Schlagwort 'Zertifizierungsfarce'

Kriminelle Aufsichtsbehörden

Sonntag, 11. Dezember 2016 - 13:44

Ich halte Aufsichtsbehörden, die über viele Jahre hinweg Kriminalität zulassen, selbst für kriminell.

Trifft das auf bayerische Aufsichtsbehörden zu, wenn sich dort Tierärztinnen und Tierärzte vor ihrer eigenen Behördenführung fürchten müssen, wenn sie über massive und vorsätzliche Verstöße gegen den Tierschutz in Schlachtbetrieben berichten wollen?

Trifft das auf das Kraftfahrzeugbundesamt zu, wenn die oberen Führungsebenen Hinweise aus der unteren Behördenhierarchie auf Manipulationen bei der Motorkontrolle in Kraftfahrzeigen ignorierten?

Im Lebensmittelbereich müssen den Prüfern die Kakerlaken wohl schon direkt über die Nase krabbeln, damit dagegen eingeschritten wird.

Hier handelt es sich um klar erkennbare Verstöße, gegen die seit vielen Jahren nicht vorgegangen wird. Sie sind einfach zu erkennen. Wie sieht es da erst bei der Überwachung des Einbezugs psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz aus? Das Thema ist leider (aus Sicht der Arbeitnehmer) etwas komplexer. Hat denn immer noch niemand kapiert, was die Verstöße der Mehrheit der großen deutschen Betriebe im Bereich der psychischen Belastungern über die Qualität der behördlichen Aufsicht und die Verantwortlichkeit der für die miserablen Zustände verantwortlichen Politiker aussagen?

Das behördliche Aufsichtswesen in Deutschland ist verrottet. Ob es kriminell ist, müsste durch gründliche Recherche überprüft werden.

Kriminalisierung der Arbeitgeber

Sonntag, 3. Januar 2016 - 11:25

Ich werfe in meinem Blog einem Großteil der Arbeitgeber einen nachhaltigen Gesetzesbruch vor. Ist das eine Kriminalisierung dieser für unser Land so wichtigen Leistungsträger?

http://www.cdu-kreisverband-fulda.de/inhalte/1/aktuelles/91174/ergebnisse-der-mindestlohn-ueberpruefungen-zeigen-deutliche-ehrlichkeit-der-arbeitgeber/index.html (Heiko Wingenfeld, CDU Fulda, 2015-07-27)

[...] Die Arbeitgeber in Deutschland verhielten sich gesetzestreu. Und dies, obwohl die Regelungen rechtlich unsicher und noch viele Einzelfragen nicht geklärt seien. Die wenigen schwarzen Schafe fielen nicht ins Gewicht. Wegen der wenigen begründeten Fälle dürften nicht alle Arbeitgeber kriminalisiert werden. [...]

Hier ging es um Mindestlohn. Für den Arbeitsschutz stellte dagegen der Bundestag im Jahr 2012 fest, dass sich etwa 80% der Arbeitgeber über das Gesetz stellen: Sie kamen ihrer Pflicht zur Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastungen nicht nach. (Die Regelungen dazu sind spätestens nach Beschlüssen des BAG im Jahr 2004 rechtlich sicher.)

Darf jetzt logischerweise die große Mehrheit der Arbeitgeber kriminalisiert werden?

Im 2011 konnte sich Ursula von der Leyen (damals noch Arbeitsministerin) rechtlich so sicher sein, dass sie sagte:

[...] Nach dem Arbeitsschutzgesetz muss, wer den Arbeitsschutz auch in seelischer Hinsicht vernachlässigt, mit empfindlichen Strafen bis hin zu Gefängnis oder Betriebsstilllegung rechnen. Wir brauchen also keine schärferen Gesetze. Studien zeigen, dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen – meist aus Unwissenheit oder Hilflosigkeit. Deswegen müssen wir besser informieren, Lösungswege aufzeigen, kontrollieren und die Beteiligten motivieren. [...]

Es kamen dann auch keine schärferen Gesetze, sondern eine Klarstellung bereits geltenden Rechts im Arbeitsschutz. Das war richtig so, aber die Frage, wieviele Unternehmer nun tatsächlich empfindlich bestraft wurden, möchte Ursula von der Leyen vermutlich nicht beantworten.

Die Arbeitgeber, um die es hier geht, treten eben ganz anders auf, als der gemeine Gesetzesbrecher. Sie haben sowohl ein werbewirksam dargestelltes “Gesundheitsmanagement” wie auch sehr gute Umgangsformen. Außerdem sind sie professionell vorbereitet: Speziell Großunternehmen lassen sich nicht vom Besuch der Gewerbeaufsicht überraschen, sondern sie laden die Prüfer der behördlichen Aufsicht ein. Man geht ja zivilisiert miteinander um. Besonders beeindruckt ist die Gewerbeausicht bei ihren “Prüfungen” dann von zertifizierten Arbeitsschutzmanagementsystemen: Grundsätze der behördlichen Systemkontrolle (LASI: LV 54, Anhang, S. 42):

5. Umgang mit zertifizierten Systemen

Der erfolgreiche Abschluss einer Prüfung der Wirksamkeit eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) oder vergleichbaren Systems soll zu Entlastungen bei eigeninitiierten Überwachungsmaßnahmen führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betrieb Bescheinigungen, Gütesiegel oder andere Zertifikate, die die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes bewerten, vorlegt und diese die Inhalte und Anforderungen des Nationalen Leitfadens erfüllen. Anlassbezogene Maßnahmen der zuständigen staatlichen Behörden bleiben unberührt. Über die Ergebnisse werden die Unfallversicherungsträger ggf. informiert.

Liegt zum Beispiel ein von einem bei der DAkkS akkreditierten (aber immer noch privatwirtschaftlich arbeitenden) Auditunternehmen erteiltes OHSAS 18001 Zertifikat vor, dann geht die “Prüfung” ganz schnell.

Wie kann man dann überhaupt noch auf die unverschämte Idee kommen, bei Unternehmern, die Zertifikate und Siegel vorzeigen können, die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes anzuzweifeln? Und selbst wenn es offensichtlich ist, dass im inspizierten Betrieb psychische Belastungen nicht wirklich vorschriftsmäßig beurteilt werden, dann werden anstelle der Kriminalisierung von (Arbeitsplätze schaffenden) Unternehmern die Betriebsleitung von der Gewerbeaufsicht für ihr Bemühen gelobt, in Zukunft Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen einzuführen. Schließlich sind Großunternehmen ja auch politisch gut vernetzt, da darf die Kritik der Aufsichtsleute in den unteren Behörden an einem eventuell doch gesetzeswidrigen Arbeitsschutz nicht zu weit gehen.

In Bayern gab es einmal Zielvereinbarungen mit Unternehmen, bei denen die “Burnout-Detektive” der Gewerbeaufsicht Mängel feststellten. Inzwischen traut sich die bayerische Gewerbeaufsicht nicht einmal mehr, Zielvereinbarungen zu erwähnen.

Die DAkkS hilft mit, die DIN SPEC 91020 in den Arbeitsschutz einzuschmuggeln

Donnerstag, 24. Dezember 2015 - 13:03

Es ist passiert. “Akkreditierungsregeln für die DIN SPEC 91020 durch DAkkS veröffentlicht.”

Nach kräftiger Massage der DAkkS durch die Gesundheitsmanagement-Industrie veröffentlichte die DAkkS Spezielle Anforderungen zur Akkreditierung von Zertifizierungsstellen, die Managementsysteme nach DIN SPEC 91020:2012 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ zertifizieren (2015-12-01).

[...]

Auditberichte [...]
5. Bewertung zu den Ergebnissen der Analyse von Gesundheitschancen und -risiken sowie zu den daraus abgeleiteten Maßnahmen und deren Wirksamkeit,
6. Bewertung zur Angemessenheit der eingesetzten Ressourcen in Bezug auf die formulierten Ziele,
7. Bewertung zu den Maßnahmen zur Förderung des BGM und der Partizipation der Mitarbeiter (Schulung der Mitarbeiter, Investitionen, etc.),

[...]

Besonderheiten:
Im Audit zur DIN SPEC 91020 muss überprüft werden, ob das Unternehmen auch arbeits-
bedingte psychische Belastungen angemessen und systematisch im Rahmen des BGM
und/oder des AMS erfasst und bewertet hat und angemessene Maßnahmen zur Vermeidung
bzw. Verminderung dieser Belastungen geplant und umgesetzt hat.
Die Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat) muss in das Audit einbezogen werden.

[...]

Wie muss die Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat) in das Audit einbezogen werden? Auditiert sie mit? Ist sie Gegenstand des Audits? “Die Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat) muss in das Audit einbezogen werden.” hört sich zwar zunächst arbeitnehmerfreundlich an,aber wenn nicht geklärt ist, wie Betriebsräte “einbezogen” werden, dann hilft das den Arbeitnehmervertretungen überhaupt nicht weiter. Soll hier der Eindruck erweckt werden, es ginge um den mitbestimmungspflichtigen Arbeits- und Gesundheitsschutz, ohne dass die Mitbestimmung hier wirklich wirksam werden kann?

Diese DIN SPEC enthält Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die müssen irgendwie da hinein geschmuggelt worden sein, denn das PAS-Verfahren, mit dem die DIN SPEC 91020 eröffnet wurde, hätte gar nicht erst begonnen, wenn diese DIN SPEC “Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält”. So unfein sind die Tricks im Zertifizierungsgeschäft.

Immerhin ist die Durchführung der der Analyse von Gesundheitsrisiken nicht Gegenstand des Auditberichts. In den “speziellen Anforderungen” bleibt jedoch unklar, welche Themen des Audits den Arbeits- und Gesundheitsschutz betreffen. Man muss erst in der Antwort (Februar 2014) zu meiner Petition an den Bundestag nachsehen, um die Grenzen zu verstehen, die für die DIN SPEC 91020 gelten:

[...] Die DAkkS weist darauf hin, dass eine akkreditierte DIN SPEC 91020-Zertifizierung kein System zur bzw. kein Nachweis der Erfüllung der Anforderungen aus gesetzlichen oder behördlichen Arbeitsschutzvorgaben beinhaltet. Die Feststellung von Herrn Kluge, dass die DIN SPEC 91020 kein Arbeitsschutzstandard ist, wird von der DAkkS bestätigt [...]

Das wird noch eine Rolle spielen, wenn Unternehmen versuchen, mit einem Zertifikat nach DIN SPEC 91020 ihren Arbeitsschutz besser verkaufen zu können.

Warum fehlt die angesichts der Missbrauchsgefahr erforderliche und unmißverständliche Abgrenzung zum Arbeitsschutz in den “speziellen Anforderungen”? Die DAkkS hat hier offensichtlich kein Interesse an Klarheit. Darum behaupte ich, dass die DAkkS sich daran beteiligt, einen Standard für das betriebliche Gesundheitsmanagement in den Arbeitsschutz einzuschmuggeln. Hoffen die Gesundheitsmanagement-Zertifizierer (im mit B.A.D. als Treiber), dass sich die überforderte Gewerbeaufsicht, die Berufsgenossenschaften und die Arbeitsschutzzertifizierer auch im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes von einem Zertifikat für den Privatstandard DIN SPEC 91020 trotzdem beeindrucken lassen?

Für die Gesundheitsmamagement-Unternehmen war schon im Jahr 2014 klar, dass die DAkkS ihren Privatstandard DIN SPEC 91020 akredditierbar machen wird. Die Branche (BGM, Betriebliches Gesundheitsmanagement) hat eine kräftige Lobby, mit der sie den hier nicht wirklich durchblickenden Politikern zuleibe rückt. Dahinter steckt ein großes Geschäft, denn groß ist auch der Bedarf der Unternehmen in Deutschland, im Arbeits- und Gesundheitsschutz gut ausszusehen, ohne ihre gesetzlichen Pflichten wirklich ernst nehmen zu müssen.

Noch schlimmer: Auch der DIN-Verein beteiligt sich an dem Versuch, die DIN SPEC 91020 in den Arbeitsschutz einzuschmuggeln. Dieser Leichtstandard wurde nach einem sogenannten “PAS-Verfahren” erteilt, der seine Anwendung im Arbeits- und Gesundheitsschutz ausschließt. Seit März 2014 versteckt der DIN-Verein diese Voraussetzung.

Григорий Александрович Потёмкин

Montag, 21. Dezember 2015 - 06:59

Arbeitschutz braucht nicht zu funktionieren, solange er nur gut aussieht.Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grigory_Potemkin.PNG

Aufsichtslaxheit

Freitag, 20. November 2015 - 02:20

http://www.sueddeutsche.de/karriere/unethische-anweisungen-mitgefangen-mitgehangen-1.2732753

13. November 2015, 18:52 Uhr
Unethische Anweisungen
Mitgefangen, mitgehangen

Wie man sich wehrt, wenn der Chef zu verstecktem Pfusch oder gar unverhohlenem Betrug auffordert. Die Einführung von Compliance-Vorgaben würde Klarheit schaffen.

Von Christine Demmer

Dass die Abgasmanipulationen bei Volkswagen von einem Ingenieur aus dem eigenen Unternehmen ans Licht gebracht wurden, hat manchen Berufskollegen zum Nachdenken gebracht: Was würde ich tun, wenn man mich anweist, etwas Strafbares zu tun, was ich nicht tun will?

Nicht nur Ingenieure bringt das in eine echte Zwickmühle. Felix Brodbeck sieht darin einen klaren Fall von Befehlsnotstand. “Das kommt vom Kostendruck und vom Starren auf die Quartalsergebnisse und daher, dass sich in vielen Branchen eine gewisse Aufsichtslaxheit breitgemacht hat”, sagt der Professor für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). [...]

Ich bezweifle, ob Compliance-Vorgaben reichen. Dazu müssen Handlungsmöglichkeiten kommen, die angstfrei wahrgenommen werden können. Compliance-Abteilungen kämpfen nicht für ethische Sauberkeit im Unternehmen, sondern ihr Hauptaufgabe ist, dem Top-Management Gefängnisaufenthalte zu ersparen. Es geht vorwiegend um nüchtern kalkulierendes Risikomanagement, mit dem so viel Verantwortung wie möglich in untere Führungsebenen verlagert wird, oft aber nicht mit genügend Handlungsmöglichkeiten. Die mit dem Risiko begründeten Einkommensanteile des Top-Managements bleiben natürlich beim Top-Management.

Nun zur Aufsichtslaxheit: Man findet sie nicht nur beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), sondern auch die interne und externe Auditoren bei der angeblichen Selbstkontrolle des VW-Konzerns müssen zu unkritisch gewesen sein.

Bei den externen Zertifizierungsauditoren sah wohl die Deutsche Akkteritierungsstelle (DAkkS) nicht allzu kritisch hin. Ich mache sie für die Aufsichtslaxheit der Zertifizierungsauditoren mitverantwortlich. Das ist kein Wunder, denn im Gegensatz zum KBA ist bei der DAkkS die Lobby sogar ganz offiziell eingebaut. Die DAkkS wird

  • zu einem Drittel vom Wirtschaftsministerium kontrolliert,
  • zu einem weiteren Drittel vom BDI und
  • zum letzten Drittel von den Bundesländern.

Die DAkkS-GmbH als halbstaatliche Organ soll Zertifizierungsauditoren beaufsichtigen, z.B. für Audits nach den Normen ISO 9001 (Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem), ISO 14001 (Umweltschutzmanagementsysteme), OHSAS 18001 (Arbeitsschutzmanagementsysteme) und ISO 50001 (Energiemanagementsysteme).

Die DakkS ist die halbprivatisierte Aufsicht der voll privatisierten Aufsicht. Das Zertifizierungsgschäft ist jedoch eine ziemliche Farce, siehe auch: Insider packt aus - Falschspiel im Zertifizierungsgeschäft.

Für sicherheitsrelevante elektrische/elektronische Systeme in Kraftfahrzeugen richtet sich VW nach der Norm ISO 26262. Da geht es zwar nicht so sehr um Schadstoffemissionen, aber um sichere Software (die man “Firmware” nannt, wenn sie fest in Steuersysteme eingebaut ist.) Hier muss also auch das Defeat Device geprüft worden sein. Wenn sie Auditierte und Auditoren aber zu nahe stehen, stellt keiner mehr wirklich kritsche Fragen.

Bei VW hat die private und behördliche Aufsich in einem Bereich versagt, in dem Abweichung zweifelsfrei erkennbar gewesen wären, wenn die Aufsicht und die Auditoren nur genauer hingesehen hätten. Wie sieht es dann ers in einem schwieriger beurteilebaren Bereich aus, wie dem Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz. Da faselte eine Ursula von der Leyen von strengen Strafen, aber in den 80% der Betriebe, die sich bis 2012 erfolgreich ihrer Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen entziehen konnten, wurde seit 1997 kein einziger Verantwortlicher bestraft.

Die Aufsichtslaxheit ist politisch gewollt. So wie das KBA bei VW im Abgasskandal, tragen die Gewerbeaufsichten und die sie beeinflussenden Politiker einen großen Teil der Verantwortung für den Erfolg der Unternehmen bei ihrem Unterfangen, das Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst weit aus den Betrieben herauszuhalten.

Gemeisamkeiten: Abgasskandal und Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz

Mittwoch, 4. November 2015 - 06:27

Es geht nicht nur um VW. Siehe http://www.zeit.de/mobilitaet/2015-11/abgas-stickoxid-autohersteller-dieselmotor

Die Gemeinsamkeit: Unternehmen konnten sich in Deutschland anscheinend ziemlich sorgenlos über Vorschriften und Regeln hinwegsetzen. Und/oder ihnen werden Lücken geboten, mit denen die Wirksamkeit von Vorschriften und Regeln erheblich geschwächt wurde. Wenn man weiß, wie Berater bei Gesetzesentwürfen mitarbeiten, ist das ja auch keine Überraschung.

Bei der Abgasgeschichte geht es nun um hohe Schadensbeträge. Da haben sich die Risikoanalysten der Compliance-Abteilung bei Volkswagen wohl verschätzt. (Gewusst haben sie von Widersprüchen zwischen Testergebnissen und Praxis schon, denn das wurde ja in der Öffentlichkeit bereits früher diskutiert.) Bei Regelverstößen im Arbeitsschutz haben deutsche Unternehmen dagegen viel weniger zu befürchten. Ihre Compliance-Abteilungen machen auch hier eine entsprechende Risikoanalyse. Ist das Sanktionsrisiko z.B. bei fehlendem Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz gering, dann wird das Arbeitsschutzgesetz ohne Furcht vor Sanktionen nur soweit umgesetzt, wie das zur Minderung finanzieller Risiken auf ein geringes Maß nötig ist.

Kam Ursula von der Leyens “knallharter Strafenkatalog” (2012) überhaupt jemals zum Einsatz?

 


http://www.spiegel.de/wirtschaft/volkswagen-lasst-vw-pleitegehen-kolumne-a-1061431.html
[...] Ich frage mich, wie es sein kann, dass die Prüfer, die die Typenzulassungen erteilen, das nicht gemerkt haben. Schlimmer noch: Wie konnte das Kraftfahrt-Bundesamt, immerhin eine Behörde des Staates, das nicht bemerken? Oder die vielen Autojournalisten, von denen es in Deutschland nur so wimmelt? Vielleicht, weil viele von ihnen von der Autoindustrie – wie auch immer – bei Laune gehalten wurden? [...]

 
http://www.forbes.com/sites/enriquedans/2015/09/27/volkswagen-and-the-failure-of-corporate-social-responsibility/

[...] But the sad truth is that this conclusion applies to the vast majority of companies: a head of CSR is appointed, given an air of respectability, and runs a department the job of which is to keep the company’s image clean, despite the filth it is mired in, as is clearly the case with Volkswagen. Once again, we have allowed ourselves to be duped into believing that companies can and will regulate themselves, when of course the sordid reality is that as their actions show, beyond the occasional symbolic act, their sole objective is to maximize profit, and by any means. [...]

Die Siegel-Verkäufer

Montag, 2. November 2015 - 14:15

https://magazin.spiegel.de/digital/?utm_source=spon&utm_campaign=inhaltsverzeichnis#SP/2015/44/139456010

Institutionen – Die Siegel-Verkäufer: Korrekt, unbestechlich, seriös – die Marke TÜV gilt als Inbegriff deutscher Zuverlässigkeit. Doch die Prüfkonzerne gefährden ihren Ruf mit fragwürdigen Zertifikaten, laxen Kontrollen und Geschäftemacherei. [...]

(SPIEGEL 2015-10-24)

Certified just to have the logo on the website and stationary

Sonntag, 1. März 2015 - 06:04

http://www.isoqsltd.com/general/iso-certification-a-commitment-not-a-requirement/

ISO Certification – A commitment, not a requirement
Posted on 23 February 2015 by Michael Haile

It is clear that some companies want to achieve a certificate just to have the logo on their website and stationary. [...]

Lästiger Kontrolldruck

Dienstag, 3. Februar 2015 - 16:51

Dass bayerische CSU-Politiker die ersten sind, die sich beim Mindestlohn gegen endlich einmal ernst zu nehmende Kontrollen wehren, ist überhaupt keine Überraschung. Strunzdumm schwafeln sie von “Planwirtschaft” und “überbordender Bürokratie”.

Im Arbeitsschutz kann man beobachten, wie ein Gewerbeaufsichtler ein Unternehmen als “Vorreiter” bezeichnet, das immer noch keine mitbestimmten Prozesse hat, mit der psychische Belastungen beurteilt werden. Freundlich wird das kontrollierte Unternehmen außerdem darauf hingewiesen, dass man bei den vielen Unternehmen, für die die Gewerbeaufsicht zuständig ist, sowieso nicht so genau hinsehen kann.

Im Bereich der privatisierten Kontrolle stufen akkreditierte Auditoren eine mangelhafte Vorfallserfassungen im Arbeitsschutzmanagement nur als “Beobachtung” und nicht als “Abweichung” ein, obwohl damit eine der Grundlagen des Arbeitsschutzes nicht funktioniert.

Es schmerzt im Umgang mit Vorschriften kreative Unternehmer natürlich besonders, wenn sie für Regelverstöße ihrer Subunternehmer verantwortlich gemacht werden sollen. Das Outsourcing von Verantwortung war schließlich ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftsmodells “Subunternehmen”. Unterstützt wurde das z.B. im Arbeitsschutz durch Zertifikate, mit denen Subunternehmer ihre Auftraggeber schützen, aber nicht wirklich die in den Subunternehmen arbeitenden Menschen. Und nun soll die Party vorbei sein? Haben kreative Unternehmer vielleicht sogar Angst, dass möglicherweise wirkungsvolle Kontrollen des Mindestlohnes irgendwann einmal auch im Arbeitsschutz stattfinden könnten?

In Deutschland durften 80% der Betriebe gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßen. Als ein Hauptgrund wurde im Bundestag die überforderte Aufsicht erkannt. Mehr als ein Jahrzehnt der Überforderung ist aber auch kein Versehen mehr, sondern System.

Es gibt natürlich auch anständige Arbeitgeber, also 20% weiße Schafe neben 80% schwarzen Schafen.

Wer die Zustände bei der Aufsicht (behördliche und akkreditierte private Auditoren) im Arbeitsschutz kennt, wünscht sich die Kontrollqualität, die beim Mindestlohn vorgesehen ist (oder vorgesehen war?). Leider sind in in der deutschen Arbeitswelt potentielle Gesetzesbrecher anscheinend immer noch stark genug, gegen Kontrollen vorgehen zu können.

Gnädige DAkkS

Freitag, 21. November 2014 - 22:02

Die Deutsche Akkreditierungsstelle wird

  • zu einem Drittel vom Wirtschaftsministerium kontrolliert,
  • zu einem weiteren Drittel vom BDI und
  • zum letzten Drittel von den Bundesländern.

Dieses halbstaatliche Organ soll Zertifizierungsauditoren beaufsichtigen.

Wenn diese Zertifizierungsauditoren schlampig auditieren, stört das die DAkkS nicht besonders. Im Arbeitsschutz ließ es die Abteilung 6 der DAkkS zu, dass ein Unternehmen um viele Jahre verspätet von OHSAS 18001:1999 auf OHSAS 18001:2007 umstellte, ohne dass das als Abweichung vermerkt wurde. Es störte die DAkkS auch nicht, dass ein Mitarbeiter, der eine Fehlbelastungsmeldung einreichte, “irrtümlich” abgemahnt wurde. Der Zertifizierungsauditor des Arbeitsschutzmanagementsystems dieses gut vernetzten Unternehmens sagte dazu nichts und darf dessen Betriebe weiterhin unkritisch auditieren. Die DAkkS toleriert das.

Wie kann die DAkkS von sich aus feststellen, dass keine Abweichung vorgelegen habe, wenn die Umsetzung von OHSAS 18001 doch betriebsspezifisch ist und deswegen nur betriebsspezifisch geprüft werden kann, ob eine Abweichung vorliegt? Die DAkkS hat wohl noch nicht ganz verinnerlicht, dass hier die Vertreter der Belegschaft mitbestimmen, welche Bedeutung ein Auditfehler hat und ob er in einem konkreten Betrieb eine Abweichung ist.

In dem konkreten Betrieb wurde nämlich ausgerechnet der Teil des Arbeitschutzmanagement-Handbuchs nicht von OHSAS 18001:1999 auf OHSAS 18001:2007 umgestellt, der die Begriffsbestimmungen enthält, auf denen der Arbeitsschutz des so auditierten Unternehmens aufbaut. Das ganze Gebäude des Arbeitsschutzmanagements stand damit auf einem veralteten Fundament. Die Begriffsbestimmungen waren auch der einzige Abschnitt im Arbeitsschutzmanagement-Handbuch, auf den sich alle Unterprozesse des Arbeitsschutzes des konkreten Betriebes bezogen. Sie waren also ein ganz wichtiger teil des Handbuchs, dessen Fehler sich auf alle Unterprozesse der Arbeitsschutzmanagementsystems, die bezug zu diesen Begriffsdefinitionenn nahmen, auswirkte.

Es fehlte bis 2014 im Arbeitsschutzmanagement-Handbuch des betroffenen Unternehmens auch die Begriffsdefinition 3.8, die klar stellt, dass auch Vorfälle zu vermeiden sind, die zu psychischen Erkrankungen führen können. Bis heute hat das Unternehmen dafür keinen mitbestimmten regulären Gefährdungsbeurteilungsprozess in seinem Arbeitsschutzmanagementsystem.

Das alles stört die DAkkS nicht. Oder sie hat falsche Informationen. In der extrem verzögerten Umstellung von OHSAS 18001:1999 auf OHSAS 18001:2007 will sie jedenfalls keine Abweichung sehen. Und im Bericht zum Nachaudit, in dem das Zertifizierungsunternehmen ja eigentlich auch sich selbst auditierte, wurde nicht einmal deutlich, dass die DAkkS zumindest “Nachbesserungs- und Korrekturbedarf” gesehen hat.

So geht’s zu im Zertifizierungsgeschäft des deutschen Arbeitsschutzes.