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Deutsche Bank:
He who controls the past controls the future.
He who controls the present controls the past.

Sonntag, 1. Mai 2016 - 07:10

Zumindest im Mai 2016 gibt es dieses Photo noch auf dem Webserver der Deutschen Bank:
(https://www.db.com/ir/img/Georg_F_Thoma.jpg)

Georg Thoma hat am 28. April 2016 den Aufsichtsrat der Deutschen Bank verlassen. So sieht das aus, was man als “Vergangenheitsmanagement” der Deutschen Bank bezeichnen könnte. Wenn ein Aufsichtsratsmitglied zu viel aufsieht, dann gibt es Aufsehen.

 

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/deutsche-bank-thoma-ruecktritt-101.html (2016-04-29)

Genau dafür ist der Integritätsausschuss zuständig. Doch Thoma ging vielen zu weit, grub unnötig tief.

Mobbig gibt es eben auf allen Ebenen. An der öffentlichen Diffamierung des Aufklärers Georg Thoma hatte sich auch der Betriebsratschef und Aufsichtsratsvize Alfred Herling (ver.di) beteiligt: “Mit seinem Übereifer und der juristischen Selbstverwirklichung stößt Dr. Thoma zunehmend auf Kritik.”

 

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/deutsche-bank-ruecktritt-nach-massivem-druck/13521702.html

Im Aufsichtsrat hätten sich dann nochmal alle Mitglieder über den Schritt informiert und einhellig festgestellt, dass man diesen Schritt für richtig hält. Erst vor diesem Hintergrund war Thoma zurückgetreten.

Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat: Alfred Herling, Wolfgang Böhr, Frank Bsirske, Thimo Heider, Sabine Irrgang, Martina Klee, Henriette Mark, Gabriele Platscher, Bernd Rose, Rudolf Stockern, Stephan Szukalski.

 

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/deutsche-bank-ein-gremium-demontiert-sich-selbst/13522394.html

Thoma habe es mit der Aufklärerei übertrieben, er habe die Bank gelähmt, habe einem Blick nach vorne im Weg gestanden, werfen ihm seine Kritiker vor.

“Blick nach vorne”, das ist wohl der beliebeste Klassiker unter den Argumentationsmustern derer, die sich aus ihrer Verantwortung stehlen wollen. Der Blick in die Vergangenheit stört jene beim Blick nach vorne, die die Vergangenheit fortgesetzten wollen.

He who controls the past controls the future. He who controls the present controls the past.

George Orwell, “1984″

 

Deutsche Bank, Geschäftsbericht 2015 (https://geschaeftsbericht.deutsche-bank.de/2015/gb/serviceseiten/downloads/files/dbfy2015_gesamt.pdf)

Integritätsausschuss: Der Integritätsausschuss berät und überwacht den Vorstand fortlaufend im Hinblick darauf, ob die Geschäftsleitung einer wirtschaftlich tragfähigen, nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens verpflichtet ist und unter Beachtung der Grundsätze guter und verantwortungsvoller Unternehmensleitung sowie unter Wahrnehmung der sozialen Verantwortung des Unternehmens und gleichzeitiger Schonung der natürlichen Ressourcen der Umwelt erfolgt (Environment Social Governance – ESG) und ob die Ausrichtung der betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung an diesen Werten mit dem Ziel einer ganzheitlichen Unternehmenskultur ausgerichtet ist. Der Integritätsausschuss behandelt insbesondere die folgenden Angelegenheiten: Er überwacht die Maßnahmen des Vorstands zur Sicherstellung der Einhaltung von Rechtsvorschriften, behördlichen Regelungen und der unternehmensinternen Richtlinien durch das Unternehmen. Er überprüft regelmäßig die Ethik- und Verhaltenskodizes der Bank, um ein vorbildliches Verhalten der Mitarbeiter des Unternehmens innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu fördern, das nicht allein an der formalen Einhaltung von Rechtsvorschriften ausgerichtet ist. Er beobachtet und analysiert die für die Bank wesentlichen Rechts- und Reputationsrisiken und wirkt auf deren Vermeidung hin. Zu diesem Zweck berät er den Vorstand, wie auf die Bedeutung derartiger Risiken aufmerksam zu machen ist. Der Integritätsausschuss bereitet des Weiteren die Entscheidungen des Aufsichtsrats über die Verfolgung von Ersatzansprüchen oder die Ergreifung sonstiger Maßnahmen gegenüber amtierenden oder ehemaligen Mitgliedern des Vorstands vor. Im Geschäftsjahr 2015 fanden fünfzehn Sitzungen des Integritätsausschusses, davon vier gemeinsam mit dem Prüfungsausschuss, statt.

Die derzeitigen Mitglieder des Integritätsausschusses sind Georg Thoma (Vorsitzender), Dr. Paul Achleitner, Sabine Irrgang, Timo Heider, Martina Klee und Peter Löscher.

Mal sehen, wie lange Georg Thoma noch auf dem Gruppenfoto des Aufsichtsrats zu sehen ist:
(https://geschaeftsbericht.deutsche-bank.de/2014/gb/bilder/img/10a.jpg)

Reihe vorn, von links nach rechts:
Georg F. Thoma, Martina Klee, John Cryan, Dr. Paul Achleitner, Louise M. Parent, Alfred Herling, Katherine Garrett-Cox

Reihe hinten, von links nach rechts:
Gabriele Platscher, Rudolf Stockem, Stephan Szukalski, Professor Dr. Klaus Rüdiger Trützschler, Dr. Johannes Teyssen, Dina Dublon, Timo Heider, Henriette Mark, Peter Löscher, Bernd Rose, Sabine Irrgang, Professor Dr. Henning Kagermann, Frank Bsirske

 

Entmündigung, Infantilisierung, Therapeutisierung

Donnerstag, 7. April 2016 - 23:45

SPIEGEL 14 / 2.4.2016
Per Du mit dem Chef
Die alte Befehlskultur hat ausgedient. Wenn die deutschen Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen sie sich wandeln. Vielen fällt das schwer.
Susanne Amann, Sven Böll, Dinah Deckstein, Markus Dettmer, Frank Dohmen, Martin Hesse, Armin Mahler
https://magazin.spiegel.de/SP/2016/14/143908127/

[...] Das Neue trete [so Reinhard Sprenger] in einer sehr freundlich geschminkten Maske auf. Was man nicht sehe, sei die damit verbundene Entmündigung, Infantilisierung und manchmal sogar Therapeutisierung des Individuums [...]

Die DAkkS kommt in die Nachrichten

Donnerstag, 24. Dezember 2015 - 09:05

https://magazin.spiegel.de/SP/2015/53/140604225/index.html

Au­to­mo­bi­le
Voll­brem­sung

TÜV, Dekra und Co. könnten ihre Zulassung als Kfz-Prüfer verlieren. Das System der Hauptuntersuchung ist bedroht – mit Folgen für Werkstätten und Millionen Pkw-Halter.
[...]
Auf zwei Sei­ten führ­te DAkkS-Chef Nor­bert Barz auf, war­um sei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on ge­den­ke, den Prü­fern eine Ver­län­ge­rung der Ak­kre­di­tie­rung zu „ver­wei­gern“. Be­su­che vor Ort hät­ten er­ge­ben, dass „im er­heb­li­chen Um­fang“ Mess­ge­rä­te ein­ge­setzt wer­den, die nicht nach den „ein­schlä­gi­gen An­for­de­run­gen“ und dem „Stand der Tech­nik ka­li­briert sind“. [...]

Die DAkkS traut sich was. Dass sie damit im Kfz-Bereich anfängt, hat mindestens zwei Gründe:
(1) Es ist jetzt wirklich schwer geworden, wegzusehen.
(2) Kalibrierungsmängel und andere technisch messbaren Abweichungen und Prozesse lassen sich ziemlich klar nachweisen. Hier kann die DAkkS leichter gegen die “Prüfkonzerne” (Originalton SPIEGEL) vorgehen, als z.B. bei schlampigen Prüfungen von Arbeitsschutzmanagementsystemen, bei denen Abweichungen nicht so klar nachweisbar sind.

[...] Was erlaubt sich dieser Berliner DAkkS den da? Das kleine Unternehmen, zu zwei Dritteln in Staatsbesitz, nahm erst 2010 die Arbeit auf und hatte in den ersten Jahren seiner Existenz nie spürbar aufgemuckt.[...]

Wann muckt die DAkkS gegen unkritische Zertifizierungen von Arbeitsschutzmanagementsystemen auf?

Der Vorgänger der DAkkS war übrigens der ebenfalls nicht allzu aufmüpfige Deutsche Akkreditierungsrat. Die Prüfkonzerne sind eben ziemlich stark und haben eine gute Lobby. Sie wiederum sind gerade so kritisch, wie nötig. Denn heute können sich die Geprüften den laschesten Prüfer aussuchen.

[...] Wenn es ums Prüfen geht, dann lassen sich die Deutschen nicht gerne von aneren übertreffen. [...]

Die Prüferei in Deutschland war schon eine Farce, bevor es die DAkkS gab. Das gilt auch für die politisch kräftig ausgebremste behördliche Aufsicht: Lebensmittelsicherheit, Steuerfahndung (Hessen), Gewerbeaufsicht, Arbeitsschutz usw.

 
http://www.zeit.de/mobilitaet/2015-12/tuev-dekra-akkreditierung-entzug

[...] Die Deutsche Akkreditierungsstelle mit Sitz in Berlin bemängelt laut Spiegel die Arbeit von Organisationen wie Tüv, Dekra und GTÜ. [...]

Wenigstens hier wacht die DAkkS auf, gezwungenermaßen.

 
http://www.focus.de/auto/news/nicht-an-vorgaben-gehalten-kfz-pruefern-droht-der-verlust-der-zulassung_id_5173609.html

[...] Im Sommer hatte der Chef der Akkreditierungsstelle, Norbert Barz, dem Bericht zufolge zahlreiche Verkehrsminister der Länder in einem Brief auf die Probleme hingewiesen. [...]

Da ist noch ein anderer Brief zu schlechten Audits von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) fällig, den die Gewerbeaufsicht machen sich in Betrieben mit einem zertifizierten AMS die Arbeit leichter und müssen sich deswegen auf gute Audits verlassen können.

 
http://www.focus.de/auto/news/die-dakks-mal-wieder-nicht-an-vorgaben-gehalten-kommentar_id_7213120.html

Auch die DAkks ist letztendlich nichts anderes als eine privatwirtschaftlich geführte Organisation, [...] Und ausgerechnet diese Organisation, die selber keiner Kontrolle unterliegt, will bestimmen, wer korrekt handelt und wer nicht?

Na ja, formal wird sie von ihren Geschäftsführern kontrolliert: Bundeswirtschaftsministerium, BDI, Bundesländer.

 
Leider ist das Thema Arbeitsschutz etwas komplexer und zieht nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich. Aber auch hier gibt es Schlampereien bei Audits von Arbeitsschutzmanagementsystemen z.B. nach OHSAS 18001. Es gibt da mindestens einen bei der DAkkS akkreditierten Auditierungsgroßmeister (natürlich auch privatwirtschaftlich geführt), bei dem die DAkkS meiner Ansicht nach immer noch nicht kritisch genug hinschaut.

Außerdem wird in den Redaktionen oft gegen die Vorschriften des Arbeitsschutzes im Bereich der Arbeitsbelastungen verstoßen. Bei einer kritischen Berichterstattung über das Aufsichtsversagen im Arbeitsschutz müssten sich die Medienunternehmen mit ihren eigenen Problemen befassen.

 
Siehe auch:

Amazons Roboter

Samstag, 22. August 2015 - 14:37

In “Amazons Roboter” schreibt der Markus Brauck über die Arbeitswelt bei Amazon. Aber er kann gerade nur das schreiben, was in das SPIEGEL-Format passt. Über das nachhaltige Versagen der Gewerbeaufsicht in Fällen wie diesem zu schreiben, wäre vermutlich für Markus Brauck nicht zu viel, aber mit einem uncoolen Arbeitsschutzthema möchte das Magazin seine Leser wohl lieber nicht unzeitgemäß überfordern.

Darum wissen die Leute auch weiterhin nicht, dass die Verhältnisse bei Amazon Gegenstand des Arbeitsschutzes sind und die Einhaltung des Arbeitschutzgesetzes hinsichtlich der Pflicht zur Vermeidung psychischer Fehlbelastungen von der Gewerbeaufsicht kontrolliert werden müsste. So etwas wie Arbeitsschutz ist aber heute wohl ein zu sperriges Thema. Also kann Amazon unter den Augen der Gewerbeaufsicht und trotz der im letzen Jahr erfolgten Klarstellungen im Arbeitschutzgesetz die Mitarbeiter weiterhin ungestört unter Druck setzen.

Stress selbst verschuldet?

Freitag, 22. August 2014 - 07:12

http://klarspueler.com/das-maerchen-vom-selbstverschuldeten-stress/ (2014-08-19)

Das Märchen vom selbstverschuldeten Stress

Aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ging vor einigen Tagen hervor, dass 2012 die Zahl aller auf psychische Probleme und Verhaltensstörungen zurückgehenden Arbeitsunfähigkeitstage bei rund 61,5 Millionen lag. Ein Rückgang um 3 % im Vergleich zu 2011, ein Anstieg um 83% im Vergleich zu 2001. Na und? – werden Sie achselzuckend sagen und liegen mit dieser Problembeurteilung voll im Trend. Noch lange kein Grund die Pferde scheu zu machen, wie es Jutta Krellmann von der Linksfraktion mit einer “Anti-Stress-Verordnung” fordert. Denn leider dominiert in der Diskussion um Arbeitsstress immer noch das Erklärungsmodell der Ignoranten. Und das heißt: selber schuld! Weiterlesen →

 
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fehlzeiten-wegen-psychischer-belastungen-steigen-stark-a-985340.html (2014-08-11)

Stress führt zu immer höheren Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Nach SPIEGEL-Informationen haben sich die Ausfälle wegen psychischer Probleme seit 2001 fast verdoppelt.

Hamburg – Arbeitsdruck und Stress belasten die Erwerbstätigen in Deutschland. Im Jahr 2012 lag die Zahl aller Arbeitsunfähigkeitstage, die auf psychische Probleme und Verhaltensstörungen zurückgehen, bei rund 61,5 Millionen. Mehr als jeder sechste Krankheitstag fällt in diese Kategorie. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die dem SPIEGEL vorliegt. [...]

 
Beides gehört zur gleichen Geschichte. Die Antwort des BMAS liegt nicht nur dem SPIEGEL vor, sondern auch in der Datenbank des Bundestages. Ich vermute, dass es um den folgenden Vorgang geht:

 
Auch beim SPIEGEL gibt es einen Kommentar von Frank Patalong: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/stress-im-job-die-probleme-sind-hausgemacht-a-985400.html (2014-08-11)

[...] Der Druck, orakelt dazu das Arbeitsministerium, resultiere aus Digitaltechnik und Globalisierung.

Mit Verlaub: Das ist Humbug. Mein Stress erwächst aus meiner Ambition, aus Gewöhnung an ein sich stetig erhöhendes Arbeitstempo und aus Anpassung an die Taktzahlen um mich herum. Er ist auch das Resultat meiner Mentalität und Ausdruck einer Arbeitsethik, die die Selbstverheize zum Wert erhebt. Ist das bei Ihnen vielleicht anders?

Vielleicht sollten wir uns öfter klarmachen, dass wir uns damit den Spaß im und am Leben verderben. Wir brauchen keine Stressverordnung. Vielleicht sollten wir uns ab und zu fragen: Was ist wirklich wichtig in meinem Leben?

Denn das könnte morgen schon vorbei sein

Frank Patalong wendet sich dem einzelnen Menschen zu, nicht dem Humbug von der sich verändernden Arbeitswelt. Ach wie human das doch klingt. Das passiert, wenn man die Tatsachen nicht kennt: Frank Patalong ignoriert die Fakten und die Forschung zum Thema. Leider spielt in der Diskussion um Arbeitsstress tatsächlich immer noch das Erklärungsmodell der Ignoranten eine Rolle. Da waren selbst die Arbeitgeber im Jahr 2000 schon weiter, auch wenn der Linksfraktion die praxisnahe Handlungshilfe für Unternehmen wohl nicht in allen Punkten gefallen wird.

Frank Patalong ist jetzt ein freier Journalist, aber in der SPIEGEL-Redaktion könnte eine Beurteilung psychischer Gefährdungen sicherlich nicht schaden. Vorgeschrieben ist sie ja ohnehin (als Teil der ganzheitlichen Gefährdungsbeurteilung).

Meine Position zur “Antistressverordnung”: Es ist richtig, eine Antistressverordnung zu fordern. Das Thema der psychischen Belastungen und Fehlbelastungen wurde jahrelang verschleppt. Wahrscheinlich brauchen wir die Drohung mit dem Verordnungsknüppel, um dann hoffentlich doch irgendwann einmal auf bessere Ideen zu kommen, z.B. eine Stärkung der Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretungen im Arbeitsschutz insbesondere durch Aufbau von Kompetenz und Auditfähigkeit (ISO 19011). Hier haben nämlich nicht nur die Arbeitgeber, sondern insbesondere auch die Betriebs- und Personalräte noch Hausaufgaben zu erledigen, die lieber einzelne Mitarbeiter fürsorglich beraten, anstatt sich mit der Komplexität des ganzheitlichen Arbeitsschutzes auseinanderzusetzen. Die Ansichten von Frank Patalog findet man leider zu oft noch bei den Arbeitnehmern und ihren Vertretern selbst.

Werner Fürstenbergs Eristik

Dienstag, 26. November 2013 - 12:02

Problem Chef, DER SPIEGEL 45/2013, S.90 bis 92 (http://www.vdbw.de/fileadmin/01-Redaktion/05-Presse/02-PDF/Pressemitteilung/2013/SPIEGEL_Stressfaktor_Chef_Burnout_im_Büro.pdf):

[...] “Ich halte überhaupt nichts von einer Anti-Stress-Verordnung”, sagt Werner Fürstenberg, Geschäftsführer das Fürstenberg Instituts. Stress sei ein ernstzunehmenders Problem, “aber man untergräbt das Selbstbestimmungsrecht der Menschen, wenn man Stress per Verordnung verbieten will.” [...]

Das ist wieder ein hübsches Beispiel für irreführende Eristik in der Diskussion um arbeitsbedingte psychische Belastungen. Weil ihm wohl nachvollziehbare Argumente fehlen, kritisiert Fürstenberg ein von ihm selbst konstruiertes Ziel, dass die Stressverordnung gar nicht hat. Als Institutsleiter weiß er natürlich, dass mit dieser Verordnung Stress nicht verboten werden soll (dann gäbe es keine Jobs), sondern es geht darum, einen ehrlichen und transparenten Umgang mit legitimen psychischen Belastungen einerseits und krank machenden Fehlbelastungen andererseits sicherzustellen.

Die “Anti-Stress-Verordung” richtet sich gegen eine rechtswidrige Fremdbestimmung von Arbeitnehmern durch ihre Arbeitgeber. Die Mehrheit der Arbeitgeber haben sich seit 1996 lange genug gegen ganzheitliche Gefährdungsbeurteilungen gewehrt, dabei geltendes Arbeitsschutzrecht gebrochen und das Selbstbestimmungsrecht auf Gesundheit ihrer Mitarbeiter untergraben. Die Antistressverordnung soll dieser Anarchie ein Ende setzen. Vorschriften, die nicht durchgesetzt werden, schaden auch dem Rechtsstaat.

 
Der SPIEGEL selbst setzt noch eine Falschdarstellung darauf:

[...] Stress im Job hätten die Parteien schon vor der Wahl gern per Gesetz verboten. [...]

Wird so auch innerhalb des SPIEGEL über psychische Belastungen diskutiert? In dem Laden hat es ein Arbeitsschützer sicherlich nicht leicht. So wie DER SPIEGEL über das Thema der psychischen Belastung berichtet, sollte sich die Gewerbeaufsicht fragen, ob dieses Magazin auch als Arbeitgeber den heute geforderten Arbeitsschutz überhaupt verstanden hat. Wie geht es in den Redaktionen des SPIEGEL zu? Wie schützt dieser Arbeitgeber seine Mitarbeiter vor Fehlbelastungen? Welche Führungskultur herrscht beim SPIEGEL heute? Dürfen Redakteure das Thema der psychischen Belastung so kritisch angehen, dass das auch Fragen zum beim SPIEGEL praktizierten Arbeitsschutz aufwirft?

An die für den SPIEGEL zuständigen Gewerbeaufsichten: Bitte insbesondere die Qualität und die Mitbestimmtheit der nach § 12 ArbSchG vorgeschriebenen Unterweisung der SPIEGEL-Mitarbeiter überprüfen.

Wer zahlt?

Montag, 4. November 2013 - 22:48

Aus Hans-Dieter Gimbels Info Psyche und Arbeit (Oktober 2013):

[...] Wer trägt die Kosten, wenn das Wirtschaftssystem krank macht? In seinem Essay “Kapitalistischer Realismus” fordert der britische Wissenschaftler Mark Fisher: Die Gewerkschaften müssen die politische Dimension von Burnout und Depression erkennen.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/mark-fisher-kapitalistischer-realismus-ohne-alternative-a-928145.html#ref=nl-dertag [...]

Kontakt: http://www.systemberatung-gimbel.de/

Man kann nicht ohne Ende draufpacken

Montag, 4. Februar 2013 - 08:10

“Man kann nicht ohne Ende draufpacken” ist wohl einer von vielen Beiträgen, mit dem die Medien auf den Stressreport 2012 reagieren. Der SPIEGEL machte ein Interview mit der Verfasserin des Reports.

http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/burn-out-und-stress-im-job-was-zur-belastung-fuehrt-a-880940.html

Arbeitgeber müssen in Zukunft dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter nicht psychisch erkranken. Doch kaum einer weiß, was genau die Überbelastung verursacht. Im Interview erklärt Psychologin Andrea Lohmann-Haislah, was zu Stress führt. Arbeitspensum und Termindruck haben wenig damit zu tun. …

Nicht “in Zukunft”, sondern schon seit vielen Jahren.


KarriereSPIEGEL: Was kann ein Arbeitgeber tun, um arbeitsbedingte psychische Erkrankungen zu verhindern?

Lohmann-Haislah: Die Unternehmen müssen eine Gefährdungsbeurteilung machen. Das schreibt der Gesetzgeber in Paragraph 5 des Arbeitsschutzgesetzes vor – dort sind die psychischen Belastungen explizit einbezogen.

Nicht explizit, aber durchaus durch Gerichtsurteile, Feststellungen des Bundestages, die Bildschirmarbeitsverordnung usw. gilt, dass auch der Bereich der psychischen Belastungen bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in einem Betrieb zu berücksichtigen ist. Explizit wird der Einbezug psychischer Belastungen vermutlich erst in Zukunft im Arbeitsschutzgesetz stehen.

Immerhin ist die Gefährdungsbeurteilung jetzt in den Medien kein Fremdwort mehr.

Maßnahmen der DAX-Unternehmen

Freitag, 15. Juni 2012 - 07:45

http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/burnout-was-dax-unternehmen-dagegen-tun-a-838241.html

… Die Reaktionen auf das Burnout-Ranking der Dax-Unternehmen, das manager magazin in seiner aktuellen Ausgabe veröffentlicht, waren zweigeteilt: Offiziell hüllten sich die meisten Konzerne in Schweigen. Doch in vielen inoffiziellen Gesprächen, in Leserbriefen und E-Mails konnten zahlreiche Mitarbeiter ihre Genugtuung kaum verbergen: Endlich werde die Krankheit nicht nur abstrakt beschrieben, sondern mit der konkreten Zuordnung von Fallzahlen zu einzelnen Firmen auch auf die Agenda der Konzerne gesetzt. …

… Die Maßnahmen, die die Unternehmen gegen die Erschöpfungskrankheit am Arbeitsplatz einsetzen oder einzusetzen planen, sind in weiten Teilen ähnlich. Medizinische Check-ups und Sport, Vorsorgeuntersuchungen, Seminare zur Stressbewältigung oder Beratungs-Hotlines werden angeboten. Einige Firmen machen Gesundheit und Stress zum Thema regelmäßiger Mitarbeiterbefragungen. Andere, darunter auch die Allianz, führen die gesetzliche Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz durch.

Das ist lobenswert, doch abgesehen davon, dass Politiker dies seit langem fordern, kommt die Maßnahme für die vielen Beschäftigten, die bereits an Burnout leiden, leider zu spät. …

Der SPIEGEL verfolgt das vom manager magazin (Mitglied der SPIEGEL-Gruppe) mit seinem Burn-out-Ranking aufgegriffene Thema weiter.

Zu den “Maßnahmen” mache ich wieder einmal auf http://www.arbeitstattstress.de/2011/11/schutz-vor-selbst-ausbeutung/ aufmerksam. Es gibt eine klare Maßnahmenhierarchie. Unternehmen, die diese Hierarchie nicht beachten, versuchen sich um ihre Pflichten herumzudrücken.

“Erschöpfungskrankheit am Arbeitsplatz” ist eine vernünftiger Begriff. Mit der Zeit werden wir zu diesem Thema vielleicht häufiger eine solche Wortwahl sehen.

Nun zu den Politikern: Sie sind es im Wesentlichen, die dafür verantwortlich sind, dass die Unternehmen seit 1996 weitgehend unbelästigt von Kontrollen das Arbeitschutzgesetz missachten konnten. Es waren die Politiker, die die Aufsichtsdienste wegen der Haushaltslage immer weiter abbauten, weil sie ideologiegetrieben glaubten, dass Unternehmen sich aus eigener Einsicht an die Schutzvorschriften halten.

Mit “… kommt die Maßnahme für die vielen Beschäftigten, die bereits an Burnout leiden, leider zu spät …” trifft der SPIEGEL einen wichtigen Punkt. Manche Unternehmen meinen, dass man die Vergangenheit vergessen könne, wenn man sich jetzt doch bereitfände, die Vorschriften zu respektieren. Aber die in der Vergangenheit begangenen Schädigungen von Mitarbeitern treten als psychische Erkrankung oft erst einige Jahre später in Erscheinung.

-> Andere Artikel zum Thema

Motivationsdruck auf Mitarbeiter

Freitag, 16. März 2012 - 18:04

Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik
http://blog.psybel.de/grundsaetze-der-behoerdlichen-systemkontrolle/

… Ursachen für Arbeitsschutzmängel müssen aufgedeckt werden. Dabei kann die Ursachenprüfung nicht beim Fehlverhalten des Arbeitnehmers enden, denn allzu häufig finden sich Fehler in der Delegationskette, in der Bereitstellung von Informationen, oder es sind Zuständigkeiten oder Abläufe unklar. …

 

SPIEGEL WISSEN, Patient Seele – Wie die Psyche wieder ins Gleichgewicht kommt,
(132 Seiten, Druckauflage: ca. 240000, Feb. 2012), Nr. 1/2012, S. 115

… Wenn ein Mitarbeiter aber über längere Zeit nichts unternimmt, um sein Problem anzugehen, dann könnte der Vorgesetzte in weiteren Gesprächen auch den Motivationsdruck erhöhen, sagt er [Dr. Werner Kissling, CFDM]. Das könnte dann so klingen: “Wir werden nicht mehr zwölf Monate abwarten, bis Sie etwas unternehmen, um gesund zu werden. Durch klare Ansagen erreiche man oft doch, “dass professionelle Hilfe angenommen wird” …, meint der Psychotrainer. Das letztlich auch im Interesse des erkrankten Mitarbeiters.

Das Modell hat nur einen Haken: Wer auf der Burnour-Spirale schon weit hinabgerutscht ist, hat längst seinen unverstellten Blick dafür verloren, was Gesundheit für ihn mal bedeutet hat. …

Darum schlägt Werner Kissling ein solches “Modell” auch nicht so vor, wie es sich einem unkritischen SPIEGEL-Leser auf den ersten Blick darstellen könnte. In seinen Seminaren rät er Mitarbeitern und Vorgesetzten klar davon ab, Arzt zu spielen. Laien können und dürfen weder “Probleme” von Mitarbeitern als Krankheit diagnostizieren noch Mitarbeiter als psychisch “erkrankt” einstufen.

Werner Kissling ist kein “Psychotrainer”, sondern ein seriöser Psychiater, dessen Institut (der TU-München) Vorträge, Schulungen und Beratung anbietet. Dabei betont er, dass ein funktionierender Arbeitsschutz eine Grundvoraussetzung ist und dass Gefährdungen vorschriftsgemäß beurteilt werden müssen. Im Gegensatz zum SPIEGEL kennt und respektiert Werner Kissling den Arbeitsschutz und die Mitbestimmung. Er bietet auch Betriebsräten Schulungen an.

All das hat der SPIEGEL ignoriert und erweist damit sowohl seinen Lesern wie auch dem von ihm zitierten Arzt keinen Dienst. Auch in dem ganzen 132seitigen Heft habe ich nichts zum Arbeitsschutz und seiner Vernachlässigung durch die Mehrheit der Arbeitgeber gefunden. In Sachen Arbeitsschutz bleiben die Leser unwissend und hilflos.

Die Vernachlässigung der psychischen Belastungen im Arbeitsschutz dermaßen zu ignorieren, muss inzwischen ziemlich anstrengend für Journalisten geworden sein. Diese Vernachlässigung ist inzwischen klar belegt. Die meisten Journalisten ignorieren die Fakten trotzdem: Etwa 70% der Unternehmen beziehen psychisch wirksame Belastungen nicht in den Arbeitsschutz ein. Der SPIEGEL weiß, dass es hier Probleme gibt, kommt aber nicht auf die Idee, dass die beharrliche Missachtung wichtiger Regeln des ganzheitlichen Arbeitsschutzes das Risiko der Mitarbeiter erhöht, durch ihre Arbeitsbedingungen verletzt zu werden. Unter welchen Bedingungen arbeiten eigentlich die Mitarbeiter des SPIEGEL? Ist der Einbezug psychischer Belastungen an den Bildschirmarbeitsplätzen in der SPIEGEL-Redaktion ein Tabu?

Von wichtige Fakten ausblendende Journalisten zu Politikern, die sich eigentlich um die Gesundheit der Bürger kümmern sollten: Auf der Rückseite des Heftes wirbt das FDP-geführte Bundesministerium für Gesundheit (BMG):

Die Vermeidung von zu viel Stress am Arbeitsplatz ist eine gemeinsame Aufgabe. Daran haben alle ihren Anteil.

Ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber: Zu viel Stress schadet uns allen. Nehmen Sie die betriebliche Gesundheitsförderung nicht auf die leichte Schulter. Machen Sie auch mit: www.Unternehmen-unternehmen-Gesundheit.de

Die Bundesregierung erlässt Gesetze, an die sich die Arbeitgeber zu halten haben. Anstatt die Missachtung des Arbeitsschutzgesetzes anzusprechen und die Verantwortung der Arbeitgeber für den Arbeits- und Gesundheitsschutz anzusprechen, macht dieses Ministerium (im Gegensatz zum CDU-geführten Bundesarbeitsministerium) Täter und Opfer gleichermaßen für die Gesundheitsförderung verantwortlich. Dabei ist erwiesen, dass sich Arbeitgeber ohne Motivationsdruck durch die Aufsicht beim Arbeitsschutz mehrheitlich nicht an ihre Pflichten halten würden. Ein zu großer Teil der Klientel der FDP drückt sich davor, den gesetzlichen Verpflichtung zur Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes nachzukommen.

(Aktualisierung: 2012-03-19)