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Fast jede zweite neue Frührente psychisch bedingt

Dienstag, 28. Januar 2014 - 22:29

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) berichtet in http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/fast-jede-zw.html:

28. Januar 2014
Fast jede zweite neue Frührente psychisch bedingt
BPtK-Studie zu psychischen Erkrankungen und Frührente

Rund 75.000 Versicherte bezogen 2012 erstmals eine Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund psychischer Erkrankungen. Sie sind durchschnittlich 49 Jahre alt. Fast jede zweite neue Frührente ist inzwischen psychisch verursacht (42 Prozent). Dabei haben seit 2001 vor allem Depressionen (plus 96 Prozent), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (plus 74 Prozent) sowie Suchterkrankungen (plus 49 Prozent) als Grund zugenommen. Psychische Erkrankungen sind seit mehr als zehn Jahren die Hauptursache für gesundheitsbedingte Frührenten – mit großem Abstand vor körperlichen Erkrankungen. [...]

Psychotherapeuten zur gemeinsamen Erklärung von BMAS, BDA und DGB

Mittwoch, 18. September 2013 - 07:04

http://www.lpk-bw.de/archiv/news2013/130917_angebote_psych_kranke_arbeitnehmer.html

[...] Bundesregierung und Sozialpartner setzen insbesondere auf den gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz sowie freiwillige betriebliche Gesundheitsförderung. In der Gefährdungsbeurteilung sehen sie ein geeignetes Instrument, um Gefährdungen der psychischen Gesundheit in den Betrieben zu erkennen und daraus Schutzmaßnahmen abzuleiten. Das Arbeitsministerium will darüber hinaus zu einem späteren Zeitpunkt prüfen, ob die rechtlichen Vorgaben ausreichen oder verändert werden müssen.

„Betriebliches Engagement allein wird nicht ausreichen, um psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken“, erklärt BPtK-Präsident Richter. Ebenso wichtig sei die frühzeitige und rechtzeitige Behandlung von psychischen Erkrankungen. Auch die Sozialpartner halten es für notwendig, in ihrer gemeinsamen Erklärung die ambulante psychotherapeutische Versorgung bedarfsgerecht auszubauen. [...]

Bestehende Schutzlücke schließen!

Freitag, 17. Mai 2013 - 06:53

http://www.linksfraktion.de/nachrichten/stress-arbeitsplatz-bestehende-schutzluecke-schliessen/

[...] Aber auch Sachverständige der Koalition haben signalisiert, dass es Handlungsbedarf gibt. So unterstützt der Deutsche Beamtenbund und Tarifunion die Forderungen der Opposition, das Personal bei den Arbeitsschutzverwaltungen der Länder und den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung aufzustocken. Er stellt sich ebenso hinter die Forderung, die Aufsichtsbeamten bundeseinheitlich zu qualifizieren. Zudem begrüßt er, dass die Sozialpartner einbezogen und die Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Beschäftigten und ihren Vertretungen ausgeweitet werden sollen. Weiter hat er sich dafür ausgesprochen, das Arbeitsschutzrecht um die psychischen Belastungen zu erweitern und die gesetzgeberische Schutzabsicht somit zu konkretisieren.

Daneben hat die Bundespsychotherapeutenkammer, ebenfalls Sachverständige der Koalition, signalisiert, dass die psychische Gesundheit in der Arbeitswelt durch ein Maßnahmenbündel zu fördern ist, unter anderem mit einer Klarstellung im Arbeitsschutzgesetz, der Berücksichtigung psychischer Belastungen im Gefährdungssystem, betrieblichen Maßnahmen zur Reduktion arbeitsbedingter psychischer Belastung und der Anerkennung psychischer Erkrankungen als Berufskrankheiten. [...]

Klarstellung im deutschen ArbSchG

Montag, 25. Februar 2013 - 07:58

http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/psychische-g-4.html

BPtK 21. Februar 2013
Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz
Bundestag berät Änderung des Arbeitsschutzgesetzes

Keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit. Das soll künftig auch im deutschen Arbeitsschutz gelten. Eine entsprechende Klarstellung im Arbeitsschutzgesetz wird heute im Bundestag in erster Lesung beraten (BT-Drs. 17/12297). Danach ist künftig die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung sowohl der physischen als auch der psychischen Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden oder eine verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Darüber hinaus wird gesetzlich festgeschrieben, dass die Gefährdungsbeurteilungen auch die psychischen Belastungen bei der Arbeit berücksichtigen müssen.

Was ist das nun? Eine Klarstellung? Eine Erweiterung erst für die künftige Gestaltung der Arbeit?

Antwort: Seit 1996 hatte die Arbeit so gestaltet zu werden, dass eine Gefährdung sowohl der physischen als auch der psychischen Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden oder eine verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Schon seit Inkrafttreten des bisherigen Arbeitsschutzgesetzes galt, dass die Gefährdungsbeurteilungen auch die psychischen Belastungen bei der Arbeit berücksichtigen müssen. Das wird nun klargestellt.

Siehe auch: http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/500/50024.html

Externe Mitarbeiterberatung (EAP)

Montag, 13. August 2012 - 07:58

Die folgende Pressemeldung der Bundespsychotherapeutenkammer ist zwar schon zwei Monate alt, aber trotzdem interessant. Wichtig ist bei solchen Programmen allerdings, dass Mitarbeiter sich an einen externen Berater wenden können ohne dass dem Arbeitgeber ihre Identität preisgegeben wird. Das geht beispielsweise auf Basis eines Dienstleistungsvertrages, den der Arbeitgeber mit dem externen Berater abschließt. Es gibt auch Gutscheinlösungen, wobei sichergestellt werden muss, dass sich Mitarbeiter nicht “outen” müsse, wenn sie einen Gutschein abholen. Ggf. kann in Unternehmen mit einer Arbeitnehmervertretung diese hier Aufgaben übernehmen.

06. Juni 2012
Psychische Gesundheit in Unternehmen fördern
BPtK-Checkliste für Mitarbeiterberatungsprogramme (EAP)

In deutschen Unternehmen entstehen durch psychische Krankheiten Produktionsausfälle von rund 26 Milliarden Euro pro Jahr. Immer mehr Unternehmen beauftragen externe Dienstleister, um Beschäftigte individuell bei arbeitsplatzbezogenen oder privaten Problemen zu beraten. Typische Beratungsanlässe sind sowohl private Sorgen, wie z. B. familiäre oder finanzielle Probleme als auch Probleme am Arbeitsplatz, wie z. B. Konflikte mit Vorgesetzten oder das Gefühl des „Ausgebranntseins“ (Burnout). Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat deshalb mit Unterstützung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) eine Checkliste für Mitarbeiterberatungsprogramme (engl.: Employee Assistance Programs; EAP) herausgegeben, mit denen Unternehmen besser zwischen den Dienstleistern auswählen können.

Bei psychischen Beschwerden sollte zügig geklärt werden, ob einer psychischen Erkrankung vorgebeugt werden muss oder ob bereits eine Behandlung notwendig ist. Bei niedergelassenen Psychotherapeuten müssen Versicherte oft monatelang auf einen ersten Termin für eine diagnostische Abklärung warten. „Externe EAP-Dienstleister ermöglichen häufig einen viel schnelleren Kontakt – für sie gibt es jedoch keine Qualitätsstandards oder Gütesiegel, die garantieren, dass dabei die allgemein anerkannten Standards im deutschen Gesundheitswesen eingehalten werden“, stellt BPtK-Präsident Richter fest.

Auch ein externer Dienstleister muss auf ausreichende Qualifikationen seiner Mitarbeiter oder Kooperationspartner achten. Bei Verdacht auf eine psychische Erkrankung muss die Abklärung durch Psychotherapeuten oder entsprechend qualifizierte Fachärzte erfolgen. Wird eine psychische Erkrankung diagnostiziert, sollte rasch eine Behandlung durch Fachärzte und Psychotherapeuten vermittelt werden. Gefährdete, aber noch nicht erkrankte Mitarbeiter benötigen weitergehende Beratung, angeleitete Selbsthilfeprogramme oder Kontakt zu Selbsthilfegruppen sowie Präventionsangebote, die von Entspannung und körperlicher Aktivität bis hin zu gezielten psychotherapeutischen Interventionen reichen können.

„Mit der BPtK-Checkliste sollen Unternehmen EAP-Anbieter finden, die Mitarbeiter so beraten und betreuen, dass sich aus psychischen Krisen oder Burnout-Beschwerden keine behandlungsbedürftigen oder letztlich sogar chronische Krankheiten entwickeln“, erklärt BPtK-Präsident Richter.

Downloads

Den Hinweis auf die “ausreichende Qualifikationen der Mitarbeiter oder Kooperationspartner eines externern Dienstleisters” gibt die BPtK vermutlich auch deswegen, weil psychotherapeutische Heilpraktiker ebenfalls EAP anbieten. Heilpraktiker müssen aus meiner Sicht aber nicht unbedingt “schlechter” sein, als Psychologen, speziell wenn es darum geht, Arbeitsbedingungen zu verstehen. Hierfür sind psychotherapeutische Heilpraktiker immer noch weit besser ausgebildet als Arbeitssicherheitsingenieure in der Industrie und in der Gewerbeaufsicht, die in weniger als nur zwei Wochen lernen sollen, wie das Thema der psychischen Belastung im Arbeitsschutz unterzubringen ist.

Wie die BKK eine BPtK-Pressemeldung wiedergibt

Donnerstag, 14. Juni 2012 - 21:37

Zur jüngsten Veröffentlichung der Bundestherapeutenkammer (BPtK) ist es interessant, zu sehen, was die BKK hinsichtlich der Bedeutung der Arbeitswelt als Ursache für psychische Erkrankungen aus der Meldung herauspickt und wie die in dieser Hinsicht ausgewogener formulierte Pressemeldung der BPtK ursprünglich aussah.

 
BKK
http://www.bkk.de/arbeitgeber/news/?showaktuelles=239507&module=5002C,
aber auch (Quelle der BKK?): http://www.personalwirtschaft.de/de/html/news/details/1885/Studie:-Arbeitnehmer-sind-zunehmend-überfordert/)

… An der zunehmenden Überlastung trage die Arbeitswelt nicht alleine Schuld. Im Gegenteil: Erwerbslose würden im Vergleich zu Erwerbstätigen drei- bis viermal so häufig an psychischen Erkrankungen leiden. In den Betrieben würden vor allem Zeitdruck und zu geringe Kontrolle über die Arbeitsabläufe zu den Risikofaktoren zählen. Eine offene Kommunikation über psychische Belastungen könne in diesem Zusammenhang sehr hilfreich sein. 

Professionelle Beratung und Unterstützung sowie eine Anleitung zur Selbsthilfe seien wichtig, um der Entwicklung einer seelischen Krankheit zuvorzukommen. “Wir brauchen dringend eine Präventionsstrategie, die insbesondere den psychosozialen Belastungen der modernen Gesellschaft gerecht wird”, so die Forderung des BPtK-Präsidenten Prof. Dr. Richter. Nach Angaben der Bundesregierung beliefen sich die Produktionsausfälle aufgrund von psychischen Krankheiten auf jährlich rund 26 Milliarden Euro.

 
BPtK
http://www.bptk.de/presse/pressemitteilungen/einzelseite/artikel/betriebliche.html

06. Juni 2012
Betriebliche Fehltage aufgrund von Burnout um 1.400 Prozent gestiegen
BPtK-Studie „Arbeitsunfähigkeit und psychische Erkrankungen 2012“ 

Die Zahl der betrieblichen Fehltage aufgrund von Burnout ist seit 2004 um fast 1.400 Prozent gestiegen. „Die Menschen fühlen sich in ihrem Leben und bei ihrer Arbeit immer häufiger überfordert“, stellt Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fest. „Die psychosozialen Belastungen der modernen Gesellschaft werden erheblich unterschätzt. Seelisch überlastete Personen erhalten zu spät Beratung sowie Hilfe und psychisch Kranke zu spät eine Behandlung.“

Im Jahr 2004 fehlten 100 Versicherte 0,6 Tage aufgrund von Burnout, im Jahr 2011 waren es schon neun Tage. Ihr Anteil an allen Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen ist aber noch gering. Im Jahr 2011 waren 100 Versicherte rund 200 Tage aufgrund seelischer Leiden arbeitsunfähig. Im Vergleich zu psychischen Erkrankungen machen die Ausfälle aufgrund von Burnout also nur 4,5 Prozent der Fehltage aus.

„Im Gespräch mit dem Arzt schildern viele Arbeitnehmer Erschöpfung oder Stress“, erklärt BPtK-Präsident Richter. Solche Schilderungen von Burnout-Symptomen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden, weil dahinter meist psychische Erkrankungen stecken.“ Bei 85 Prozent der Krankschreibungen wegen Burnout diagnostizierte der Arzt zusätzlich eine psychische (z. B. Depression, Angststörung) oder körperliche Erkrankung (z. B. Rückenschmerzen). Nur 15 Prozent der Burnout-Krankschreibungen erfolgen ohne eine weitere Diagnose. Auch dann kann Burnout jedoch ein Hinweis auf eine entstehende psychische oder auch körperliche Erkrankung sein.

Aktuell gibt es keine allgemein anerkannte Definition, was unter Burnout zu verstehen ist. Häufig genannte Symptome des „Burnouts“ oder des „Ausgebranntseins“ treten auch bei einer Reihe psychischer Erkrankungen auf: u. a. Antriebsschwäche, gedrückte Stimmung, Reizbarkeit, Erschöpfung. Burnout wird in Deutschland in der ICD-10-GM in einer Zusatzkategorie (Z73) verschlüsselt, in der Faktoren beschrieben werden, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen können, ohne eine eigenständige Erkrankung zu sein. Meist handelt es sich um Überforderungen durch berufliche und private Belastungen. „Eine solche Kategorie ist durchaus sinnvoll, weil sie dem Arzt die Verschlüsselung von psychosozialen Risikofaktoren oder auch von Gründen bzw. Anlässen für eine tatsächliche Erkrankung ermöglicht“, erläutert Richter. „Es muss dann aber auch sichergestellt sein, dass eine diagnostische Abklärung oder eine Behandlung eingeleitet wird.“

Psychische Erkrankungen haben ihre Ursachen nicht nur in der Arbeitswelt. Arbeit kann sogar ein wichtiger Faktor für psychische Gesundheit sein. Berufstätige Frauen erkranken deutlich seltener an einer Depression. Arbeitslose Menschen leiden bei Weitem häufiger an psychischen Erkrankungen als Erwerbstätige. Nach Berechnungen der BPtK erkrankt fast jede fünfte nicht berufstätige Frau ohne minderjährige Kinder im Haushalt an einer Depression (19,5 Prozent), aber nur jede achte berufstätige Frau mit Kindern (12,8 Prozent). Am gesündesten sind berufstätige Frauen ohne Kinder (9,6 Prozent). Arbeitslose sind drei- bis viermal so häufig psychisch krank wie Erwerbstätige. Während gesetzlich krankenversicherte Erwerbstätige durchschnittlich elf Tage je 1.000 Versichertenjahre aufgrund psychischer Erkrankungen stationär behandelt werden, sind es bei Arbeitslosen sechsmal so viele Tage. Arbeitslose Männer erhalten außerdem fast dreimal so häufig Antidepressiva verordnet wie Erwerbstätige.

Die Ursachen für psychische Erkrankungen liegen aber auch in der Arbeitswelt. „Auch die moderne Arbeitswelt der Dienstleistungen und Konkurrenz kennt eine Art Fließbandarbeit. Zeitdruck und zu geringe Kontrolle über die Arbeitsabläufe sind Risikofaktoren für psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz“, erklärt BPtK-Präsident Richter. „Krankmachend ist, wenn gefährdete oder erkrankte Arbeitnehmer keinen Weg zur Veränderung finden.“ Die Unternehmen können dazu beitragen, dass über psychische Belastungen offen gesprochen werden kann. Es darf nicht dazu kommen, dass in den Betrieben die Meinung herrscht: „Wer ein Problem hat, ist das Problem!“ Wer sich überfordert fühlt, gibt sich häufig selbst die Schuld. Die Erfolgsgeschichten der anderen scheinen dann zu belegen, dass mit der eigenen Leistungsfähigkeit etwas nicht stimmt. „In solchen Situationen reichen Angebote zum Zeit- und Stressmanagement nicht aus“, stellt der BPtK-Präsident fest.

„So belastete Arbeitnehmer brauchen professionelle Beratung und Unterstützung, bevor sich eine seelische Krankheit entwickelt“, empfiehlt Richter. „Nicht jedes Problem bei der Lebensbewältigung erfordert eine Behandlung. Wichtig ist jedoch eine schnelle diagnostische Abklärung, ob eine Krankheit vorliegt. Nur so kann einer Chronifizierung vorgebeugt werden.“ Aber auch dann, wenn noch keine Erkrankung vorliegt, benötigt der Gefährdete eine qualifizierte Beratung und Anleitung zur Selbsthilfe, die eine Verschlimmerung verhindert. „Die menschliche Psyche hat eine erhebliche Selbstheilungskraft.“, betont BPtK-Präsident Richter. „Die Selbsthilfepotenziale der Menschen werden bisher nicht ausreichend genutzt. Wir brauchen dringend eine Präventionsstrategie, die insbesondere den psychosozialen Belastungen der modernen Gesellschaft gerecht wird.“

Hintergrund:
Deutsche Arbeitnehmer erkranken immer häufiger aufgrund von psychischen Erkrankungen. Die Zahl der betrieblichen Fehltage aufgrund von seelischen Leiden ist auch im Jahr 2010 weiter gestiegen. Die ersten Auswertungen zeigen, dass sich dieser Trend auch im Jahr 2011 fortsetzt. Aktuell werden 12,5 Prozent aller betrieblichen Fehltage durch psychische Erkrankungen verursacht. Der Anteil der Fehltage an allen Krankschreibungen hat sich seit dem Jahr 2000 etwa verdoppelt. Psychische Erkrankungen führen zu besonders langen Fehlzeiten von durchschnittlich 30 Tagen. Depressiv erkrankte Arbeitnehmer fehlen durchschnittlich sogar 39 Tage. Nach jüngsten Berechnungen der Bundesregierung entstehen den Unternehmen jährlich durch psychische Krankheiten Produktionsausfälle von 26 Milliarden Euro.

Links und Hervorhebungen wurden von mir nachträglich in beide Zitate eingearbeitet.

Die Therapeuten der BPtK wenden sich dem einzelnen Menschen zu. Der Satz “Aber auch dann, wenn noch keine Erkrankung vorliegt, benötigt der Gefährdete eine qualifizierte Beratung und Anleitung zur Selbsthilfe, die eine Verschlimmerung verhindert” beschreibt einen Beitrag zur Verhaltensprävention. Aber in der Arbeitswelt kann die Verhaltensprävention ohne Verhältnisprävention (vorgeschrieben im Arbeitsschutz) nicht funktionieren. Fehlt die Verhältnisprävention am Arbeitsplatz, können auch austherapierte Menschen dort schnell wieder erkranken. Darum wäre es gut gewesen, wenn die BPtK deutlicher auf die gesetzlich vorgeschriebene Verhaltensprävention hingewiesen hätte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang beispielsweise ein Gemeinsames Positionspapier von IG Metall und VDBW, dass die Gewerkschaft und die Vereinigung der Betriebsärzte im Jahr 2009 gemeinsam veröffentlichten.

 
Siehe auch:

Verantwortungssuche

Mittwoch, 13. Juni 2012 - 08:01

http://www.welt.de/wirtschaft/article106426981/Burnout-und-der-Druck-zur-Selbstverwirklichung.html

06.06.12

Psychotherapie

Burnout und der “Druck zur Selbstverwirklichung”

Die Zahl der Krankschreibungen wegen “Burnout” ist von 2004 bis zum vergangenen Jahr um 1400 Prozent gestiegen. Experten sagen: Dafür ist längst nicht nur der Druck im Berufsleben verantwortlich. …

Ein Beispiel dafür, wie über das Thema Burn-out berichtet wird: Die WELT meint, für Burn-out sei längst nicht nur der Druck im Berufsleben verantwortlich.

Aber:
(1) Das “nur” der Druck im Berufsleben für Burn-out verantwortlich sein, behaupten nicht einmal die Gewerkschaften.
(2) Die Mehrheit (etwa 70%) der Arbeitgeber ist so überzeugt von ihrer Unbeteiligtheit am Burn-out von Mitarbeitern, dass sie die Vorschriften missachten, bei deren Beachtung eine objektivere Beurteilungen von psychischen Belastungen möglich wäre. Für Burn-out ist längst nicht nur der Druck im Privatleben verantwortlich.
(3) Der Kopftext des Artikels setzt den Schwerpunkt einseitiger, als der Artikel selbst.

… Kammerpräsident [der Psychotherapeutenkammer BPtK] Rainer Richter sagte aber: “Der Trend ist ungebrochen. Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund seelischer Leiden steigt weiter.”

Als Grund nannte Richter höhere “emotionale und kommunikative Anforderungen” in den Dienstleistungsberufen. Auch nehme die Unsicherheit des Arbeitsplatzes zu. Eine zusätzliche Belastung resultiere aus dem “Druck zur Selbstverwirklichung” im Beruf und im Privatleben. “Viele Menschen geben sich selbst die Schuld, wenn sie den eigenen oder fremden Ansprüchen nicht genügen.” …

So ist das schon differenzierter ausgedrückt. Aber Philipp Neumann, der Autor des Artikels, gibt seinem Artikel vorher lieber eine einseitige Richtung.

Der Streit, ob nun die Arbeitswelt oder ob “persönliche Probleme” der Grund für Burn-out und/oder die damit oft verbundenen Depressionen (die eigentliche Erkrankung) sei, ist ein Dauerbrenner. Das Dreiebenenmodell bietet eine Möglichkeit, sich vernünftig mit dem Thema zu befassen.

Braucht Philipp Neumann die Richtung, die er seinem Artikel einleitend gibt, für seine eigene Argumentation? Wieweit sind sowohl ihre Mitarbeiter belastende wie auch als Mitarbeiter selbst belastete Journalisten in ihren Redaktionen selbst von dem Streit betroffen, und wie könnte das ihre journalistische Arbeit beeinflussen? Argumentieren sie auch in eigener Sache?

Was meinen Berufsgenossenschaften? BGFE und TBBG (jetzt in der BG ETEM), 2006:

… Andere Belastungsquellen wirken aus der Freizeit in die Arbeit hinein: aus dem Privatleben (Familie, Freunde), aus nebenberuflicher Betätigung (z.B. Verein) sowie aus den Problemen von Nachbarschaft, Kommune und Gesellschaft (siehe Außenkreis des Modells). Arbeits- und Freizeitbelastungen lassen sich in ihren Wirkungen heute noch nicht völlig trennen. Studien belegen aber, dass die Arbeitsbelastungen das Privatleben nachhaltiger stören als umgekehrt! …

Gerne weise ich hier auch wieder einmal auf Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen hin. Eine Arbeitsgruppe um Rolf Haubl vom Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt und Günter Voß von der TU Chemnitz hatte im Auftrag der DGSv ausgewählte SupervisorInnen nach ihren Einschätzungen gegenwärtigen Veränderungen von Arbeitsbedingungen in Organisation befragt und die Ergebnisse der Befragung auf acht Seiten veröffentlicht. Dort ist sehr anschaulich beschrieben, wie sich die moderne Arbeitswelt auf die Menschen auswirkt.

 
Siehe zur BPtK: http://blog.psybel.de/2012/06/13/bptk-studie-zur-arbeitsunfaehigkeit-2012/

BPtK-Studie zur Arbeitsunfähigkeit 2012

Mittwoch, 13. Juni 2012 - 07:33

http://www.bptk.de/uploads/media/20120606_AU-Studie-2012.pdf

… Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat die Angaben der großen gesetzlichen Krankenkassen zu Arbeitsunfähigkeit (AU), psychischen Erkrankungen und Burnout ausgewertet. Dabei zeigt sich, dass die Anzahl der Krankschreibungen aufgrund eines Burnout (Z73 im ICD-10-GM) seit 2004 um 700 Prozent, die Anzahl der betrieblichen Fehltage sogar um fast 1.400 Prozent gestiegen ist. Diese Zunahme fällt damit deutlich größer aus als die Zunahme von betrieblichen Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen (insgesamt). …

… Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der LINKEN zu psychischen Belastungen in der Arbeitswelt (BT-Drs. 17/9478) Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zitiert, nach denen für 2010 der Anteil von psychischen Erkrankungen an allen Krankschreibungstagen 13 Prozent betrug – was einer Verdopplung des Anteils seit 2000 entspricht (BMAS/BAuA 2012). Nach unseren Berechnungen hat der Anteil psychischer Erkrankungen zwischen 2000 und 2010 um 75 Prozent zugenommen. Hintergrund für die leicht abweichenden Zahlen ist, dass sich die Berechnungen der BAuA auf eine Auswahl der Angaben anderer Krankenkassen (AOK, IKK, BKK) beziehen. Die BAuA schätzt für das Jahr 2010 insgesamt 181,5 AU-Tage pro 100 Versicherte durch psychische Erkrankungen – nach unseren Auswertungen ergeben sich für 2010 204 AU-Tage/100 Versichertenjahr (VJ), für 2011 (konservativ geschätzt) rund 200 AU-Tage/100 VJ. …

… Korczak et al. (2010) bringen das Dilemma der Burnout-Forschung auf den Punkt:
„Entsprechend der initialen Definition des Burnout von Freudenberger wird zwar einerseits in den breit anerkannten Definitionen wie der von Schaufeli und Enzmann (1998) „Burnout ist ein dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand „normaler“ Individuen …“ davon ausgegangen, dass es sich nicht um eine Erkrankung handelt. Andererseits werden hier schwerste psychische Krankheitssymptome wie Depression, Suizidalität, schwere Konzentrations- und Gedächtnisstörungen oder existenzielle Verzweiflung angeführt.

Speziell die für schwere Verläufe beschriebenen Symptome haben große Überschneidungsbereiche mit denen einer Depression. Letztlich ist zu beachten, dass Burnout assoziierte Symptome auch in Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen wie hormonellen Störungen oder Multipler Sklerose auftreten können. …

… Rechtliche Grundlagen von Krankschreibungen:
Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien; Gemeinsamer Bundesausschuss 2006; www.g-ba.de) geben vor, dass eine Krankschreibung grundsätzlich nur aufgrund von Krankheit erfolgen soll. Dies wird aber durch den Zusatz ergänzt, dass Krankschreibungen auch dann erfolgen dürfen, wenn „aufgrund eines „Krankheitszustandes“ absehbar ist, dass durch die Berufstätigkeit Arbeitsunfähigkeit hervorgerufen werden kann. Die Burnout-Krankschreibungen ohne weitere Krankheitsdiagnose werden wahrscheinlich zu diesem Zweck ausgestellt – sofern zugrunde liegende psychische Erkrankungen nicht „verheimlicht“ werden. …

(Link nachträglich eingetragen)

 
Siehe auch: http://blog.psybel.de/2012/06/14/wie-die-bkk-eine-bptk-pressemeldung-wiedergibt/

Berufstätigkeit ist gesünder

Montag, 11. Juni 2012 - 06:45

http://www.focus.de/gesundheit/news/psychisch-bedingtes-aussetzen-am-arbeitsplatz-immer-mehr-fehltage-wegen-burnout-und-depression_aid_763532.html

… Die Experten verwiesen aber auch auf die Belastungen nicht nur durch beruflichen, sondern auch durch privaten Stress. So erkranken der Studie zufolge berufstätige Frauen deutlich seltener an einer Depression als Frauen ohne Job. Nach Berechnungen der Bundespsychotherapeutenkammer erkrankt fast jede fünfte nicht berufstätige Frau ohne minderjährige Kinder im Haushalt an einer Depression, aber nur jede achte berufstätige Frau mit Kindern. Zudem sind Arbeitslose drei bis vier Mal so häufig psychisch krank wie Erwerbstätige.

bef/AFP

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

Wenn Arbeitgeber mit diesen Fakten auf externe Gründe für psychische Belastungen hinweisen möchten, dann denken Sie einmal darüber nach, wie die Zusammenhänge hier logisch aussehen und wie relevant dieses Argument für den Arbeitsschutz ist.

Übrigens, wie sieht es bei berufstätigen Frauen ohne minderjährige Kinder aus und bei nicht berufstätigen Frauen mit Kindern? Und bei den entsprechenden vier Möglichkeiten für Männer?

Arbeitsschutz wird im BGM marginalisiert

Samstag, 10. März 2012 - 08:07

http://www.ptext.org/nachrichten/betriebliches-gesundheitsmanagement-werkzeug-psychische-erkrankung-297007

Betriebliches Gesundheitsmanagement als Werkzeug gegen psychische Erkrankung
12.01.2012 – 07:00 – Kategorie (bei ptect.org): HR – Personalwesen – (ots)

Laut Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) werden Arbeitnehmer in Deutschland immer häufiger und länger wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben. Mittlerweile gingen rund 12% aller betrieblichen Fehltage auf psychische Erkrankungen zurück. Gesundheitsförderung im betrieblichen Umfeld kommt beim Thema psychischer Erkrankungen laut einer offiziellen BPtK-Studie zur Arbeitsunfähigkeit von 2011 (“Psychischer Erkrankungen – keine Frage des Alters”) eine wichtige Rolle zu: Sie könne von einer fundierten Aufklärung über psychische Erkrankungen bis hin zu Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen reichen. Mit dem Ziel, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren, damit sie frühzeitig angesprochen und erkannt werden. “Besonders wichtig für die Prävention psychischer Erkrankungen, so Prof. Dr. Bernhard Allmann, Professor der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement und BGM-Experte, ist es, ein Klima der Wertschätzung im Unternehmen zu erhalten bzw. zu erreichen.”

Soll Gesundheitsförderung im betrieblichen Umfeld langfristig erfolgreich sein, ist ein unternehmensspezifisches Gesamtkonzept notwendig. “Im Sinne eines betrieblichen Gesundheitsmanagements wird die Grundlage gelegt, dass genau die gesundheitlich relevanten Umstände entdeckt, ausgewertet und mit passenden praktischen Maßnahmen (z. B. Rückenschule am Arbeitsplatz, Stresskompetenztraining etc.) angegangen werden können, die im Betrieb relevant sind”, so Allmann.

Die richtigen regionalen Ansprechpartner für BGM-Projekte liefert die bundesweite Initiative “Gesundheit im Betrieb selbst gestalten“, die vom Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen und der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement initiiert wurde. Das Netzwerk liefert zusätzlich Bildungslösungen: “Fachkraft für betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK)”, “Berater für betriebliches Gesundheitsmanagement”, “Master in Prävention und Gesundheitsmanagement” mit Schwerpunkt BGM.

Mit dem Thema BGM wird sich auch der 6. GETUP-Kongress am 21. und 22. April 2012 beschäftigen. Unter den Referenten sind u.a. Dr. Volker Hansen, Leiter der Abteilung Soziale Sicherung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, und Martin Espenhahn, Leiter Personal- und Sozialwesen bei einer Kokerei der ThyssenKrupp Steel Europe AG.

(Links nachträglich eingefügt)

Da der Arbeitsschutz das gesetzliche “Werkzeug” gegen psychische Erkrankung ist, aber von der Mehrheit der Arbeitgeber missachtet wird, ist es wohl kein Zufall, dass
er hier unerwähnt bleibt.

Aus den Arbeitsschutzregeln und dem Betriebsverfassungsgesetz ergibt sich auch eine starke Mitbestimmunspflicht der Arbeitnehmer. Im Gesundheitsmanagement gibt es viele freiwillige Leistungen der Arbeitgeber, die nicht in gleichem Maß mitbestimmunspflichtig sind. (Will der Betriebsrat mitbestimmen, so kann der Arbeitgeber einfach auf freiwillige Maßnahmen verzichten.) Ein in interner und externer Unternehmenskommunikation in bunten Druckschriften und Websites beworbenes “Gesundheitsmanagement” (“Tue Gutes und rede darüber”) mit vielen Vorzeigeakltionen einerseits und marginalisiertem Pflichtteil (Arbeitsschutz) andererseits ist der Versuch der Arbeitgeber, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz und das Gesundheitsmanagement zu schwächen.

Was ist so wichtig an der Mitbestimmung?
Mit ihr wird beispielsweise vereinbart, was worin sich in einem Betrieb legitime Belastungen von risikoreichen Fehlbelastungen unterscheiden. Es gibt hier zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern unterschiedliche Auffassungen. Wird die Mitbestimmung behindert, dann ist ein funktionierender Arbeitsschutz nicht mehr gewährleistet.

Denken sie immer daran: Die Statistik zeigt, dass nicht wirtschaftliche oder ethische Gründe den Arbeitsschutz vorantreiben, sondern dass entgegen allen Beteuerungen der Arbeitgeber die Notwendigkeit, Vorschriften zu beachten, der Hauptmotivator ist. Mit einer entsprechenden Einstellung wird die Mehrheit der Arbeitgeber also an das Gesundheitsmanagement herangehen. Ihr Hauptziel ist Rechtssicherheit und die Minderung von Haftungsrisiken. Das Wohl der Mitarbeiter kommt zwar nicht an letzter Stelle, aber das Wohl der Investoren, Kostensenkung und die rechtliche Absicherung der Unternehmensführung haben höhere Priorität. Das Gesundheitsmanagement dient hier zum Vorzeigen gut ausehender Maßnahmen zur “Gesundheitsförderung” und gleichzeitig zum Verschleiern der Pflichtverletzungen im Arbeitsschutz.