Schlagwort 'Privatisierung der Aufsicht'

Lenient Testing Companies

Sonntag, 6. August 2017 - 22:40

Germany was famous for its correctness. Forget about it. The “diesel scandal” killed that dream. (Forget about serious ISO 26262 audits in Germany.)

Finding “defeat devices” (deception implemented in the software which runs the motor control) is much easier than auditing the protection of mental health in OH&S management systems. No surprise that German employers easily pass OHSAS 18001 audits even though the management of mental workload issues is not included in their OH&S management system if the CAB doesn’t really care about that.

Don’t trust in audits whether it is about environmental protection or credit ratings: http://comment-news.com/source/www.nytimes.com/2015/09/25/business/international/volkswagen-emissions-pollution-regulations.html/:

“[...] Carmakers ‘shop’ for the best deal from agencies across Europe and directly pay for their services,” he [Greg Archer, a former director at Britain's renewable-fuels regulator] said in a recent [2015] statement on the Volkswagen scandal. “The job of the engineer overseeing the test is ultimately dependent on the next contract from the carmaker.”

The company did not have an immediate comment.

Automakers have the same incentive to shop around for lenient testing companies that bond issuers have long had to shop around for the credit rating agency that would give them the highest credit rating. Overgenerous ratings of complex financial instruments based on mortgage prices were widely blamed as helping to set the global financial crisis. [...]

Also OHSAS 18001 certifiers easily might get corrupted by their customers who won’t appreciate an honest audit. Too thoroughly audited employers just would move to a more lenient CAB. That is why I kow of a company in Europe where the management of mental workload issues is not included in their OH&S management system. They got their OHSAS 18001 certificate nevertheless. The CAB also had tolerated that that company moved much too late from OHSAS 18001:1999 to OHSAS 18001:2007 in the year 2013. The accreditation authority – lenient as well – did not consider that to be a deviation.

Certification mills have good working conditions in Europe. That ugly make-believe business makes employees sick. The “diesel scandal” confirmed my impression that audits can be an ugly farce.

Fehlende Begeisterung für OHSAS 18001 bei DNV-GL?

Dienstag, 9. August 2016 - 07:00

DNV-GL sendet mir Werbung zu Seminaren über ISO 9001, DIN EN 9100, ISO 14001, ISO 22000, ISO 27001 und ISO 50001. Größere Schwierigkeiten scheinen die Betriebe in Deutschland jedoch mit OHSAS 18001 zu haben. Das liegt vermutlich nicht nur daran, dass der heftig umstrittene Standard ISO 45001 vielleicht 2017 der Nachfolger dieses Standards für Arbeitsschutzmanagement werden soll. (Mit ISO 45001:2016 wird das nichts mehr.)

Ich wünsche mir von der Zertifizierungsbranche Trainings und kritischere Audits insbesondere im Arbeitsschutz. Hier sind die Arbeitnehmer die “Stakeholder”, was meiner Ansicht nach bei Audits von Arbeitsschutzmanagementsystemen für die Arbeitnehmervertreter immer noch nicht ausreichend spürbar wird. Auch sollte DNV-GL Arbeitnehmervertretern Seminare anbieten, die sie zur Durchführung interner (ISO 19011) Audits von Arbeitsschutzmanagementsystemen befähigen. Auch die Gewerkschaften vernachlässigen das Thema der Standards für Arbeitsschutzmanagementsysteme. Das ist schlecht, denn der Arbeitsschutz in Deutschland verträgt durchaus noch Verbesserungen bei der disziplinierten Umsetzung sowohl freiwillig ausgewählter wie auch gesetzlich vorgeschriebener Regeln.

Vielleicht sollte doch einmal die gesamte Struktur nicht nur der der behördlichen Aufsicht, sondern auch des privatisierten Audit(un)wesens unter die Lupe genommen werden. Denn vor welchen Unannehmlichkeiten müssen sich Zertifizierungsauditoren (und die Deutsche Akkreditierungsstelle, also die DAkkS) mehr fürchten: vor unzufriedenen Arbeitnehmern oder vor Unternehmen, die sich bei der Auswahl von Zertifizierern vermutlich nicht für den strengsten Auditor entscheiden werden? Die Arbeitnehmer sind zwar die “Stakeholder”, aber wirklich respektiert werden sie weder von der DAkkS, noch von den Zertifizierungsauditoren. In Deutschland ist das verständlich, denn die behördlichen und privaten Prüfer haben ja auch keinen überzeugenden Grund, solch einen Respekt zu entwickeln. Dafür tragen auch die Gewerkschaften eine Verantwortung.

Arbeitszeitrecht als Arbeitsschutz

Freitag, 29. April 2016 - 07:30

In einem großen Unternehmen verteilte die dortige IGM-Gruppe gestern in ihren Mitteilungen an die Belegschaft einen langen Artikel zur psychischen Belastung. “Flexible” Arbeitszeiten im Weltkonzern führen zu psychischen Fehlbelastungen. Das Arbeitsschutzrecht wurde in dem Artikel mit keinem Wort erwähnt, sondern es ging um das Arbeitszeitrecht.

Ich habe Verständnis dafür: Derzeit gibt es in etwa 75% der deutschen Betriebe immer noch keine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. (Im Jahr 2012 waren es 80%.) Die behördliche Aufsicht ist machtlos (oder wird von politischen Führungen machtlos gehalten) und die privatwirtschaftlichen Auditoren von Arbeitsschutzmanagementsystemen sorgen unter den Augen der DAkkS dafür, dass ihre Klienten (die auditierten Betriebe) nicht durch sorgfältige Audits verschreckt werden. Man will ja im Geschäft bleiben.

Bei der Arbeitszeit ist es nicht besser. Undokumentierte Mehrarbeit wird immer wieder versucht. Aber das Thema “Arbeitszeit” ist weitaus weniger komplex, als der Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Deswegen habe ich Verständnis dafür, dass die IGM scharf auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes achtet und dass Betriebsräte immer wieder die Arbeitszeitprotokolle der Mitarbeiter überprüfen. Das ist wohl einer der wirksamsten Hebel im Arbeitsschutz.

Ich selbst habe in Korea häufiger öfters auch mal 14 Stunden am Tag gearbeitet und mich dabei sehr wohl gefühlt, fast schon in Trance. Das war Softwareentwicklung “im Flow”, wobei ich überhaupt nicht unterbrochen werden wollte. In bestimmten Fällen ist auch lange Arbeit ein Vergnügen. Wegen solcher Beispiele könnte man au die Idee kommen, die Arbeitszeitregelungen in Deutschland “flexibilisieren” zu wollen.

Aber im Arbeitsschutz herrscht Anarchie. Solange Arbeitgeber sowohl von der behördlichen Aufsicht geduldet und wie auch von unkritisch prüfenden Auditoren abgesichert gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen dürfen, muss jeder Versuch, irgend etwas am Arbeitszeitgesetz zu drehen, mit aller Kraft abgewert werden. Die IGM hat völlig recht: Solange Arbeitgeber im Arbeitsschutz in ihrer großen Mehrheit geltendes Recht brechen dürfen und dabei vor Körperverletzungen nicht zurückschrecken, sind die Betriebsleitungen selbst daran schuld, wenn der Arbeitszeitknüppel immer wieder herausgeholt werden muss.

Kriminalisierung der Arbeitgeber

Sonntag, 3. Januar 2016 - 11:25

Ich werfe in meinem Blog einem Großteil der Arbeitgeber einen nachhaltigen Gesetzesbruch vor. Ist das eine Kriminalisierung dieser für unser Land so wichtigen Leistungsträger?

http://www.cdu-kreisverband-fulda.de/inhalte/1/aktuelles/91174/ergebnisse-der-mindestlohn-ueberpruefungen-zeigen-deutliche-ehrlichkeit-der-arbeitgeber/index.html (Heiko Wingenfeld, CDU Fulda, 2015-07-27)

[...] Die Arbeitgeber in Deutschland verhielten sich gesetzestreu. Und dies, obwohl die Regelungen rechtlich unsicher und noch viele Einzelfragen nicht geklärt seien. Die wenigen schwarzen Schafe fielen nicht ins Gewicht. Wegen der wenigen begründeten Fälle dürften nicht alle Arbeitgeber kriminalisiert werden. [...]

Hier ging es um Mindestlohn. Für den Arbeitsschutz stellte dagegen der Bundestag im Jahr 2012 fest, dass sich etwa 80% der Arbeitgeber über das Gesetz stellen: Sie kamen ihrer Pflicht zur Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen nicht nach. (Die Regelungen dazu sind spätestens nach Beschlüssen des BAG im Jahr 2004 rechtlich sicher.)

Darf jetzt logischerweise die große Mehrheit der Arbeitgeber kriminalisiert werden?

Im 2011 konnte sich Ursula von der Leyen (damals noch Arbeitsministerin) rechtlich so sicher sein, dass sie sagte:

[...] Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss, wer den Arbeitsschutz auch in seelischer Hinsicht vernachlässigt, mit empfindlichen Strafen bis hin zu Gefängnis oder Betriebsstilllegung rechnen. Wir brauchen also keine schärferen Gesetze. Studien zeigen, dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit. Deswegen müssen wir besser informieren, Lösungswege aufzeigen, kontrollieren und die Beteiligten motivieren. [...]

Es kamen dann auch keine schärferen Gesetze, sondern eine Klarstellung bereits geltenden Rechts im Arbeitsschutz. Das war richtig so, aber die Frage, wieviele Unternehmer nun tatsächlich empfindlich bestraft wurden, möchte Ursula von der Leyen vermutlich nicht beantworten.

Die Arbeitgeber, um die es hier geht, treten eben ganz anders auf, als der gemeine Gesetzesbrecher. Sie haben sowohl ein werbewirksam dargestelltes “Gesundheitsmanagement” wie auch sehr gute Umgangsformen. Außerdem sind sie professionell vorbereitet: Speziell Großunternehmen lassen sich nicht vom Besuch der Gewerbeaufsicht überraschen, sondern sie laden die Prüfer der behördlichen Aufsicht ein. Man geht ja zivilisiert miteinander um. Besonders beeindruckt ist die Gewerbeausicht bei ihren “Prüfungen” dann von zertifizierten Arbeitsschutzmanagementsystemen: Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle (LASI: LV 54, Anhang, S. 42):

5. Umgang mit zertifizierten Systemen

Der erfolgreiche Abschluss einer Prüfung der Wirksamkeit eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) oder vergleichbaren Systems soll zu Entlastungen bei eigeninitiierten Überwachungsmaßnahmen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb Bescheinigungen, Gütesiegel oder andere Zertifikate, die die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes bewerten, vorlegt und diese die Inhalte und Anforderungen des Nationalen Leitfadens erfüllen. Anlassbezogene Maßnahmen der zuständigen staatlichen Behörden bleiben unberührt. Über die Ergebnisse werden die Unfallversicherungsträger ggf. informiert.

Liegt zum Beispiel ein von einem bei der DAkkS akkreditierten (aber immer noch privatwirtschaftlich arbeitenden) Auditunternehmen erteiltes OHSAS 18001 Zertifikat vor, dann geht die “Prüfung” ganz schnell.

Wie kann man dann überhaupt noch auf die unverschämte Idee kommen, bei Unternehmern, die Zertifikate und Siegel vorzeigen können, die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes anzuzweifeln? Und selbst wenn es offensichtlich ist, dass im inspizierten Betrieb psychische Belastungen nicht wirklich vorschriftsmäßig beurteilt werden, dann werden anstelle der Kriminalisierung von (Arbeitsplätze schaffenden) Unternehmern die Betriebsleitung von der Gewerbeaufsicht für ihr Bemühen gelobt, in Zukunft Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen einzuführen. Schließlich sind Großunternehmen ja auch politisch gut vernetzt, da darf die Kritik der Aufsichtsleute in den unteren Behörden an einem eventuell doch gesetzeswidrigen Arbeitsschutz nicht zu weit gehen.

In Bayern gab es einmal Zielvereinbarungen mit Unternehmen, bei denen die “Burnout-Detektive” der Gewerbeaufsicht Mängel feststellten. Inzwischen traut sich die bayerische Gewerbeaufsicht nicht einmal mehr, Zielvereinbarungen zu erwähnen.

Zuschauer und Mittäter

Donnerstag, 3. Dezember 2015 - 10:55

So allmählich bröckelt das Vertrauen in die behördliche Aufsicht weg.

Während die Gewerbeaufsicht von ihrer arbeitsbelastung überfordert zuschaut, erfassen auch große Unternehmen arbeitsbedingten psychischen Belastungen nicht ausreichend zuverlässig. Und bei Unternehmen mit zertifizierten Vorzeige-Arbeitsschutz-Managementsystemen sind die privaten Zertifizierer nicht für allzu kritische Audits bekannt. Schlampige Audits erzeugen im Gesundheitsschutz eine für die Arbeitnehmer gefährliche Scheinsicherheit, die diese Managementsysteme nicht verbessern, sondern seine Mängel verdecken. Hier ist es die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS), die freundlich und milde hinschaut.

Die Begeisterung der Berufsgenossenschaften für ein bessere Dokumentation psychischer Fehlbelastungen bei den Unternehmen ist auch recht überschaubar.

Daszu passt es, dass die Arbeitgeber es geschafft haben, sich aus der paritätischen Beteiligung an Beitragserhöhungen der Krankenkassen zu verabschieden. Dank des Zuschauens der behördlichen und privaten Aufsicht (Gewerbeaufsicht, DAkkS, bei der DAkkS akkreditierte Zertifizierer) können sie den Arbeitnehmern nun auch die Kosten für arbeitsbedingte Erkrankungen aufbürden. So funktioniert erfolgreiche Lobbyarbeit.

Die für diese Zustände verantwortlichen Gesundheitspolitiker sind nicht nur Zuschauer, sondern Mittäter.

Die Siegel-Verkäufer

Montag, 2. November 2015 - 14:15

https://magazin.spiegel.de/digital/?utm_source=spon&utm_campaign=inhaltsverzeichnis#SP/2015/44/139456010

Institutionen – Die Siegel-Verkäufer: Korrekt, unbestechlich, seriös – die Marke TÜV gilt als Inbegriff deutscher Zuverlässigkeit. Doch die Prüfkonzerne gefährden ihren Ruf mit fragwürdigen Zertifikaten, laxen Kontrollen und Geschäftemacherei. [...]

(SPIEGEL 2015-10-24)

Selbstregulierung der Wirtschaft: Schwächen der Zertifizierung

Freitag, 19. September 2014 - 23:58

Der folgende Artikel steht in http://suite101.de/article/selbstregulierung-der-wirtschaft-schwaechen-der-zertifizierung-a110872 nicht mehr zur Verfügung. Ich veröffentliche ihn (mit den Links zur suite101, die nicht mehr funktionieren) mit Genehmigung der Autoren.

In dem Artikel geht es vowiegend um Zertifizierungen im Bereich des Umweltschutzes, der Entsorgung usw. Aber er regt auch zu Fragen im Arbeitsschutz-Zertifizierungsgeschäft an. Z.B. Das Interesse der Zertifizierer, ihre Auftraggeber kritisch zu auditieren, wird auch im Arbeitsschutz so gering sein, wie im Umweltschutz. Im Arbeitsschutz gibt es allerdings Betriebsräte, die eingreifen könnten. In der Praxis fehlt ihnen aber sehr oft die Kompetenz, das Problembewusstsein und die Durchsetzungsfähigkeit, die erforderlich sind um der traurigen Zertifizierungsfarce ein Ende bereiten zu können.

Klaus Lohmann, in Kooperation mit Vera Kriebel, 2013-07-04
http://www.buendia.de/buendia.htm

Zertifizierungen sollen die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen erhöhen oder sichern und Unternehmen (zum Beispiel für Kunden) vergleichbar machen. Bei umweltgefährdenden Unternehmen wie beispielsweise in der Entsorgungs-, Recycling- oder Abfallwirtschaft erscheint Ersteres besonders wichtig. Ziel der Zertifizierung ist dort zum einen die “Sicherstellung eines hohen Qualitätsniveaus”, zum anderen die “Deregulierung, z.B. in Form des Verzichts auf eine Transportgenehmigung oder der Nutzung des privilegierten Nachweisverfahrens” (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall, LAGA) .

Schwachstellen des Zertifizierungsverfahrens

Funktioniert dies so, wie sich dies die entsprechenden Stellen und natürlich auch die Allgemeinheit in verständlicher Sorge um Gesundheit und Umwelt vorstellen? Es gibt verschiedene Schwachstellen, die daran zweifeln lassen.

Schwachstelle Nummer Eins: Zertifizierer/TÜOs

Den größten Schwachpunkt bilden die Zertifizierer, zumeist Technische Überwachungsorganisationen (TÜOen), selbst, deren Unabhängigkeit zwar theoretisch gefordert, praktisch aber nicht gewährleistet ist, denn sie sind ja wirtschaftlich abhängig vom Auftraggeber, eben dem Unternehmen, das sie neutral begutachten sollen. Das zu zertifizierende Unternehmen bezahlt die eigenen Gutachter und Kontrolleure – das ergibt automatisch einen Interessenskonflikt bei den TÜOs.

Zustimmung zum Überwachungsvertrag durch die Behörde am Sitz der TÜO

Dem Überwachungsvertrag, dem ja entscheidende Bedeutung im Rahmen der Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb zukommt, wird durch die Behörde zugestimmt, die am Sitz der TÜO zuständig ist – nicht durch die zuständige Behörde am Sitz des Entsorgungsunternehmens. Vorteil dieser Regelung ist sicher, dass die zuständige Behörde den Zertifizierer gut kennt.

  • Schwachpunkte dieser Regelung sind zum einen, dass auch hier – wie bei der Anerkennung eines Unternehmens als Zertifizierer – nicht die Behörde zustimmen muss ist, die auch für den Entsorger zuständig ist und daher die Verhältnisse vor Ort auch am besten kennen sollte. Diese kann nur beratend zum Vorgang Stellung nehmen.
  • Zum anderen könnten direkte Beziehungen zwischen den Sachverständigen der TÜO und den ansässigen Behörden verhindern, dass die Ämter unabhängig und neutral über die Überwachungsverträge und vor allem nach Maßgabe der Umstände beim Entsorger entscheiden.
  • Ein dritter Punkt sind eventuell lange Wege, falls es Probleme bei der Zertifizierung gibt. Wenn beim Entsorger Auflagen oder Absprachen nicht eingehalten werden, so sitzt die dafür zuständige Behörde am anderen Ende der Republik, wenn auch das Zertifizierungsunternehmen von dort kommt. Im Fall Envio war es das Regierungspräsidium Darmstadt, weil die TÜO von Envio, DQS, ihren Sitz in Frankfurt hat.

Dokumentenbasierte Zertifizierung

Die Frage stellt sich, ob ein dokumentenbasiertes Vorgehen bei umweltgefährdenden Betrieben ausreicht. Ihre Dienstleistungen können unmittelbar Umwelt und Menschen schädigen – vielleicht sogar weite Teile der Bevölkerung und Umgebung, wenn eine Giftwolke bei einem Störfall aus einem Werk in die Umwelt entweicht oder wenn über Jahre Gifte die mit ihnen umgehenden Mitarbeiter verseuchen und in die Umgebung kommen wie beim Fall Envio im Dortmunder Hafen.

Übergabe hoheitlicher Aufgaben an die Privatwirtschaft

Wie schon 2007 eine BKA-Studie und 2011 das Prognos-Gutachten feststellen, gibt der Staat inzwischen zunehmend wichtige hoheitliche Aufgaben an Dritte, das heißt an privatwirtschaftliche Firmen, ab. Letztlich agieren Dritte im kapitalistischen System aber nicht mit dem vorrangigen Ziel der Sicherung des Wohls der Allgemeinheit, sondern haben Profit und Gewinnmaximierung als oberste Ziele. Angesichts der vielen Fälle von Wirtchaftskriminalität in der Abfallwirtschaft muss dies dringend überdacht werden.

Das renommierte Schweizer Prognos-Institut, das durch die NRW-Landesregierung beauftragt wurde, den Fall Envio im Hinblick auf die Rolle der Behörden zu bewerten, fragt daher, “inwieweit eine auf die Prüfung von dokumentenbasierten Arbeitsschutzsystemen, Gefährdungsbeurteilungen und Nachweisen Dritter konzentriertes Vorgehen eine hinreichende Kontrolltiefe erlaubt” (Seite 29) und bemängelt: die “Behörden verlassen sich zunehmend auf die Prüfprotokolle Dritter” (Seite 39, 40).

Prognos fordert abschließend: “Keine Auslagerung der Überwachung an Dritte. Für die Wahrnehmung von Überwachungstätigkeiten gibt es mehrere Organisationsmodelle. So zum Beispiel ist denkbar, die Überwachung durch private Gutachter/-innen durchführen zu lassen. Wir schlagen jedoch vor, die Überwachungskapazitäten für Anlagen wie Envio in der Kernverwaltung anzusiedeln, damit die Möglichkeit der Ergreifung von ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegeben ist. Insbesondere ist sicherzustellen, dass mit der Überwachung betraute Personen stets unangekündigten Zugang zu überwachten Betrieben haben” (S. 55).

Quellen und weiterführende Links zum Thema Zertifizierungen in der Entsorgungsbranche

Einstieg – Zertifizierung in der EntsorgungsbrancheWer zertifiziert?Wie wird zertifiziert?. Wieso erhält ein Skandalbetrieb Gütesiegel? – Das unsaubere Geschäft mit den Zertifikaten: Ein Insider packt aus – Die zertifizierenden Berater – Ein Interview zu Unabhängigkeit und Zertifizierungsproblemen.

Wie erkenne ich, ob eine Firma sauber arbeitet? Wie überprüft man Zertifkate und Gütesiegel? Eine einfache Internetrecherche reicht nicht immer. Das Beispiel EfbV-Zertifkat von Envio durch die DQS. – Recherche zu Zertifizierungen: ein Krimi um Chemie, Gift, Müll (12.6.2011)

Die wichtigsten Dokumente, Gesetze und Verordnungen zum Thema Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb sind:

BKA-Studie und Prognos-Gutachten (Seite 29, 39, 40, 55) befassen sich mit der Rolle von Zertifizierungen im Rahmen zunehmender Abgabe hoheitlicher Aufgaben an Dritte.

Petition: Neue Anteilseigner der DAkkS

Mittwoch, 20. November 2013 - 08:16

Meine Petition an den deutschen Bundestag:

Petition 47175 – 19. November 2013

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, zusätzlich zum Wirtschaftsministerium auch die Ministerien für Arbeit und für Umwelt zu Gesellschaftern der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) zu bestellen. Weiterhin sollten aus dem Bereich der Wirtschaft nicht nur Vertreter der Industrie, sondern alle Sozialpartner im Kreis der Gesellschafter vertreten sein.

 
Begründung

Die DAkkS ist die nationale Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland. Bei ihr können sich privatwirtschaftliche organisierte Zertifizierungsgesellschaften akkreditieren, die in den Betrieben deutscher Unternehmen die Einhaltung verschiedener Standards überprüfen und den Betrieben ggf. diese Einhaltung bestätigen.

Die GmbH-Anteilseigner der DAkkS sind jeweils zu einem Drittel:

  1. die Bundesländer, vertreten durch die Länder Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt,
  2. die Bundesrepublik Deutschland, vertretend durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und
  3. die Deutsche Wirtschaft, vertretend durch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Nun überwacht die DAkkS aber auch Zertifizierer, die im Bereich des Umweltschutzmanagements nach ISO 14001 und im Bereich des Arbeitsschutzmanagements z.B. nach OHSAS 18001 zertifizieren. Die Interessen des Umweltschutzes und des Arbeitsschutzes sind aber im Kreis der Gesellschafter nicht so repräsentiert, wie die Interessen der Wirtschaft.

Diese Unausgewogenheit ist schädlich, denn die bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer übernehmen praktisch Teilaufgaben der überlasteten (siehe Bundestagsdrucksache 17/10229) Gewerbeaufsicht. Es besteht die Gefahr, dass ohne eine ausgewogenere Kontrolle der Zertifizierer nur wirtschaftsorientierte Akteure die Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsysteme der Wirtschaft auditieren ohne dass die Interessen der eigentlichen “Kunden” (Umwelt, Arbeitnehmer) dieser Systeme genügend berücksichtigt werden.

Dass die Wirtschaft die Wirtschaft überwacht, war bei ISO 9001 noch akzeptabel, da hier ein starkes unternehmerisches Eigeninteresse am guten Management des Geschäfts besteht. Zwar wird auch im Bereich z.B. des Arbeitsschutzes von Unternehmern geltend gemacht, dass der Schutz der Arbeitnehmer für die Wirtschaft wichtig sei, Tatsache ist jedoch, dass etwa 80% der Unternehmen über einen sehr langen Zeitraum ihrer Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz nicht gerecht wurden (siehe ebenfalls Bundestagsdrucksache 17/10229). Das Eigeninteresse der Wirtschaft am Arbeits- und Umweltschutz reicht also beobachtbar nicht aus, um nicht nur im Bereich der technischen Standards sowie des Unternehmensmanagements, sondern auch im Arbeits- und Umweltschutz eine gute Einhaltung von Schutz-Standards anzustreben.

 
Links:

  • “Entlastung” der Gewerbeaufsicht bei Vorliegen eines zertifizierten Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS): Tatsächlich kenne ich Fälle, in denen die Gewerbeaufsicht bei Vorliegen eines zertifizierten AMS nicht einmal mehr nachdenkt, wenn der Betriebsrat Zweifel an der tatsächlichen Qualität des AMS eines Betriebes hat. Die Gewerbeaufsicht verweist den Betriebsrat einfach formal auf das Zertifikat und meint, damit ihren Job getan zu haben.
            Daran sieht man, wie AMS-Zertifikate in der Praxis der Sicherheit der Arbeitnehmer schaden können: AMS-Zertifikate sedieren nicht nur die Gewerbeaufsicht, sondern es gibt sogar Betriebe, die externe Audits (z.B. Audits durch Kunden) mit der Begründung ablehnen, dass sie bereits nach OHSAS 18001 zertifiziert seien, ein zusätzlicher Audit also nicht mehr nötig sei.
            Die DAkkS soll die Zertifizierer überwachen. Da aber durch die Zusammensetzung der Anteilseigner der DAkkS die Interessen der Arbeitnehmer einen niedrigeren Stellenwert erhalten haben, als die Interessen der Arbeitgeber, ist es nun möglich, dass nach einem Zertifizierungs-Audit die Zertifikate, die von einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer erteilt wurden, den Schutz der Arbeitnehmer schwerer überprüfbar machen. Diese Konstruktion der Arbeitsschutzaufsicht ist ein Nachteil für Arbeitnehmer, aber gleichzeitig auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht für manchen Unternehmer das Hauptmotiv, sein AMS zertifizieren zu lassen.
  • Demontage der Gewerbeaufsicht
  • Geschwächte Aufsicht
  • Wie deutsche Zertifizierer von den Niederlanden lernen könnte
  • Gesetze zur Akkreditierung

 


Gemäß der Antwort des Petitionsausschusses (2014-01-27) ist es möglich, dass meine Petition auf falschen Annahmen beruht. Die Begründungen des Petitionsausschusses des Bundestages sind auch bei der Ablehnung von Eingaben immer sehr hilfreich. Respekt. Aber trotzdem halte ich es für möglich, dass die Zusammensetzung der Anteilseigner der DAkkS die kritische Distanz der DAkkS zur Wirtschaft zu sehr verringert.
 

Zertifizierer für OHSAS 18001 in Deutschland

Dienstag, 29. Oktober 2013 - 12:30

In Deutschland akkreditierte Zertifizierer für Arbeitsschutzmanagementsysteme nach OHSAS 18001:


Profil der DAkkS (http://www.dakks.de/content/profil):

Die DAkkS ist die nationale Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland. Sie handelt nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und dem Akkreditierungsstellengesetz (AkkStelleG) im öffentlichen Interesse als alleiniger Dienstleister für Akkreditierung in Deutschland. 

Die DAkkS arbeitet nicht gewinnorientiert. Gesellschafter der GmbH sind zu gleichen Teilen die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer und die durch den Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) vertretene Wirtschaft.

Um ihre hoheitlichen Akkreditierungsaufgaben ausfüllen zu können, wurde die DAkkS vom Bund beliehen. Als beliehene Stelle untersteht die DAkkS der Aufsicht des Bundes. Bei ihrer hoheitlichen Akkreditierungstätigkeit wendet die DAkkS das deutsche Verwaltungsrecht an.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Akkreditierungsstelle

Die DAkkS ist eine privatwirtschaftliche Organisation die beliehene hoheitliche Aufgaben wahrnimmt. Bei Tätigkeiten der hoheitlichen Akkreditierung unterliegt die DAkkS dem deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und weiteren verwaltungsrechtlichen Vorgaben.

Die GmbH-Anteilseigner der DAkkS sind jeweils zu einem Drittel:

Die Bundesländer wurden primär beteiligt, um die bestehenden Organisationen der Länder leichter in die DAkkS zu überführen, „wodurch parallele Strukturen und Aktivitäten auf Landesebene verzichtbar werden“.

Interessant: Die staatliche Aufsicht der Zertifizierung auch von Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystemen wurde teilprivatisiert. Die DAkkS beaufsichtigt die Zertifizierer, deren Kunden die privaten Unternehmen sind. Der BDI darf bei der DAkkS mitmachen, die Gewerkschaften nicht. Die Rolle der Länder ist auf eine Übergangsphase beschränkt. Und seitens der Regierung ist nur das Wirtschaftsministerium dabei (bisher FDP), das Umweltministerium und das Arbeitsministerium bleiben draußen. Da die überforderte Gewerbeaufsicht in den Betrieben kaum noch die Bereiche prüft, die durch Zertifikate der bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer abgedeckt sind, ist es der Industrie geschickt gelungen, die praktische Gewerbeaufsicht privatwirtschaftlich besser in den Griff zu bekommen.

 
Wie man die Akkreditierung und Audits (etwas) besser organisieren kann, sieht man in den Niederlanden: SCCM