Archiv für Januar, 2016

DEKRA: Gefährdungsanalyse liefert unangenehme Wahrheiten

Donnerstag, 7. Januar 2016 - 07:51

http://www.haufe.de/personal/hr-management/arbeitsschutz-psychische-belastungen-vernachlaessigt_80_329100.html (2015-11-24)

[...] „Psychische Belastungsfolgen sind in vielen Unternehmen ein Tabu“, sagt Dr. Karin Müller, Leiterin des Bereichs „Mensch und Gesundheit“ bei DEKRA. „Die Analyse der psychischen Gefährdungen bringt in der Praxis zuweilen unangenehme Wahrheiten zutage, die häufig Handlungsbedarf bei den Unternehmensführungen erzeugen. Nötig ist deshalb eine professionelle Gestaltung gesunder Arbeits- und Führungsstrukturen.“ [...] 

 
http://www.dekra.de/de/pressemitteilung?p_p_lifecycle=0&p_p_id=ArticleDisplay_WAR_ArticleDisplay&_ArticleDisplay_WAR_ArticleDisplay_articleID=56935479 (Pressemitteilung, 2015-11-19)

DEKRA präsentiert Arbeitssicherheitsbarometer 2015/2016 

Psychische Belastungen ausgeblendet

  • Häufige Ursachen für Fehlzeiten werden zu wenig beachtet
  • Klassische Maßnahmen zur Unfallverhütung stehen im Vordergrund
  • Große Potenziale im Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die Mehrheit der deutschen Unternehmen hat die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter noch nicht ausreichend im Blick. Nur ein Viertel legt bei der gesetzlich vorgeschrieben Gefährdungsbeurteilung besonderes Augenmerk auf psychische Belastungen. Das ist ein Ergebnis des aktuellen DEKRA Arbeitssicherheitsbarometers 2015/2016. Dabei sind psychische Erkrankungen laut aktueller Statistik die zweithäufigste Ursache für Fehlzeiten.

Für das DEKRA Arbeitssicherheitsbarometer 2015/2016 hat Deutschlands größte Prüforganisation 800 Unternehmen nach den Entwicklungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz befragt. Dabei zeigt sich, dass die Themen des klassischen Arbeitsschutzes dominieren. So ist für vier von fünf (80 Prozent) der Befragten die Gestaltung der Arbeitsstätte besonders wichtig, für zwei Drittel (65 Prozent) der sichere Einsatz von Arbeitsmitteln, Maschinen und Geräten. Psychische Belastungen werden aber nur von einer Minderheit (25 Prozent) als besonders wichtig bezeichnet.

Das Arbeitsschutzgesetz schreibt vor, routinemäßig auch Gefährdungen durch psychische Faktoren zu analysieren. Immer mehr Menschen werden wegen psychischer Leiden krankgeschrieben. Nach einer aktuellen Studie der Krankenkasse DAK war 2014 jeder 20. Beschäftigte aus diesem Grund zeitweise arbeitsunfähig. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung wären dies 1,9 Millionen Menschen; 16,6 Prozent der Fehlzeiten gehen auf das Konto von psychischen Erkrankungen.

Offener Umgang gefordert

„Psychische Belastungsfolgen sind in vielen Unternehmen ein Tabu“, sagt Dr. Karin Müller, Leiterin des Bereichs „Mensch und Gesundheit“ bei DEKRA. „Die Analyse der psychischen Gefährdungen bringt in der Praxis zuweilen unangenehme Wahrheiten zutage, die häufig Handlungsbedarf bei den Unternehmensführungen erzeugen. Nötig ist deshalb eine professionelle Gestaltung gesunder Arbeits- und Führungsstrukturen. Auch dem häufigsten Grund für Fehltage, Muskel- und Skeletterkrankungen, kann bis zu einem gewissen Grad vorgebeugt werden, zum Beispiel durch gezielte Maßnahmen innerhalb eines funktionierenden Betrieblichen Gesundheitsmanagements.“

Es gibt anerkannte Methoden, mit denen Fachleute routinemäßig im Rahmen einer Betriebsbesichtigung die psychischen Gefährdungen erfassen können. Diese können entstehen durch ungenügend gestaltete:

  • Arbeitsaufgaben, also beispielsweise Über- oder Unterforderung,
  • Arbeitsorganisation wie hoher Zeitdruck oder unregelmäßige Arbeitszeiten,
  • soziale Bedingungen, ungünstiges Führungsverhalten oder Konflikte,
  • Arbeitsplatzumgebung, beispielsweise Stress durch Lärm, Klima, räumliche Enge oder unzureichende Arbeitsmittel.

Kommunikative Defizite

Das DEKRA Arbeitssicherheitsbarometer 2015/2016 deutet auch im Bereich der Unfallverhütung auf kommunikative Defizite in den Betrieben hin. „Viele Unternehmen ergreifen zwar pflichtgemäß Maßnahmen zur Unfallverhütung, glauben aber selbst nicht an deren Erfolg“, beobachtet Michael Schröter, Produktmanager für Arbeits- und Gesundheitsschutz bei DEKRA. So stellen 92 Prozent der in dieser Studie befragten Unternehmen Betriebsanweisungen zur Verfügung, aber nur 63 Prozent halten genau diese Maßnahme für wirksam. Ähnlich negativ ist das Verhältnis bei Maßnahmen zur Anlagensicherheit, zu Arbeitsschutzausrüstungen sowie Sicherheitsbegehungen und Schulungen.

Arbeitsschutzexperte Schröter: „Die DEKRA Befragung zeigt ganz klar, dass im organisatorischen und kommunikativen Bereich die größten Verbesserungspotenziale für den Arbeits- und Gesundheitsschutz stecken. Der Technische Arbeitsschutz befindet sich in der Bundesrepublik bereits auf einem sehr hohen Niveau. Das zeigt sich an den vergleichsweise geringen Unfallzahlen. Doch in der Praxis mangelt es häufig an Prozessen, Organisation und Führung.“

Download: www.dekra.de/arbeitssicherheitsbarometer

Pressekontakt:
Tilman Vögele-Ebering [...]

 
Handlungsleitfaden psychische Gefährdungsbeurteilung der Continental AG (2014, S.3):

Die verfügbaren Ressourcen sollen vorrangig zur Durchführung von Maßnahmen zur Reduktion oder Beseitigung von Gefährdungen oder zur Verbesserung der seelischen Widerstandskraft und zur Unterstützung der Mitarbeiter eingesetzt werden, während der Aufwand für die Ermittlung der psychischen Gefährdungen und Belastungen so gering wie möglich gehalten werden soll.

So reduziert man die Dokumentation unangenehmer Wahrheiten. Wenn sich Arbeitgeber weniger gegen die Ermittlung der psychischen Gefährdungen und Belastungen wehren würden, wären sie einfacher und kostengünstiger durchzuführen.

Psychische Belastungen:
11 gesundheitsgefährdende Faktoren

Donnerstag, 7. Januar 2016 - 07:37

Das Wichtigste aus dem IGA-Report: http://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/psychische-belastungen-11-faktoren-identifiziert_94_331364.html (2015-12-07)

 
IGA-Report: http://www.iga-info.de/veroeffentlichungen/igareporte/igareport-31/

Risikobereiche für psychische Belastungen 

Mit den Veränderungen in der Arbeitswelt verändern sich auch die Belastungen, die auf den Menschen bei der Arbeit einwirken. So hat sowohl der Anteil als auch die Vielfalt an psychischen Arbeitsbelastungen zugenommen. Und diese können sich je nach Ausgestaltung positiv oder negativ auf Körper und Psyche auswirken.

Psychische Belastungen können also sowohl eine Kraftquelle als auch Gefahr für Beschäftigte darstellen. Herzerkrankungen und Muskel-Skelett-Erkrankungen zählen u. a. zu den körperlichen Erkrankungen, die aus psychischen Fehlbelastungen resultieren können. Und auch psychische Erkrankungen wie Depression und Angststörungen können durch psychische Fehlbelastungen mit verursacht werden.

Der iga.Report 31 widmet sich diesem Gefährdungspotenzial von psychischen Belastungen und zeigt auf, welche Belastungsfaktoren nachweislich als Risikofaktoren für die Gesundheit von Arbeitnehmenden identifiziert werden können. Hierfür wurden empirische Studien zum Zusammenhang zwischen psychischen Arbeitsbelastungen und Erkrankungen ausgewertet. Im Ergebnis weist die Untersuchung 11 Belastungsfaktoren aus, die potenziell als Gesundheitsrisiko zu bewerten sind.

Die Initiative Gesundheit und Arbeit (IGA) wird gemeinsam getragen von:

  • AOK-Bundesverband
  • BKK Dachverband e. V.
  • Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. (DGUV)
  • Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek)

#Stressmanagement auf #Armlänge

Mittwoch, 6. Januar 2016 - 17:08

Henriette Reker erntet jetzt viel Spott für ihre verhaltenspräventiven Vorschläge für bedrängte Frauen. Die Massenkriminaltät auf dem Kölner Bahnhofsplatz ist natürlich ein mediengerechteres Thema, als die Prävention psychischer Fehlbelastungen in der Arbeitswelt.

Wie wäre es für Resilienz-Trainings für Frauen? In der Arbeitswelt gibt es dafür leider kaum Spott. Hier dominiert auch in einem großen Teil der Öffentlichkeit immer noch die Ansicht, dass Arbeitnehmer zum Beispiel mit besserem individuellem Stressmanagement möglichen psychischen Fehlbelastungen am Arbeitsplatz begegnen sollten. Ich glaube zwar, dass im realen Alltag sowohl Verhaltensprävention wie auch Verhältnisprävention erforderlich ist, aber im Arbeitsschutzgesetz gibt der Staat zumindest auf dem Papier der Verhältnisprävention den Vorrang (individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen).

In der rauhen Wirklichkeit dürfen immer noch zu viele Arbeitgeber die in ihrer Verantwortung liegende Verhältnisprävention mit einer die einzelnen Mitarbeiter in die Verantwortung nehmenden Verhaltensprävention zu marginalisieren. Kein Bundesinnenminister beschwert sich hier über Gewerbeaufsichten, die hier nur überfordert und ziemlich tatenlos zusehen.

Den Medien ist das Thema “Verhaltensprävention versus Verhältnisprävention im Arbeitsschutz” natürlich zu kompliziert und zu unsexy.

Politiker, die jahrelang zuließen, dass sich bis 2012 etwa 80% der Betriebe über das Gesetz stellten und der Verhältnisprävention psychischer Belastungen auswichen, sollten sich jetzt mit Kritik an Henriette Reker besser ein bisschen zurückhalten. Das gilt auch für Journalisten, die sich bis heute von Firmen einlullen lassen, die mit Segnungen wie Stressmanagement-Trainings und individuellem Coaching Werbung betreiben, ohne gleichzeitig unbequemeren Pflichten im Arbeitsschutz nachzukommen. Nachdem des Thema der psychischen Belastungen nicht mehr aus den Betrieben herausgehalten werden kann, versuchen viele Unternehmer (und inzwischen auch viele Anbieter von Coachings für Mitarbeiter) nun, dem lästigen Thema mit Verhaltensprävention in den Griff zu bekommen. Wo bleibt der Spott?

Kriminalisierung der Arbeitgeber

Sonntag, 3. Januar 2016 - 11:25

Ich werfe in meinem Blog einem Großteil der Arbeitgeber einen nachhaltigen Gesetzesbruch vor. Ist das eine Kriminalisierung dieser für unser Land so wichtigen Leistungsträger?

http://www.cdu-kreisverband-fulda.de/inhalte/1/aktuelles/91174/ergebnisse-der-mindestlohn-ueberpruefungen-zeigen-deutliche-ehrlichkeit-der-arbeitgeber/index.html (Heiko Wingenfeld, CDU Fulda, 2015-07-27)

[...] Die Arbeitgeber in Deutschland verhielten sich gesetzestreu. Und dies, obwohl die Regelungen rechtlich unsicher und noch viele Einzelfragen nicht geklärt seien. Die wenigen schwarzen Schafe fielen nicht ins Gewicht. Wegen der wenigen begründeten Fälle dürften nicht alle Arbeitgeber kriminalisiert werden. [...]

Hier ging es um Mindestlohn. Für den Arbeitsschutz stellte dagegen der Bundestag im Jahr 2012 fest, dass sich etwa 80% der Arbeitgeber über das Gesetz stellen: Sie kamen ihrer Pflicht zur Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen nicht nach. (Die Regelungen dazu sind spätestens nach Beschlüssen des BAG im Jahr 2004 rechtlich sicher.)

Darf jetzt logischerweise die große Mehrheit der Arbeitgeber kriminalisiert werden?

Im 2011 konnte sich Ursula von der Leyen (damals noch Arbeitsministerin) rechtlich so sicher sein, dass sie sagte:

[...] Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss, wer den Arbeitsschutz auch in seelischer Hinsicht vernachlässigt, mit empfindlichen Strafen bis hin zu Gefängnis oder Betriebsstilllegung rechnen. Wir brauchen also keine schärferen Gesetze. Studien zeigen, dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit. Deswegen müssen wir besser informieren, Lösungswege aufzeigen, kontrollieren und die Beteiligten motivieren. [...]

Es kamen dann auch keine schärferen Gesetze, sondern eine Klarstellung bereits geltenden Rechts im Arbeitsschutz. Das war richtig so, aber die Frage, wieviele Unternehmer nun tatsächlich empfindlich bestraft wurden, möchte Ursula von der Leyen vermutlich nicht beantworten.

Die Arbeitgeber, um die es hier geht, treten eben ganz anders auf, als der gemeine Gesetzesbrecher. Sie haben sowohl ein werbewirksam dargestelltes “Gesundheitsmanagement” wie auch sehr gute Umgangsformen. Außerdem sind sie professionell vorbereitet: Speziell Großunternehmen lassen sich nicht vom Besuch der Gewerbeaufsicht überraschen, sondern sie laden die Prüfer der behördlichen Aufsicht ein. Man geht ja zivilisiert miteinander um. Besonders beeindruckt ist die Gewerbeausicht bei ihren “Prüfungen” dann von zertifizierten Arbeitsschutzmanagementsystemen: Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle (LASI: LV 54, Anhang, S. 42):

5. Umgang mit zertifizierten Systemen

Der erfolgreiche Abschluss einer Prüfung der Wirksamkeit eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) oder vergleichbaren Systems soll zu Entlastungen bei eigeninitiierten Überwachungsmaßnahmen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb Bescheinigungen, Gütesiegel oder andere Zertifikate, die die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes bewerten, vorlegt und diese die Inhalte und Anforderungen des Nationalen Leitfadens erfüllen. Anlassbezogene Maßnahmen der zuständigen staatlichen Behörden bleiben unberührt. Über die Ergebnisse werden die Unfallversicherungsträger ggf. informiert.

Liegt zum Beispiel ein von einem bei der DAkkS akkreditierten (aber immer noch privatwirtschaftlich arbeitenden) Auditunternehmen erteiltes OHSAS 18001 Zertifikat vor, dann geht die “Prüfung” ganz schnell.

Wie kann man dann überhaupt noch auf die unverschämte Idee kommen, bei Unternehmern, die Zertifikate und Siegel vorzeigen können, die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes anzuzweifeln? Und selbst wenn es offensichtlich ist, dass im inspizierten Betrieb psychische Belastungen nicht wirklich vorschriftsmäßig beurteilt werden, dann werden anstelle der Kriminalisierung von (Arbeitsplätze schaffenden) Unternehmern die Betriebsleitung von der Gewerbeaufsicht für ihr Bemühen gelobt, in Zukunft Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen einzuführen. Schließlich sind Großunternehmen ja auch politisch gut vernetzt, da darf die Kritik der Aufsichtsleute in den unteren Behörden an einem eventuell doch gesetzeswidrigen Arbeitsschutz nicht zu weit gehen.

In Bayern gab es einmal Zielvereinbarungen mit Unternehmen, bei denen die “Burnout-Detektive” der Gewerbeaufsicht Mängel feststellten. Inzwischen traut sich die bayerische Gewerbeaufsicht nicht einmal mehr, Zielvereinbarungen zu erwähnen.

Wer kümmert sich um die psychische Gesundheit?

Samstag, 2. Januar 2016 - 22:48

http://www.arbeitstattstress.de/2015/05/wer-kuemmert-sich-um-die-psychische-gesundheit/