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Persönlichkeitstest ganz einfach

Dienstag, 6. März 2012 - 22:17

Die m.o.v.e. hr GmbH propagiert mit “hr-metrics” ein Verfahren, mit dem das Problem des Burnout an der Wurzel angepackt werden soll. Dazu stimme das Analyse-Tool einfach die Persönlichkeit des Arbeitnehmers und die Anforderungen des Berufs ganz genau aufeinander ab, Stress und Überlastung sollen so gar nicht erst entstehen können. Des Verfahren soll zu einer neuen Test-Generation gehören und zeige, wie einfach die Vermeidung von Burnout sein könne.

  1. Im ersten Schritt ermittelt bei “hr-metrics” ein “Job-Profiler” die Anforderungen des Jobs an die Persönlichkeit. Also die Belastung (ISO 10075). Es wird nicht angegeben, ob das ein bei z.B. bei der BAuA verzeichnetes Verfahren ist.
  2. Danach komme ein “ein weltweit anerkanntes Verfahren (MBTI)” zum Einsatz, mit dem man feststellen könne, wie der Job-Bewerber seine eigene Persönlichkeit in die Arbeits- und Lebenswelt einordnet. “Mit diesen beiden Schritten kann schon an einigen Stellschrauben gedreht werden”, meint Jens-Peter Paulsen, der Geschäftsführer der GmbH. (In der Normung ist hier die ISO 10667 interessent.)
  3. Ein “Visual Questionnaire (ViQ)” ist die dritte Komponente. Dieser “intuitive Persönlichkeitstest” beruhe “auf modernsten neuro-wissenschaftlichen Erkenntnissen” und zeige, “wo genau die Stärken und Schwächen des Arbeitnehmers” liegen. Paulsen meint, dass man es gerade im Fall von Burnout haben mit einer modernen Krankheit zu tun habe darauf ebenso modern antworten müsse.

Zum ViQ meint der Stern (http://www.stern.de/wissen/mensch/visual-questionnaire-lernen-sie-sich-besser-kennen-534188.html):

… Der Test besteht aus einfachen Abbildungen, die sich auf vielerlei Weise erfassen und deuten lassen. Die konkreten Interpretationen zeigen, wie man die Welt wahrnimmt und dem Wahrgenommenen Sinn und Bedeutung zuordnet. Die Wahrnehmung beeinflusst wesentlich die Grundmuster des Verhaltens. Der ViQ verbindet die visuelle Wahrnehmung mit einer vom Schweizer Arzt und Psychoanalytiker Carl Gustav Jung entwickelten Typologie, die Menschen nach ihren Verhaltensmustern unterscheidet. Die Zuordnung zu den Persönlichkeitstypen gelingt mit dem ViQ direkt über die Messung individueller Unterschiede in der Wahrnehmung und Beurteilung von visuellen Signalen. …

Man sieht, was alles mit Burnout verkauft werden soll. Jungs Typologie hat in über 80 Jahren schon etwas Staub angesetzt, aber hier sollen “modernsten neuro-wissenschaftlichen Erkenntnisse” dazu kommen.

“Wo genau die Stärken und Schwächen des Arbeitnehmers” liegen, lässt sich bei bereits angestellten Arbeitnehmern ganz sicher nicht mit solchen Tests im Auftrag eines Arbeitgebers ermitteltn. m.o.v.e.-hr bietet sein Verfahren ja auch nicht für den Arbeitsschutz an.

Aufmerksam sollten Betriebsräte in der Pharme- und Chemiebranche hier werden (http://euromarcom.de/2012/02/chemiebranche-profitiert-von-neuer-test-generation/):

Chemiebranche profitiert von neuer Test-Generation
Veröffentlicht am: 22.02.2012 von euro.marcom

Für den Personalexperten ist hr-metrics ein unverzichtbares Tool, nicht nur für die Pharma- und Chemiebranche. “Bei dem sich abzeichnenden Mangel an Fach- und Führungskräften müssen Unternehmen für einen nachhaltigeren Erfolg in Besetzungsfragen und höherer Mitarbeiter-Zufriedenheit wesentlich intensiver mit der Persönlichkeit der Kandidaten und Mitarbeiter auseinandersetzen. Menschen bleiben, wenn sie sich wohlfühlen – und sie fühlen sich wohl, wenn sie in ihrer Persönlichkeit ernst genommen werden” …

Wie kann man bei soviel Respekt vor der Persönlichkeit kritisieren, wenn sich ein Arbeitgeber so fürsorglich mit der Persönlichkeit seiner Mitarbeiter “auseinandersetzt”?

Ein positiver Ansatz ist allerdings:

… Rainer Pohl, Vertriebsleiter Deutschland der m.o.v.e. hr GmbH (www.move-hr.de). “Anstatt beispielsweise Arbeitszeiten zu verlängern, müssen die qualifizierten Fachkräfte besser eingesetzt werden. Denn Low Performer sind High Performer am falschen Platz.” …

Siehe auch: http://blog.psybel.de/persoenlichkeitstests/

Im Arbeitsschutz ungeeignete Werkzeuge

Montag, 20. Juni 2011 - 19:41

  1. Verhaltensprävention (Stärkung der individuellen Beanspruchbarkeit) und Verhältnisprävention (im Arbeitsschutz vorgeschriebene Vermeidung von Fehlbelastungen) überlappen sich.
  2. Verfahren zur Verhaltensprävention kann man indirekt zur Verhältnisprävention verwenden. Von der Beanspruchungsanalyse kann man indirekt auf Belastungen zurückschließen. Rechtlich ist das wegen der komplizierten Beweislage aber kaum möglich.
  3. Verfahren zur Verhältnisprävention kann man direkt zur Verhältnisprävention verwenden. Von der Beanspruchungsanalyse kann man direkt auf Belastungen zurückschließen. Das ist wohl ziemlich einfach zu verstehen.
  4. Der Arbeitsschutz verlangt Verhältnisprävention. Hinsichtlich der Prävention ist das Arbeitsschutzziel die Vermeidung von Fehlbelastungen.
  5. Der ABI/WAI misst Beanspruchungen und dient gemäß BAuA der Verhaltensprävention.
  6. Belastungen messen beispielsweise ISTA und COPSOQ. Solche Verfahren dienen gemäß BAuA der Verhältnisprävention.
  7. Also ist es nicht so optimal, im Arbeitsschutz den ABI/WAI einzusetzen, wenn doch geeignetere Verfahren verfügbar sind. (Mit Anonymisierung und zusammen mit einem verältnisorientierten Verfahren sind Nutzungen in der Verhältnisanalyse möglich.)

So, das sollte jetzt verstanden worden sein.

Aber trotzdem mögen Arbeitgeber Verhaltensprävention lieber als Verhältnisprävention. Man kann Belegschaften mit fürsorglichen Fragebögen zur Verhaltensprävention so beschäftigen, dass für die Verfahren für die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Verhältnisprävention keine Lust übrig bleibt.

Testanbieter bewerben ihre scheinfürsorglichen Testverfahren intensiv und sprechen damit Unternehmen auf deren Flucht vor der ungeliebten Verantwortung an:

Fazit: Verhaltensprävention kann eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber sein, aber Verhältnisprävention ist vorgeschrieben. Verhaltensprävention ohne Verhältnisprävention ist ein Indikator für Verantwortungsflucht des Arbeitgebers. Unternehmen, die ihr Gesundheitsmanagement mit Verfahren der Verhaltensprävention (z.B. ABI/WAI) beginnen, fangen bewusst am falschen Ende an. Kompetente Betriebsräte lassen sich hier nicht einseifen, sondern achten darauf, dass sich kein Unternehmen mit fürsorglich aussehenden (aber dem Individuum die Verantwortung zuweisenden) Verfahren zur Verhaltensprävention seinen Pflichten zur Verhältnisprävention entziehen kann.