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Handelsblatt & Techniker Krankenkasse

Dienstag, 15. März 2016 - 06:42

http://www.health-i.de -> http://award.handelsblatt.com/healthi/

Health-i Initiative

Ein smartes Gesundheitswesen steht für Ideen, die Altes in Frage stellen und Neues schaffen. Für Ansätze, die das Leben besser machen.

Dafür haben wir, die Techniker Krankenkasse und das Handelsblatt, die Health-i Initiative ins Leben gerufen. Mit ihr wollen wir die besten Talente in den Bereichen Gesundheit und Gesundheitswirtschaft, die vielversprechendsten Start-ups und die innovativsten Denker Deutschlands entdecken und fördern. Wir wollen die Chancen ihrer Projekte und Produkte im Markt in den Mittelpunkt stellen, gemeinsam mit ihnen an Konzepten feilen und den Austausch mit den richtigen Partnern ermöglichen.

Denn es geht um mehr als eine gute Idee. Es geht um eine gesündere Welt. Für uns alle. [...]

Noch ein Award.

Ich sehe das mit gemischten Gefühlen. Im Gesundheitsbereich ist das Handelsblatt mit

  • Techniker Krankenkasse,
  • KPMG,
  • RobecoSAM (über KPMG),
  • Corporate Health Award 2015 (auch mit Wirtschaftswoche)

vernetzt. Das könnte eine kritische Berichterstattung über das Geschäft mit den vielen “Awards” im Gesundheitsbereich behindern. Alle vier Unternehmen interessieren sich meiner Ansicht nach nicht ausreichend dafür, ob die von ihnen bewerteten Unternehmen sich im Bereich der psychischen Belastungen tatsächlich an das Arbeitsschutzgesetz halten. Die Selbstdarstellungen der Unternehmen werden nicht kritisch hinterfragt. Es scheint bei diesem Awardgeschäft überhaupt uncool zu sein, an die tatsächliche Beachtung von Gesetzen und Vorschriften des Arbeitsschutzes zu denken.

Corporate Health Award 2015

Montag, 21. Dezember 2015 - 21:57

Bei der Verleihung des Corporate Health Awards 2015 fehlte wieder unter den Vortragenden die Arbeitnehmerseite. Dafür gab es einen Vortrag, der die Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung und der Verhältnisprävention herunterspielte.

Der Preis (und die Finalistensiegel) werden für gutes Gesundheitsmanagement vergeben. Einige auditierten Unternehmen erzählen in der internen und externen Kommunikation aber auch, dass die Beurteilung von Gefährdungen auditiert worden sei. Das ist dann schon ein Thma des gesetzlichen Arbeitsschutzes. Ich bin also gespannt, ob hier die Mitbestimmung der Betriebsräte beachtet wurde.

Dazu muss man wissen, dass Unternehmen gegenüber den Betriebsräten das Gesundheitsmanagement als “freiwillig” darstellen. Da ist die Mitbestimmung schwächer, als im Arbeitsschutz. Es könnte versucht werden, die Teilnahme von Betriebsräten an auch an den Audits zu verhindern, bei denen sie eigentlich ein Recht zur Teilnahme haben. Auch müssten die Betriebsräte die Auditberichte zumindestens in den Teilen lesen dürfen, die den Arbeitsschutz betreffen.

Die Beschreibung des Audits finden sie über diese Seite: http://www.corporate-health-award.de/award/ch-audit.html. Meiner Ansicht nach sind damit erworbene Zertifikate und Siegel wenig wert. Das Audit ist nämlich, um es höflich zu sagen, recht schlank. Auch die “Partizipation” (wohl der Arbeitnehmer) wird auditiert. Wie die Arbeitnehmer (bzw. deren Vertreter) an dem Audit selbst partizipieren, wird nicht verraten.

Beim Corporate Health Award und Corporate Health Audit kann ein Unternehmen gegen wichtige Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes verstoßen und trotzdem einen hohen “Erfüllungsgrad” im Gesundheitsmanagement bestätigt bekommen. So etwas ist für die Tonne.

Schirmherr des CHA ist das Bundesgesundheitsministerium. Anstelle jetzt Audits im Arbeitsschutzbereich zu privatisieren, sollten lieber die Gewerbeaufsichten in die Lage versetzt werden, endlich ordentlich zu prüfen!

Bei dem CHA spielen das Handelsblatt und die Wirtschaftswoche mit. Einer neutralen Berichterstattung zu Arbeitsschutzthemen ist das nicht zuträglich. Speziell von der Wirtschaftswoche habe ich ohnehin überwiegend schlecht recherchierte Beiträge zum Arbeits- und Gesundheitsschutz (wohl der für die Arbeitgeber schwierigste Teil des Gesundheitsmanagements) gelesen.

DEKRA prüfte Zalando

Mittwoch, 23. April 2014 - 07:42

http://www.zalando.de/zalando-logistik/

[...] Zusätzlich lassen wir einmal pro Quartal an allen unseren Logistikzentren sowie an den Standorten unserer Dienstleistungspartner die Arbeitsbedingungen und Sozialstandards durch die DEKRA als unabhängiges Institut überprüfen. Diese Überprüfungen haben uns in den letzten Jahren stets sehr gute Arbeitsbedingungen bescheinigt. So ergab der letzte DEKRA-Bericht am Standort Erfurt beispielsweise ein Gesamtergebnis von 1,3 (von 1 – sehr gut bis 4 – nicht akzeptabel). [...]

Welche Meßlatte verwendet die DEKRA bei ihren Audits? Zalando arbeitet mit “eigenen Sozialstandards” für die eigenen Standorte und externe Logistik-Dienstleister (dpa 2013-02-18). DEKRA prüfte also nur das, was die Zalando-Unternehmensleitung für nötig hält. Bereiche wie der Arbeits- und Gesundheitsschutz wurden nicht gemäß weitgehend anerkannten Standards geprüft, die Absprachen mit den Mitarbeitern bei der Umsetzung der Standards fordern. Schafft Zalando es nicht, sich an anerkannten Standards zu orientieren?

Außerdem können die DEKRA-Auditoren nur beurteilen, was das Unternehmen ihnen zeigt. Auditoren könnten die Darstellungen der Arbeitgeberseite mit Arbeitnehmervertretern verifizieren, aber nach meiner Erfahrung suchen externe Auditoren leider nur sehr selten das Gespäch mit Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmervertretern. Hier sollten Auditoren von sich aus mehr Eigeninitiative entwickeln.

Welchen Wert hat eine Überprüfung durch DEKRA überhaupt? Ist sie hilfreich für das auditierte Unternehmen oder kann das auditierte Unternehmen dem Ruf der DEKRA-Auditoren auch Schaden zufügen? Wofür geben sich Zertifizierer wie DEKRA her? Zalando hat in Erfurt nicht einmal einen Betriebsrat, mit dem die DEKRA-Auditoren ihre Beobachtungen hätte verifizieren können (wenn sie das überhaupt gewollt hätten). Bei einem derart großen Betrieb schadet das Fehlen einer Arbeitnehmervertretung der Glaubwürdigkeit von Audits sozialer Standards. Kleiner Hinweis: Das Arbeitsschutzthema “psychische Belastungen” war der Anlass für die Gründung des ersten Betriebsrates in einem Apple-Store.

Und welchen Wert hat eine Überprüfung durch die behördlichen Aufsicht? Kann man von der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaft erwarten, dass sie von ihr übersehene Mängel nachträglich überprüfen oder wird ihnen zur Gesichtswahrung die Verteidigung ihrer bisherigen Beurteilungen wichtiger sein? Wer kümmert sich wirklich um die Arbeitnehmer?

Schlafender Riese mit scharfem Schwert

Donnerstag, 24. Januar 2013 - 23:02

Claudia Tödtmann im Gespräch mit Arbeitsrechtler Tobias Neufeld bei einem Teller Thunfisch
15.01.2013, 20:05, Management-Blog der WiWo
http://blog.wiwo.de/management/2013/01/15/ein-teller-thunfisch-mit-arbeitsrechtler-tobias-neufeld-der-vor-schlafenden-riesen-mit-scharfen-schwertern-warnt/

… In Deutschland gebe es hingegen ein aktuelles Thema, das unter dem Namen “Gefährdungsbeurteilung” auf die Unternehmen zukomme, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. “Das ist ein schlafender Riese und ein scharfes Schwert für Betriebsräte wie Arbeitnehmer”, schätzt er die Lage ein. Da können nämlich zum Beispiel Bewohner von Großraumbüros Gefährdungsbeurteilungen von ihrem Arbeitgeber verlangen – und dann wird etwa geprüft, ob die Lärmbelästigung im Großraumbüro Stress auslöst. Auch die Arbeit in internationalen Matrixorganisationen mit vielen Berichtslinien, E-Mail-Flut, Führungstil der Vorgesetzten, Arbeitsorganisation oder ständige Erreichbarkeit durch Smartphones zählen dazu. …

Kommunikation und Verlust der Statussymbole

Donnerstag, 28. Juni 2012 - 07:50

http://www.wiwo.de/erfolg/management/virtuelle-kommunikation-die-vor-und-nachteile-des-virtuellen-fuehrungsstils/6800708-2.html

Die neuen Kommunikationswege stellen eine psychische Belastung für die Arbeitnehmer dar. …

… Für die Führungskräfte bedeutet virtuelle Kommunikation den Verlust ihrer physischen Präsenz und ihrer Statussymbole. “Führen aus der Ferne braucht manchmal ein paar Worte mehr, um Verbindung und Verbindlichkeit zu schaffen”, sagt Studienleiter Lorenz Forchhammer.

Siehe auch im FOCUS: http://de.comteamgroup.com/news/focus-magazin-verlag-ueber-die-comteam-studie-2012-der-chef-telefoniert.695

Getrübter Blick bei der WiWo

Mittwoch, 30. Mai 2012 - 22:05

http://mobil.wiwo.de/;mtpg=5/erfolg_prio/6668030

Bürokrankheit Burn-out
Schwieriger Umgang mit dem B-Wort
Psychische Erkrankungen von Mitarbeitern nehmen zu und verringern die Produktivität. Wie Unternehmen Burn-out vorbeugen und nachsorgen. …

… Fällt ein Mitarbeiter etwa durch Unkonzentriertheit, Leistungsabfall bei extremen Arbeitszeiten oder durch sozialen Rückzug auf, sollten Vorgesetzte ihre Beobachtung aussprechen. Allerdings ohne eine Diagnose zu stellen. Denn was eine zeitweilige Erschöpfung nach hoher Arbeitsbelastung oder eine lebensbedrohliche Depression ist, vermag der Laie nicht zu unterscheiden. Deshalb gilt es, die Betroffenen rasch an professionelle Dritte zu verweisen. …

… Der Blick auf die Eigenverantwortung ist bei psychischen Erkrankungen häufig getrübt. “Da wird die Zuständigkeit für die eigene Gesundheit an den Chef oder den Betriebsarzt delegiert”, sagt Rolf Arera, der die Abteilung Gesundheitsschutz beim Versicherer Ergo leitet.

Hilfe zur Selbsthilfe ist gefragt. Betroffene dabei unterstützen, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen, umfasst nach längerer Krankheit eine sensible, aber rechtzeitige Wiedereingliederung. Je länger die Abwesenheit, desto weniger trauen sich die Mitarbeiter zu. …

Die beiden Absätze stehen stellvertretend für den Stil des Artikels. Was die Wirtschaftswoche hier schreibt, ist ja nicht direkt unwahr. Aber durch das Ausblenden von Fakten werden die Leser desinformiert. Einer dieser Fakten ist: Unternehmer, die Mitarbeiter gerne zu mehr Eigenverantwortung ermahnen, werden oft wissentlich ihren eigenen Verantwortungen im Arbeitsschutz nicht gerecht.

Kritik an Mitarbeitern mit psychischen Erkrankungen wird in dem Wochenblatt aber gerne Raum gegeben. Der Blick auf die Verfehlungen der Arbeitgeber bleiben getrübt. Dabei weiß die WiWo sogar von unserer Bundesarbeitsministerin, dass etwa zwei Drittel der Unternehmen entgegen den Vorschriften psychische Belastungen nicht in den Arbeitsschutz mit einbeziehen. Das Weglassen dieser Fakten kann kein Versehen mehr sein. Dann auch noch von Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung zu fordern, ist Chuzpe vom Feinsten. Wie ich mit früheren Beispielen zeigte, strengt sich die WiWo sogar richtig an, diese Fakten auszublenden.

Wie wird bei denen selbst in der Redaktion mit dem Thema der psychischen Belastungen umgegangen, wenn sie so wenig davon verstehen. Wie sehen dann die vorgeschriebenen Schulungen aus? Wie wird an den Arbeitsplätzen der WiWo der §3 der Bildschirmarbeitsverordnung umgesetzt?

Segeltherapien als Luxus und Burnout als Waffe?

Sonntag, 20. Mai 2012 - 21:59

Claudia Tödtmann (2012-05-20): Unternehmen müssen sich vor Burnout-Klagen fürchten – Gastbeitrag von Arbeitsrechtler Jörg Podehl
http://blog.wiwo.de/management/2012/05/15/unternehmen-mussen-sich-vor-burnout-klagen-furchten-gastbeitrag-von-arbeitsrechtler-jorg-podehl/

… Anfang Mai 2012 wurde beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Fall einer Wuppertaler Betriebsrätin mit einem widerruflichen Vergleich abgeschlossen. Sie war wegen Burnouts krankgeschrieben, hatte während ihrer Krankschreibung jedoch eine Segelreise unternommen und war hierfür zur Strafe gleich fristlos gekündigt worden. …

Diese beliebte Geschichte wird gerne von Leuten erzält, die weder Ahnung vom Segeln noch Ahnung von Verhaltenstherapie haben. Tatsächlich kann eine Segelreise das Gehirn sehr wohl gut durchputzen. Bei Therapien für Top-Manager funktionierte das bekanntlich schon recht gut. Wo ist also das Problem, wenn auch Betriebsratsmitglieder Methoden anwenden, die sich bei Managern bewährt hatten?

 

… Gefahr für Unternehmen: Burnout als Waffe

Es besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmer das Argument „Burnout“ missbräuchlich einsetzen …

Es geht zugegebenermaßen noch schlimmer: http://blog.psybel.de/esoterik/

 

… Ist für den Arbeitgeber eine außergewöhnliche Stressbelastung des Arbeitnehmers im Vergleich zu den gewöhnlichen Anforderungen erkennbar oder liegen bereits Anzeichen einer drohenden Krankheit vor, dann muss der Arbeitgeber wegen dieser deutlichen Anzeichen handeln und den Arbeitnehmer vor übermäßiger Stressbelastung schützen. …

Das ist zu reaktiv. Vor 1996 konnte man vielleicht noch so argumentieren. Der ganzheitliche Arbeitsschutz schreibt jetzt Vorbeugung vor.

… Eine Pflicht zum Einschreiten des Arbeitgebers sollte dem Arbeitgeber nur dann auferlegt werden, wenn erkennbare Störungen und Überlastungen bei den Arbeitnehmern vorliegen. Die Eigenverantwortung der Mitarbeiter darf nicht am Arbeitsplatz aufhören. Jeder muss dazu beitragen, seine psychische Gesundheit beizubehalten. …

Nein, auch dann ist es oft schon zu spät. Speziell nach OHSAS 18001:2007 zertifizierte Unternehmen können nicht abwarten, bis Störungen und Überlastungen erkennbar sind, denn sie haben sich ja selbst verpflichtet, arbeitsbezogene Ereignisse zu erfassen und zu untersuchen, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) oder einen tödlichen Unfall zur Folge hatten oder hätten(!) zur Folge haben können. Erkrankungen sind hierbei als erkennbare, nachteilige physische oder mentale Zustände definiert, die durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation entstanden sind und/oder verschlechtert wurden. Die “Außergewöhnlichkeit” der Stressbelastung ist kein Kriterium, dass ein Auditor oder ein Richter akzeptieren würde. Wer denkt sich so etwas denn aus? Stimulierender Stress kann außergewöhnlich, und außergewöhnlicher Stress kann stimulierend sein.

Wer entscheidet, welche Ereignisse z.B. Erkrankungen hätten(!) zur Folge haben können? Natürlich kann das der Arbeitgeber nicht alleine entscheiden. Auch das Vorliegen von Fehlbelastungen davon abhängig zu machen, ob sie ausgerechnet vom Arbeitgeber erkennbar sind, wäre ein eher unintelligenter Ratschlag. Aber natürlich kann man das Erkennen auch den Arbeitnehmern nicht alleine überlassen. Unkenntnis, Voreingenomenheit, Parteilichkeit oder (im schlimmsten Fall) auch Missbrauch ist auf beiden Seiten nicht ausgeschlossen. Darum gibt es die Mitbestimmung und Mitwirkung (bei OHSAS 18001:2007 im Absatz 4.4.3.2), die Jörg Podehl mit keinem Wort erwähnt.

Zur Eigenverantwortung der Mitarbeiter: Ja, die Eigenverantwortung der Mitarbeiter darf nicht am Arbeitsplatz aufhören. Jeder muss dazu beitragen, seine psychische Gesundheit beizubehalten. Gerne stimme ich dem zu, denn dazu gehört natürlich auch, sich gegen ansteigende psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen zu wehren. Warum aber kommt die Forderung nach der Eigenverantwortung der Mitarbeiter immer wieder ausgerechnet aus den Kreisen, in denen die Mehrheit der Unternehmer jahrelang ihrer eigenen Verantwortung nicht gerecht geworden sind?

Re-editiert: 2012-11-12

WiWo und ZEIT desinformieren

Montag, 23. Januar 2012 - 08:18

http://www.wiwo.de/technologie/forschung/erschoepfungsdepressionen-die-unkonkrete-volkskrankheit/5963512-2.html

… Ein Zusammenhang zwischen harten Arbeitsbedingungen und einer Depression bestehe selten. Dies treffe nur auf 20 bis 30 Prozent der Fälle zu, sagt der Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Oft gilt das Gegenteil: Arbeit schützt vor psychischen Leiden. “Erwerbstätigkeit kann Psyche auch stärken”, meldete vergangene Woche die Bundespsychotherapeutenkammer und untermauerte dies mit epidemiologischen Daten der gesetzlichen Krankenversicherung. Arbeitslose seien drei- bis viermal so häufig psychisch krank wie Erwerbstätige. Meistens, so Hegerl, sei nicht Überforderung die Ursache für Depressionen, sondern eine genetische Veranlagung in Verbindung mit Verlusterlebnissen, Partnerschaftskonflikten, kränkenden Misserfolgen oder erheblichen Veränderungen der Lebensumstände. …

Das Erwerbstätigkeit als Gegenstück zur Arbeitslosigkeit die Psyche auch stärken kann, ist eine unüberraschende Feststellung.

Tacheles: Ich hatte die WiWo bereits darauf hingewiesen, dass Arbeitsbedingungen in deutschen Unternehmen nicht einmal in der mindestens vorgeschriebenen Weise beurteilt werden. Die Unternehmen sind überhaupt nicht interessiert daran, dass Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen und Depression beobachtet werden könnten. Auch wenn der Artikel (gemäß WiWo) von der ZEIT übernommen wurde, kann ich mir inzwischen nicht mehr vorstellen, dass die WiWo versehentlich vergisst, die Missachtung der Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz durch die Mehrheit der Unternehmen zu erwähnen.

Es droht der kollektive Burn-out

Dienstag, 10. Januar 2012 - 10:36

WirtschaftsWoche, http://www.wiwo.de/erfolg/management/dammanns-jobtalk-wenn-der-job-krank-macht/6049084.html

Dammanns Jobtalk 

Wenn der Job krank macht
Kolumne von Angelika Dammann

Die deutsche Wirtschaft trotzt tapfer der Eurokrise. Doch wie lange noch? Forscher warnen bereits, dass ein großer Teil der Unternehmen wie Menschen permanent an ihrer Leistungsgrenze wirtschafte. Es drohe der kollektive Burn-out. Was Unternehmen tun können, damit es nicht soweit kommt. …

… Erste Gehversuche, Zeitoasen für die notwendige Regeneration der Mitarbeiter zu schaffen, unternimmt zurzeit Autobauer Volkswagen. Die Blackberries von rund 1.100 tarifgebundenen Mitarbeitern werden künftig strikte Nachtruhe einhalten müssen, darauf verständigten sich VW-Management und Betriebsrat im Dezember 2011. Die E-Mail-Server werden nach Feierabend abgeschaltet und keine elektronische Post mehr auf die Firmen-Smartphones zwischen 18.15 Uhr und sieben Uhr morgens übermittelt.

Das erklärte Ziel: Die Kollegen sollen ihre Ruhezeit genießen und für sich nutzen. Das Unternehmen will so Burn-Outs vorbeugen. Es wird sich allerdings zeigen müssen, ob derartige wohlgemeinte Maßnahmen langfristig tatsächlich helfen, denn zum einen wird in der Differenzierung zwischen Tarif-Mitarbeitern und Anderen eine Zweiklassen-Gesellschaft geschaffen, welche die z.T. hohen Verantwortlichkeiten auch im Tarifbereich nicht unbedingt widerspiegelt; zum anderen wird man abwarten müssen, wie wir damit in einer global vernetzten und extrem schnellen Arbeitswelt langfristig zurechtkommen. Auf keinen Fall jedoch können kollektive Maßnahmen Ersatz für verantwortliches Führungsverhalten sein. …

(Link nachträglich eingetragen)

Mit “Auf keinen Fall jedoch können kollektive Maßnahmen Ersatz für verantwortliches Führungsverhalten sein” erweckt Angelika Dammann den Eindruck, dass man sich schon dagegen wehren müsse, dass kollektive Maßnahmen verantwortliches Führungsverhalten ersetzen sollen. So kann man als Journalist Falsches in die Welt setzen ohne nachweisbar die Unwahrheit zu sagen.

Angelika Dammann bellt am falschen Baum: Die Mehrzahl der Unternehmen missachtet gerade bei kollektiven Maßnahmen die Vorschriften des Arbeitsschutzes. Noch dominiert die fürsorgliche Belagerung “auffälliger Mitarbeiter”. Seit vielen Jahren schon haben psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einbezogen zu werden. Die meisten Unternehmen tun’s aber einfach nicht. Diese Dreistigkeit ging nun wohl zu weit: Jetzt weist sogar die Bundesarbeitsministerin von der Leyen darauf hin, dass sieben von zehn Unternehmen das Thema schleifen lassen.

In der Hauptsache hat Angelika Dammann recht: Überlastung wird ein kollektives Problem. Und was muss bei VW den Arbeitgeber und den Betriebsrat geritten haben, darauf mit kollektiven Maßnahmen speziell für Tarifmitarbeiter zu reagieren? Das kann man doch mit einer Betriebsvereinbarung für die ganze Belegschaft regeln, vielleicht sogar mit Einbezug der leitenden Angestellten (was gegebenenfalls auch bisher unausgesprochene Unterschiede transparenter darstellbar machen könnte). Oder wird hier zwischen gemeinem Stress und Edel-Stress unterschieden?

Die Diagnosen in Angelika Dammans Beitrag sind weitgehend richtig. Die Prävention und die Therapie sind jedoch mangelhaft beschrieben, denn Damman vergisst eine wichtige Medizin: den ganzheitlichen Arbeitsschutz. Warum strengen sich Magazine wie die WIWO so fürchterlich an, bei der Prävention und Therapie gegen Fehlbelastungen die Pflichten der Arbeitgeber im Arbeitsschutz zu marginalisieren?