Schlagwort 'Mitbestimmungspflicht'

Gesundheitsförderung bei VW in Kassel

Donnerstag, 6. Februar 2014 - 07:15

http://www.focus.de/regional/hessen/gesundheit-von-steh-sitz-arbeitsplatz-bis-rundum-check-gesundheit-bei-vw_id_3593472.html

[...] Doch was sagt der bei Europas größtem Autobauer traditionell einflussreiche Betriebsrat zu den Angeboten? „Wir sind der Treiber für eine betriebliche Gesundheitsförderung“, betont Betriebsratsmitglied Thomas Frye. „Die Menschen nehmen das an.“ Denn solche Untersuchungen machten dem Arbeitgeber deutlich, dass die Belastung gestiegen sei. „Die Frage ist, was wir mit den Ergebnissen machen. Das ist die Herausforderung der nächsten Monate und Jahre.“ [...]

In vielen Fällen sind die Arbeitnehmervertreter tatsächlich die Treiber.

 

[...] Das BGM ist freiwillig, es gibt keine gesetzliche Grundlage. Doch es gebe Berührungspunkte mit dem Arbeitsschutz bei der psychischen Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen, betont Walle. Erst 2013 sei das Thema psychische Belastung im Arbeitsschutzgesetz an eine prominente Stelle gehoben worden. Seitdem seien Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitsbedingungen auch daraufhin zu beurteilen. [...]

Gute Darstellung des Verhältnisses von Arbeitsschutz und BGM (Betriebliches Gesundheitsmanagement). Aber die Darstellung, dass die Arbeitgeber erst seit 2013 zur Beurteilung psychischer Belastungen verpflichtet sind, ist schlicht falsch: Sowohl der Gesetzgeber wie auch die BDA (Arbeitgebervereinigung) haben genügend deutlich gemacht, dass die Hinzunahme psychischer Belastungen im Arbeitsschutzgesetz nur eine Klarstellung bereits geltenden Rechts ist. Die Erweiterung des Arbeitsschutzgesetzes kann daher nicht als Ausrede für Versäumnisse in der Vergangenheit mißbraucht werden.

 

[...] Eine reelle psychische Gefährdungsbeurteilung werde allerdings noch Jahre dauern, betont VW-Werkarzt Nöring. Es gebe noch keine Normwerte, zudem sei beispielsweise nicht objektiv zu ermitteln, wann eine Erschöpfung eintrete und welche Folgen diese habe. „Das ist pures Empfinden.“ [...]

Auch das ist so nicht richtig. Es gibt seit vielen Jahren Testverfahren, die ihrerseits auch wissenschaftlich getestet wurden. Außerdem: Gerade wenn Normen fehlen, entsteht ein Gestaltungsspielraum, in dem der Mensch situationsgerecht entscheidet, was eine Fehlbelastung ist und was nicht. Dafür entstand das Arbeitsschutzgesetz im Jahr 1996 als Rahmengesetz. Innerhalb dieser Vorschrift müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam betriebsgerechte Lösungen erarbeiten, und zwar auch für den Umgang mit psychischen Belastungen seit 1996 (höchstrichterlich bestätigt im Jahr 2004), nicht erst seit 2013. Genau dafür ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer als Pflicht vorgeschrieben. Das Fehlen gesetzlicher Regeln und das Fehlen von Normen ist in der Rechtsprechung sogar ein wesentlicher Bestandteil der Begründung der Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretungen: Wo im Arbeitsschutz Regeln gestaltbar sind, hat der Arbeitgeber sie zu gestalten und dabei die Mitbestimmung zu respektieren.

Unabdingbare Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz

Sonntag, 2. Februar 2014 - 20:07

Das Arbeitsschutzgesetz ist ein Rahmengesetz. Was im Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht bereits gesetzlich geregelt ist und wo betriebsspezifische Ausgestaltungen von Rahmenvorschriften erfolgen, hat vom Betriebsrat mitbestimmt zu werden. Auf die Erfüllung dieser Pflicht darf auch die Arbeitnehmervertretung nicht verzichten.

Aus einem Beschluss des BAG vom 8.11.2011 (1 ABR 42/10):

[...] Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. [...]

Wenn standortübergreifende Regelungen in die Betriebe hineingreifen und somit die Wirkung betrieblicher Regelungen haben, dann sind z.B. mindestens die Gesamtbetriebsräte mitbestimmungspflichtig. Sie können von den lokalen Betriebsräten entspechend beauftragt werden. Betriebsräte bei der Mitzbestimmung zu behindern, ist strafbar.

 
Die Grundlage dieses BAG-Beschlusses ist das Betriebsverfassungsgesetz. Nicht nur Arbeitgeber könnten gegen dieses Gesetz verstoßen, sondern es kann auch Arbeitnehmervertretungen geben, die ihrer Mitbestimmungspflicht nicht gerecht werden. Es gibt Zertifizierer, die an der Überprüfung der Einhaltung der folgenden Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und an der Zusammenarbeit zwischen der Betriebsleitung und der Arbeitnehmervertretung (siehe z.B. OHSAS 18001:2007, Absatz 4.4.3.2) nicht sonderlich interessiert sind.
 

§ 80 BetrVG, Allgemeine Aufgaben

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
[...]
9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

 

§ 81 Betrvg, Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten. Er hat den Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen dieser bei der Beschäftigung ausgesetzt ist, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren und die nach § 10 Abs. 2 des Arbeitsschutzgesetzes getroffenen Maßnahmen zu belehren.

(2) Über Veränderungen in seinem Arbeitsbereich ist der Arbeitnehmer rechtzeitig zu unterrichten. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) In Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zu allen Maßnahmen zu hören, die Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer haben können.

(4) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die aufgrund einer Planung von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf seinen Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung sowie auf Inhalt und Art seiner Tätigkeit zu unterrichten. Sobald feststeht, dass sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändern wird und seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht ausreichen, hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer zu erörtern, wie dessen berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten den künftigen Anforderungen angepasst werden können. Der Arbeitnehmer kann bei der Erörterung ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

 

§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[...]
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
[...]
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
[...]

 

§ 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz
(1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.

(2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

(3) Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.

(4) An Besprechungen des Arbeitgebers mit den Sicherheitsbeauftragten im Rahmen des § 22 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch nehmen vom Betriebsrat beauftragte Betriebsratsmitglieder teil.

(5) Der Betriebsrat erhält vom Arbeitgeber die Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen, zu denen er nach den Absätzen 2 und 4 hinzuzuziehen ist.

(6) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Durchschrift der nach § 193 Abs. 5 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch vom Betriebsrat zu unterschreibenden Unfallanzeige auszuhändigen.

 
Links:

Mitarbeiter fragen den Betriebsrat

Freitag, 20. Dezember 2013 - 07:34

Es gibt Betriebs- und Personalräte, die sich an das Thema der mentalen Arbeitsbelastung nicht heran wagen. Sie müssen sich aber damit befassen und die dazu notwendige Kompetenz erwerben. Die Arbeitnehmervertretung hat die Einhaltung von Schutzgesetzen unabdingbar zu überwachen. Sie muss sogar selbst Gefährdungen beurteilen können. Betriebsräte und Personalräte können nicht entscheiden, z.B. zur Vermeidung von Konflikten mit dem Arbeitgeber auf ihre Aufsichts- und Mittbestimmungspflicht zu verzichten.

Die Betriebs- und Personalräte haben gemäß § 80 BetrVG “darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden.” Diese Aufgabe ist unabdingbar, d.h. die Arbeitnehmervertretung darf sich nicht durch die Vernachlässigung dieser Aufgabe einfach über das Betriebsverfassungsgesetz stellen.

Mitarbeiter können testen, wie die Arbeitnehmervertretung ihre Aufgabe im Bereich des Einbezugs psychischer Belastungen erfüllt. Dazu können sie sich z.B. mit diesen zwei Fragen an die Arbeitnehmervertretung wenden:

  1. Sind mentale Arbeitsbelastungen (DIN EN ISO 10075, übersetzt als “psychische Belastungen” in der deutschsprachigen Norm) aus der Sicht des Betriebsrates im Betrieb XXXXX bereits Gegenstand des dort implementierten Arbeitsschutzprozesses zur Gefährdungsbeurteilung?
  2. Wenn mentale Arbeitsbelastungen aus der Sicht des Betriebsrates bereits Gegenstand des im Betrieb XXXXX implementierten Arbeitsschutzprozesses zur Gefährdungsbeurteilung sind: Wann und mit welchen Prozessen wurde dieser Zustand unter Beachtung sowohl des Arbeitsschutzgesetzes wie auch der Überwachungs- und Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates erreicht?

Wie will eine Arbeitnehmervertretung ihrer unabdingbaren Aufgabe gerecht werden, wenn sie nicht einmal diese Fragen beantworten kann?

Der Betriebsrat muß hier zu einer Bewertung in der Lage sein, wenn er seine Aufsichtspflicht erfüllen will. Außerdem machte das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2004 deutlich, dass der Betriebsrat bei der Gefährdungsbeurteilung eine Mitbestimmungspflicht hat. Die Arbeitnehmervertretung hat gemäß § 87 BetrVG bei “Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften” mitzubestimmen.

Die Wahrnehmung der Aufsichtspflichten des Betriebsrates ist keine Bevormundung der Mitarbeiter, sondern den Mitarbeitern ungefragt wichtige Rechte wegzunehmen ist eine Bevormundung der Mitarbeiter.

Möchte der Betriebsrat sich nicht mit den Fragen befassen, so hat nach § 86a BetrVG jeder Arbeitnehmer das Recht, “dem Betriebsrat Themen zur Beratung vorzuschlagen. Wird ein Vorschlag von mindestens 5 vom Hundert der Arbeitnehmer des Betriebs unterstützt, hat der Betriebsrat diesen innerhalb von zwei Monaten auf die Tagesordnung einer Betriebsratssitzung zu setzen.” Die erforderliche Unterstützung ist nicht nur eine Hürde, sondern sogar eine Hilfe: Sie gibt jedem Arbeitgeber das Recht, für die Suche nach Unterstützern betriebsöffentlich auf interessante Themen aufmerksam zu machen. Finden sich genug Unterstützer, dann wird der Betriebsrat mit dem vorgeschlagenen Thema auch sorgfältig umgehen.

DAkkS-Beschwerdeverfahren

Sonntag, 15. Dezember 2013 - 10:23

Unser heutiges Arbeitsschutzgesetz trat im Jahr 1996 in Kraft. Es war als Rahmengesetz konzipiert und sollte somit einen Freiraum für betriebsgerechte Lösungen bieten. Eine wichtige Grundlage war die Annahme, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander vereinbaren, wie der Arbeitsschutz in einem Betrieb konkret umgesetzt wird. Insbesondere im Bereich der psychischen Belastungen hat das nicht funktioniert. Es kann immer noch passieren, dass ein Betrieb sein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) ohne Betriebsrat aufbaut und anschließend externen Auditoren angeblich bereits implementierte Prozesse zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz präsentiert, die die Betriebsleitung unter Umgehung der Mitbestimmung gestaltet hatte.

Wenn unkritische Auditoren trotz dieser strafbaren Missachtung des Betriebsverfassungsgesetzes ein Zertifikat nach OHSAS 18001 erteilen, kann der Arbeitgeber anschließend der immer noch überforderten Gewerbeaufsicht dieses Zertifikat vorlegen. Die Gewerbeaufsicht prüft dann nur “entlastet”. Sie merkt zum Beispiel nicht, dass der Betriebsrat dem AMS nicht zugestimmt hat. Zudem lassen sich unerfahrene Betriebsräte von dem Zertikat (sowie von der vom Zertifikat beeindruckten Gewerbeaufsicht) beeindrucken, obwohl sie ja gar nicht wissen, was der Arbeitgeber den Auditoren erzählt hatte.

Betriebsräte dürfen sich nicht von einem Zertifikat einschüchtern lassen, sondern gerade wenn es von bei der DAkkS akkreditierten Auditoren nach einer Missachtung der Mitbestimmung erteilt wurde, wird es Zeit, sich bei der DAkkS als Aufsicht der Auditoren zu beschweren.

 
Nehmen Sie (z.B. als Mitglied eines Betriebsrates oder eines Personalrates) einmal an, dass Ihre Betriebsleitung bei externen Audits ihres AMS darstelle, dass psychische Belastungen in dem Arbeitsschutz ihres Betriebes ordungsgemäß implementiert seien. Wenn Sie dem nicht zugestimmt haben und die Betriebsleitung trotzdem auf ihrer Position besteht, dann behindert die Betriebsleitung die Mitbestimmung. Rufen sie die Einigungsstelle an.

Damit Betriebs- und Personalräte kompetent mitbestimmen können, haben sie das Recht, sich von einem qualifizierten Sachverständigen ihrer Wahl beraten zu lassen. Die Kosten für solche Sachverständige trägt der Arbeitgeber. Erfahrene Sachverständige können der Arbeitnehmervertretung auch helfen, die Übernahme der Beratungskosten durch den Arbeitgeber bei einer Einigungsstellt oder vor Gericht durchzusetzen.

Erst wenn die Arbeitnehmervertretung zugestimmt hat oder der Spruch einer Einigungsstelle eine fehlende Zustimmung ersetzt hat, kann die psychische Belastung als in den Arbeitsschutz einbezogen dargestellt werden.

Selbst die Gewerbeaufsicht kann ohne vollzogene Mitbestimmung nicht behaupten, psychische Belastungen seien in den Arbeitsschutz eines Betriebes mit einbezogen. Natürlich muss die Arbeitnehmervertretung (oder die Einigungsstelle) das Urteil der Gewerbeaufsicht berücksichtigen. Aber die Gewerbeaufsicht darf nicht entscheiden, dass der Arbeitsschutz in dem Betrieb ausreichend vollständig implementiert sei, wenn die Mitbestimmung behindert wurde. Eine wichtige Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes ist doch, dass es betriebsnah umgesetzt wird. Dass können nur Leute machen, die sich in dem Betrieb auskennen. Darum hat der lokale Betriebsrat oder Personalrat mitzubestimmen.

Wenn die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz von der Betriebsleitung missachtet wird, dann bricht die Betriebsleitung auch dann gesetzliche Vorschriften, wenn die Gewerbeaufsicht keine Abweichungen festgestellt hat. Darum darf der Betrieb nicht nach OHSAS 18001 zertifiziert werden. Außerdem: Ohne vollzogene Mitbestimmung darf sich die Gewerbeaufsicht nicht von AMS-Zertifikaten “entlastet” fühlen, an deren Zustandekommen der Betriebsrat nicht beteiligt war.

Eine Nachlässigkeit der Gewerbeaufsicht und der externen Auditoren kann man daran erkennen, dass sie sich nicht für eine Überprüfung der Mitbestimmtheit der Gestaltung und Durchführung des Arbeitsschutzes in einem Betrieb interessieren. Bei Audits nach OHSAS 18001 müsste die Mitbestimmung sogar Gegenstand der Audits sein. Auch bei großen Zertifizierungsgesellschaften ist hier Nachlässigkeit und Desinteresse nicht ausgeschlossen. So geht’s halt zu im Zertifizierungsgeschäft.

Sollte einem Betrieb trotz einer Missachtung der Mitbestimmungspflicht von einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifikator ein AMS-Zertifikat erteilt worden sein, dann können sich Arbeitnehmer und ihre Vertretungen bei der DAkkS beschweren. In einem entsprechenden Verzeichnis der DAkkS finden sie eine Beschreibung des DAkkS-Beschwerdeverfahrens.

Audit-Ankündigung an den Betriebsrat

Montag, 22. Juli 2013 - 23:26

Hier wirkt der Betriebsrat aktiv an Zertifizierungsaudits nach OHSAS 18001 mit: In den Niederlanden müssen die Betriebsräte bei Audits nach dem SCCM-Schema spätestens drei Wochen vor einem Audit informiert werden und können eigene Feststellungen in das Audit mit einbringen, und zwar nach ihrer Wahl entweder an den Arbeitgeber oder direkt an die Zertifizierungsgesellschaft. In Deutschland sind viele Betriebsräte noch zu schüchtern dafür - soweit sie überhaupt begriffen haben, was ein OHSAS 18001 Zertifikat für sie bedeutet. Leider zeigen auch die deutschen Zertifizierungsgesellschaften wenig Interesse daran, Betriebsräte aktiv an Audits mitwirken zu lassen.

http://www.sccm.nl/sites/default/files/O11-SCCM_N110830_cert.schema_OHSAS_18001_ENG_7Feb13.pdf (Annex 6, S. 57-58)

[...] We hereby notify you that the certification body <name> will shortly be assessing whether our occupational health and safety system meets the requirements in the OHSAS 18001 standard. One of the requirements in the standard is internal communication between the various levels and positions in the organization. We would therefore like to offer the opportunity to the works council/personnel representatives to put forward points for attention for the audit, such as guaranteeing compliance with legal requirements by means of our OHS management system.

We would like you to fill out the attached questionnaire and return it to the OHS coordinator. We will use your responses to improve the OHS management system. It will also be passed on to the certification body (of course you may send a copy directly to the certification body). The certification body will incorporate any remarks in performing this audit. The certification body will then come to an impartial assessment based on the OHSAS 18001 standard and the SCCM certification scheme. [...]

Hallo??

Montag, 4. Februar 2013 - 08:11

http://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/psychische-belastungen-in-der-gefaehrdungsbeurteilung_94_162886.html

04.02.2013
Konsequenzen aus dem Stressreport 2012
Psychische Belastungen gehören in die Gefährdungsbeurteilung …

… Nicht warten, sondern handeln

Es wird voraussichtlich noch eine Weile dauern, bis es allgemein gültige Messverfahren und Grenzwerte geben wird. Doch können Gesundheits- und Arbeitsschützer im persönlichen Gespräch, mit Hilfe von Umfragen oder anonymen Fragebögen ermitteln, ob und welche psychischen Belastungen es an einem Arbeitsplatz gibt und entsprechende Maßnahmen im Unternehmen veranlassen, damit es zur Entlastung kommt.

Es geht schon los: Jetzt sind ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen “Konsequenzen aus dem Stressreport 2012″. Ist das nicht ein bisschen zu spät? Ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen sind schon seit 1996 Konsequenzen aus dem Arbeitsschutzgesetz.

Auch wieder dabei: die Erwartung “allgemein gültiger Messverfahren und Grenzwerte”. Dabei wollten die Arbeitgeber vor 16 Jahren genau das nicht. Sie wollten betriebsspezifische Lösungen. Ja was denn nun? Aber vielleicht war es so, dass die Arbeitgeber hofften, ohne “allgemein gültige” Regeln eigentlich gar nichts tun zu müssen.

Warum weist haufe.de nicht auf den vorgesehenen Weg hin: Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren innerhalb des weiten Rahmens des Arbeitsschutzgesetzes Regeln, wie psychische Belastungen betriebsspezifisch in den Arbeitsschutz zu integrieren sind. Hier sind weiterhin Betriebsräte und Personalräte gefordert. Es geht um ihre Mitbestimmungspflicht.

Mitbestimmung bei der Gefährdungsbeurteilung

Sonntag, 5. August 2012 - 14:47

http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/rechtsgrundlagen/mitbestimmung/mitbestimmung_des_betriebsrat.htm, Regine Rundnagel

  • Der Betriebsrat besitzt umfassende Mitbestimmungsrechte bei der Regelung des Gesundheitsschutzes und der Unfallverhütung.
  • Dazu gehört auch die Mitgestaltung der Art und Weise der Gefährdungsbeurteilungen oder der Unterweisungen.
  • Er ist verpflichtet, mit den inner- und außerbetrieblichen Fachkräften des Arbeits- und Gesundheitsschutz zusammenzuarbeiten.
  • Der Betriebsrat ist im Arbeitsschutzausschuss zusammen mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit, dem Betriebsarzt und dem Arbeitgeber an der Koordination des Arbeits- und Gesundheitsschutzes beteiligt.
  • Arbeits- und Gesundheitsschutz kann nur unter Beteiligung der Beschäftigten erfolgreich im Betrieb umgesetzt werden.
  • Der Betriebsrat kann sein Mitbestimmungsrecht vor dem Arbeitsgericht einklagen.
  • Bei Streitigkeiten über die Auslegung oder Durchführung von Maßnahmen entscheidet die Einigungsstelle.

 


2004: http://www.boeckler.de/pdf/mbf_as_brmitb_2006.pdf, Ulla Wittig-Goetz
Jahrelang war es strittig, ob das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auch die Gefährdungsbeurteilung, die das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) im § 5 vorschreibt, umfasst. Durch zwei Entscheidungen (1 ABR 13/03 und 1 ABR 4/03) des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom Juni 2004 wurde dazu Klarheit geschaffen und die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte erheblich gestärkt.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die gesetzliche (1 ABR 13/03 und 1 ABR 4/03) Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung sowie zur Arbeitsplatz bezogenen Unterweisung nach dem Arbeitsschutzgesetz der Mitbestimmung unterliegt. Gefährdungsbeurteilungen ohne Mitbestimmung des Betriebsrates bedeuten in Zukunft eine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers.

Wörtlich heißt es in den beiden BAG-Entscheidungen: „Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dient, ist unerheblich.“ …

(Hervorhebung nachträglich eingefügt)

 


2002: http://archiv.soca-online.de/meldung_volltext.php3?si=1&id=3d888b694471d&akt=news_news&view=&lang=1 (2011-08-29, Link nicht mehr verfügbar)

Mitbestimmung durch Arbeitsschutzgesetz
Nachdem eine Reihe von Landesarbeitsgerichten in einzelnen Aspekten des Arbeitsschutzgesetzes und der Bildschirmarbeitsplatzverordnung bereits eine Mitbestimmung der Betriebs- und Personalräte bestätigt haben, hat nun auch das Bundesarbeitsgericht eine umfassende Mitbestimmung beschlossen.
Lange hatte es gedauert, dass eine Klage auf Grundlage des 1996 erlassenen Arbeitsschutzgesetz vor das Bundesarbeitsgericht gekommen ist. Im Frühjahr 2002 war es dann soweit. Der Antragsteller, ein großes Luftfahrtunternehmen aus Hamburg, wollte durch das Bundesarbeitsgericht feststellen lassen, dass dem Betriebsrat in einer Reihe von Fragen, die das Arbeitsschutzgesetz betreffen, keine Mitbestimmung zusteht. Das Bundesarbeitsgericht hat alle Anträge vollständig zurückgewiesen.

Zu den einzelnen Punkten, die bei diesem Verfahren zur Verhandlung standen, gehörten u. a.:

  • Gestaltung des Arbeitsplatzes an Bildschirmgeräten und Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer;
  • Unterweisungspflicht des Arbeitgebers bei der Einführung und Änderung neuer Techniken, Technologien bzw. bei der Veränderung von Arbeitsinhalten, Arbeitsfeldern;
  • Gestaltung und Durchführung der Qualifizierung und Unterweisung am Bildschirmarbeitsplatz;
  • Bildung eines Gesundheitssauschusses mit eigenen Aufgaben, Rechten und Pflichten;
  • die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitsplätze einer Arbeitsplatzanalyse zu unterziehen und eine Beurteilung der Sicherheits- und Gesundheitsgefahren vorzunehmen;
  • die Unterbrechung der Tätigkeit an Bildschirmgeräten durch Pausen, die Bestandteil der Arbeitszeit sind.

Hierbei ist insbesondere die Bestätigung der Mitbestimmung bei der Durchführung der Arbeitsplatzanalyse nach dem Arbeitsschutzgesetz eine wichtige Entscheidung. Sie eröffnet Betriebs- und Personalräten einen breiten Handlungsspielraum und die Perspektive, einen starken Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen nehmen zu können.

soCa Projekt
18.09.2002

 
2002: Im BAG-Beschluss geht es konkret um die folgenden Punkte:

  1. Gesundheitsschutz;
  2. Gesundheitsschutz bei der Arbeit mit Bildschirmgeräten;
  3. Gesundheitsschutz bei Regelungen über folgende Fragen:
    1. Informations- und Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers über allgemeine Informationen über den Gesundheitsschutz bei Bildschirmarbeit;
    2. Unterweisungspflicht des Arbeitgebers bezüglich der Arbeit an Bildschirmgeräten;
    3. Gestaltung des Arbeitsplatzes an Bildschirmgeräten und Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer;
    4. Unterweisungspflicht des Arbeitgebers bei der Einführung und Änderung neuer Techniken/ Technologien bzw. bei der Veränderung von Arbeitsinhalten, Arbeitsfeldern oder Tätigkeiten oder anderen Änderungen am Bildschirmarbeitsplatz;
    5. Gestaltung und Durchführung der Qualifizierung und Unterweisungen am Arbeitsplatz mit Bildschirmgeräten;
    6. Einräumung eines Anspruchs der Arbeitnehmer auf ein Präventionsprogramm und Regelung von Zielen und Inhalten dieses Programms;
    7. Bildung eines Gesundheitsausschusses mit eigenen Aufgaben, Rechten und Pflichten;
    8. Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitsplätze einer Arbeitsplatzanalyse hinsichtlich der Beurteilung der Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen unter Mitwirkung der Arbeitnehmer zu unterziehen und Verpflichtungen des Arbeitgebers, auf Grund einer Bewertung dieser Arbeitsanalyse Maßnahmen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes neu zu treffen;
    9. Einräumung eines Anspruchs der Arbeitnehmer auf regelmäßige präventivmedizinische Untersuchungen;
    10. Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat über den Stand der präventivmedizinischen Untersuchungen;
    11. Verpflichtung des Arbeitgebers, auf Grund präventivmedizinischer Untersuchungsergebnisse in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsausschuß unter Mitbestimmung des Betriebsrats Maßnahmen zum Gesundheitsschutz festzulegen;
    12. Unterbrechung der Tätigkeit an Bildschirmgeräten durch Pausen, die Bestandteil der Arbeitszeit sind.

 


2009: http://www.arbeit-und-arbeitsrecht.de/kommentare/title-raw%5D-87
… BAG, Beschluss vom 18. August 2009 – 1 ABR 43/08

Der Betriebsrat hat nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber externe Personen oder Stellen nach § 13 Abs. 2 ArbSchG damit beauftragt, Gefährdungsbeurteilungen oder Unterweisungen durchzuführen. …

Wenn die externen Beurteiler “B” von dem Unternehmen B… kommen, an das ich denke, dann ist das in Ordnung. Denn in diesem Fall war wichtig, was das BAG beschrieb: Es gab eine Betriebsvereinbarung, die die Anforderungen an die Qualifikationen der Untersuchenden regelte. Der Betriebsrat hatte hier also bereits mitbestimmt. Wenn der Betriebsrat sauber gearbeitet hat, dann kann er sich über jeden externen Beurteiler freuen, der sich an die Betriebsvereinbarung hält. Ich persönlich habe von einem Unternehmen erfahren, das zuvor zu einem größeren Unternehmen gehörte. Nach dem Verkauf übernahm eine externe Firma B… den Arbeitsschutz und ersetzte auch die bestehenden Beurteilungsprozesse durch eigene Prozesse. Der Betriebsrat war zufrieden.

 
http://www.meyer-koering.de/de/meldungen/mitbestimmung-des-betriebsrats-bei-aufgabenuebertragung-nach-13-abs-2-arbeitsschutzgesetz-30-06-2010.1375/, RA Dr. Nicolai Besgen

… Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen werden, worauf das Bundesarbeitsgericht hingewiesen hat, nicht verkürzt. Dem Betriebsrat ist es unbenommen, im Rahmen seiner Mitbestimmung gegenüber dem Arbeitgeber oder erforderlichenfalls auch in der Einigungsstelle dafür zu sorgen, dass in einer Betriebsvereinbarung generalisierende Regelungen darüber getroffen werden, welche Qualifikation und Kenntnisse die mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen und der Unterweisungen befassten Personen besitzen müssen.

 
Auch hier sieht man, dass es sich immer wieder lohnt, BAG-Beschlüsse genau durchzulesen, bei denen die Arbeitnehmerseite “verloren” hat. Gerade solche Beschlüsse sind eine wertvolle Handlungsanleitung für Betriebsräte und Personalräte.

 


Siehe auch:

Gefährdungen und deren Beurteilung

Mittwoch, 2. März 2011 - 11:01

In dem hier thematisierten Beschluss des BAG geht es um die Mitbestimmung zur “Gefährdungsbeurteilung im Sinne von § 5 ArbSchG und § 3 BildscharbV”.

§ 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen:
Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen. 

Es geht also auch um den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz.

[Anmerkung (2016-01-12): Inzwischen wurde das Arbeitsschutzgesetz so überarbeitet, dass eine sich aus dem Arbeitsschutz ergebende Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz nicht mehr abgestritten werden kann. Im Jahr 2004 diente die BildscharbV noch einigen Betriebsräten als Hebel, da viele Arbeitgeber das Arbeitsschutzgesetz falsch "verstanden". Die Inhalte der BildscharbV wurden inzwischen in die ArbStättV übernommen.]

Sind psychische Belastungen ein Thema des Arbeitsschutzes?
Schon aus dem hier beschriebenen Beschluss des BAG wird deutlich, dass das seit 1997 geltende Arbeitsschutzgesetz die Arbeitgeber zu Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz verpflichtet. Und das Bundesarbeitsministerium bestätigte im Jahr 2009, dass das Thema der psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes ist. Damit sind psychische Belastungen eine der Gefährdungskategorien des Arbeitsschutzes. Die Arbeitgeber sind seit 1996 verpflichtet, psychische Belastungen zu beurteilen und psychische Fehlbelastungen zu mindern. Die Mehrheit der Unternehmen ignoriert diese Pflicht. Das ist möglich, weil sie nicht ernsthaft beaufsichtigt werden.

Wann tritt eine Gefährdung am Arbeitsplatz ein?
„Eine Gefährdung, die gemäß § 4 Nr. 1 ArbSchG vermieden werden soll, tritt bereits dann
ein, wenn die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beinträchtigung
ohne bestimmte Anforderungen an deren Ausmaß oder deren Eintrittswahrscheinlichkeit
besteht.“
(Bundestagsdrucksache zur Begründung zu § 4 des ArbSchG)

Was hat das Bundesarbeitsgericht am 8.6.2004 entschieden?
Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) aus Sicht des BAG:
Am 8.6.2004 konkretisierte das Bundesarbeitsgericht die Anforderungen an die
Gefährdungsbeurteilung, wie sie im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben ist:

  • „Das Mitbestimmungsrecht bei der Gefährdungsbeurteilung setzt nicht voraus, dass eine
    konkrete Gesundheitsgefahr bereits hinreichend bestimmbar wäre.“
  • „Zwar wird durch diese Beurteilung selbst die Arbeit noch nicht so gestaltet, dass
    Gesundheitsgefahren verhütet werden. Es werden vielmehr erste Gefährdungen
    ermittelt, denen ggf. durch entsprechende Maßahmen zu entgegnen ist.“
  • „… diese Beurteilung [ist] je nach Art der Tätigkeit vorzunehmen …“
    „Damit stellt sich bei der Gefährdungsbeurteilung zumindest die Frage, 

    • welche Tätigkeiten beurteilt werden sollen,
    • worin die mögliche Gefahr bei der Arbeit besteht,
    • woraus sie sich ergibt und
    • mit welchen Methoden und Verfahren das Vorliegen und der Grad einer solchen
      Gefährdungsbeurteilung festgestellt werden soll.“
  • Den Spruch einer Einigungsstelle rügt das BAG, weil er:
    „keine konkrete Regelung darüber [enthält], welche Arbeitsplätze auf welche möglichen
    Gefährdungsursachen hin untersucht werden sollen…“
    Es ist festzulegen
    „welche möglichen Belastungsfaktoren an welchen Arbeitsplätzen überprüft werden
    sollen“ und „an 

    • welchen Arbeitsplätzen
    • welche Gefährdungsursachen
    • anhand welcher Kriterien

    zu beurteilen sind.“

  • Der seit 1996 erweiterte Gestaltungspielraum des Arbeitgebers
    begründet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, und zwar gerade weil es für diesen Gestaltungsspielraum keine engen Vorgaben gibt. Das Mitbestimmungsrecht muss aber auch genutzt werden:
    „Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv
    besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen
    verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
    zu erreichen.“
  • Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, es besteht also eine unabdingbare Mitbestimmungspflicht!
    § 5 ArbSchG und § 3 Bildschirmarbeitsverordnung sind ausfüllungsbedürftige
    Rahmenvorschriften. Sie enthalten keine zwingenden Vorgaben, wie die
    Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Vielmehr lassen sie dem Arbeitgeber
    Handlungsspielräume bei der Umsetzung. … Hierbei hat der Betriebsrat nach § 87 Abs.
    1 Nr. 7 BetrVG
    mitzubestimmen.“


  1. Jens Gäbert, Mitbestimmung im Gesundheitsschutz, 2008
  2. BAG, 2004-06-08: Entscheidungen AZ 1 ABR 4/03 und AZ 1 ABR 13/03
    Siehe auch: http://blog.psybel.de/gefaehrdungsbeurteilung-und-unterweisung/
  3. Bundestagsdrucksachen zum Vorgang Nr. 13020347 der 13. Wahlperiode,
    „Gesetz zur Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz und weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien“

Siehe auch: