Schlagwort 'Selbstmanagement'

Interessierte Selbstgefährdung

Mittwoch, 11. November 2015 - 06:36

Klaus Peters, Indirekte Steuerung und interessierte Selbstgefährdung. Eine 180-Grad-Wende bei der betrieblichen Gesundheitsförderung in:
Nick Kratzer, Wolfgang Dunkel, Karina Becker, Stephan Hinrichs (Hrsg.)
Arbeit und Gesundheit im Konflikt, Seite 105 – 122
Analysen und Ansätze für ein partizipatives Gesundheitsmanagement
1. Auflage 2011,
ISBN print: 978-3-8360-3580-4, ISBN online: 978-3-8452-7123-1,
DOI: 10.5771/9783845271231-105

Kapitelvorschau (http://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783845271231-105/indirekte-steuerung-und-interessierte-selbstgefaehrdung-eine-180-grad-wende-bei-der-betrieblichen-gesundheitsfoerderung):

[...] Man kennt es von Freiberuflern und so genannten Existenzgründern: Wenn der eigene Erfolg gefährdet ist oder einmalige Chancen winken, wird ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit gearbeitet. Neuen Managementmethoden gelingt es, die Leistungsdynamik von Selbstständigen in unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse zu importieren. Darum kommt es auch bei Arbeitnehmern zu interessierter Selbstgefährdung – mit weitreichenden Folgen für das betriebliche Gesundheitsmanagement. [...]

[...] Den zunehmenden psychischen Belastungen bei der Arbeit ist es ähnlich ergangen wie dem Klimawandel: Der Streit darüber, ob es eine solche Entwicklung überhaupt gebe, hat lange Zeit Energie absorbiert, die für die Arbeit an einer lösung der neuartigen Probleme dringend benötigt worden wäre. Inzwischen ist die Entwicklung so weit fortgeschritten , dass die Leugner, die sich hier wie dort als Dramatisierungsgegner, Antihysteriker und Katastrophismuskritiker in Szene gesetzt hatten, unter nachhutgefechten zurückziehen und der Streit im Wesentlichen entschieden zu sein scheint.
        Wenn es denn wahr ist, dass die psychischen Belastungen bei der Arbeit dramatisch zunehmen, dann sollte man jetzt ein zweites Vermeidungsmanöver vermeiden und nicht die Größenordnung der Herausforderung herunterspielen. [...]

Der kostenpflichtige Zugang zum Volltext wird auf der Website von Nomos erklärt.
 

Nach meinem Eindruck sind wir nicht nicht sehr viel weiter, als im Jahr 2011.

Vorgelebte Work-Life-Balance

Freitag, 29. November 2013 - 21:24

Geschickte Führungskräfte geben ein Beispiel für den verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Gesundheit. Sie schalteten einen Gang zurück und verlassen das Unternehmen, in dem die Mitarbeiter nicht mehr für langjährige Anwesenheit am Arbeitsplatz belohnt werden. Der Arbeitgeber beschließt kurz vor dem Aussscheiden der Führungskraft, dass wegen sinkender Belastbarkeit kündigende Top-Manager eine Sonderrente bekommen. Die Firma zeigt damit große Verantwortung zumindest für einen Teil ihrer Mitarbeiter. Anschließend übernehmen die sonderberenteten Top-Manager etwas weniger anstrengende Aufgaben (z.B. in Aufsichtsräten), für die sie von anderen Unternehmen sehr gut bezahlt werden. Solche Führungskräfte zeigen auch dem gewöhnlichen Arbeitnehmer, wie man eigenverantwortlich eine gesunde Balance zwischen Beruf und Familie finden kann. Daran sollten sich auch nicht zu dieser Führungselite gehörende Menschen ein Beispiel nehmen!

Wie die BKK eine BPtK-Pressemeldung wiedergibt

Donnerstag, 14. Juni 2012 - 21:37

Zur jüngsten Veröffentlichung der Bundestherapeutenkammer (BPtK) ist es interessant, zu sehen, was die BKK hinsichtlich der Bedeutung der Arbeitswelt als Ursache für psychische Erkrankungen aus der Meldung herauspickt und wie die in dieser Hinsicht ausgewogener formulierte Pressemeldung der BPtK ursprünglich aussah.

 
BKK
http://www.bkk.de/arbeitgeber/news/?showaktuelles=239507&module=5002C,
aber auch (Quelle der BKK?): http://www.personalwirtschaft.de/de/html/news/details/1885/Studie:-Arbeitnehmer-sind-zunehmend-überfordert/)

… An der zunehmenden Überlastung trage die Arbeitswelt nicht alleine Schuld. Im Gegenteil: Erwerbslose würden im Vergleich zu Erwerbstätigen drei- bis viermal so häufig an psychischen Erkrankungen leiden. In den Betrieben würden vor allem Zeitdruck und zu geringe Kontrolle über die Arbeitsabläufe zu den Risikofaktoren zählen. Eine offene Kommunikation über psychische Belastungen könne in diesem Zusammenhang sehr hilfreich sein. 

Professionelle Beratung und Unterstützung sowie eine Anleitung zur Selbsthilfe seien wichtig, um der Entwicklung einer seelischen Krankheit zuvorzukommen. “Wir brauchen dringend eine Präventionsstrategie, die insbesondere den psychosozialen Belastungen der modernen Gesellschaft gerecht wird”, so die Forderung des BPtK-Präsidenten Prof. Dr. Richter. Nach Angaben der Bundesregierung beliefen sich die Produktionsausfälle aufgrund von psychischen Krankheiten auf jährlich rund 26 Milliarden Euro.

 
BPtK
http://www.bptk.de/presse/pressemitteilungen/einzelseite/artikel/betriebliche.html

06. Juni 2012
Betriebliche Fehltage aufgrund von Burnout um 1.400 Prozent gestiegen
BPtK-Studie „Arbeitsunfähigkeit und psychische Erkrankungen 2012“ 

Die Zahl der betrieblichen Fehltage aufgrund von Burnout ist seit 2004 um fast 1.400 Prozent gestiegen. „Die Menschen fühlen sich in ihrem Leben und bei ihrer Arbeit immer häufiger überfordert“, stellt Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fest. „Die psychosozialen Belastungen der modernen Gesellschaft werden erheblich unterschätzt. Seelisch überlastete Personen erhalten zu spät Beratung sowie Hilfe und psychisch Kranke zu spät eine Behandlung.“

Im Jahr 2004 fehlten 100 Versicherte 0,6 Tage aufgrund von Burnout, im Jahr 2011 waren es schon neun Tage. Ihr Anteil an allen Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen ist aber noch gering. Im Jahr 2011 waren 100 Versicherte rund 200 Tage aufgrund seelischer Leiden arbeitsunfähig. Im Vergleich zu psychischen Erkrankungen machen die Ausfälle aufgrund von Burnout also nur 4,5 Prozent der Fehltage aus.

„Im Gespräch mit dem Arzt schildern viele Arbeitnehmer Erschöpfung oder Stress“, erklärt BPtK-Präsident Richter. Solche Schilderungen von Burnout-Symptomen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden, weil dahinter meist psychische Erkrankungen stecken.“ Bei 85 Prozent der Krankschreibungen wegen Burnout diagnostizierte der Arzt zusätzlich eine psychische (z. B. Depression, Angststörung) oder körperliche Erkrankung (z. B. Rückenschmerzen). Nur 15 Prozent der Burnout-Krankschreibungen erfolgen ohne eine weitere Diagnose. Auch dann kann Burnout jedoch ein Hinweis auf eine entstehende psychische oder auch körperliche Erkrankung sein.

Aktuell gibt es keine allgemein anerkannte Definition, was unter Burnout zu verstehen ist. Häufig genannte Symptome des „Burnouts“ oder des „Ausgebranntseins“ treten auch bei einer Reihe psychischer Erkrankungen auf: u. a. Antriebsschwäche, gedrückte Stimmung, Reizbarkeit, Erschöpfung. Burnout wird in Deutschland in der ICD-10-GM in einer Zusatzkategorie (Z73) verschlüsselt, in der Faktoren beschrieben werden, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen können, ohne eine eigenständige Erkrankung zu sein. Meist handelt es sich um Überforderungen durch berufliche und private Belastungen. „Eine solche Kategorie ist durchaus sinnvoll, weil sie dem Arzt die Verschlüsselung von psychosozialen Risikofaktoren oder auch von Gründen bzw. Anlässen für eine tatsächliche Erkrankung ermöglicht“, erläutert Richter. „Es muss dann aber auch sichergestellt sein, dass eine diagnostische Abklärung oder eine Behandlung eingeleitet wird.“

Psychische Erkrankungen haben ihre Ursachen nicht nur in der Arbeitswelt. Arbeit kann sogar ein wichtiger Faktor für psychische Gesundheit sein. Berufstätige Frauen erkranken deutlich seltener an einer Depression. Arbeitslose Menschen leiden bei Weitem häufiger an psychischen Erkrankungen als Erwerbstätige. Nach Berechnungen der BPtK erkrankt fast jede fünfte nicht berufstätige Frau ohne minderjährige Kinder im Haushalt an einer Depression (19,5 Prozent), aber nur jede achte berufstätige Frau mit Kindern (12,8 Prozent). Am gesündesten sind berufstätige Frauen ohne Kinder (9,6 Prozent). Arbeitslose sind drei- bis viermal so häufig psychisch krank wie Erwerbstätige. Während gesetzlich krankenversicherte Erwerbstätige durchschnittlich elf Tage je 1.000 Versichertenjahre aufgrund psychischer Erkrankungen stationär behandelt werden, sind es bei Arbeitslosen sechsmal so viele Tage. Arbeitslose Männer erhalten außerdem fast dreimal so häufig Antidepressiva verordnet wie Erwerbstätige.

Die Ursachen für psychische Erkrankungen liegen aber auch in der Arbeitswelt. „Auch die moderne Arbeitswelt der Dienstleistungen und Konkurrenz kennt eine Art Fließbandarbeit. Zeitdruck und zu geringe Kontrolle über die Arbeitsabläufe sind Risikofaktoren für psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz“, erklärt BPtK-Präsident Richter. „Krankmachend ist, wenn gefährdete oder erkrankte Arbeitnehmer keinen Weg zur Veränderung finden.“ Die Unternehmen können dazu beitragen, dass über psychische Belastungen offen gesprochen werden kann. Es darf nicht dazu kommen, dass in den Betrieben die Meinung herrscht: „Wer ein Problem hat, ist das Problem!“ Wer sich überfordert fühlt, gibt sich häufig selbst die Schuld. Die Erfolgsgeschichten der anderen scheinen dann zu belegen, dass mit der eigenen Leistungsfähigkeit etwas nicht stimmt. „In solchen Situationen reichen Angebote zum Zeit- und Stressmanagement nicht aus“, stellt der BPtK-Präsident fest.

„So belastete Arbeitnehmer brauchen professionelle Beratung und Unterstützung, bevor sich eine seelische Krankheit entwickelt“, empfiehlt Richter. „Nicht jedes Problem bei der Lebensbewältigung erfordert eine Behandlung. Wichtig ist jedoch eine schnelle diagnostische Abklärung, ob eine Krankheit vorliegt. Nur so kann einer Chronifizierung vorgebeugt werden.“ Aber auch dann, wenn noch keine Erkrankung vorliegt, benötigt der Gefährdete eine qualifizierte Beratung und Anleitung zur Selbsthilfe, die eine Verschlimmerung verhindert. „Die menschliche Psyche hat eine erhebliche Selbstheilungskraft.“, betont BPtK-Präsident Richter. „Die Selbsthilfepotenziale der Menschen werden bisher nicht ausreichend genutzt. Wir brauchen dringend eine Präventionsstrategie, die insbesondere den psychosozialen Belastungen der modernen Gesellschaft gerecht wird.“

Hintergrund:
Deutsche Arbeitnehmer erkranken immer häufiger aufgrund von psychischen Erkrankungen. Die Zahl der betrieblichen Fehltage aufgrund von seelischen Leiden ist auch im Jahr 2010 weiter gestiegen. Die ersten Auswertungen zeigen, dass sich dieser Trend auch im Jahr 2011 fortsetzt. Aktuell werden 12,5 Prozent aller betrieblichen Fehltage durch psychische Erkrankungen verursacht. Der Anteil der Fehltage an allen Krankschreibungen hat sich seit dem Jahr 2000 etwa verdoppelt. Psychische Erkrankungen führen zu besonders langen Fehlzeiten von durchschnittlich 30 Tagen. Depressiv erkrankte Arbeitnehmer fehlen durchschnittlich sogar 39 Tage. Nach jüngsten Berechnungen der Bundesregierung entstehen den Unternehmen jährlich durch psychische Krankheiten Produktionsausfälle von 26 Milliarden Euro.

Links und Hervorhebungen wurden von mir nachträglich in beide Zitate eingearbeitet.

Die Therapeuten der BPtK wenden sich dem einzelnen Menschen zu. Der Satz “Aber auch dann, wenn noch keine Erkrankung vorliegt, benötigt der Gefährdete eine qualifizierte Beratung und Anleitung zur Selbsthilfe, die eine Verschlimmerung verhindert” beschreibt einen Beitrag zur Verhaltensprävention. Aber in der Arbeitswelt kann die Verhaltensprävention ohne Verhältnisprävention (vorgeschrieben im Arbeitsschutz) nicht funktionieren. Fehlt die Verhältnisprävention am Arbeitsplatz, können auch austherapierte Menschen dort schnell wieder erkranken. Darum wäre es gut gewesen, wenn die BPtK deutlicher auf die gesetzlich vorgeschriebene Verhaltensprävention hingewiesen hätte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang beispielsweise ein Gemeinsames Positionspapier von IG Metall und VDBW, dass die Gewerkschaft und die Vereinigung der Betriebsärzte im Jahr 2009 gemeinsam veröffentlichten.

 
Siehe auch:

Mehr Eigenverantwortung der Beschäftigten

Freitag, 16. März 2012 - 18:03

http://www.gutearbeit-online.de/archiv/beitraege/2009/2009_08_05_07.pdf

Arbeitgeber gegen „Neue Kultur der Arbeit“ 

Eine neue Kultur der Arbeit ist nicht erforderlich, es gibt sie schon. Im Grunde ist die Arbeitswelt völlig in Ordnung, was fehlt, ist lediglich mehr Eigenverantwortung der Beschäftigten. Mit dieser Herangehensweise haben Arbeitgeberverbände nicht nur erwartungsgemäß die Initiativen der Gewerkschaften für Gute Arbeit angegriffen, sondern auch dem gerade erst gestarteten Projekt des Bundesarbeitsministeriums für eine Neue Kultur der Arbeit in der vorgeschlagenen Form eine deutliche Absage erteilt. …

… Die vom BMAS gewählte Bezeichnung „Neue Kultur der Arbeit“ wurde von der BDA rundweg abgelehnt. Sie impliziere eine Kritik an der jetzt schon bestehenden „Kultur der Arbeit“, die nicht akzeptiert werden könne. „Menschenwürdige und menschengerechte Arbeitsbedingungen“ seien in Deutschland eine „Selbstverständlichkeit“, das Arbeitsschutzniveau sei hoch und liege „europaweit über dem Durchschnitt“. Als alternativen Titel schlug die BDA vor: „Für eine moderne Kultur der Arbeit – gemeinsam Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit sichern“. Weiter bestehende „Beschäftigungshemmnisse“ müssten beseitigt werden; dazu wird z.B. eine Fortsetzung der vergangenen Arbeitsmarkt-„Reformen“ angemahnt. Sie dürften nicht „verwässert oder rückgängig gemacht“ werden. …

… Eine auch nur vorsichtige Kritik der Kurzfristökonomie, die die Finanz-und Wirtschaftskrise maßgeblich verursacht hat, wird ebenfalls zurückgewiesen. Die BDA verlangt, den vom BMAS vorgeschlagenen Satz „Mit einer kurzfristig ausgerichteten Wettbewerbstrategie werden Unternehmen den neuen Herausforderungen immer weniger gerecht“ zu streichen. Der Satz enthalte eine „unangebrachte, verallgemeinerte Kritik an den Unternehmen“. …

Beschäftigte sollen mehr „Eigenverantwortung“ zeigen

Eine „moderne Kultur der Arbeit“, wie die Arbeitgeber sie sehen, liegt nach Auffassung der BDA „in der Verantwortung aller“, „insbesondere der Beschäftigten“. Diese „Eigenverantwortung“ der Beschäftigten wird im BDA-Papier in vielen Zusammenhängen immer wieder nachdrücklich hervorgehoben. „Eigenverantwortung“ ist ein neoliberales Lieblingsschlagwort – gemeint ist immer die Verantwortung der anderen, in diesem Fall der Beschäftigten. Der Grundgedanke des Arbeitsschutzgesetzes, dass nämlich der Arbeitgeber die Letztverantwortung dafür trägt, dass die Beschäftigten unter Bedingungen arbeiten, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden nicht beeinträchtigen, ist hier völlig aus dem Blickfeld.

So müssten die Arbeitnehmer „verstärkt Eigenverantwortung und -initiative in der beruflichen Weiterbildung übernehmen“, diese also offenbar in ihrer Freizeit und auf eigene Kosten absolvieren, weil sie selbst ja auch von ihr profitierten. Auch für den Erhalt ihrer „Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit“ sollen sie „Eigenverantwortung“ übernehmen. Sie sollen z.B. „selbst ihr Möglichstes tun, um ihre Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit bis zur Rente zu erhalten“. Auch die betriebliche Gesundheitsförderung soll dazu beitragen, die „Eigenverantwortung“ zu stärken. „Bei der Gesunderhaltung“, so heißt es im BDA-Papier weiter, „kommt es in erster Linie auf die Eigenverantwortung und die Bereitschaft des Einzelnen zur Mitwirkung an“. Bisherige Regelungen, die den Beschäftigten ein sozialverträgliches früheres Ausscheiden aus dem Arbeitsleben ermöglichen, sind so gesehen „Fehlanreize“, die diese Eigenverantwortung behindern. Selbst wenn man dem allem zustimmen würde, bliebe doch immer noch die Frage, welchen konkreten Beitrag die Arbeitgeber denn zur Gesunderhaltung der Beschäftigten zu leisten gedenken: Außer der Beteuerung, dass ja schon alles getan werde, findet sich dazu aber kein einziger Gedanke. An einigen Stellen wird lediglich auch an die Verantwortung der Politik erinnert. Die Verantwortung der Arbeitgeber selbst kommt nicht vor. …


Arbeitgeber nicht zur Prävention verpflichtet?

Schließlich wird noch fälschlich die betriebliche Gesundheitsförderung mit Prävention gleichgesetzt. Betriebliche Gesundheitsförderung sei eine freiwillige Maßnahme der Betriebe. Weiter heißt es dann: „Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und darf deshalb nicht zur Pflicht der Arbeitgeber umgemünzt werden.“ …

Werden Arbeitgeber Arbeitgeber, dann übernehmen sie damit die Veraltwortung für die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Verhältnisprävention. Der letzten Absatz zeigt jedoch, wie die BDA den seit etwa 2005 eindeutig pflichtverletzenden Umgang von etwa 70% der Arbeitgeber mit dem Arbeitsschutz zur Norm erklären möchte. Der Trick der BDA geht aber noch ein bisschen weiter: Sie sieht die Prävention als gesellschaftliche Aufgabe. Darin bettet sie auch die “Betriebliche Gesundheitsförderung” ein. Und die ist tatsächlich eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber. Arbeitgeber können solche Leistungen natürlich viel leichter einstellen oder zurücknehmen, wenn die Arbeitnehmer sich “einmischen”. “Mitbeteiligung” oder “Einbezug des Betriebsrates” finden Arbeitgeber akzeptabel, “Mitbestimmung” mögen sie nicht so sehr. Forderungen der Vertreter der Arbeitnehmer, beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz mitzubestimmen, können sie nicht so einfach mit der Rücknahme vorgeschriebener Leistungen abwehren. Das sollte hier eigentlich die Mitbestimmung sichern.

Die Strategie der Arbeitgeber ist nun, auch den vorgeschriebenen Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz in die freiwillige Gesundheitsförderung einzubauen. Bei Unternehmen, die verantwortlich handeln, ist das durchaus sinnvoll. Jedoch bei Unternehmen, in denen wichtige Regeln des Arbeitsschutzes bisher schon beharrlich missachtet wurden, könnte nun versucht werden, zwei Fliegen mit einer Klappe zu erschlagen - wenn der Betriebsrat nicht sehr kompetent und durchsetzungsfähig ist:

  • Die Verhältnispravention kann gegenüber der Verhaltensprävention leichter marginalisiert werden.
  • Die Grenzen zwischen freiwilligen und vorgeschriebenen Leistungen werden unscharfer, was wiederum die Mitbestimmung erschwert. Auf diese Weise kann die Mitbestimmung elegant behindert werden, ohne dass daraus eine Straftat wird.

Die Gesundheitsförderung wird dabei den Mitarbeitern als ein Angebot verkauft, das sie “eigenverantwortlich”, “erwachsen” und “selbstbestimmt” annehmen können - oder auch nicht. Man kann die Leute ja nicht zu ihrem Glück zwingen. Viele Arbeitgeber, die (leider auch unter den Augen der Gewerbeaufsichten, Berufsgenossenschaften und Krankenversicherungen) ihrer eigenen Verantwortung zum Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz seit vielen Jahren nachhaltig nicht gerecht wurden, könnten nun mit einer Strategie zur Vermeidung eigener Verantwortung und Haftung versuchen, die Gesundheitförderung zur Holschuld der Mitarbeiter zu machen. Wenn die Mitarbeiter diese Angebote nicht eigenverantwortlich nutzen, dann sind die Mitarbeiter daran selbst schuld.

Dazu passt, dass Topmanager ihre Spitzengehälter vorwiegend mit dem rechtfertigen, “was der Markt will”. Dann müssen solche Einkommen nicht mehr mit hoher Verantwortung begründet werden.

 
Links:

 

Selbstmanagement und Skate Schuhe

Dienstag, 13. März 2012 - 17:52

http://www.lifestyle-experte.de/2012/03/ und http://www.lifestyle-experte.de/2012/02/


March 12th, 2012
Selbstmanagement – selbstverständlich oder eine Zumutung?

… Fakt ist, dass das Leben früher einfacher strukturiert und leichter zu organisieren war.

Ein Grund hierfür ist, dass unsere heutige Jugend von der Konsumwelt dermaßen beeinflusst wird, dass es ihr zum Teil sehr schwer fällt, ihr Leben vorteilhaft zu organisieren. Damals brauchte man kein Coaching um einen gesunden Ausgleich zwischen Arbeit und Vergnügen zu schaffen. Heute sind nicht nur Kinder und Jugendliche mit dieser Aufgabe überfordert, sondern auch eine Menge Erwachsener. Wie sollte es auch anders sein, wenn es auf dem Weg ins Erwachsenenleben kein Coaching zur Selbstorganisation gegeben hat? Unsere Bevölkerung muss sich überlegen, wie sie durch individuelles Selbstmanagement zu einem Weg findet, der ein erfolgreiches und glückliches Leben ermöglicht.

February 22nd, 2012
Skate Schuhe – Was man beim Kauf beachten sollte

Skate Schuhe sind meist besonders robust konstruierte und mit speziellen Features versehen Sneaker, die man von normalen Alltags- und Turnschuhen kaum unterscheiden kann. Das ist ein Grund dafür, warum man beim Kauf eines Skate Schuhs genau hinsehen und sich gut über die Eigenschaften des Sneakers informieren sollte. Auf welche Punkte genau man achten muss, verraten wir im Folgenden. …

Man hat ja sonst keine Probleme. Wir sind jetzt so weit, dass einem von einem Lifestyle-Experten für das alltägliche Leben Coaching für ein individuelles Selbstmanagement verkauft werden soll.

Noch etwas zur Selbstorganisation: http://www.arbeitstattstress.de/2011/11/schutz-vor-selbst-ausbeutung/

“Meine Arbeit als Projektleiterin”

Dienstag, 19. Juli 2011 - 20:27

Anina Mischau, Mechthild Oechsle: Arbeitszeit – Familienzeit – Lebenszeit: verlieren wir die Balance?, Zeitschrift für Familienforschung, Heft 5, 2005, ISBN 978-3-8100-4167-8

Das Buch untersucht, wie die Work-Life-Balance sich verändert hat, welche Zeitstrukturen unser Leben bestimmen. Die Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Wandel und mit ihr die Koordinaten alltäglicher Lebensführung. Veränderte Muster von Arbeitsorganisation und neue Formen unternehmerischer Steuerung führen zu einer Entgrenzung von Arbeit, die auch das Verhältnis von Arbeit, Familie und Lebensführung tiefgreifend verändert und Familien wie Individuen mit neuen Anforderungen konfrontiert. Das Buch untersucht aus verschiedenen Perspektiven, wie sich Zeitstrukturen ändern und die Balance von Arbeit und Leben beeinflussen und fragt nach Gestaltungsmöglichkeiten in Erwerbsarbeit, Familie und Kommune.

Besonders möchte ich auf den folgenden Beitrag in dem Buch hinweisen (darin wiederum ab S. 175, Bericht einer Projektleiterin bei IBM, 1997): Wilfried Glissmann: Die neue Selbstständigkeit in der Arbeit: Wie können Arnbeitnehmer unter diesen Bedingungen ihre Interessen erkennen und durchsetzen?

Siehe auch: https://www.google.de/search?q=Wilfried+Glissmann+IBM+Betriebsrat

In “Meine Zeit ist mein Leben!” geht Stephan Siemens auf den Bericht “Meine Arbeit als Projektleiterin” ein: http://www.club-dialektik.de/Texte:Meine_Zeit_ist_mein_Leben.