Kriminalisierung der Arbeitgeber

Sonntag, 3. Januar 2016 - 11:25

Ich werfe in meinem Blog einem Großteil der Arbeitgeber einen nachhaltigen Gesetzesbruch vor. Ist das eine Kriminalisierung dieser für unser Land so wichtigen Leistungsträger?

http://www.cdu-kreisverband-fulda.de/inhalte/1/aktuelles/91174/ergebnisse-der-mindestlohn-ueberpruefungen-zeigen-deutliche-ehrlichkeit-der-arbeitgeber/index.html (Heiko Wingenfeld, CDU Fulda, 2015-07-27)

[...] Die Arbeitgeber in Deutschland verhielten sich gesetzestreu. Und dies, obwohl die Regelungen rechtlich unsicher und noch viele Einzelfragen nicht geklärt seien. Die wenigen schwarzen Schafe fielen nicht ins Gewicht. Wegen der wenigen begründeten Fälle dürften nicht alle Arbeitgeber kriminalisiert werden. [...]

Hier ging es um Mindestlohn. Für den Arbeitsschutz stellte dagegen der Bundestag im Jahr 2012 fest, dass sich etwa 80% der Arbeitgeber über das Gesetz stellen: Sie kamen ihrer Pflicht zur Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen nicht nach. (Die Regelungen dazu sind spätestens nach Beschlüssen des BAG im Jahr 2004 rechtlich sicher.)

Darf jetzt logischerweise die große Mehrheit der Arbeitgeber kriminalisiert werden?

Im 2011 konnte sich Ursula von der Leyen (damals noch Arbeitsministerin) rechtlich so sicher sein, dass sie sagte:

[...] Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss, wer den Arbeitsschutz auch in seelischer Hinsicht vernachlässigt, mit empfindlichen Strafen bis hin zu Gefängnis oder Betriebsstilllegung rechnen. Wir brauchen also keine schärferen Gesetze. Studien zeigen, dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit. Deswegen müssen wir besser informieren, Lösungswege aufzeigen, kontrollieren und die Beteiligten motivieren. [...]

Es kamen dann auch keine schärferen Gesetze, sondern eine Klarstellung bereits geltenden Rechts im Arbeitsschutz. Das war richtig so, aber die Frage, wieviele Unternehmer nun tatsächlich empfindlich bestraft wurden, möchte Ursula von der Leyen vermutlich nicht beantworten.

Die Arbeitgeber, um die es hier geht, treten eben ganz anders auf, als der gemeine Gesetzesbrecher. Sie haben sowohl ein werbewirksam dargestelltes “Gesundheitsmanagement” wie auch sehr gute Umgangsformen. Außerdem sind sie professionell vorbereitet: Speziell Großunternehmen lassen sich nicht vom Besuch der Gewerbeaufsicht überraschen, sondern sie laden die Prüfer der behördlichen Aufsicht ein. Man geht ja zivilisiert miteinander um. Besonders beeindruckt ist die Gewerbeausicht bei ihren “Prüfungen” dann von zertifizierten Arbeitsschutzmanagementsystemen: Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle (LASI: LV 54, Anhang, S. 42):

5. Umgang mit zertifizierten Systemen

Der erfolgreiche Abschluss einer Prüfung der Wirksamkeit eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) oder vergleichbaren Systems soll zu Entlastungen bei eigeninitiierten Überwachungsmaßnahmen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb Bescheinigungen, Gütesiegel oder andere Zertifikate, die die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes bewerten, vorlegt und diese die Inhalte und Anforderungen des Nationalen Leitfadens erfüllen. Anlassbezogene Maßnahmen der zuständigen staatlichen Behörden bleiben unberührt. Über die Ergebnisse werden die Unfallversicherungsträger ggf. informiert.

Liegt zum Beispiel ein von einem bei der DAkkS akkreditierten (aber immer noch privatwirtschaftlich arbeitenden) Auditunternehmen erteiltes OHSAS 18001 Zertifikat vor, dann geht die “Prüfung” ganz schnell.

Wie kann man dann überhaupt noch auf die unverschämte Idee kommen, bei Unternehmern, die Zertifikate und Siegel vorzeigen können, die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes anzuzweifeln? Und selbst wenn es offensichtlich ist, dass im inspizierten Betrieb psychische Belastungen nicht wirklich vorschriftsmäßig beurteilt werden, dann werden anstelle der Kriminalisierung von (Arbeitsplätze schaffenden) Unternehmern die Betriebsleitung von der Gewerbeaufsicht für ihr Bemühen gelobt, in Zukunft Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen einzuführen. Schließlich sind Großunternehmen ja auch politisch gut vernetzt, da darf die Kritik der Aufsichtsleute in den unteren Behörden an einem eventuell doch gesetzeswidrigen Arbeitsschutz nicht zu weit gehen.

In Bayern gab es einmal Zielvereinbarungen mit Unternehmen, bei denen die “Burnout-Detektive” der Gewerbeaufsicht Mängel feststellten. Inzwischen traut sich die bayerische Gewerbeaufsicht nicht einmal mehr, Zielvereinbarungen zu erwähnen.


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