Schlagwort 'Kontrolldruck'

Bis 25000 Euro Bußgeld

Montag, 11. Januar 2016 - 14:42

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Grundlagen, Vorgehensweisen, Erfahrungen

(Klaus Volk, Bayerische Gewerbeaufsicht, 2015-03-25)
(https://www.muenchen.ihk.de/de/standortpolitik/Anhaenge/gefaehrdungsbeurteilung_psychischer_belastungen_dr._volk.pdf)

 
Klarstellungen im Arbeitsschutzgesetz, 2013:

Änderung des Arbeitsschutzgesetzes
im Artikel 8 des BUK-Neuordnungsgesetzes (September 2013):

§ 4 Allgemeine Grundsätze
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen
auszugehen:
1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;

§ 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) …
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

Die Änderung ist nur eine Klarstellung bereits seit 1997 geltenden Rechts.

 
Strafen:

Rechtliche Vorgaben für den Arbeitgeber verbindlich, bei Sanktionen Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld bis 25000 Euro!

Interessant wäre hier eine Statistik der tatsächlich verhängten Bußgelder für den Zeitraum von 1997 bis 2004 und von 2005 bis 2015. (Im Jahr 2004 beseitigte das BAG mögliche Zweifel an der Pflicht, psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen.)

Ist dieses Bußgeld ein Popanz? Schwächt die gute politische Vernetzung größerer Unternehmen mit der bayerischen Politik die Autorität der Gewerbeaufsicht? Die ja auch nicht allzu gut mit Ressourcen ausgestattete Gewerbeaufsicht in Bayern traut sich ja nicht einmal mehr zu schreiben, dass mit den Unternehmen bei Abweichungen Zielvereinbarungen getroffen werden.

Nach meinem Eindruck geht es in Bayern zu, wie in einem Kindergarten, in dem die Kleinen bei Fehlern sogar mit Lob motiviert werden, wenn sie nur versprechen, in Zukunft brav sein zu wollen. So werden auch Unternehmer mit kindgerechten Motivationstechniken gepriesen, wenn sie netterweise Maßnahmen ergreifen, mit denen sie sich endlich dazu herablassen, sich zu bemühen, psychische Belastungen vorschriftsmäßig in den Arbeitsschutz einzubeziehen.

Die Gewerbeaufsicht traut sich nicht, Rechtbruch zu dokumentieren, also dass Unternehmen unter den Augen der Gewerbeaufsicht über viele Jahre hinweg gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen hatten. Wenn das Betriebe sind, die sehr gerne komplexe Prozesse wie z.B. die Mitarbeiterbeurteilung beherrschen, dann muss sich die Gewerbeaufsicht doch fragen, ob in diesen Unternehmen die Einführung von Prozessen zur Beurteilung psychischer Belastungen vorsätzlich verschleppt wurde - und noch verschleppt wird.

 
Motivation:

Warum wird das Thema aufgegriffen?

Literatur: Esener Umfrage:

  • 90% der Befragten: Erfüllung gesetzlicher Vorgaben als Handlungsmotiv
  • 80% der Befragten: Druck der Aufsichtsbehörden

Warum waren seit spätestens 2005 weder die Gewerbeaufsichten noch die Berufsgenossenschaften die Initiatoren, die die Arbeitnehmer gebraucht hätten? Pech, wenn’s keinen (kompetenten) Betriebsrat oder keinen (kompetenten) Personalrat gibt.

Wie ist der Hinweis zu verstehen, dass mehrfach geäußert worden sei, dass es ja bereits Maßnahmen zur Gesundheitsförderung gebe? Erkennt Klaus Volk (ein Arzt der Gewerbeaufsicht) diese Ausweichstrategie vieler Unternehmen als einen Beitrag zum Arbeitsschutz an?

Die Links wurden nachträglich in die Zitate eingearbeitet.

Kriminalisierung der Arbeitgeber

Sonntag, 3. Januar 2016 - 11:25

Ich werfe in meinem Blog einem Großteil der Arbeitgeber einen nachhaltigen Gesetzesbruch vor. Ist das eine Kriminalisierung dieser für unser Land so wichtigen Leistungsträger?

http://www.cdu-kreisverband-fulda.de/inhalte/1/aktuelles/91174/ergebnisse-der-mindestlohn-ueberpruefungen-zeigen-deutliche-ehrlichkeit-der-arbeitgeber/index.html (Heiko Wingenfeld, CDU Fulda, 2015-07-27)

[...] Die Arbeitgeber in Deutschland verhielten sich gesetzestreu. Und dies, obwohl die Regelungen rechtlich unsicher und noch viele Einzelfragen nicht geklärt seien. Die wenigen schwarzen Schafe fielen nicht ins Gewicht. Wegen der wenigen begründeten Fälle dürften nicht alle Arbeitgeber kriminalisiert werden. [...]

Hier ging es um Mindestlohn. Für den Arbeitsschutz stellte dagegen der Bundestag im Jahr 2012 fest, dass sich etwa 80% der Arbeitgeber über das Gesetz stellen: Sie kamen ihrer Pflicht zur Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen nicht nach. (Die Regelungen dazu sind spätestens nach Beschlüssen des BAG im Jahr 2004 rechtlich sicher.)

Darf jetzt logischerweise die große Mehrheit der Arbeitgeber kriminalisiert werden?

Im 2011 konnte sich Ursula von der Leyen (damals noch Arbeitsministerin) rechtlich so sicher sein, dass sie sagte:

[...] Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss, wer den Arbeitsschutz auch in seelischer Hinsicht vernachlässigt, mit empfindlichen Strafen bis hin zu Gefängnis oder Betriebsstilllegung rechnen. Wir brauchen also keine schärferen Gesetze. Studien zeigen, dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit. Deswegen müssen wir besser informieren, Lösungswege aufzeigen, kontrollieren und die Beteiligten motivieren. [...]

Es kamen dann auch keine schärferen Gesetze, sondern eine Klarstellung bereits geltenden Rechts im Arbeitsschutz. Das war richtig so, aber die Frage, wieviele Unternehmer nun tatsächlich empfindlich bestraft wurden, möchte Ursula von der Leyen vermutlich nicht beantworten.

Die Arbeitgeber, um die es hier geht, treten eben ganz anders auf, als der gemeine Gesetzesbrecher. Sie haben sowohl ein werbewirksam dargestelltes “Gesundheitsmanagement” wie auch sehr gute Umgangsformen. Außerdem sind sie professionell vorbereitet: Speziell Großunternehmen lassen sich nicht vom Besuch der Gewerbeaufsicht überraschen, sondern sie laden die Prüfer der behördlichen Aufsicht ein. Man geht ja zivilisiert miteinander um. Besonders beeindruckt ist die Gewerbeausicht bei ihren “Prüfungen” dann von zertifizierten Arbeitsschutzmanagementsystemen: Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle (LASI: LV 54, Anhang, S. 42):

5. Umgang mit zertifizierten Systemen

Der erfolgreiche Abschluss einer Prüfung der Wirksamkeit eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) oder vergleichbaren Systems soll zu Entlastungen bei eigeninitiierten Überwachungsmaßnahmen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb Bescheinigungen, Gütesiegel oder andere Zertifikate, die die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes bewerten, vorlegt und diese die Inhalte und Anforderungen des Nationalen Leitfadens erfüllen. Anlassbezogene Maßnahmen der zuständigen staatlichen Behörden bleiben unberührt. Über die Ergebnisse werden die Unfallversicherungsträger ggf. informiert.

Liegt zum Beispiel ein von einem bei der DAkkS akkreditierten (aber immer noch privatwirtschaftlich arbeitenden) Auditunternehmen erteiltes OHSAS 18001 Zertifikat vor, dann geht die “Prüfung” ganz schnell.

Wie kann man dann überhaupt noch auf die unverschämte Idee kommen, bei Unternehmern, die Zertifikate und Siegel vorzeigen können, die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes anzuzweifeln? Und selbst wenn es offensichtlich ist, dass im inspizierten Betrieb psychische Belastungen nicht wirklich vorschriftsmäßig beurteilt werden, dann werden anstelle der Kriminalisierung von (Arbeitsplätze schaffenden) Unternehmern die Betriebsleitung von der Gewerbeaufsicht für ihr Bemühen gelobt, in Zukunft Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen einzuführen. Schließlich sind Großunternehmen ja auch politisch gut vernetzt, da darf die Kritik der Aufsichtsleute in den unteren Behörden an einem eventuell doch gesetzeswidrigen Arbeitsschutz nicht zu weit gehen.

In Bayern gab es einmal Zielvereinbarungen mit Unternehmen, bei denen die “Burnout-Detektive” der Gewerbeaufsicht Mängel feststellten. Inzwischen traut sich die bayerische Gewerbeaufsicht nicht einmal mehr, Zielvereinbarungen zu erwähnen.

Belastungsmoratorium

Freitag, 13. März 2015 - 07:38

Seit 1996 haben die Arbeitgeber psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Bis 2012 ignorierten etwa 80% der Betriebe diese Vorschrift. Es mag auch diese nachhaltige Bereitschaft zum Rechtsbruch sein, derentwegen die Arbeitgeber heute ein “Belastungsmoratorium” fordern (z.B. in den Nachrichten von heute), mit dem sie sich unter anderem gegen eine konsequente Überwachung von Arbeitsszeiten wehren. Das ist schon ziemlich frech.

Lästiger Kontrolldruck

Dienstag, 3. Februar 2015 - 16:51

Dass bayerische CSU-Politiker die ersten sind, die sich beim Mindestlohn gegen endlich einmal ernst zu nehmende Kontrollen wehren, ist überhaupt keine Überraschung. Strunzdumm schwafeln sie von “Planwirtschaft” und “überbordender Bürokratie”.

Im Arbeitsschutz kann man beobachten, wie ein Gewerbeaufsichtler ein Unternehmen als “Vorreiter” bezeichnet, das immer noch keine mitbestimmten Prozesse hat, mit der psychische Belastungen beurteilt werden. Freundlich wird das kontrollierte Unternehmen außerdem darauf hingewiesen, dass man bei den vielen Unternehmen, für die die Gewerbeaufsicht zuständig ist, sowieso nicht so genau hinsehen kann.

Im Bereich der privatisierten Kontrolle stufen akkreditierte Auditoren eine mangelhafte Vorfallserfassungen im Arbeitsschutzmanagement nur als “Beobachtung” und nicht als “Abweichung” ein, obwohl damit eine der Grundlagen des Arbeitsschutzes nicht funktioniert.

Es schmerzt im Umgang mit Vorschriften kreative Unternehmer natürlich besonders, wenn sie für Regelverstöße ihrer Subunternehmer verantwortlich gemacht werden sollen. Das Outsourcing von Verantwortung war schließlich ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells “Subunternehmen”. Unterstützt wurde das z.B. im Arbeitsschutz durch Zertifikate, mit denen Subunternehmer ihre Auftraggeber schützen, aber nicht wirklich die in den Subunternehmen arbeitenden Menschen. Und nun soll die Party vorbei sein? Haben kreative Unternehmer vielleicht sogar Angst, dass möglicherweise wirkungsvolle Kontrollen des Mindestlohnes irgendwann einmal auch im Arbeitsschutz stattfinden könnten?

In Deutschland durften 80% der Betriebe gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen. Als ein Hauptgrund wurde im Bundestag die überforderte Aufsicht erkannt. Mehr als ein Jahrzehnt der Überforderung ist aber auch kein Versehen mehr, sondern System.

Es gibt natürlich auch anständige Arbeitgeber, also 20% weiße Schafe neben 80% schwarzen Schafen.

Wer die Zustände bei der Aufsicht (behördliche und akkreditierte private Auditoren) im Arbeitsschutz kennt, wünscht sich die Kontrollqualität, die beim Mindestlohn vorgesehen ist (oder vorgesehen war?). Leider sind in in der deutschen Arbeitswelt potentielle Gesetzesbrecher anscheinend immer noch stark genug, gegen Kontrollen vorgehen zu können.

Merkel gegen, CDA für Anti-Stress-Verordnung

Sonntag, 9. November 2014 - 12:42

Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte auf dem Arbeitgebertag (2014-11-04), “dass ich einer Anti-Stress-Verordnung sehr skeptisch bis ablehnend gegenüberstehe”. Betriebliche Lösungen müssten greifen. Auf betriebliche Lösungen setzt auch Sigmal Gabriel. Weil aber Auditoren (obwohl bei der DAkkS akkreditiert) und Gewerbeaufsichten weiterhin mutlos und hilflos sind, wenn psychische Belastungen in von ihnen inspizierten Betrieben nicht ernsthaft erfasst und beurteilt werden, haben die Arbeitnehmer und ihre Vertreter keine guten Möglichkeiten, bei der Minderung pssychischer Fehlbelastungen wenigstens die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes durchzusetzen. Arbeitnehmer in Betrieben ohne Arbeitnehmervertretungen bleibt leider nur die überforderte behördliche Aufsicht, also können die Arbeitgeber hier ohne mitbestimmte Arbeitsschutzprozesse weiterhin locker gegen Vorschriften verstoßen.

Arbeitgeber wehren sich schon aus Gründen der Haftungsvermeidung dagegen, psychische Fehlbelastungen zu dokumentieren. Ich kenne den Fall einer Mitarbeiterin, die in ihrem Betrieb eine Fehlbelastungsmeldung einreichte. Daraufhin bederohte der Arbeitgeber sie massiv mit einer Abmahnung. Die behördliche Aufsicht und die externen Auditoren rügten das nicht einmal mündlich. Die Mitarbeiteren konnte zuvor durch Klageandrohung die Rücknahme der Abmahnung erreichen; die Aufsicht und die Auditoren meinten, deswegen sei der Fall nicht nur arbeitsvertragsrechtlich, sondern auch arbeitsschutzrechtlich abgeschlossen. Dass die Mitarbeiterin drei Monate lang massivem Druck ausgesetzt war, ließ die Gewerbeaufsicht (und die externen Auditoren des Arbeitsschutzmanagementsystems) kalt. Ohne Rückhalt durch die Aufsicht traute sich dann auch der Betriebsrat nicht, eine Erfassung des Vorfalls als psychische Fehlbelastung durchzusetzen.

Das Hauptproblem im Arbeitsschutz sind immer noch vorwiegend technisch orientierte Aufsichtspersonen, die das Thema der psychischen Belastungen nicht begreifen und auch nicht wissen, wie sie in diesem Bereich eine Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes erreichen können. Die Kontrolle funktioniert im Bereich der Minderung psychischen Fehlbelastungen einfach nicht.

Die Bundeskanzlerin ist eine durchsetzungsfähige Frau, die nicht nur Stress aushalten, sondern Anderen auch bereiten kann. Den könnte der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, zu spüren bekommen, wenn er seiner Chefin beim Thema Anti-Stress-Verordnung nocheinmal widersprechen sollte. Zurückgezogen hat er seinen Widerspruch bisher aber auch nicht.


Schon im Jahr 2005 wollte Angela Merkel, robust wie sie nun einmal ist, Bremsklötze niederwalzen, die sich dem Wachstum entgegenstellen. Als ich das damals las, kam mir sogleich die Merkelwalze in den Sinn.

 


24. September 2014 – 02:42

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/anti-stress-verordnung-merkel-will-arbeitnehmer-nicht-vor-mailflut-schuetzen/10731926.html

[...] In ihrem Video-Podcast sagte Merkel am Samstag auf die Frage, ob die Arbeitgeber nach dem Mindestlohn und dem Rentenpaket mit weiteren Regulierungen rechnen müssten, etwa einer Anti-Stress-Verordnung: „Ich glaube, sie müssen nicht mit weiteren Regulierungen rechnen. Ich stehe einer Anti-Stress-Verordnung sehr kritisch gegenüber.“ Jetzt heiße es, in die Zukunft zu blicken – mit den Schwerpunkten Forschung und Investitionen, solide Haushaltspolitik „und, wo immer es möglich ist, auch Bürokratieabbau“

Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, will das Nein Merkels nicht hinnehmen. Er hält rechtlich verbindliche Regelungen zur Vermeidung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz für überfällig. „Die steigenden Fehlzeiten und Frühverrentungen wegen psychischen Erkrankungen zeigen, dass politischer Handlungsbedarf besteht“, sagte Bäumler dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Hier werden Kosten aus der Arbeitswelt in die Krankenversicherung und Rentenversicherung verlagert.“ [...]

Siehe auch: http://blog.psybel.de/die-anti-stress-verordnung-jetzt-auf-den-weg-bringen/

Unsere Bundeskanzlerin möchte also jenen Arbeitgebern, die sich straflos über die Vorschriften des Arbeitsschutzes hinwesetzen, unter dem Deckmantel des “Bürokratieabbaus” auch weiterhin keine Hindernisse in den Weg legen. Angela Merkel toleriert damit die bestehende Anarchie im Arbeitsschutz. Sie ist mitverantwortlich dafür, dass die Gewerbeaufsicht weiterhin überfordert bleibt. Es ist von 1996 bis heute ja nicht einmal die “Bürokratie” aufgebaut worden, die für die Aufsicht im ganzheitlichen Arbeitsschutz erforderlich ist. Recht so gestaltet zu lassen, dass auf dem Papier gut aussieht, aber in der Praxis nicht ausreichend wirksam werden kann, ist eigentlich schon ziemlich schäbig.

GDA: Hilfestellung zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Dienstag, 14. Oktober 2014 - 05:55

Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes Ende 2013 wird gerne mißverstanden. Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes ist eine Klarstellung bereits geltenden Rechts. Diese Klarstellung entlässt die Arbeitgeber also nicht aus ihrer Verantwortung für ihre von den Gewerbeaufsichten tolerierten Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz in der Vergangenheit. Wie man richtig darstellen kann, dass die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes nur eine Klarstellung bereits zuvor geltender Vorschriften ist, zeigen die Arbeitgeber (BDA) selbst (2013-08):

[...] Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt werden. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 27. Juni 2013 verabschiedet. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz wird voraussichtlich Ende September 2013 den Bundesrat passieren. [...] 

Mit diesem Hintergrundwissen zur Änderung des Arbeitsschutzgesetzes Ende 2013 können wir uns nun einer Pressemeldung der GDA zuwenden: http://www.gda-portal.de/de/PresseAktuelles/PresseAktuelles.html

11.09.2014 

Neue GDA-Publikation gibt Hilfestellung bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes Ende 2013 hatte es verdeutlicht: Arbeitgeber müssen psychische Belastungen bei der Arbeit in der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Aber wie kann das in der Praxis umgesetzt werden? Eine neue Broschüre der GDA liefert Antworten.

Die im Rahmen des Arbeitsprogramms Psyche erarbeiteten “Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung” erläutern in sieben Schritten die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, ihre Methoden und Instrumente. Mit den Empfehlungen wird ein Korridor beschrieben, innerhalb dessen sich die konkrete Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung bewegen sollte. Die Broschüre richtet sich insbesondere an Unternehmen und betriebliche Arbeitsschutzakteure (u.a. Arbeitgeber, Betriebs-/Personalräte, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit).

Man sollte nun aber nicht so tun, als ob es bisher keine Hilfestellungen für die Arbeitgeber gegeben hätte. Ein Blick in die jüngere Geschichte des Arbeitsschutzes in Deutschland zeigt, dass sie schon im Jahr 2009 in der LASI-Veröffentlichung 52 nachlesen konnten (wenn es sie interessiert hätte), wie die behördliche Aufsicht psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einbeziehen sollen. Die LV 28 und die LV 21 zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz erschienen bereits in den Jahren 2002 und 2003. Auch von der DGUV gab es genügend viel Informationen und Hilfestellungen.

Wenigstens die großen Unternehmen kannten also die Pflichten, gegen die sie verstießen, und die Möglichkeiten, die sie ungenutzt ließen, schon seit vielen Jahren. Da aber auch die überforderten (und z.T. politisch ausgebremsten) Gewerbeaufsichten ihre eigenen Vorgaben kaum umsetzten, konnten die meisten Arbeitgeber zum Nachteil ihrer Mitarbeiter weiterhin ungeniert gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen. Hier begingen einige große Unternehmen, die es wissen mussten, über viele Jahre hinweg vorsätzlich Rechtsbruch. Noch schlimmer: Die Arbeitsschutzmanagementsysteme dieser Unternehmen wurden nach Audits (ohne Beteiligung der Arbeitnehmervertreter) durch unaufmerksame Zertifizierer abgesegnet, obwohl psychische Belastungen in den Gefährdungsbeurteilungen weder prozesshaft noch mitbestimmt erfasst und beurteilt wurden.

Man sieht: Hilfestellungen alleine helfen nicht, denn ohne Kontrolle werden Schutzbestimmungen ganz locker und souverän ignoriert.

Update 2016-01: http://blog.psybel.de/dr_lists_blog_2016021/

“Anti-Stress-Verordung” im Jahr 2014?

Mittwoch, 1. Januar 2014 - 23:58

Jetzt wird das für den Arbeitsschutz zuständige Bundesministerium von der SPD geführt. Mal sehen, ob Andrea Nahles endlich für eine mutigere Arbeitsschutzaufsicht sorgen kann. Inzwischen halte ich eine schärfere “Anti-Stress-Verordnung” leider doch für erforderlich. Die Unternehmen sind zwar jetzt im “Betrieblichen Gesundheitsmanagement” und der “Betrieblichen Gesundheitsförderung” schon viel aktiver und machen heftig Werbung dafür. Aber es scheint, dass das zum Teil auch dazu dienen soll, den vorgeschriebenen Arbeitsschutz mit der dazugehörigen starken Mitbestimmung zu marginalisieren. Den Unternehmen ist die Kür lieber als die Pflicht.

Zur Pflicht: Noch im Jahr 2012 konnte im Bundestag dokumentiert werden, dass etwa 80% der Unternehmen in Deutschland die von einem Arbeitsplatz ausgehenden Gefährdungen im Bereich der psychische Belastungen nicht beurteilen. Und noch heute trauen sich selbst die Gewerbeaufsichten nicht, Arbeitgeber zu kritisieren, die Arbeitnehmer bedrohen, die dem Arbeitgeber psychische Gefährdungen melden.

Mir ist ein Fall bekannt, in dem ein Arbeitnehmer nach einer Fehlbelastungsmeldung abgemahnt wurde. Eine Abmahnung ist eine der schärfsten Waffen, die ein Arbeitgeber gegen einen Arbeitnehmer einsetzen kann. Entsprechend hoch ist der Druck, der mit einer Abmahnung auf Arbeitnehmer ausgeübt wird. Obwohl sich die Abmahnung als unberechtigt erwiesen hatte, der Arbeitgeber die Abmahnung zurücknehmen musste und der Fall der Gewerbeaufsicht bekannt war, sind der Arbeitnehmervertretung keine Berichte der Gewerbeaufsicht bekannt, in denen der Vorfall auch nur erwähnt wurde. Die Gewerbeaufsicht interessierte sich für den Fall nicht.

Der Arbeitgeber, der seinen Mitarbeiter mit dem Abmahnungsversuch mehrere Monate lang bedrohte, behauptet, alle Vorfälle zu erfassen und zu bewerten, die Erkrankungen (ohne Berücksichtigung der Schwere) hätten zur Folge haben können. Im Widerspruch dazu versucht das Unternehmen mit allen Kräften, den Abmahnungsversuch aus der Berichterstattung zu Arbeitsschutz herauszuhalten. Nicht nur die Gewerbeaufsicht duldete das, sondern auch der privatwirtschaftlich arbeitende (bei der DAkkS akkreditierte) Zertifizierer des Arbeitsschutzmanagementsystems erkannte die fehlende Erfassung des Falls nicht als Abweichung. Das zeigt: Sowohl die behördliche und privatisierte Arbeitsschutz-Aufsicht versagt selbst bei krassen Fällen psychischer Fehlbelastung. Im Gegensatz zur Behauptung der Arbeitgeber reichen die bestehenden Regeln also nachweislich nicht aus.

In Bayern traut sich die Gewerbeaufsicht sogar nicht einmal mehr zu schreiben, dass bei Abweichungen von Arbeitsschutzvorschriften mit den entsprechenden Unternehmen Zielvereinbarungen getroffen werden. Anstatt genauer hinsehen zu wollen, ist die Aufsicht nun noch ängstlicher geworden. Die unteren Aufsichtsbehörden in Bayern scheinen unter dem Druck höherer Behörden zu stehen, die auf gute Beziehungen zur “Wirtschaft” großen Wert legen. Darauf machte mich ein Bekannter aufmerksam. Er leitet im immer noch ausreichend konservativen Hessen eine untere Aufsichtsbehörde und berichtete mir von den Schwierigkeiten seiner übervorsichtigen bayerischen Kollegen.

Angesichts der Kleinmütigkeit der Gewerbeaufsichten halte ich eine “Anti-Stress-Verordnung”, die den Gewerbeaufsichten mehr Durchsetzungskraft verschafft und den Aufsichtspersonen ein angstfreieres Arbeiten ermöglicht, für dringend erforderlich. Wie können Politiker behaupten, dass die bisherigen gesetztlichen Regeln ausreichen, wenn sie offensichtlich eben nicht ausgereicht haben? Nach langjährigen Umsetzungsproblemen ist nun wirklich eine Verordnung fällig, die insbesondere die Aufsicht durch Behörden (und auch durch Betriebsräte) stärkt.

Wie die Steuerfahndung, so die Gewerbeaufsicht?

Donnerstag, 25. April 2013 - 21:48

SZ 2012-04-25, von Mike Szymanski: Seehofers Leiden, S. 6

[...] Brandaktuell ist und bleibt der Umstand, dass Bayerns Steuerverwaltung seit Jahren chronisch unterbesetzt ist, laut Gewerkschaft fehlen 2000 Männer und Frauen. Als Steuerhinterzieher kann man sich in Bayern sicherer fühlen als in anderen Bundesländern. Diesen Schluss legen die Statistiken nahe. Wirklichen Ehrgeiz, daran etwas zu ändern, hat die Staatsregierung trotz Dauerkritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofes nicht erkennen lassen [...]

Und welchen Ergeiz zeigt die bayerische Staatsregierung im Arbeitsschutz? Was hilft OHRIS, wenn die Kontrolle fehlt? Was helfen Fachleute, denen die Hände gebunden sind? Mir scheint, dass es den bayerischen Unternehmen nicht gerade schwer gemacht wird, gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes zu verstoßen. Es sind wohl nicht die Arbeitnehmer, die die bayerischen Politiker wirklich schützen wollen.

Änderungen des Arbeitsschutzgesetzes: Kosmetik?

Sonntag, 14. April 2013 - 12:08

Wie geht es eigentlich den vorgesehenen Änderungen des Arbeitsschutzgesetzes?

Ohne eine Verbesserung der Ressourcen der Gewerbeaufsicht für die Kontrolle des Einbezugs psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz wären die vorgesehenen Änderungen des Arbeitsschutzgesetzes nur Kosmetik.

Außerdem müssten die Ressourcen und Durchsetzungsmöglichkeiten der Akteure im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzbeauftragte, Betriebsärzte, Personaler, Arbeitnehmervertretungen) so gestaltet werden, dass sie dem komplexen Thema der psychischen Belastungen auch gerecht werden können.

Nichteinhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen

Dienstag, 12. Februar 2013 - 06:26

http://west.dgb.de/presse/++co++c843fa58-6a0c-11e2-8244-00188b4dc422

Pressemitteilung DGB-RLP

PM DGB-RLP – 29.01.2013
Muscheid: Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes muss stärker kontrolliert werden

Der DGB-Landesvorsitzende Dietmar Muscheid hat die Landesregierung angesichts der zunehmenden psychischen Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu strengeren Kontrollen des Arbeitsschutzes aufgefordert. „Nur etwa jeder zehnte Beschäftigte wird im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung seines Arbeitsplatzes überhaupt nach psychischen Stressfaktoren befragt“, sagte Muscheid am Dienstag in Mainz. In der modernen Arbeitswelt gewönnen aber gerade die psychischen Belastungen an Bedeutung und gefährdeten die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Hier muss der Staat ein Auge auf die Unternehmen haben.“

Der von der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgestellte „Stressreport“ bestätige die Ergebnisse des „DGB Index Gute Arbeit“, sagte Muscheid weiter. Der DGB-Studie zufolge fühlen sich 56 Prozent aller Beschäftigten „oft“ oder „sehr häufig“ am Arbeitsplatz gehetzt oder stehen unter Zeitdruck. 38 Prozent der Befragten gaben an, die arbeitsfreie Zeit reiche zur Erholung „oft“ oder „sehr häufig“ nicht mehr aus.

Angesichts der Entwicklung sei die Bundesregierung aufgefordert, ein Gesetzpaket für mehr Gesundheitsschutz auf den Weg zu bringen. „Die Nichteinhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen muss auch in Bezug auf psychische Belastungen sanktioniert werden“, sagte Muscheid. Zudem brauche es eine „Anti-Stress-Verordnung“, da es keinen Sinn mache, psychische Belastungen im Arbeitsschutz rechtlich anders zu behandeln als physische. Wichtig sei zudem die Stärkung der Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, um Leistungsverdichtung zu begegnen und die Arbeitsfähigkeit der Belegschaft zu sichern.