Schlagwort 'Arbeitsschutzmanagementsystem'

“Fürsorgliche Gespräche” bei Bosch

Donnerstag, 4. August 2016 - 07:02

In der metallzeitung vom August 2016 der IGM (https://www.igmetall.de/20160728_metall_08_2016_11dc5f0494d262cc9d8864166080a4c86870f4ee.pdf) berichtet Jan Chaberny auf Seite 8 über die Vergabe des Betriebsrätepreises 2016. Auch der Gesamtbetriebsrat von Bosch wurde nominiert. Es geht um zwei Gesamtbetriebsvereinbarungen (GBVs):

  • Ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung
  • Psychische Gesundheit

[...] Hervorzuheben ist vor allem der Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung
»Psychische Gesundheit«. In der Vereinbarung wird betont, dass psychische Erkrankungen kein Makel sind und dass Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretungen Betroffene gemeinsamdazu ermutigen, sich in sogenannten »fürsorglichen Gesprächen« ihrer Führungskraft anzuvertrauen. »Ziel dieser Gespräche ist, die Belastungen und deren Ursachen zu erkennen und den Betroffenen Hilfe anzubieten«, sagt der Nürnberger Betriebsratsvorsitzende Ludwig Neusinger, der die Vereinbarungmit ausgehandelt hat. [...]

Was ist denn daran “hervorzuheben”? Bosch wollte doch immer schon hin zu einem individualpsycholigisch und verhaltenspräventiv orientierten Gesundheitsmanagement, das in das persönliche Seelenleben hilfsbedürftiger Mitarbeiter eindringt. Damit kann der Arbeitgeber zu leicht Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung sammeln, denn die Führungskraft, an die sich Mitarbeiter wenden können, ist im Konfliktfall weder Vater noch Mutter. Bei der eher sozial- und organisationspsychologisch orientierten verhältnispräventiven Beurteilung der Arbeitsplätze lässt sich Bosch nur alle drei Jahre in die Karten gucken. Darauf kann ein Betriebsrat nicht stolz sein.

Ludwig Neusinger, BR-Vorsitzender, Robert Bosch GmbH (http://betriebsraetetag.de/programm/wir-fuer-psychische-gesundheit-bei-bosch.html):

Mit den beiden Gesamtbetriebsvereinbarungen „Ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung“ und „Psychische Gesundheit“ ist dem Gesamtbetriebsrat der Robert Bosch GmbH der große Wurf gelungen: Mit der „Psychischen Gesundheit“ bekennen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen gemeinsam dazu, dass das Erkennen von psychischen Belastungen, Gefährdungen und Erkrankungen und Gegenmaßnahmen zur deren Beseitigung eine Führungsaufgabe ist. Hauptaugenmerk liegt auf dem optimalen Schutz der Beschäftigten in Fertigung, Forschung und Entwicklung und in der Verwaltung mit dem Ziel, den Beschäftigten konkrete Hilfen anzubieten. Die GBV regelt das Verfahren und die Verantwortlichkeiten. Die Umsetzung der beiden Gesamtbetriebsvereinbarungen wird begleitet von einer Informationskampagne des Gesamtbetriebsrates und der lokalen Arbeitnehmervertretungen Richtung Beschäftigte und mit Schulung der Führungskräfte. [...]

Richtig wäre: »Mit der „Ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung“ bekennen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen gemeinsam dazu, dass das Erkennen von psychischen Belastungen, Gefährdungen und Erkrankungen und Gegenmaßnahmen zur deren Beseitigung eine Führungsaufgabe ist.« Vor allem entspräche das der vorgeschriebenen Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes.

Ein großer Wurf sieht anders aus. Der Gefährdungsbeurteilung widmet der GBR-Vorsitzende keinen Kommentar, obwohl genau da in Deutschland der größte Nachbesserungsbedarf besteht. Die ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung könnte der Bosch-GBR stolz hervorheben, wenn darin der in vielen Bosch-Betrieben geltende Standard OHSAS 18001 für Arbeitsschutzmanagementsysteme eingeflossen wäre. Das wäre ungewöhnlich, denn nur wenige Betriebsräte nehmen die Standards für Arbeitsschutzmanagementsysteme, nach denen ihre Betriebe zunehmend häufiger zertifiziert sind, genügend ernst. Die Vernachlässigung der disziplinierten Anwendung von Arbeitsschutz-Standards ist ein Fehler, den Betriebsräte viel zu häufig begehen – und dann noch stolz darauf sind. Die Kenntnis und Nutzung der Maßstäbe, auf die sich der Bosch selbst verpflichtet hat, hätte besonders bei der für eine ordentliche Gefährdungsbeurteilung erforderliche Regelung der Vorfallserfassung und Vorfallsanalyse viel Klärungsbedarf bei Verhandlungen zur Betriebsvereinbarung vermieden.

Aus dem Arbeitsschutzgesetz ergibt sich, dass individuelle Maßnahmen nachrangig zu allen anderen Maßnahmen sind. Die Verhältnisprävention hat Vorrang vor einer “fürsorglichen” Verhaltensprävention, weil sich mit letzterer “psychische Auffälligkeiten” von Mitarbeitern zu leicht individualisieren lassen. Aus meiner Sicht wurde der Bosch GBR hier vom Arbeitgeber in die falsche Richtung gelockt und verdient keinen Preis dafür. Noch habe ich aber die beiden Betriebsvereibarungen nicht gesehen und kann mir darum noch kein ausreichend fundiertes Urteil bilden.

Bayerisches Arbeitsschutzmanagement ohne psychische Belastung

Mittwoch, 12. August 2015 - 05:54

Habe heute einmal wieder in die Website der bayerischen Gewerbeaufsicht hineingesehen.
http://www.gewerbeaufsicht.bayern.de/arbeitsschutz/managementsysteme/ohris/index.htm

OHRIS ist das Managementsystem der Bayerischen Staatsregierung für mehr Gesundheit bei der Arbeit und Sicherheit technischer Anlagen. Entwickelt wurde es in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, um den Arbeitsschutz in den Betrieben zu verbessern und wirtschaftlicher zu gestalten. Ein Grundgedanke des Arbeitsschutzmanagementsystems OHRIS ist, dass die Mitarbeiter in erheblichem Maß den Erfolg eines Unternehmens mit bestimmen. Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftigten fördern deren Motivation, Leistungsfähigkeit und Kreativität. Sie tragen in besonderem Maß zu einem positiven Arbeitsklima bei. [...]

Die Prioritäten sind also klar bayerisch: In Zusammenarbeit mit der Wirtschaft (unüberraschenderweise nicht auch mit Arbeitnehmerorganisationen) ist es für die bayerische Staatsregierung uninteressant, ein Managementsystem der bayerischen Staatsregierung zu implementieren, bei dessen Beschreibung auch das Arbeitsschutzthema “psychische Belastung” erwähnt wird.

Zwar gibt es sehr gute Informationen der Gewerbeaufsicht zu dem Thema, aber bei der Umsetzung machen die Bayern dann doch nicht so gerne ernst. Man will “der Wirtschaft” ja keine Steine in den Weg legen. Gehandelt wird erst, wenn es für die Öffentlichkeit zu ekelig wird.

So kommt es, dass Aufsichtpersonen selbst krasse psychische Fehlbelastungen in mit der Staatsregierung harmonisch zusammenarbeitenden Unternehmen nicht einmal protokollieren, geschweige denn kritisieren. Beispiel: Abmahnung an einen Mitarbeiter, der eine Fehlbelastungen meldete. Zwar konnte der Mitarbeiter mit einer Klageandrohung eine Rücknahme der Abmahnung erwirken, war aber über einen Zeitraum von drei Monaten einer massiven Fehlbelastung ausgesetzt. Die bayerische Gewerbeaufsicht findet es in Ordnung, wenn solch eine inakzeptable Bedrohung eines Mitarbeiters nicht als Fehlbelastung dokumentiert wird.

Das “Unterfangen, das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten” lebt bei der bayerischen Gewerbeaufsicht munter weiter.

Die DEKRA kann SCCM.
Warum nicht auch in Deutschland?

Dienstag, 5. August 2014 - 22:30

http://www.dekra-certification.nl/nl/ohsas18001-certificering

… Wanneer wij in Nederland OHSAS 18001-certificaties uitvoeren, gebruiken wij het certificatieschema van de Stichting Coördinatie Certificatie Milieu- en arbomanagementsystemen (SCCM), dat in nauwe samenspraak met de Raad voor Accreditatie is opgesteld. Dit certificatieschema bevat onder andere de ‘spelregels’ voor het certificeren van arbomanagementsystemen. Het schema is kosteloos te downloaden via www.sccm.nl …

Wenn die DEKRA also Zertifizierungen nach OHSAS 18001 in den Niederlanden durchführt, verwendet sie das Zertifizierungsschema der Stiftung zur Koordination der Zertifizierung von Umwelt- und Arbeitsbedingungs-Managementsystemen (SCCM), das in enger Abstimmung mit dem niederländischen Akkreditierungsrat erarbeitet wurde. Dieses Zertifizierungsschema umfasst unter Anderem die “Spielregeln” für die Zertifizierung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz-Management-Systemen. Das Schema kann man kostenlos über www.sccm.nl herunterladen.

Das SCCM-Schema verhindert, dass die Mitbestimmung der Betriebsräte im Arbeitsschutz so umgangen werden kann, wie das in Deutschland immer noch möglich ist. Warum lernt die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) hier nicht von der SCCM? Vielleicht kann die DEKRA da mithelfen. Die SCCM gibt sogar Hinweise, wie man ihre Zertifizierungs-”Spielregeln” in anderen EU-Staaten einsetzen könnte.

Die DAkkS macht Ernst

Dienstag, 1. April 2014 - 11:11

Im modernen Arbeitsschutz wird heute versucht, der Überforderung der behördlichen Arbeitsschutz-Aufsicht mit der Zertifizierung von Arbeitsschutz-Managementsystemen (AMS) in den deutschen Unternehmen zu begegnen: Bei der Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditierte Zertifizierer stellen den zu überprüfenden Unternehmen Zertifikate aus, die diese dann der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaft vorzeigen können. Leider wurden aber auch Unternehmen mit einem unzureichenden AMS zertifiziert. Das soll sich nun ändern.

Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen ist zu hören, dass die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) in Zukunft für strengere Audits von Arbeitsschutz-Managemensystemen sorgen will. In der Vergangenheit seien von den Unternehmen eher jene Zertifizierer ausgewählt worden, die “nachsichtig” auditierten. Insbesondere sollen nun keine strafbaren Handlungen mehr toleriert werden: Bisher war es beispielsweise möglich, dass die Arbeitgeber den Betriebsräten die Erkenntnisse aus Audits zum Arbeits- und Gesundheitsschutz vorenthalten durften - mit Wissen der bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer. Nun will man aus Erfahrungen in den Niederlanden lernen und Betriebsräte an Audits mitwirken lassen.

Kritisch merkte die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber (BDA) zu der Ankündigung eines strengeren Vorgehens der DAkkS an, dass Nachsichtigkeit von externen Auditoren inzwischen kein Wettbewerbsvorteil von Zertifizierern mehr sei. Es träfe nicht mehr zu, dass die Arbeitgeber “nur den laschesten Zertifizierer” mit Audits beauftragen. Im Gegenteil habe gerade der strengste Zertifizierer kürzlich durch “innovative Erziehungsmethoden” viele neue Kunden gewinnen können: Seine Auditoren besuchen ihre Kunden in Latex-Kleidung. Die “Techniken” dieser Arbeitsschutz-Auditoren werde in den Betrieben nicht nur als “anregend” empfunden, sondern seien oft sogar mit “großer Begeisterung” angenommen worden. Eine “weitergehende Verschärfung” von Zertifizierungs und Zwischen-Audits durch die Mitwirkung “oft hemmungslos agierender” Betriebsräte könne jedoch zu “gefährlichen Übertreibungen” führen.

Ein Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) kommentierte die Bedenken der BDA lediglich mit der Anmerkung, dass sich in Unternehmen mit “gewerkschaftlich organisierten Betriebsräten” nur wenig verändern werde, da dort bereits auf bestehende “Erfahrungen mit strengen Audits und bewährten Utensilien” zurückgegriffen werden könne.

DNV·GL: Verantwortung im Arbeitsschutz

Sonntag, 16. Februar 2014 - 19:51

http://www.dnvba.com/de/training/Arbeitssicherheit/Pages/Verantwortung-im-Arbeitsschutz.aspx (Seminarankündigung)

Datum: 26. März 2014, 09:00 Uhr – 17:00 Uhr
Ort: Essen
[...]
Datum: 08. Oktober 2014, 09:00 Uhr – 17:00 Uhr
Ort: ​Hamburg
[...]
Inhalte:
  • Gesetzliche Rahmenbedingungen
  • Unternehmerpflichten
  • Sicherheitsorganisationsplan und Pflichten­übertragung
  • Verantwortlichkeiten von:
    • Führungskräften
    • Betriebsrat
    • Fachkräften für Arbeitssicherheit
    • Betriebsärzten
    • Sicherheitsbeauftragten
    • Arbeitsschutzausschuss
    • Mitarbeitern
  • Rechtsfolgen
  • Staatliche Überwachung
  • Die Rolle von Berufsgenossenschaften
  • Unfallentstehung und Unfallursachenanalyse
  • Auswirkungen nach einem Unfall
  • Vorbeugende Sicherheitsarbeit

[...]

“Betriebsrat” habe ich besonders hervorgehoben. Ein ernsthaft arbeitender Zertifizierer wird sicherlich darauf achten, das bei Audits nach OHSAS 18001 immer Betriebsräte dabei sind und dass die Vertraulichkeit von Auditunterlagen nicht dazu führt, dass den Arbeitnehmervertretern die ihnen nach § 87 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) zustehenden Unterlagen vorenthalten werden. Bei der Gestaltung z.B. eines an OHSAS 18001:2007 orientierten Handbuchs für das Arbeitsschutzmanagement eines Betriebes muss die Arbeitnehmervertretung nicht nur gemäß BetrVG mitbestimmen, sondern alle Änderungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz müssen gemäß OHSAS 18001:2007 4.4.3.2 mit der Arbeitnehmerseite abgesprochen werden.

Bei Audits kann ein Zertifizierer darauf achten, dass Arbeitnehmervertreter wissen, was der Absatz 4.4.3.2 in OHSAS 18001:2007 “Mitwirkung und Mitbestimmung” für sie bedeutet. Gut wäre es, wenn sie das z.B. im Arbeitsschutzmanagement-Handbuch (AMS-Handbuch) ihres Betriebes nachlesen können. Außerdem sollte nicht vergessen werden, dass die für das AMS letzendlich verantwortliche oberste Führung über die “Ergebnisse der Mitbestimmung und Beratung” ordentlich informiert werden muss. Die zuständigen Betriebsräte erhalten eine Kopie der Managementreview, damit sie verstehen, wie die oberste Führung informiert wurde.

Bei deutschen Unternehmen mit Standorten in Regionen, in denen es keine Mitbestimmung gibt, kann der Absatz 4.4.3.2 in den dortigen Betrieben nicht durch einen simplen Verweis auf die an den einzelnen Standorten geltenden Gesetze ersetzt werden. Und in Deutschland selbst sind durchaus Mitbestimmungsregelungen erlaubt, die den Arbeitnehmern mehr Rechte einräumen, als das Betriebsverfassungsgesetz das verlangt.

Warten auf ISO 45001

Montag, 3. Februar 2014 - 22:17

Es gibt jetzt schon Unternehmen, die sich den Arbeitsschutzmanagement-Standard OHSAS 18001 zwar zutrauen, aber lieber auf die Norm ISO 45001 warten. Das wird wohl bis zum Oktober 2016 dauern.

Der Grund dafür kann rein wirtschaftlicher Natur sein. Aber da es Unternehmen sogar mit Hilfe der bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer gelingt, entgegen den Forderungen von OHSAS 18001 wichtige Regelungen zur Mitbestimmung (OHSAS 18001:2007, Abs. 4.4.3.2) aus ihrem Arbeitsschutzmanagement herauszuhalten, könnte ich mir vorstellen, dass sich diese nicht allzu mitbestimmungsaffinen Unternehmen von der ISO 45001 weniger eindeutige Forderungen nach Mitbestimmung im Arbeits- und Gesundheitsschutz erhoffen.

Wie die ISO 45001 am Ende aussehen wird, hängt von den an der Entwicklung der Norm beteiligten Sozialpartner ab. Der DGB ist auch dabei, aber ich weiß nicht, was die Gewerkschaftsvertreter werden durchsetzen können. In OHSAS 18001:2007 gibt es einige erhaltenswerte Regelungen.

Betriebsräte in bereits nach OHSAS 18001:2007 zertifizierten Unternehmen merken oft gar nicht, welche Möglichkeiten ihnen der Standard im Arbeitschutz geben kann, wenn ihr Unternehmen danach zertifiziert ist. Manche Betriebsräte in zertifizierten Unternehmen interessieren sich sogar überhaupt nicht für den Standard. Wenn auch noch die Gewerkschaften die Bedeutung der Normenarbeit für den erhalt guter Arbeitsbedingungen unterschätzen, dann könnten den Betriebsräten gute Möglichkeiten zur Mitbestimmung im Arbeitsschutz wieder weggenommen werden. Betriebsräten, die sich nicht auskennen, werden diese Möglichkeiten jetzt schon weggenommen.

Unabdingbare Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz

Sonntag, 2. Februar 2014 - 20:07

Das Arbeitsschutzgesetz ist ein Rahmengesetz. Was im Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht bereits gesetzlich geregelt ist und wo betriebsspezifische Ausgestaltungen von Rahmenvorschriften erfolgen, hat vom Betriebsrat mitbestimmt zu werden. Auf die Erfüllung dieser Pflicht darf auch die Arbeitnehmervertretung nicht verzichten.

Aus einem Beschluss des BAG vom 8.11.2011 (1 ABR 42/10):

[...] Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. [...]

Wenn standortübergreifende Regelungen in die Betriebe hineingreifen und somit die Wirkung betrieblicher Regelungen haben, dann sind z.B. mindestens die Gesamtbetriebsräte mitbestimmungspflichtig. Sie können von den lokalen Betriebsräten entspechend beauftragt werden. Betriebsräte bei der Mitzbestimmung zu behindern, ist strafbar.

 
Die Grundlage dieses BAG-Beschlusses ist das Betriebsverfassungsgesetz. Nicht nur Arbeitgeber könnten gegen dieses Gesetz verstoßen, sondern es kann auch Arbeitnehmervertretungen geben, die ihrer Mitbestimmungspflicht nicht gerecht werden. Es gibt Zertifizierer, die an der Überprüfung der Einhaltung der folgenden Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und an der Zusammenarbeit zwischen der Betriebsleitung und der Arbeitnehmervertretung (siehe z.B. OHSAS 18001:2007, Absatz 4.4.3.2) nicht sonderlich interessiert sind.
 

§ 80 BetrVG, Allgemeine Aufgaben

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;
2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen;
[...]
9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern.

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

(3) Der Betriebsrat kann bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.

(4) Für die Geheimhaltungspflicht der Auskunftspersonen und der Sachverständigen gilt § 79 entsprechend.

 

§ 81 Betrvg, Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten. Er hat den Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen dieser bei der Beschäftigung ausgesetzt ist, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren und die nach § 10 Abs. 2 des Arbeitsschutzgesetzes getroffenen Maßnahmen zu belehren.

(2) Über Veränderungen in seinem Arbeitsbereich ist der Arbeitnehmer rechtzeitig zu unterrichten. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) In Betrieben, in denen kein Betriebsrat besteht, hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zu allen Maßnahmen zu hören, die Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer haben können.

(4) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die aufgrund einer Planung von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder der Arbeitsplätze vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf seinen Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung sowie auf Inhalt und Art seiner Tätigkeit zu unterrichten. Sobald feststeht, dass sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändern wird und seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht ausreichen, hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer zu erörtern, wie dessen berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten den künftigen Anforderungen angepasst werden können. Der Arbeitnehmer kann bei der Erörterung ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen.

 

§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[...]
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
[...]
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
[...]

 

§ 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz
(1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.

(2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

(3) Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.

(4) An Besprechungen des Arbeitgebers mit den Sicherheitsbeauftragten im Rahmen des § 22 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch nehmen vom Betriebsrat beauftragte Betriebsratsmitglieder teil.

(5) Der Betriebsrat erhält vom Arbeitgeber die Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen, zu denen er nach den Absätzen 2 und 4 hinzuzuziehen ist.

(6) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Durchschrift der nach § 193 Abs. 5 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch vom Betriebsrat zu unterschreibenden Unfallanzeige auszuhändigen.

 
Links:

§§ 87 und 89 des Betriebsverfassungsgesetzes

Samstag, 18. Januar 2014 - 09:40

Der § 89 BetrVG Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz konkretisiert den § 87 BetrVG Mitbestimmungsrechte. Genau genommen geht es hier nicht um Mitbestimmungsrechte, sondern um Mitbestimmungspflichten. Beide Paragrafen sind keine Beschränkung der unternehmerischen Freiheit, sondern sie verbinden diese Freiheit der Arbeitgeber mit deren Verantwortung für die Arbeitnehmer. Beide Normen schreiben dazu den Arbeitnehmern die Ausübung von Mitbestimmunsrechten vor, denn wenn Arbeitnehmervertretungen auf ihr Mitbestimmungsrecht “verzichten” würden, dann funktionieren gesetzlich vorgeschriebene (und von weisen Leuten gut erklärte) Korrekturmechanismen nicht mehr. Die Mitbestimmungspflicht ist unabdingbar, die Arbeitnehmervertretungen haben sich also daran zu halten. Fehlen ihnen die Ressourcen (Wissen, Rechtsbeistand usw.) dazu, so hilft das nicht als Ausrede, sondern die Arbeitnehmervertreter müssen sich dann diese Ressourcen (Freistellungen, Berater, Rechtsanwälte, Weiterbildung usw.) verschaffen.

§ 87 Mitbestimmungsrechte

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[...]
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
[...]
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
[...]

§ 89 Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz

(1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die sonstigen in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen.

(2) Der Arbeitgeber und die in Absatz 1 Satz 2 genannten Stellen sind verpflichtet, den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat auch bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen und ihm unverzüglich die den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und den betrieblichen Umweltschutz betreffenden Auflagen und Anordnungen der zuständigen Stellen mitzuteilen.

(3) Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.

(4) An Besprechungen des Arbeitgebers mit den Sicherheitsbeauftragten im Rahmen des § 22 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch nehmen vom Betriebsrat beauftragte Betriebsratsmitglieder teil.

(5) Der Betriebsrat erhält vom Arbeitgeber die Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen, zu denen er nach den Absätzen 2 und 4 hinzuzuziehen ist.

(6) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat eine Durchschrift der nach § 193 Abs. 5 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch vom Betriebsrat zu unterschreibenden Unfallanzeige auszuhändigen.

Damit es klar ist:

  • Der Betriebsrat hat seine Aufgaben unabdingbar zu erfüllen. § 89 gibt ihm nicht nur Rechte, sondern Pflichten. Wo Rechte der Arbeitnehmervertretung als Pflichten formuliert sind, kann sie nicht auf die Ausübung dieser Rechte verzichten. Arbeitgeber, die die Arbeitnehmervertretung bei der Ausübung ihrer Pflichten behindert, begehen eine Straftat.
  • Zu den im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz und betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen zählen auch Audits (sowohl von internen wie auch von externen Auditoren) für OHSAS 18001 und ISO 14001, denn sie dienen der Systemkontrolle z.B. von Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystemen und damit der Entlastung der behördlichen Aufsicht. Diese Entlastung bedeutet natürlich nicht, dass die Arbeitnehmervertreter von den nun in die Systemkontrolle verlagerten Aufsichtsaufgaben ausgeschlossen werden können.
  • Zu den Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen zählen auch die Berichte, die bei Audits für OHSAS 18001 und ISO 14001 erstellt werden. Der Arbeitgeber hat hier eine Bringschuld.
  • In nach OHSAS 18001 zertifizierten Betrieben gilt, dass die Dokumentation nur von Unfällen nicht ausreicht. Es sind alle Vorfälle nach Definition 3.9 und 3.8 (OHSAS 18001:2007) zu dokumentieren, also nicht nur meldepflichtige Unfälle, sondern alle Ereignisse, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können. Das kann der Betriebsrat basierend auf OHSAS 18001 verlangen. (Erkrankungen sind erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden.)
  • Gesetzestext: § 89 BetrVG
  • Betriebsverfassungsgesetz im Arbeitsschutz

Mitbestimmung bei QM-Systemen

Mittwoch, 15. Januar 2014 - 20:21

http://qm-blog.certqua.de/was-sie-ueber-die-betriebliche-mitbestimmung-bei-der-einfuehrung-eines-qm-systems-wissen-muessen/

[...]

5. Audits und Zertifizierungen

Ist das QM-System eingeführt und soll [es] durch eine externe Organisation zertifiziert werden, finden Audits durch interne und externe Auditoren statt. Sie umfassen die Kontrolle darüber inwiefern das QM-System durch die Mitarbeiter auch tatsächlich gelebt wird. Die Kontrolle eröffnet jedoch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Einzig die Benennung der internen Auditoren bedarf einer Zustimmung des Betriebsrates.

Möchten auch Sie Qualitätsexperte im Bildungsmanagement werden und mehr über die Einführung eines QM-Systems und die betriebliche Mitbestimmung erfahren? Dann besuchen Sie die Basisseminare „Qualitätsmanagementbeauftragter“, „Qualitätsmanager“ und „QM-Fachauditor“ der CERTQUA GmbH

(Hervorhebung nicht im Originaltext)

Bei einer so hilfreichen Information zitiere ich die Werbung für Seminare gerne mit. :-)

Aber Vorsicht: Bei Audits vom QMs, die den Arbeits- und Umweltschutz betreffen, herrscht eine erweiterte Mitbestimmung, die in dem Artikel nicht berücksichtigt worden ist.

Manche Arbeitnehmervertretungen wissen nicht einmal, dass sie bei der Auswahl der internen Auditoren mitbestimmen können. Noch schlimmer: Sie interessieren sich nicht dafür. Ihnen erscheint das Thema als zu kompliziert und zu unwichtig. So kann es dann passieren, das Auditoren und Auditierte sich (entgegen der Forderungen in ISO 19011) sehr nahe stehen und die Audits zur Farce werden. Die Geschäftsführungen und Behörden bekommen geschönte Berichte. Arbeitnehmervertreter, die hier nicht aufpassen, schaden damit den von ihnen vertretenen Arbeitnehmern.

In dem Artikel geht es um die Mitbestimmung bei der Einführung von QM-Systemen generell. Und im Satz “Einzig die Benennung der internen Auditoren bedarf einer Zustimmung des Betriebsrates” geht es um Zustimmung. Die Pflichten des Betriebsrates beschränken sich aber nicht auf Zustimmung: Geht es beim QM um Arbeitsschutzmanagementsysteme (z.B. Zertifikations- und Zwischenaudits nach OHSAS 18001), dann ergeben sich u.A. aus dem § 89 des Betriebsverfassungsgesetzes für den Betriebsrat bzw. für die Personalvertretung starke zusätzliche Rechte und Pflichten.

Gerade bei Audits im Arbeitsschutz geht es nämlich darum, dass die Arbeitnehmer einseitige Darstellungen des Arbeitgebers korrigieren können müssen. (Falschdarstellungen der Qualität des AMS gab es sogar in Geschäftsberichten großer Unternehmen. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat müssten solche Fehler verhindern.)

Arbeitnehmervertretungen sind vom Arbeitgeber nicht nur über Arbeitsschutz-Audits zu informieren, sondern sie sind hinzuzuziehen. Das gilt auch für Audits durch private Zertifizierungsunternehmen, auf die sich Aufsichtspersonen der Gewerbeaufsicht verlassen (siehe Absatz 5 im Anhang der LV 54). Ansonsten wäre es ja möglich, die Arbeitnehmervertretung durch die Privatisierung von Teilen der Arbeitsschutzaufsicht zu behindern. Oft reicht schon die Anwesenheit eines sorgfältig Protokoll führenden Arbeitnehmervertreters, sicherzustellen, dass die dargestellte Qualität des Arbeitsschutzes den Tatsachen besser entspricht.

DAkkS-Beschwerdeverfahren

Sonntag, 15. Dezember 2013 - 10:23

Unser heutiges Arbeitsschutzgesetz trat im Jahr 1996 in Kraft. Es war als Rahmengesetz konzipiert und sollte somit einen Freiraum für betriebsgerechte Lösungen bieten. Eine wichtige Grundlage war die Annahme, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander vereinbaren, wie der Arbeitsschutz in einem Betrieb konkret umgesetzt wird. Insbesondere im Bereich der psychischen Belastungen hat das nicht funktioniert. Es kann immer noch passieren, dass ein Betrieb sein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) ohne Betriebsrat aufbaut und anschließend externen Auditoren angeblich bereits implementierte Prozesse zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz präsentiert, die die Betriebsleitung unter Umgehung der Mitbestimmung gestaltet hatte.

Wenn unkritische Auditoren trotz dieser strafbaren Missachtung des Betriebsverfassungsgesetzes ein Zertifikat nach OHSAS 18001 erteilen, kann der Arbeitgeber anschließend der immer noch überforderten Gewerbeaufsicht dieses Zertifikat vorlegen. Die Gewerbeaufsicht prüft dann nur “entlastet”. Sie merkt zum Beispiel nicht, dass der Betriebsrat dem AMS nicht zugestimmt hat. Zudem lassen sich unerfahrene Betriebsräte von dem Zertikat (sowie von der vom Zertifikat beeindruckten Gewerbeaufsicht) beeindrucken, obwohl sie ja gar nicht wissen, was der Arbeitgeber den Auditoren erzählt hatte.

Betriebsräte dürfen sich nicht von einem Zertifikat einschüchtern lassen, sondern gerade wenn es von bei der DAkkS akkreditierten Auditoren nach einer Missachtung der Mitbestimmung erteilt wurde, wird es Zeit, sich bei der DAkkS als Aufsicht der Auditoren zu beschweren.

 
Nehmen Sie (z.B. als Mitglied eines Betriebsrates oder eines Personalrates) einmal an, dass Ihre Betriebsleitung bei externen Audits ihres AMS darstelle, dass psychische Belastungen in dem Arbeitsschutz ihres Betriebes ordungsgemäß implementiert seien. Wenn Sie dem nicht zugestimmt haben und die Betriebsleitung trotzdem auf ihrer Position besteht, dann behindert die Betriebsleitung die Mitbestimmung. Rufen sie die Einigungsstelle an.

Damit Betriebs- und Personalräte kompetent mitbestimmen können, haben sie das Recht, sich von einem qualifizierten Sachverständigen ihrer Wahl beraten zu lassen. Die Kosten für solche Sachverständige trägt der Arbeitgeber. Erfahrene Sachverständige können der Arbeitnehmervertretung auch helfen, die Übernahme der Beratungskosten durch den Arbeitgeber bei einer Einigungsstellt oder vor Gericht durchzusetzen.

Erst wenn die Arbeitnehmervertretung zugestimmt hat oder der Spruch einer Einigungsstelle eine fehlende Zustimmung ersetzt hat, kann die psychische Belastung als in den Arbeitsschutz einbezogen dargestellt werden.

Selbst die Gewerbeaufsicht kann ohne vollzogene Mitbestimmung nicht behaupten, psychische Belastungen seien in den Arbeitsschutz eines Betriebes mit einbezogen. Natürlich muss die Arbeitnehmervertretung (oder die Einigungsstelle) das Urteil der Gewerbeaufsicht berücksichtigen. Aber die Gewerbeaufsicht darf nicht entscheiden, dass der Arbeitsschutz in dem Betrieb ausreichend vollständig implementiert sei, wenn die Mitbestimmung behindert wurde. Eine wichtige Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes ist doch, dass es betriebsnah umgesetzt wird. Dass können nur Leute machen, die sich in dem Betrieb auskennen. Darum hat der lokale Betriebsrat oder Personalrat mitzubestimmen.

Wenn die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz von der Betriebsleitung missachtet wird, dann bricht die Betriebsleitung auch dann gesetzliche Vorschriften, wenn die Gewerbeaufsicht keine Abweichungen festgestellt hat. Darum darf der Betrieb nicht nach OHSAS 18001 zertifiziert werden. Außerdem: Ohne vollzogene Mitbestimmung darf sich die Gewerbeaufsicht nicht von AMS-Zertifikaten “entlastet” fühlen, an deren Zustandekommen der Betriebsrat nicht beteiligt war.

Eine Nachlässigkeit der Gewerbeaufsicht und der externen Auditoren kann man daran erkennen, dass sie sich nicht für eine Überprüfung der Mitbestimmtheit der Gestaltung und Durchführung des Arbeitsschutzes in einem Betrieb interessieren. Bei Audits nach OHSAS 18001 müsste die Mitbestimmung sogar Gegenstand der Audits sein. Auch bei großen Zertifizierungsgesellschaften ist hier Nachlässigkeit und Desinteresse nicht ausgeschlossen. So geht’s halt zu im Zertifizierungsgeschäft.

Sollte einem Betrieb trotz einer Missachtung der Mitbestimmungspflicht von einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifikator ein AMS-Zertifikat erteilt worden sein, dann können sich Arbeitnehmer und ihre Vertretungen bei der DAkkS beschweren. In einem entsprechenden Verzeichnis der DAkkS finden sie eine Beschreibung des DAkkS-Beschwerdeverfahrens.