheitsförderung nur eine Ergänzung des Arbeitsschutzes.
    Die Forderungen im Antrag der Regierungsfraktionen sehen auf den ersten Blick sinnvoll aus, könnten (und sollen?) aber von den bekannten Mängeln bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes ablenken. Der verhältnispräventionsorientierte Arbeitsschutz liegt speziell der FDP wohl ohnehin nicht so sehr, weil er die unternehmerische Verantwortung erhöht. Mit dem Antrag der Regierungskoalition wird Arbeitsschutz unter vielen Forderungen erdrückt, die nichts mit dem Arbeitsschutz zu tun haben.

Gewerbeaufsicht: Anstelle in dem Antrag viele nicht zum Arbeitsschutz gehörenden Forderungen zusammen zu rühren, wäre es einfacher, ersteinmal die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes sicherzustellen und die Gewerbeaufsichten wieder vernünftig arbeiten zu lassen. Das ist aber nicht das Ziel der Koalitionsfraktionen. Die Aufsicht darf weiter hungern, bedient werden statt dessen die Unternehmen mit der Forderung,

den Richtwert in § 20 Abs. 2 SGB V für die Gesundheitsförderung zu erhöhen und zwei Euro pro Versicherten als Mindestwert für die BGF festzuschreiben, mit dem Ziel Investitionen in den Erhalt der Gesundheit am Arbeitsplatz zu steigern. Nicht in Anspruch genommene Mittel sollen regionalen Kooperationen der Krankenkassen mit örtlichen Unternehmensorganisationen zugutekommen.

Gefährdungsbeurteilung: Besonders fällt auf, dass im Entwurf der Koalition nichts zur Gefährdungsbeurteilung gesagt wird. Das ist fast schon eine Sabotage der noch ziemlich frischen Anstrengungen der letzten zwei bis drei Jahre, die bisherigen Anarchie im Arbeitsschutz zu beenden: Etwa 80% der Unternehmen versäumen auch heute noch, auch psychische Belastungen vorschriftsmäßig in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen.

Mitbestimmung: Die Forderungen der CDU/CSU und FDP ignorieren nicht nur die Gefährdungsbeurteilung, eines der wichtigsten Instrumente des Arbeitsschutzes. Auch die Rolle der Personal- und Betriebsräte interessiert diese Koalitionspolitiker nicht.

[...] Da die besten Lösungen partnerschaftlich gefunden werden, obliegt es Arbeitgebern wie Arbeitnehmern, gemeinsam ihrer Verantwortung für den Erhalt der psychischen Gesundheit nachzukommen. Nach den Ergebnissen der BIBB/BAuAErwerbstätigenbefragung 2011/2012 herrscht in den Betrieben ein gutes soziales Miteinander, allerdings fühlen sich viele Beschäftigte zu wenig von ihrem Vorgesetzten unterstützt (BAuA: Stressreport Deutschland 2012). Während Vorgesetzte sich von einer ständigen Erreichbarkeit ihrer Mitarbeiter verabschieden müssen, müssen Arbeitnehmer aber auch selbstbewusst genug sein, ihr Handy in ihrer Freizeit auszuschalten. Freizeit und die damit einhergehenden Erholungsmöglichkeiten muss für alle Beteiligten eine größere Bedeutung annehmen. [...]

Man sieht, dass durchaus an ein gemeinsames Vorgehen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gedacht wurde. Aber dass das Mitbestimmung heißt, haben zumindest die Antragssteller der CDU, CSU und FDP anscheinend bis heute nicht verstanden. Dabei war es doch die Philosophie des Arbeitsschutzgesetzes, anstelle bürokratischer Regeln einen weiten Rahmen zu bieten, innerhalb dessen dann Arbeitgeber und Arbeitnehmer betriebsnahe Lösungen finden. Diesen Politikern passt aber wohl diese ganze Richtung nicht, obwohl auf der Arbeitsebene beispielsweise in einem bayerischen Staatsministerium die Bedeutung von Arbeitnehmervertretern (zusammen mit den Betriebsärzten) schon angesichts der Überforderung der Gewerbeaufsicht sehr gut verstanden wird. Mitbestimmung hat für die Koalitionsparteien im Arbeitsschutz offensichtlich keine Bedeutung. Hier hat sich die FDP wohl durchgesetzt.

Pflichtverletzungen im Arbeitsschutz: Die Koalition sieht (abgesehen von ein paar inzwischen verhallten Drohungen Ursula von der Leyens) den Pflichtverletzungen der Arbeitgeber ziemlich untätig zu und scheint diese Versäumnisse auch weiterhin zulassen zu wollen. Die Regierungsparteien fördern also weniger die Gesundheit, sondern sie tolerieren die Rechtsverstöße der Mehrheit der Arbeitgeber und fördern damit die speziell von der FDP geschickt betriebene Schwächung des Arbeitsschutzes.

Ursachen psychischer Erkrankungen: Im Antrag gibt es dazu Mutmaßungen. Dazu siehe http://blog.psybel.de/stichwort/arbeitsbedingte-risiken/

Eristik: Die Antragssteller der Koalitionsfraktion sind sich auch nicht zu schade, auf die psychische Belastung von Arbeitslosen zu verweisen und damit Dietmar Hundts eristische Argumentation zu übernehmen, allerdings in einer noch ausgefuchsteren Weise, als Hundt das versuchte.

 
Am 13. Mai im Bundestag:
Bei der öffentlichen Expertenanhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestagsliegen jetzt vier Anträge vor.
http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a11/anhoerungen/2013/133_Sitzung_psych_Belastung/Gegenstand/index.html

Navigationspfad: Startseite > Der Bundestag > Ausschüsse > Arbeit und Soziales > Anhörungen > Öffentliche Anhörungen 2013 > 13.05.2013: Psychische Belastungen in der Arbeitswelt > Gegenstand der Anhörung

Ausschuss für Arbeit und Soziales – Gegenstand der Anhörung

 

PS: In dem Antrag der CSU/CDU/FDP werden auch gesundheitsziele.de, die Initiative Gesundheit & Arbeit und das Deutsche Netzwerk für betriebliche Gesundheitsförderung erwähnt. Hier ist die Versicherungswirtschaft gut vertreten, aus der in der Vergangenheit kaum Kritik an jene Arbeitgebern gerichtet wurde, die ihre Pflichten im Arbeitsschutz ignorierten.

Noch ein Datum: Am 22. April geht es im Bundestag um Änderungen des Arbeitsschutzgesetzes: Psychische Belastungen sollen darin explizit genannt werden.

Systematisch betriebener Arbeitsschutz

Samstag, 12. Januar 2013 - 07:25

http://www.cducsu.de/Titel__psychische_gesundheit_in_der_arbeitswelt_wird_schwerpunktthema/TabID__6/SubTabID__7/InhaltTypID__1/InhaltID__24214/inhalte.aspx

02.01.2013
Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt wird Schwerpunktthema
Neue Arbeitsperiode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) startet

Peter Weiß

2013 geht die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie unter der Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in ihre neue Arbeitsperiode. Hierzu erklärt der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Weiß:

Mit Jahresbeginn 2013 startet die neue Arbeitsperiode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) – eine Aktion von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern – unter dem Vorsitz des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Wir begrüßen, dass der Erhalt der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt Schwerpunktthema wird. Hier besteht angesichts der Entwicklung der letzten Jahre großer Handlungsbedarf.

Durch einen systematisch betriebenen Arbeitsschutz und betriebliches Gesundheitsmanagement können psychischer Erschöpfung, Depression und Burn-out Einhalt geboten werden. Um tragfähige Konzepte zu erhalten gilt es, die GDA so aufzustellen, dass sie Unternehmen sowie Betriebs- und Personalräten einen Stütze für eine umfassende und passgenaue betriebliche Gesundheitsförderung ist. Unverzichtbar ist, das Know-How in den Betrieben zu erhöhen, indem die betrieblichen Akteure informiert und qualifiziert werden. Dazu gehört auch ausreichend geschultes Aufsichts- und Arbeitsschutzpersonal, das Betriebe berät und überwacht. Daneben bedarf es künftig mehr tariflicher Regelungen und Betriebsvereinbarungen für das Feld der psychischen Gesundheit.

Damit ein Präventionssystem geschaffen werden kann, das alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreicht, sind auch die Sozialpartner gefragt. Ohne deren Impulse aus der Praxis und der konkreten Umsetzung der Beschlüsse vor Ort bleibt das Ziel psychische Gesundheit am Arbeitsplatz eine leere Worthülse.

Schwerpunkte in der GDA-Periode 2013 bis 2018 sind neben Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung, die Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes sowie die Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich. Nähere Informationen unter www.gda-portal.de.

(Hervorhebungen nachträglich vorgenommen))

Peter Weiß (CDU) ist seit dem Jahr 2000 Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in Südbaden. Den Vorsitz der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat er seit dem Jahr 2009.