Archiv für Dezember, 2015

DIN trickst Arbeitnehmer beim Arbeitsschutz aus

Donnerstag, 31. Dezember 2015 - 15:02

Nach dem PAS-verfahren zu erarbeitende DIN-SPECs, die “Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes” enthalten, konnten ursprünglich beim DIN nicht eingereicht werden, denn hier ist Konsensbildung wichtig. Aber dem DIN scheint das Geschäft wichtiger zu sein, als eine ordentliche Entwicklung von Standards. Den Treibern der DIN-SPEC 91020 ist es damit gelungen, die Arbeitnehmer von der Konsensbildung bei einer DIN SPEC zum Gesundheitsmanagement (aber mit Aspekten des Arbeitsschutzes) fernzuhalten. Ich finde diese Trickserei nicht sehr redlich.

https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=DIN_SPEC_91020&oldid=149633709#Zertifizierung

Schon bei der Erstellung der DIN SPEC [91020] wurden Akkreditierungsanträge bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) in die Wege geleitet. Im Juli 2013 berief die DAkkS eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe des SK-M ein, die die Möglichkeiten für Akkreditierungen für DIN SPEC 91020 sondieren soll. Am 1.12.2015 veröffentlichte die DAkkS „Spezielle Anforderungen zur Akkreditierung von Zertifizierungsstellen, die Managementsysteme nach DIN SPEC 91020:2012 ‘Betriebliches Gesundheitsmanagement’ zertifizieren“, die Aspekte des Arbeitsschutzes enthalten, obwohl vom DIN eine Anfrage nach Erarbeitung einer DIN-SPEC nach dem PAS-Verfahren abgelehnt worden wäre, wenn sie “Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält”. Damit ist es den privatwirtschaftlichen Entwicklern der DIN SPEC 91020 gelungen, eine den Arbeitsschutz betreffende und im PAS-Verfahren entwickelte DIN SPEC ohne Konsensbildung z.B. mit Gewerkschaften auf den Arbeitsschutz anwendbar zu machen.

Maßnahmen des Arbeitsschutzes

Dienstag, 29. Dezember 2015 - 07:52

  • Kosten: Der Arbeitgeber trägt alle Kosten (z.B. Zeit und Geld) für Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Nach dem Arbeitsschutzgesetz darf der Arbeitgeber diese Kosten den Beschäftigten nicht auferlegen, natürlich auch nicht anteilig (z.B. Verwendung von Urlaubstagen oder Freizeit für als Arbeitsschutzmaßnahmen dargestellte Fitnessprogramme).
    http://dejure.org/gesetze/ArbSchG/3.html
  • Prioritäten: Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen. Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen. Das bedeutet: Das Gesetz gibt der Verhältnisprävention Vorrang vor der Verhaltensprävention.
    http://dejure.org/gesetze/ArbSchG/4.html
  • Gefährdungsbeurteilung: Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes müssen auf einer Gefährdungsbeurteilung basieren.
    http://blog.psybel.de/erst-gefaehrdungsbeurteilung-dann-unterweisung/
  • Mitbestimmung: Maßnahmen des Arbeits und Gesundheuitsschutzes sind auch dadurch gekennzeichnet, dass Betriebsräte und Personalräte hier eine besondere Mitbestimmungspflicht und ein besonderes Recht auf Informationen haben.
    http://blog.psybel.de/betriebsverfassungsgesetz/#89

Der Hinweis auf die Mitbestimmung ist besonders dann notwendig, wenn Arbeitgeber einerseits eine Maßnahme des “Betrieblichen Gesundheitsmanagements” als “freiwillig” darstellen und damit eine Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung schwächen wollen, andererseits diese Maßnahme dann gegenüber der Gewerbeaufsicht und Auditoren als Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes verkaufen. Das ist eine Verletzung gesetzlicher Pflichten. Die überforderten Gewerbeaufsichten sehen hier oft nicht so genau hin.

Quick & Dirty Standardization

Freitag, 25. Dezember 2015 - 13:12

http://www.bsigroup.com/Documents/standards/guide-to-standards/BSI-Guide-to-standards-1-5-standards-types-BSI-UK-EN.pdf (2009)

[...]

It can take time to develop consensus standards and for the agreement to go through public review. For some users of standards, particularly those in fast-changing technology sectors, it may be more important to agree on a technical solution and publish it quickly before going through the checks and balances needed to become a British Standard. Therefore, BSI, CEN/CENELEC and ISO/IEC have developped a range of publications that are not formal standards, but allow publication earlier than if full consensus were to be achied. These publications are:

  • Published document (PD)
  • Private subscribed standard (PSS)
  • PAS
  • International publicly availabe specification (ISO/PAS)
  • European or international workshop adreements (CWA/IWA/ITA)

[...]

The PAS initially was marketed as “Product Approval Specification”. Later it was renamed to “Publicly Available Specification”. That probably made that pseudo standard more marketable. Originally, the PAS was meant to cope quickly with technoloy progress. However, it also became a tool to create pseudo standards for controversial processes where employers didn’t like the need to find a consensus e.g. with employee organizations. Examples: BS PAS 1010:2010 (Code of practice for managing workplace psychosocial risks and stress, Britain) and DIN SPEC 91020 (Occupational health management, Germany). As for “Published Documents” (PD), the PD 2511:2010 adressing Human Aspects of Business Continuity is a fine example for questionable contributions to the CSR show business.

By the way: In all cases you have to pay lots of money for obtaining these papers. That doesn’t really foster a good public discussion of these “public” documents.

Publicly Available Specifications (PAS) and OH&S

Freitag, 25. Dezember 2015 - 09:17

I got curious about how the players in the certification business manage to push “Publicly Available Specifications” (low quality & fast track pseudo standards) into the market for the certification of management systems for Occupational Health & Safety (OH&S). I think that the Britisch PAS 1010 and the German DIN SPEC 91020 are indecent tricks designed to avoid a consensual standard development. Employee organizations (unions) are not seriously given a voice.

Die DAkkS hilft mit, die DIN SPEC 91020 in den Arbeitsschutz einzuschmuggeln

Donnerstag, 24. Dezember 2015 - 13:03

Es ist passiert. “Akkreditierungsregeln für die DIN SPEC 91020 durch DAkkS veröffentlicht.”

Nach kräftiger Massage der DAkkS durch die Gesundheitsmanagement-Industrie veröffentlichte die DAkkS Spezielle Anforderungen zur Akkreditierung von Zertifizierungsstellen, die Managementsysteme nach DIN SPEC 91020:2012 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ zertifizieren (2015-12-01).

[...]

Auditberichte [...]
5. Bewertung zu den Ergebnissen der Analyse von Gesundheitschancen und -risiken sowie zu den daraus abgeleiteten Maßnahmen und deren Wirksamkeit,
6. Bewertung zur Angemessenheit der eingesetzten Ressourcen in Bezug auf die formulierten Ziele,
7. Bewertung zu den Maßnahmen zur Förderung des BGM und der Partizipation der Mitarbeiter (Schulung der Mitarbeiter, Investitionen, etc.),

[...]

Besonderheiten:
Im Audit zur DIN SPEC 91020 muss überprüft werden, ob das Unternehmen auch arbeits-
bedingte psychische Belastungen angemessen und systematisch im Rahmen des BGM
und/oder des AMS erfasst und bewertet hat und angemessene Maßnahmen zur Vermeidung
bzw. Verminderung dieser Belastungen geplant und umgesetzt hat.
Die Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat) muss in das Audit einbezogen werden.

[...]

Wie muss die Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat) in das Audit einbezogen werden? Auditiert sie mit? Ist sie Gegenstand des Audits? “Die Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat) muss in das Audit einbezogen werden.” hört sich zwar zunächst arbeitnehmerfreundlich an,aber wenn nicht geklärt ist, wie Betriebsräte “einbezogen” werden, dann hilft das den Arbeitnehmervertretungen überhaupt nicht weiter. Soll hier der Eindruck erweckt werden, es ginge um den mitbestimmungspflichtigen Arbeits- und Gesundheitsschutz, ohne dass die Mitbestimmung hier wirklich wirksam werden kann?

Diese DIN SPEC enthält Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die müssen irgendwie da hinein geschmuggelt worden sein, denn das PAS-Verfahren, mit dem die DIN SPEC 91020 eröffnet wurde, hätte gar nicht erst begonnen, wenn diese DIN SPEC “Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält”. So unfein sind die Tricks im Zertifizierungsgeschäft.

Immerhin ist die Durchführung der der Analyse von Gesundheitsrisiken nicht Gegenstand des Auditberichts. In den “speziellen Anforderungen” bleibt jedoch unklar, welche Themen des Audits den Arbeits- und Gesundheitsschutz betreffen. Man muss erst in der Antwort (Februar 2014) zu meiner Petition an den Bundestag nachsehen, um die Grenzen zu verstehen, die für die DIN SPEC 91020 gelten:

[...] Die DAkkS weist darauf hin, dass eine akkreditierte DIN SPEC 91020-Zertifizierung kein System zur bzw. kein Nachweis der Erfüllung der Anforderungen aus gesetzlichen oder behördlichen Arbeitsschutzvorgaben beinhaltet. Die Feststellung von Herrn Kluge, dass die DIN SPEC 91020 kein Arbeitsschutzstandard ist, wird von der DAkkS bestätigt [...]

Das wird noch eine Rolle spielen, wenn Unternehmen versuchen, mit einem Zertifikat nach DIN SPEC 91020 ihren Arbeitsschutz besser verkaufen zu können.

Warum fehlt die angesichts der Missbrauchsgefahr erforderliche und unmißverständliche Abgrenzung zum Arbeitsschutz in den “speziellen Anforderungen”? Die DAkkS hat hier offensichtlich kein Interesse an Klarheit. Darum behaupte ich, dass die DAkkS sich daran beteiligt, einen Standard für das betriebliche Gesundheitsmanagement in den Arbeitsschutz einzuschmuggeln. Hoffen die Gesundheitsmanagement-Zertifizierer (im mit B.A.D. als Treiber), dass sich die überforderte Gewerbeaufsicht, die Berufsgenossenschaften und die Arbeitsschutzzertifizierer auch im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes von einem Zertifikat für den Privatstandard DIN SPEC 91020 trotzdem beeindrucken lassen?

Für die Gesundheitsmamagement-Unternehmen war schon im Jahr 2014 klar, dass die DAkkS ihren Privatstandard DIN SPEC 91020 akredditierbar machen wird. Die Branche (BGM, Betriebliches Gesundheitsmanagement) hat eine kräftige Lobby, mit der sie den hier nicht wirklich durchblickenden Politikern zuleibe rückt. Dahinter steckt ein großes Geschäft, denn groß ist auch der Bedarf der Unternehmen in Deutschland, im Arbeits- und Gesundheitsschutz gut ausszusehen, ohne ihre gesetzlichen Pflichten wirklich ernst nehmen zu müssen.

Noch schlimmer: Auch der DIN-Verein beteiligt sich an dem Versuch, die DIN SPEC 91020 in den Arbeitsschutz einzuschmuggeln. Dieser Leichtstandard wurde nach einem sogenannten “PAS-Verfahren” erteilt, der seine Anwendung im Arbeits- und Gesundheitsschutz ausschließt. Seit März 2014 versteckt der DIN-Verein diese Voraussetzung.

Die DAkkS kommt in die Nachrichten

Donnerstag, 24. Dezember 2015 - 09:05

https://magazin.spiegel.de/SP/2015/53/140604225/index.html

Au­to­mo­bi­le
Voll­brem­sung

TÜV, Dekra und Co. könnten ihre Zulassung als Kfz-Prüfer verlieren. Das System der Hauptuntersuchung ist bedroht – mit Folgen für Werkstätten und Millionen Pkw-Halter.
[...]
Auf zwei Sei­ten führ­te DAkkS-Chef Nor­bert Barz auf, war­um sei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on ge­den­ke, den Prü­fern eine Ver­län­ge­rung der Ak­kre­di­tie­rung zu „ver­wei­gern“. Be­su­che vor Ort hät­ten er­ge­ben, dass „im er­heb­li­chen Um­fang“ Mess­ge­rä­te ein­ge­setzt wer­den, die nicht nach den „ein­schlä­gi­gen An­for­de­run­gen“ und dem „Stand der Tech­nik ka­li­briert sind“. [...]

Die DAkkS traut sich was. Dass sie damit im Kfz-Bereich anfängt, hat mindestens zwei Gründe:
(1) Es ist jetzt wirklich schwer geworden, wegzusehen.
(2) Kalibrierungsmängel und andere technisch messbaren Abweichungen und Prozesse lassen sich ziemlich klar nachweisen. Hier kann die DAkkS leichter gegen die “Prüfkonzerne” (Originalton SPIEGEL) vorgehen, als z.B. bei schlampigen Prüfungen von Arbeitsschutzmanagementsystemen, bei denen Abweichungen nicht so klar nachweisbar sind.

[...] Was erlaubt sich dieser Berliner DAkkS den da? Das kleine Unternehmen, zu zwei Dritteln in Staatsbesitz, nahm erst 2010 die Arbeit auf und hatte in den ersten Jahren seiner Existenz nie spürbar aufgemuckt.[...]

Wann muckt die DAkkS gegen unkritische Zertifizierungen von Arbeitsschutzmanagementsystemen auf?

Der Vorgänger der DAkkS war übrigens der ebenfalls nicht allzu aufmüpfige Deutsche Akkreditierungsrat. Die Prüfkonzerne sind eben ziemlich stark und haben eine gute Lobby. Sie wiederum sind gerade so kritisch, wie nötig. Denn heute können sich die Geprüften den laschesten Prüfer aussuchen.

[...] Wenn es ums Prüfen geht, dann lassen sich die Deutschen nicht gerne von aneren übertreffen. [...]

Die Prüferei in Deutschland war schon eine Farce, bevor es die DAkkS gab. Das gilt auch für die politisch kräftig ausgebremste behördliche Aufsicht: Lebensmittelsicherheit, Steuerfahndung (Hessen), Gewerbeaufsicht, Arbeitsschutz usw.

 
http://www.zeit.de/mobilitaet/2015-12/tuev-dekra-akkreditierung-entzug

[...] Die Deutsche Akkreditierungsstelle mit Sitz in Berlin bemängelt laut Spiegel die Arbeit von Organisationen wie Tüv, Dekra und GTÜ. [...]

Wenigstens hier wacht die DAkkS auf, gezwungenermaßen.

 
http://www.focus.de/auto/news/nicht-an-vorgaben-gehalten-kfz-pruefern-droht-der-verlust-der-zulassung_id_5173609.html

[...] Im Sommer hatte der Chef der Akkreditierungsstelle, Norbert Barz, dem Bericht zufolge zahlreiche Verkehrsminister der Länder in einem Brief auf die Probleme hingewiesen. [...]

Da ist noch ein anderer Brief zu schlechten Audits von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) fällig, den die Gewerbeaufsicht machen sich in Betrieben mit einem zertifizierten AMS die Arbeit leichter und müssen sich deswegen auf gute Audits verlassen können.

 
http://www.focus.de/auto/news/die-dakks-mal-wieder-nicht-an-vorgaben-gehalten-kommentar_id_7213120.html

Auch die DAkks ist letztendlich nichts anderes als eine privatwirtschaftlich geführte Organisation, [...] Und ausgerechnet diese Organisation, die selber keiner Kontrolle unterliegt, will bestimmen, wer korrekt handelt und wer nicht?

Na ja, formal wird sie von ihren Geschäftsführern kontrolliert: Bundeswirtschaftsministerium, BDI, Bundesländer.

 
Leider ist das Thema Arbeitsschutz etwas komplexer und zieht nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich. Aber auch hier gibt es Schlampereien bei Audits von Arbeitsschutzmanagementsystemen z.B. nach OHSAS 18001. Es gibt da mindestens einen bei der DAkkS akkreditierten Auditierungsgroßmeister (natürlich auch privatwirtschaftlich geführt), bei dem die DAkkS meiner Ansicht nach immer noch nicht kritisch genug hinschaut.

Außerdem wird in den Redaktionen oft gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes im Bereich der Arbeitsbelastungen verstoßen. Bei einer kritischen Berichterstattung über das Aufsichtsversagen im Arbeitsschutz müssten sich die Medienunternehmen mit ihren eigenen Problemen befassen.

 
Siehe auch:

DEKRA: “ISO 45001 ersetzt möglicherweise BS OHSAS 18001″

Mittwoch, 23. Dezember 2015 - 00:22

Endlich einmal eine Titelzeile, in der der Ersatz von OHSAS 18001 durch die Norm ISO 45001 nicht als hundertprozentig sichere Tatsache verkauft wird. Auch sonst ist der DEKRA-Artikel empfehlenswert: http://www.dekra-certification.de/de/draft-iso-45001

Bis 2016-04-01 steht der DIS ISO 45001 der Öffentlichkeit zur Diskussion zur Verfügung:
http://blog.psybel.de/dis-iso-45001-look-into-it-until-2016-04-01/

Corporate Health Award 2015

Montag, 21. Dezember 2015 - 21:57

Bei der Verleihung des Corporate Health Awards 2015 fehlte wieder unter den Vortragenden die Arbeitnehmerseite. Dafür gab es einen Vortrag, der die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung und der Verhältnisprävention herunterspielte.

Der Preis (und die Finalistensiegel) werden für gutes Gesundheitsmanagement vergeben. Einige auditierten Unternehmen erzählen in der internen und externen Kommunikation aber auch, dass die Beurteilung von Gefährdungen auditiert worden sei. Das ist dann schon ein Thma des gesetzlichen Arbeitsschutzes. Ich bin also gespannt, ob hier die Mitbestimmung der Betriebsräte beachtet wurde.

Dazu muss man wissen, dass Unternehmen gegenüber den Betriebsräten das Gesundheitsmanagement als “freiwillig” darstellen. Da ist die Mitbestimmung schwächer, als im Arbeitsschutz. Es könnte versucht werden, die Teilnahme von Betriebsräten an auch an den Audits zu verhindern, bei denen sie eigentlich ein Recht zur Teilnahme haben. Auch müssten die Betriebsräte die Auditberichte zumindestens in den Teilen lesen dürfen, die den Arbeitsschutz betreffen.

Die Beschreibung des Audits finden sie über diese Seite: http://www.corporate-health-award.de/award/ch-audit.html. Meiner Ansicht nach sind damit erworbene Zertifikate und Siegel wenig wert. Das Audit ist nämlich, um es höflich zu sagen, recht schlank. Auch die “Partizipation” (wohl der Arbeitnehmer) wird auditiert. Wie die Arbeitnehmer (bzw. deren Vertreter) an dem Audit selbst partizipieren, wird nicht verraten.

Beim Corporate Health Award und Corporate Health Audit kann ein Unternehmen gegen wichtige Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes verstoßen und trotzdem einen hohen “Erfüllungsgrad” im Gesundheitsmanagement bestätigt bekommen. So etwas ist für die Tonne.

Schirmherr des CHA ist das Bundesgesundheitsministerium. Anstelle jetzt Audits im Arbeitsschutzbereich zu privatisieren, sollten lieber die Gewerbeaufsichten in die Lage versetzt werden, endlich ordentlich zu prüfen!

Bei dem CHA spielen das Handelsblatt und die Wirtschaftswoche mit. Einer neutralen Berichterstattung zu Arbeitsschutzthemen ist das nicht zuträglich. Speziell von der Wirtschaftswoche habe ich ohnehin überwiegend schlecht recherchierte Beiträge zum Arbeits- und Gesundheitsschutz (wohl der für die Arbeitgeber schwierigste Teil des Gesundheitsmanagements) gelesen.

Григорий Александрович Потёмкин

Montag, 21. Dezember 2015 - 06:59

Arbeitschutz braucht nicht zu funktionieren, solange er nur gut aussieht.Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grigory_Potemkin.PNG

Verwaltungshandeln bei dem Ergebnis: „Die Gefährdungsbeurteilung wurde nicht angemessen durchgeführt“

Mittwoch, 16. Dezember 2015 - 07:01

LASI-Veröffentlichung 59 (2014), S. 14:

Der Arbeitgeber wird in der Regel schriftlich aufgefordert, die Gefährdungsbeurteilung in einer angemessenen Frist nachzubessern. Die Mitarbeitervertretung erhält eine Kopie des Besichtigungsschreibens. Ggf. wird eine Nachverfolgung bzw. Anordnung durchgeführt.

Erkennt die Aufsichtsbeamtin/der Aufsichtsbeamte zudem Gefährdungen, gegen die keine ausreichenden Arbeitsschutzmaßnahmen ergriffen wurden, ist der Arbeitgeber grundsätzlich schriftlich aufzufordern, hierfür die Gefährdungsbeurteilung in einer angemessenen Frist durchzuführen und die Dokumentation vorzuhalten. Davon unberührt bleiben Maßnahmen, die unverzüglich bei unmittelbar drohender Gefahr einzuleiten sind.

Die Mitarbeitervertretung erhält eine Kopie des Besichtigungsschreibens.

Eine Nachverfolgung ggf. mit Anordnung wird durchgeführt.

Ebenfalls ist durch die Aufsichtsbeamtin/den Aufsichtsbeamten zu prüfen, ob ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten ist.

In der Praxis sieht es so aus, dass die Gewerbeaufsichten sich gerade bei politisch gut vernetzten Großunternehmen kaum trauen, so vorzugehen. Auch wenn die Gefährdungsbeurteilungen nicht angemessen durchgeführt wurden, können dermaßen gegen das Arbeitsschutzgesetz verstoßende Unternehmen dann behaupten, die Gewerbeaufsicht habe sie nicht schriftlich zu Verbesserungen aufgefordert.

Dass Mitarbeitervertretungen eine Kopie von Aufforderungen der Gewerbeaufsucht bekommen, ist wohl der Ausnahmefall. Es hätte solche Aufforderungen massenweise geben müssen.

In Bayern kann es sogar vorkommen, dass ein Unternehmen gelobt wird, wenn psychische Belastungen nicht angemessen beurteilt werden, das Unternehmen sich jedoch bemüht, dieses Defizit abzubauen. Das ist schon ziemlich verrückt. Mit Minderleistungen ihrer Mitabeiter würden diese Unternehmen wohl weniger gnädig umgehen. Stattdessen würde der Arbeitgeber versuchen, mit geeigneten Zielvereinbarungen Verbesserungen zu erwirken. In Bayern sollen die Gewerbeaufsichten das angeblich auch gemacht haben, aber dann kniffen sie doch im Jahr 2012 und sagten “Servus” zur Zielvereinbarung.