Archiv für Juni, 2011

Malen für die Ruhmeshalle der Korruption

Samstag, 25. Juni 2011 - 14:49

http://www.tagesschau.de/ausland/korruption114.html

Kunstaktion in China
Malen für die Ruhmeshalle der Korruption

China stöhnt unter der Korruption. Allein 2009 wurden laut Kommunistischer Partei 106.000 Kader bestraft. Es gibt keine Anzeichen, dass sich die Situation verbessert hätte. Chinesische Künstler malen deshalb an einer “Ruhmeshalle der Korruption” – für die es keine Ausstellungsräume gibt.

Von Astrid Freyeisen, ARD-Hörfunkstudio Schanghai

 
Anmerkung:
    In diesem Blog gibt es einige Artikel zu China, einem unserer wichtigsten Handelspartner. In dem Moment, in dem wir miteinander Geschäfte machen, ist Nichteinmischung unmöglich. Natürlich mischen sich nicht nur Geld und Waren, sondern auch Anschauungen und Verhaltensweisen: Deutsche Top-Manager halten deutschen Arbeitnehmern Chinesen als Beispiel vor. Ein deutscher Bundespräsidenten ohne Bodenkontakt in China hielt einfältige Ruckreden über das, was er meinte, in “Asien” gelernt zu haben, nachdem er dort auf verschiedenen roten Teppichen entlangschreiten und sich von seinen Gastgebern bauchpinseln lassen durfte.
    Chinesische Verhältnisse beeinflussen deutsche Verhältnisse und umgekehrt. Es ist doch klar, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen. Einmischung in chinesische Verhältnisse ist Einmischung in die Globalisierung. Das muß sein. Die Chinesische Nomenklatura wehrt sich gegen “Belehrungen”, tatsächlich wehrt sich sich aber gegen die Auseinandersetzung zwischen Gesellschaften mit unterschiedlich beschränkter Offenheit. Das beschränkt inzwischen auch den Diskurs in deutschen Unternehmen, in denen viele Chinesen arbeiten. So kommt die Zensur im Kopf aus China auch wieder nach Deutschland.

Fachkräftemangel

Samstag, 25. Juni 2011 - 14:23

http://www.betriebsrat.de/portal/themen/sz/aengstliche-suche-nach-fachkraeften.html

Wer rasch viele Akademiker treffen möchte, sollte zum Taxistand am örtlichen Bahnhof gehen.

Ingrid Sehrbrock, stellvertretenden DGB-Vorsitzende

Ai Weiwei ist halbwegs frei

Donnerstag, 23. Juni 2011 - 00:44

Unser wichtiger Handelspartner hat Ai Weiwei freigelassen. Die Geschäfte mit China können wieder etwas unbeschwerter weitergehen. Bleiben Sie aber trotzdem vorsichtig, damit Sie nicht unversehens zum Wirtschaftsverbrecher werden.

Komisch: Selbst wenn ein Ai Weiwei ein Kunstwerk ohne Bezug zur Politik schaffen würde, so wäre das natürlich politisch. Selbst wenn er irgendein Schuldgeständnis ablegen würde, so könnten wir nicht darauf vertrauen. So entartet das Recht wie die Kunst. China bietet der Kunst auf diese Weise eben einen sehr fruchtbaren Boden.

http://www.guardian.co.uk/artanddesign/ai-weiwei

Druck auf Betriebsräte

Mittwoch, 22. Juni 2011 - 00:01

Das Recht des Stärkeren, ZDF, 2011-06-22, 22:45-23:30
http://zoom.zdf.de/ZDFde/inhalt/18/0,1872,8235154,00.html

… Es gibt massive Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung insgesamt. Seien es Löhne, geregelte Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche, Weihnachtsgeld, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Bildung von Betriebsräten: Um ihre Ziele durchzusetzen, heuern Arbeitgeber dabei immer wieder skrupellose Anwaltskanzleien an, die sich darauf spezialisiert haben, “Unkündbare” zu kündigen.

Wie wird man “Unkündbare” los?

Unter Einsatz einer versteckten Kamera ist es Günter Wallraff nun gelungen, die dubiosen Praktiken skrupelloser Anwälte aufzudecken: In speziellen Arbeitgeber-Seminaren lassen sie die Maske fallen und verraten ihre Tricks, wie man “Unkündbare” los wird: Zum Beispiel, indem man einen Deal mit einem befreundeten Unternehmen macht, der einen Arbeitnehmer übernimmt. …

Siehe auch:

Mehr dazu:

Arbeitsumgebung und psychische Belastungen

Dienstag, 21. Juni 2011 - 07:55

http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Arbeitsstaetten/Tagungen/pdf/Vortrag-Arbeitsstaetten-2011-04.pdf?__blob=publicationFile&v=1, S.18/19:

Fachveranstaltung Arbeitsstätten – Dortmund, 9. Mai 2011
Andrea Fergen
Ressortleiterin Arbeitsgestaltung und Gesundheitsschutz

Betrieb:

  • Arbeitgeber müssen stärker in die Verantwortung genommen werden, hier sind auch die Aufsichtsbehörden gefordert!
  • Betriebsräte müssen ihre Mitbestimmungsrechte im Interesse guter Arbeit stärker nutzen
  • Fachkräfte für Arbeitssicherheit / Betriebsärzte müssen neues Aufgabenfeld offensiver angehen
  • Kooperationsbeziehungen verbessern

Gesetz-/Verordnungsgeber:

„Arbeitsschutzgemeinde“:

  • Arbeitsbedingtheit psychischer Beeinträchtigungen hervorheben
  • Maßnahmentransfer forcieren

Stoiber-Kommission: Arbeitsschutz unter Beschuss

Dienstag, 21. Juni 2011 - 06:38

http://www.wiki-gute-arbeit.de/index.php/Die_europ%C3%A4ische_Arbeits-_und_Gesundheitsschutzpolitik.2#Die_Vorschl.C3.A4ge_der_Stoiber-Kommission

… Vor allem zwei EU-Richtlinien wurden einer Untersuchung unterzogen und Vorschläge zu deren Veränderung vorgelegt. Dies sind die Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz (89/391/EWG) und die so genannte Baustellenrichtlinie (92/57/EWG). Die Vorschläge treffen im Kern zentrale Aspekte des Arbeitsschutzes:

  • Für kleine Firmen soll die Dokumentationspflicht zur Risikobeurteilung suspendiert werden, was in der Konsequenz einen abgestuften Arbeitsschutz je nach Betriebsgröße bedeuten würde;
  • analog zum vorherigen Punkt soll die Verpflichtung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes für Baustellen mit geringen Risiken entfallen;
  • Ebenfalls eines von drei zentralen Dokumenten des Arbeitsschutzes für Baustellen, die Sicherheitsunterlagen (health and safety file), soll für Baustellen mit geringen Sicherheitsrisiken entfallen;
  • es soll eine Unterscheidung zwischen risikoreicheren Betrieben und risikoarmen eingeführt werden (wobei die irrige Aussage getroffen wird, kleine Firmen seien risikoärmer);
  • den Mitgliedsstaaten soll mehr Freiraum bei den Anforderungen bezüglich der Gefährdungsbeurteilung und der Dokumentationspflichten gegeben werden.

Unter Berufung auf eine im Januar 2009 durchgeführte Konsultation von Interessengruppen unterbreitet die HLG weitere Vorschläge auch zu anderen Rechtsbereichen. Unter anderem:

  • die Abschaffung eines Ruhezeitenregimes in der europäischen Arbeitszeitrichtlinie;
  • die Abschaffung oder Revidierung des Anhangs zur Bildschirmarbeitsverordnung mit ihren konkreten Vorgaben für die Gestaltung von Bildschirmarbeit;
  • völlig außer Acht lassend, dass EU-Richtlinien im Arbeitsschutz Mindestanforderungen formulieren, plädiert die HLG für eine „schlanke“ Umsetzung in nationales Recht;

Der EGB hat in einer ersten Stellungnahme seine Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass hiermit die Errungenschaften und die Grundstruktur des europäischen Arbeitsschutzes ausgehebelt werden sollen. In einem Brief an die Europäische Kommission hat die Arbeitnehmergruppe des Beratenden Ausschusses in Luxemburg unter anderem auf die absolute Unzulänglichkeit der Datenerhebung hingewiesen. Demnach sind 89 Prozent aller Kosten in Zusammenhang mit den betrieblichen Tätigkeiten rund um die Gefährdungsbeurteilung vermeidbare administrative Lasten. 3,78 Milliarden Euro könnten angeblich europaweit eingespart werden. Obwohl in dem Bericht der HLG in einer Bilanz der europäischen Arbeitsschutzpolitik für den Zeitraum 1995 bis 2004, also für den relevanten Zeitraum der Einführung der europäischen Rahmenrichtlinie, ein Rückgang der Arbeitsunfälle von 5 Millionen auf 3,9 Millionen ausgewiesen wird, findet sich keinerlei Betrachtung darüber, welches Leid und welche Kosten auf der individuellen, der betrieblichen und der gesellschaftlichen Ebene durch die vermuteten Kosten für die Gefährdungsbeurteilung vermieden wurden. …

(Links zu diesem Blog und Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

Siehe auch: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/smart-regulation/administrative-burdens/high-level-group/index_en.htm

Im Arbeitsschutz ungeeignete Werkzeuge

Montag, 20. Juni 2011 - 19:41

  1. Verhaltensprävention (Stärkung der individuellen Beanspruchbarkeit) und Verhältnisprävention (im Arbeitsschutz vorgeschriebene Vermeidung von Fehlbelastungen) überlappen sich.
  2. Verfahren zur Verhaltensprävention kann man indirekt zur Verhältnisprävention verwenden. Von der Beanspruchungsanalyse kann man indirekt auf Belastungen zurückschließen. Rechtlich ist das wegen der komplizierten Beweislage aber kaum möglich.
  3. Verfahren zur Verhältnisprävention kann man direkt zur Verhältnisprävention verwenden. Von der Beanspruchungsanalyse kann man direkt auf Belastungen zurückschließen. Das ist wohl ziemlich einfach zu verstehen.
  4. Der Arbeitsschutz verlangt Verhältnisprävention. Hinsichtlich der Prävention ist das Arbeitsschutzziel die Vermeidung von Fehlbelastungen.
  5. Der ABI/WAI misst Beanspruchungen und dient gemäß BAuA der Verhaltensprävention.
  6. Belastungen messen beispielsweise ISTA und COPSOQ. Solche Verfahren dienen gemäß BAuA der Verhältnisprävention.
  7. Also ist es nicht so optimal, im Arbeitsschutz den ABI/WAI einzusetzen, wenn doch geeignetere Verfahren verfügbar sind. (Mit Anonymisierung und zusammen mit einem verältnisorientierten Verfahren sind Nutzungen in der Verhältnisanalyse möglich.)

So, das sollte jetzt verstanden worden sein.

Aber trotzdem mögen Arbeitgeber Verhaltensprävention lieber als Verhältnisprävention. Man kann Belegschaften mit fürsorglichen Fragebögen zur Verhaltensprävention so beschäftigen, dass für die Verfahren für die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Verhältnisprävention keine Lust übrig bleibt.

Testanbieter bewerben ihre scheinfürsorglichen Testverfahren intensiv und sprechen damit Unternehmen auf deren Flucht vor der ungeliebten Verantwortung an:

Fazit: Verhaltensprävention kann eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber sein, aber Verhältnisprävention ist vorgeschrieben. Verhaltensprävention ohne Verhältnisprävention ist ein Indikator für Verantwortungsflucht des Arbeitgebers. Unternehmen, die ihr Gesundheitsmanagement mit Verfahren der Verhaltensprävention (z.B. ABI/WAI) beginnen, fangen bewusst am falschen Ende an. Kompetente Betriebsräte lassen sich hier nicht einseifen, sondern achten darauf, dass sich kein Unternehmen mit fürsorglich aussehenden (aber dem Individuum die Verantwortung zuweisenden) Verfahren zur Verhaltensprävention seinen Pflichten zur Verhältnisprävention entziehen kann.

Betriebliches Gesundheitsmanagement bei der Volkswagen AG

Dienstag, 14. Juni 2011 - 13:17

http://db1.rehadat.de/rehadat/Reha.KHS?State=340&Db=1&GIX=R/PB5322

Interessant auch: R. Göldner, B. Rudow, W. Neubauer, W. Krüger, L. Paeth, Arbeit und Gesundheit für leistungsgewandelte Mitarbeiter, http://www.asu-arbeitsmedizin.com/ASU-2006-12/Arbeit-und-Gesundheit-fuer-leistungsgewandelte-Mitarbeiter,QUlEPTIwMTIwMSZNSUQ9MTA0Njkw.html

Psychoseprävention

Dienstag, 14. Juni 2011 - 07:45

http://www.asu-arbeitsmedizin.com/gentner.dll?AID=315291&MID=30010&UID=7F91E79C1232A0AD225BE52FF53944C60141E4BF5E22FC15

In den letzten 10 Jahren entstanden eine Reihe von Früherkennungszentren, spezialisiert auf das Erkennen von Frühformen psychotischer Erkrankungen. Deren, in Studien als prädiktiv erkannte Kriterien sollen hier vorgestellt werden, sowie eine Checkliste ERIraos Early Recognition Inventory, erarbeitet von dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim und dem FETZ Köln (www.fetz.org) i. R. des Kompetenznetz Schizophrenie für ein erstes Screening, welche über www.asu-praxis.de heruntergeladen werden kann.

In der PDF-Datei, die über die Webseite zu erreichen ist, ist auch von “Erfassung von berufsbedingten Stressoren” die Rede. Das ist nicht ganz richtig, denn die “Checkliste ERIraos Early Recognition Inventory” erfragt (“Fühlen Sie sich phasenweise von anderen ganz besonders beobachtet, verfolgt oder bedroht? Versucht irgendjemand, Ihnen absichtlich Schaden zuzufügen?”) mögliche Stressfolgen bei Individuen und scheint damit eher der Verhaltensprävention (z.B. Früherkennung schizophrener Psychosen) zu dienen, als der Verhältnisprävention.

Verhaltensprävention ist aber nicht die Aufgabe von Arbeitgebern; zumindest muss der Schwerpunkt des Gesundheitsmanagements auf der Verhältnisprävention liegen. Bevor (wenn überhaupt) solche Checklisten in einem Unternehmen eingesetzt werden, muss zuvor im ganzheitlichen Arbeitsschutz ein gute Prozess der Verhältnisprävention mitbestimmt implementiert worden sein, bevor man sich an die Verhaltensprävention heranwagt.

Wie ein ordentliches Verfahren zur Verhältnisprävention aussieht (dass nicht Stressfolgen, sondern wirklich Stressoren erfasst), wird am Beispiel des ISTA deutlich. Am individuellen Mitarbeiter verhaltensorientiert ansetzende Psychoseprävention kann eine von Arbeitgebern freiwillig unterstützte Leistung an die Mitarbeiter sein. Aber davor haben die Arbeitgeber mit Verhaltensprävention jene Fehlbelastungen an der Quelle zu erkennen und zu bekämpfen, die psychoreaktiv zum Entstehen von Psychosen beitragen können. Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen.

Gibt es in einem Unternehmen keinen ganzheitlichen Arbeitsschutz mit Gefährdungsbeurteilungen, in die die von den Arbeitsbedingungen ausgehenden psychisch wirksamen Belastungen (von den Arbeitnehmern mitbestimmt einbezogen) zur Verhältnisprävention wurden, dann fehlt eine wichtige Voraussetzung für das Vertrauen der Mitarbeiter in Maßnahmen zur Verhaltensprävention. Hier müssen Arbeitnehmervertretungen sehr aufmerksam hinsehen, damit die Persönlichkeit der Mitarbeiter geschützt und ihre Rechtsposition gegenüber dem Arbeitgeber nicht geschwächt wird.

Ein Weg zur von Arbeitgebern geförderten Verhaltensprävention, dem Arbeitnehmervertreter zustimmen können, ist die Nutzung von Dienstleistungen bei Ärzten und Kliniken, mit denen Arbeitgeber einen entsprechenden Dienstleistungsvertrag abschließen und an die sich Mitarbeiter wenden können, ohne dass der Arbeitgeber davon weiß. Soweit mir bekannt ist, gibt es dass beispielsweise bei Daimler.

Es muss erst viele Tote geben, bis wir aufwachen

Montag, 13. Juni 2011 - 10:01

“Ich sehe keinen Handlungsbedarf” ist eine beliebte Phrase von Wegsehern. Es fehlt oft das für das Erkennen von Handlungsbedarf notwendige Wissen. Fukushima war wohl eines der krassesten Beispiele für Unwissenheit und Hilflosigkeit im Umgang mit Risiken. Hier hatten sich die Verantwortlichen ihre Unwissenheit hart erarbeitet und auch ihre Hilflosigkeit hatten sie erfolgreich erlernt, aber manchmal lässt sich das Hinsehen lästigerweise nicht mehr vermeiden, wie ein anderes Beispiel zeigt:

http://www.tagesschau.de/inland/eheciv100.html, Es muss erst viele Tote geben, bis wir aufwachen, 2011-06-06:

tagesschau.de: Sie warnten schon 1998, dass Deutschland das EHEC-Risiko unterschätzt. Was ist das eigentlich für ein Gefühl, so spät Recht zu bekommen?

[Klaus] Weidmann: Das ist schlimm und ärgerlich! Ich habe nicht gedacht, dass das hier mal soweit kommen könnte. Das macht mich wütend. Es ist ärgerlich, dass so viele Tage vergangen sind, bis man aufwacht, um nachzudenken: Wie wollen wir die Labore ausstatten? Wer ist eigentlich verantwortlich? Wie ist das mit der Meldepflicht? Wer organisiert die Aufklärung der Bevölkerung? Das Meiste wurde in all den Jahren versäumt.

Beim Einbezug psychischer Belastungen werden die Folgen ebenfalls seit langer Zeit ignoriert. Die Todesursachen in diesem Bereich sind allerdings nicht so leicht identifizierbar, wie bei EHEC. Auf einer Tagung meinte einmal eine Psychologin (die für eine Organisation im Bereich der Arbeitssicherheit Unternehmen beobachtet) zu mir, dass sie erst tätig werden dürfe, “wenn in einem Unternehmen Zustände herrschen wie bei France Télécom”.

Die von tagesschau.de geklaute Überschrift “Es muss erst viele Tote geben, bis wir aufwachen” klingt vielleicht ein bisschen hysterisch. Aber ich könnte mir vorstellen, dass schon in Deutschland mehr Menschen an Karōshi sterben, als an EHEC. Aber Karōshi fällt weniger auf und die Ursachenkette ist weniger klar. Auch hat die Aufmerksamkeit für die verschiedenen von Menschen verursachten Todesursachen mehr mit deren Wahrnehmbarkeit als mit deren Bedeutung zu tun.

Auch ist gerne die Wirkungskette umstritten. So eindeutig wie bei biologischen Belastungen (bei EHEC) oder physikalischen Belastungen (bei Super-GAUs) werden sich Erkrankungen nur in ganz seltenen Fällen so eindeutig auf psychische Fehlbelastungen zurückführen lassen, dass für ihre Verantwortung hochbezahlte Führungskräfte für Schäden verantwortlich gemacht werden können, die sie ihren Mitarbeitern zufügten. Dazu ist nichteinmal Vorsatz nötig. Desinteresse reicht schon.

Bis 1996 waren Unternehmen hier weitgehend sicher vor Haftungsansprüchen, weil die notwendigen Gesetze fehlten.
Nach 1996 sind Unternehmen hier weitgehend sicher vor Haftungsansprüchen, weil die notwendigen Gesetze missachtet werden dürfen.

Tote helfen manchmal, “Handlungsbedarf” zwangsweise erkennen zu müssen. Am Arbeitsplatz psychoreaktiv verursachte Erkrankungen werden aber nie “genügend” Tote liefern, es sind die (bisher noch nicht auf die Opfer abwälzbaren) Kosten, die die Kassen ein bisschen aufgeweckt haben. Der nur in den seltensten Fällen mögliche Beweis, dass eine psychische Fehlbelastung eine Erkrankung verursacht hat, bekam Konkurrenz: Die Unternehmen wurden gezwungen, hinzusehen, wo sie wegen der daraus entstehenden Haftungsgründe nicht hinsehen wollen. Jetzt kann das Hinsehen (oder das Wegsehen) gemessen werden.

Der Zwang ist jedoch sehr sanft: Wer (wie die große Mehrheit der Unternehmen) psychische wirksame Belastungen seit 1996 nicht mitbestimmt in den ganzheitlichen Arbeitsschutz einbezieht, begeht nur eine Ordnungswiedrigkeit (Straftat nur bei wiederholtem Verstoß und bei Behinderung des Betriebsrates). Dieses Risiko scheint jedoch geringer zu sein, als in Gefährdungsbeurteilungen bisher ignorierbare Fehlbelastungen zu dokumentieren, und dadurch Haftungen zu riskieren, denen Unternehmer bisher ausweichen konnten. (Dreiste Hintergrundmusik dazu: Appelle an die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter.)

Fehlende Handlungsbereitschaft: Unternehmen greifen ohne die Impulsgebung durch Gewerkschaften, Betriebsräte bzw. Arbeitsschutzbehörden (vereinzelt) das Thema “Psychische Belastungen” als Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung (GB) i. d. R. nicht auf.

Gewerkschaften, Betriebsräte (und gelegentlich auch Arbeitsschutzbehörden) können Lebensqualität retten, vielleicht sogar Leben.