Schlagwort 'Frührente'

Fast jede zweite neue Frührente psychisch bedingt

Dienstag, 28. Januar 2014 - 22:29

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) berichtet in http://www.bptk.de/aktuell/einzelseite/artikel/fast-jede-zw.html:

28. Januar 2014
Fast jede zweite neue Frührente psychisch bedingt
BPtK-Studie zu psychischen Erkrankungen und Frührente

Rund 75.000 Versicherte bezogen 2012 erstmals eine Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund psychischer Erkrankungen. Sie sind durchschnittlich 49 Jahre alt. Fast jede zweite neue Frührente ist inzwischen psychisch verursacht (42 Prozent). Dabei haben seit 2001 vor allem Depressionen (plus 96 Prozent), Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (plus 74 Prozent) sowie Suchterkrankungen (plus 49 Prozent) als Grund zugenommen. Psychische Erkrankungen sind seit mehr als zehn Jahren die Hauptursache für gesundheitsbedingte Frührenten – mit großem Abstand vor körperlichen Erkrankungen. [...]

In die Frührente gebrannt

Montag, 31. Dezember 2012 - 16:17

http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/versorgungsforschung/article/829237/risiko-rente-burn-out-treibt-immer-job.html

Die Ärztezeitung zitiert die Welt am Sonntag. Es wurde angegeben, dass 24% der Frühverrentungen im Jahr 2000 auf Burnout zurückzuführen seien. Im Jahr 2010 waren es dann schon 39%, und 41% im Jahr 2011 (73000 Menschen). Wachstum ist möglich.

Oft wird darauf hingewiesen, dass eine bessere Erkennbarkeit und die Enttabuisierung von “Burnout” dieses Wachstum erkläre. Ich meine auch, dass das zum Teil der Fall ist. Die Erklärung wird aber auch oft so dargeboten, als ob dieser Fortschritt das Problem des zunehmenden Burnouts entschuldige. Das ist so, als wolle man z.B. des Problem der Gesundheitsschäden durch Asbest mit der Entschuldigung verniedlichen, dass man heute über diese Gefährdung besser Bescheid wisse, als früher.

“Gewerkschaften und Oppositionspolitiker machen eine zunehmende Belastung am Arbeitsplatz für diese Entwicklung verantwortlich.” Sie lernen es wohl nie: Inzwischen sollte eigentlich begriffen worden sein, dass Belastungen nicht krank machen, sondern es sind die Fehlbelastungen, die die Menschen verletzen können, wenn im Arbeitsschutz die Verhältnisprävention nicht ausreicht.

Schuld sind meiner Ansicht nach insbesondere schlechte Audits durch die Gewerbeaufsicht und die Berufsgenossenschaften. Leider achten die Zertifizierungsgesellschaften auch nicht genügend darauf, dass psychische Belastungen ordentlich (also auch mitbestimmt) in die Arbeitsschutzmanagementsysteme der Unternehmen mit einbezogen werden.

 


2013-01-03
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/52875
… Arbeitgeberverbände wiesen die Statistik dagegen als irreführend zurück. Es gebe nicht mehr psychische Erkrankungen als früher, lediglich mehr Diagnosen. …

Diese Art von Rhetorik meinte ich mit der Asbestgeschichte oben.

Versteht die BAuA den WAI nicht mehr?

Montag, 11. Juni 2012 - 07:43

Verhaltensbeurteilung: Mit dem Arbeitsbewältigungsindex (ABI, Work Ability Index – WAI) soll die individuelle Arbeitsfähigkeit einer Person in einer bestimmten Tätigkeit bewertet werden. Er ist als arbeitsmedizinische Messinstrument zur Bestimmung eines optimalen und gerechten Pensionierungszeitpunktes entwickelt worden.

Verhältnisbeurteilung: Sie ist im Arbeitsschutz die Grundlage der Primärprävention. Für die gesetzlich geforderte Analyse von Arbeitsplätzen (Arbeitsbedingungen usw.) gibt es geeignetere Instrumente zur Erfassung psychischer Belastungen, die nicht erst umgebaut werden müssen, damit man sie für die Verhältnisprävention verwenden kann. Der WAI ist nicht für die Verhältnisbeurteilung geschaffen worden.

Warum bewerben BAuA ind INQA den WAI so intensiv – und dazu noch mit einem irreführenden Text?

http://www.inqa.de/DE/Lernen-Gute-Praxis/Publikationen/why-wai.html (Seite nicht mehr verfügbar)

Unbestritten ist, dass durch verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahmen die Voraussetzungen für ein längeres Verbleiben von mehr Erwerbstätigen in Beschäftigung geschaffen werden können – und müssen. Denn abgesehen von dem persönlichen Leid und dem Verlust an Lebensqualität, die sich hinter jedem Einzelfall verbergen – leisten können wir uns diese Verschwendung von Wissen, Erfahrungen und Kenntnissen bereits jetzt nicht mehr – und künftig noch viel weniger. Vor diesem Hintergrund ist der Work Abilitiy Index (WAI) ein sinnvolles Instrument, da mit seiner Hilfe sowohl die aktuelle als auch die künftige Arbeitsfähigkeit von älter werdenden Beschäftigten erfasst und bewertet werden kann. Ausgehend vom WAI können konkrete Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit eingeleitet werden.

Darum fördern INQA und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) die Anwendung und Verbreitung des WAI. Ausdruck dieser Förderung ist das auf Initiative der BAuA und in Kooperation mit der Bergischen Universität Wuppertal gebildete nationale WAI-Netzwerk. …

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

Irreführend ist der Text, weil in ihm der WAI sowohl mit Verhältnisprävention wie auch mit Verhaltensprävention so verknüpft wird, dass der Eindruck entstehen könnte, der WAI sei für beide Präventionsarten geeignet. Das WAI-Netzwerk versucht ja auch mit beachtlichem Publikationsaufwand, diesen Eindruck zu erwecken.

Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist unbestritten, dass verhältnispräventive Maßnahmen (mit den entsprechenden Erhebungsinstrumenten) Pflicht sind, verhaltenspräventive Maßnahmen sind dagegen eine freiwillige Übung. Unbestritten ist außerdem, dass der WAI kein Instrument der Verhältnisprävention ist. Wer hat es geschafft, die trickreiche Irreführung in die BAuA/INQA einzuschmuggeln? Diese Art von verwirrender Werbung scheint wohl eine der Aufgaben der WAI-”Netzwerkarbeit” zu sein.

 

Die BAuA beschreibt den WAI an einer derzeit noch weniger von Lobbyarbeit verseuchter Stelle richtig:
http://www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Handlungshilfen-und-Praxisbeispiele/Toolbox/Verfahren/WAI.html

Gestaltungsbezug: Quantitative Verfahren der Verhaltensprävention
Jahr: 1998

Quintessenz: Der Work Ability Index (WAI) ist ein Instrument zur Erfassung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten. Er wird auch als Arbeitsfähigkeitsindex oder Arbeitsbewältigungsindex (ABI) bezeichnet. Es handelt sich um einen Fragebogen, der entweder von den Befragten selbst oder von Dritten, z. B. von Betriebsärzten/innen bei der betriebsärztlichen Untersuchung beantwortet wird. Ziel der Anwendung in Betrieben ist die Förderung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten.

Der WAI kann angewendet werden
1. im Rahmen der betriebsärztlichen Betreuung,
2. im Rahmen der Betriebsepidemiologie (Querschnitt- und Längsschnittuntersuchungen),
3. im wissenschaftlichen Bereich und
4. zur Evaluierung von Maßnahmen der individuellen und betrieblichen Gesundheitsförderung.

Der Fragebogen ist in den 80er Jahren von finnischen Arbeitswissenschaftlern entwickelt worden. Seither wurde er in 21 Sprachen übersetzt.

Ziel(e): Individualprävention

Methode(n) der Datengewinnung: schriftliche Befragung, mündliche Befragung

Merkmalbereich(e): z. B. momentane und zukünftige Arbeitsfähigkeit, Anforderungsbewältigung

(Hervorhebungen und Kursivsatz nachträglich eingefügt)

Hier werden die Anwendungsgrenzen des WAI klar. Wie ist es gelungen, an anderer Stelle die BAuA und die INQA so für den WAI zu begeistern und dort Desinformation zu plazieren? Arbeitgeber zeigen an der Bewertung der individuellen Arbeitsfähigkeit (ISO 10667) ein größeres Interesse als an der Beurteilung der arbeitsplatzbezogenen psychischen Belastung (ISO 10075). So wie Wissenschaft heute von der Wirtschaft “gefördert” wird, hat die Netzwerkerei für den WAI ein unangenehmes Geschmäckle.

 

http://www.inqa.de/SharedDocs/PDFs/DE/Publikationen/why-wai.pdf?__blob=publicationFile,
Why WAI? – Der Work Ability Index im Einsatz für Arbeitsfähigkeit und Prävention – Erfahrungsberichte aus der Praxis.
(4., aktualisierte Auflage, Oktober 2011), S. 131:

… Individuelle Betrachtung der Arbeitsfähigkeit:
der ABI-Dialog / das WAI-Gespräch

Nach Auswahl und Festlegung der WAI-Fragen etablierte sich das Instrument in der betriebsärztlichen Arbeit – wiederum zuerst in Finnland, dann auch im deutschsprachigen Raum. Ausschlaggebend dafür war die Prognosekraft des WAI: Schon mit wenigen Fragen lässt sich frühzeitig erkennen, bei welchen Beschäftigten die Arbeitsfähigkeit gefährdet ist und wie dringend Präventionsmaßnahmen sind. Es zeigte sich, dass die Durchführung als Interview durch die Betriebsärztin bzw. den Betriebsarzt in mehrfacher Sicht sinnvoll ist: Ein doppeltes Abfragen von Krankheiten (im WAI und in der betriebsärztlichen Anamnese) lässt sich so vermeiden, zugleich ermöglichen die Fragen einen guten Gesprächseinstieg in den Themenkomplex ›Arbeit, Alter und Gesundheit‹. So wird aus dem Diagnoseinstrument ein Interventionsinstrument: der ABI-Dialog, der auch als WAI-Gespräch bezeichnet wird. Die Durchführung dieses Dialogs erfordert betriebsärztliche oder arbeitspsychologische Kompetenz. Wird der ABI-Dialog nicht von Medizinern durchgeführt, kommt in der Regel die WAI-Kurzversion (mit kurzer Krankheitsliste) zum Einsatz. …

WAI-Kurzversion mit kurzer Krankheitsliste, genutzt von Nicht-Medizinern? Da gibt es dann keine ärztliche Schweigepflicht mehr. So beginnt, was ich “fürsorgliche Belagerung der Mitarbeiter” nenne. Der WAI hat vielleicht seine Berechtigung in der betriebsärztlichen Anamnese, ist aber kein Instrument des Arbeitsschutzes. Darüber hinaus soll er sogar im individuellen “Coaching” (und darum letztendlich auch für die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung) verwendet werden. Kompetente Betriebs- und Personalräte werden den WAI nicht als Instrument des Arbeitsschutzes zulassen, sondern die Verwendung direkt für den Arbeitsschutz geeigneter Instrumente durchsetzen.

 

http://www.gesundheitsfoerderung.ch/pdf_doc_xls/d/betriebliche_gesundheitsfoerderung/programme_projekte/A4_Broschuere_Arbeit_Alter_d.pdf
Arbeit und Alter - Grundlagen zur Bewältigung der demografischen Herausforderung in Betrieben,
Ralph M. Steinmann, 2008, Gesundheitsförderung Schweiz, Bern und Lausanne.

… Work Ability Index (WAI)

Dieses inzwischen in vielen Ländern erfolgreich getestete und eingesetzte arbeitsmedizinische Messinstrument zielt darauf, Gesundheitsgefährdungen der Beschäftigten und Risiken der Frühverrentung frühzeitig zu erkennen und diesen entgegenzuwirken. Es ist zwecks Bestimmung eines optimalen und gerechten Pensionierungszeitpunktes entwickelt worden. Ausgehend von den Selbsteinschätzungen der Mitarbeitenden wird von einer arbeitsmedizinischen Fachperson untersucht, ob zukünftig Einschränkungen ihrer Arbeitsfähigkeit drohen und welcher Handlungsbedarf besteht, um die Gesundheit der Befragten über den Erwerbsverlauf zu fördern. Die Fragen betreffen

  • die aktuelle und zukünftige Arbeitsfähigkeit,
  • Krankheiten und
  • die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage im vergangenen Jahr,
  • die geschätzte krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsleistung sowie
  • psychische Leistungsreserven.

Aufgrund der Ergebnisse kann gemeinsam überlegt werden, was die Arbeitskraft selber und was das Unternehmen tun kann, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und zu fördern. Für unterschiedliche Berufsgruppen und Altersklassen liegen inzwischen Durchschnittswerte als Richtwerte vor, die einen betriebsübergreifenden Vergleich erlauben. …

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt, Layoutänderungen nachträglich vorgenommen)

 

Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH
an der Deutschen Sporthochschule Köln
Autoren des Beitrags: IQPR Maike Bohnes, Annette Röhrig
http://www.assessment-info.de/assessment/seiten/datenbank/vollanzeige/vollanzeige-de.asp?vid=436

ABI, WAI, Arbeitsbewältigungsindex, Work Ability Index

Erfassung der Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten
Dimensionen / Analyseeinheiten:
Der WAI besteht aus 7 Dimensionen:
1. Derzeitige Arbeitsfähigkeit im Vergleich zu der besten, je erreichten Arbeitsfähigkeit
(Wenn sie Ihre beste, je erreichte Arbeitsfähigkeit mit 10 Punkten bewerten: Wie viele Punkte würden sie dann für ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit geben?)
2. Arbeitsfähigkeit in Relation zu den Arbeitsanforderungen
(Wie schätzen sie ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit in Relation zu den körperlichen oder psychischen Arbeitsanforderungen ein?)
3. Anzahl der aktuellen vom Arzt diagnostizierten Krankheiten
(Langversion = 50, Kurzversion = 13 Krankheiten / Krankheitsgruppen)
4. Geschätze Beeinträchtigung der Arbeitsleistung durch die Krankheiten
(Behindert sie derzeit eine Erkrankung oder Verletzung bei der Ausübung ihrer Arbeit?)
5. Krankenstandstage im vergangenen Jahr
(Wie viele ganze Tage blieben Sie auf Grund eines gesundheitlichen Problems (Krankheit, Gesundheitsvorsorge oder Untersuchung) im letzten Jahr (12 Monate) der Arbeit fern?)
6. Einschätzung der eigenen Arbeitsfähigkeit in zwei Jahren
(Glauben sie, dass sie, ausgehend von ihrem jetzigen Gesundheitszustand, Ihre derzeitige Arbeit auch in den nächsten zwei Jahren ausüben können?)
7. Psychische Leistungsreserven / mentale Ressourcen
(Haben sie in der letzten Zeit ihre Aufgaben mit Freude erledigt?
Waren sie in der letzten Zeit aktiv und rege?
Waren sie in der letzten Zeit zuversichtlich, was die Zukunft betrifft?)

Gesamtzahl der Items: 10

Erhebungs- / Analysemethoden: Selbsteinschätzung; Fragebogen;

Frage- und Antwortformate / Beurteilungsskalen: Die sieben Dimensionen des ABI werden über das Ankreuzen einer Anwort bzw. einer Zahl aus den vorgegebenen Antwortformaten bewertet. Die angekreuzten Antworten bzw. Zahlen werden in Zahlen übertragen bzw. übernommen und ergeben einen Gesamtpunktwert zwischen 7 und 49. Der so erzielte Gesamtwert liefert eine Aussage zu der Eigeneinschätzung der Arbeitsfähigkeit. Der Einschätzung sollten beschriebene Interventionen folgen.

Punkte Arbeitsfähigkeit Ziel

7-27 schlecht Arbeitsfähigkeit wiederherstellen
8-36 mittelmäßig Arbeitsfähigkeit verbessern
37-43 gut Arbeitsfähigkeit unterstützen
44-49 sehr gut Arbeitsfähigkeit erhalten

Aufbau: Kurz- und Langform vorhanden ;
Die Kurzversion des ABI unterscheidet sich von der Ursprungsform in der Anzahl der abgefragten Krankheiten/Krankheitsgruppen; statt 50 werden in der Kurzform 13 Krankheiten/Krankheitsgruppen erfragt. …

 
Ohne eine bereits mitbestimmt zustandegekommene und etablierte Verhältnisprävention können Maßnahmen der Verhaltensprävention zu einer Gefahr für die Mitarbeiter werden.
 

Links (2013):

Mehr Brüche in den Erwerbsbiografien

Montag, 27. Februar 2012 - 08:44

http://www.abendblatt.de/region/stade/article2198336/Wenn-die-Kraft-nicht-bis-zur-Rente-reicht.html

Wenn die Kraft nicht bis zur Rente reicht
27.02.2012, 06:00 Uhr Christine Weiser

Die Zahl derer, die mit Attest aus dem Berufsleben ausscheiden, steigt. Auf der anderen Seite bauen Firmen auf die Erfahrung älterer Mitarbeiter. …

… “Bei denen, die aus psychischen Gründen ausscheiden, handelt es sich in der Regel nicht um Manager mit Burn-out. Es sind eher kleine Angestellte, die enorm unter Druck stehen. Viele Arbeitgeber erwarten Überstunden und Flexibilität der Arbeitnehmer, und wer keinen Ausgleich hat, kann leicht krank werden”, sagt Wolf-Dieter Burde, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, die auch für den Raum Lüneburg zuständig ist. Seit einigen Jahren trifft Burde auf immer mehr Menschen mit Brüchen in den Erwerbsbiografien. …

Psychische Erkrankungen: BDA und VDBW

Freitag, 10. Februar 2012 - 06:54

Dieser Beitrag betrifft die gemeinsame Erklärung von der BDA und des VDBW zur Bedeutung der psychischen Gesundheit im Betrieb,
http://www.google.de/search?q=VDBW+BDA+%22Bedeutung+der+psychischen+Gesundheit+im+Betrieb%22.
Am 9. Februar gab es in Salzgitter einen Kongress zu psychischen Erkrankungen (das ist ein Unterschied zu psychischen Belastungen) am Arbeitsplatz. dpa/tmn berichteten (http://www.stern.de/wirtschaft/job/ausgleich-von-der-arbeit-suchen-1784493.html und http://www.news.de/wirtschaft/855270967/burnout-vorbeugen-ausgleich-von-der-arbeit-suchen/1/):

… Psychische Leiden sorgen immer öfter für Probleme im Beruf: So sind sie die häufigste Ursache für Frühverrentungen. 2010 sind laut der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bundesweit 70 000 Arbeitnehmer wegen einer seelischen Erkrankung frühzeitig aus dem Beruf ausgeschieden. Seelische Leiden verursachen zudem jeden achten Krankheitstag: Sie waren 2010 bei den Betriebskrankenkassen Grund für 12 Prozent aller Fehltage. …

Der Artikel wurde auch wieder mit ein bisschen Expertise gefüllt:

… Im Job könne auf Dauer nur derjenige Hochleistungen erbringen, der sich selbst regelmäßig Gutes tut. Das sagte die Ärztin Nadja Behling. So hat ein Burnout keine Chance. Gut zu wissen, denn das Leiden ist die häufigste Ursache für Frühverrentungen.

Um einem Burnout vorzubeugen, ist ein Ausgleich von der Arbeit wichtig. Das kann Sport sein, aber auch Treffen mit Freunden sind gut für das seelische Gleichgewicht, sagte Nadja Behling. Diesen Grundsatz ließen viele Burnout-Patienten jedoch außer Acht. …

Wieder einmal bekommen die Betroffenen den schwarzen Peter. Tun Sie sich etwas Gutes! Auch heute (15 Jahre nach Erlass des Arbeitsschutzgesetzes) fällt der Presse selten etwas Anderes ein, als Verhaltensprävention. Verhältnisprävention ist vorgeschrieben. Verhaltensprävention mögen die Arbeitgeber aber lieber. Die BDA hat leichtes Spiel: Die Missachtung des Arbeitsschutzes in der Mehrheit der Betriebe haben die Redaktionen nicht auf dem Radar. Im Arbeitsschutz hat jedoch die Verhältnisprävention Vorrang, auch wenn (und gerade weil) das den Arbeitgebern nicht so liegt.

Was sagt die BDA zu der Veranstaltung? http://www.bda-online.de/www/arbeitgeber.nsf/id/DE_PI-BDA-VDBW:

Psychische Erkrankungen: Abgestimmtes Zusammenwirken unerlässlich

Psychische Gesundheit ist eine unverzichtbare Grundlage, um im modernen Arbeitsleben zu bestehen und sich fachlich und persönlich zu entfalten. Mehr denn je wird körperliche und geistige Gesundheit aber auch als zentrale Grundlage hoher Wettbewerbsfähigkeit verstanden. Die Zunahme an psychischen Erkrankungen und die damit verbundenen Fehlzeiten der Beschäftigten stellen Unternehmen und Betriebsärzte vor neue Herausforderungen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) sehen daher gemeinsamen Handlungsbedarf. Ihnen ist es ein zentrales Anliegen, das Thema Psychische Erkrankungen gezielt und umfassend, d.h. von der Prävention und Früherkennung über die Behandlung bis zur Wiedereingliederung, anzugehen und für nachhaltige betriebliche Lösungen zu werben. Voraussetzung hierfür ist eine gute Kooperation der Betriebs- und Werksärzte mit den anderen betrieblichen Akteuren.

(Link nachträglich eingefügt)

Es scheint so, dass nicht nur die BDA, sondern auch Ärzte auf die Früherkennung von Erkrankungen setzen und nicht auf die Früherkennung von Fehlbelastungen. Aber in diesem Fall täte man dem VDBW unrecht, wenn man ihm Einseitigkeit vorwürfe, denn es gibt auch eine Position von Betriebsärzten und Gewerkschaft, die sich psychischen Belastungen zuwendet.

Es handelt sich hier also um Positionen zu unterschiedlichen Bereichen:

  • Mitarbeiter mit psychischen Problemen: BDA und VDBW widmen sich psychische erkrankten Beschäftigten in den Betrieben, die gerne auch als “auffällige” Mitarbeiter bezeichnet werden. Hier wird ein Modell der Salzgitter AG beworben. Anja Grocholewski beschreibt das in „Drei unter einem Dach“ – Das IV-Konzept von TU Braunschweig, BKK Salzgitter und Salzgitter-AG für Mitarbeiter mit psychischen Problemen. Jahrbuch 2012 “Psychiatrie in Niedersachsen”. “IV” steht dabei für “integriertes Versorgungskonzept”. Der Schwerpunkt liegt auf der Verhaltensprävention und der Versorgung bereits erkrankter Mitarbeiter. (Da entsteht natürlich Neugier, mit was für einer Betriebsvereinbarung der Betriebsrat der Salzgitter AG den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz geregelt hat.) Arbeitgeber kamen mit der fürsoglichen Zuwendung zu einzelnen und als erkrankt darstellbaren Mitarbeitern bisher besser zurecht, als mit der gesetzlich vorgeschriebenen Verhältnisprävention.
  • Psychische Probleme verursachende Arbeitsplätze: Gewerkschaft und VDBW widmen sich psychischen Belastungen, also “auffälligen” Arbeitsplätzen. Hier empfehle ich, von der SICK AG zu lernen. Die Verhältnisprävention kommt hier nicht zu kurz. Für viele Arbeitgeber ist dieser Ansatz immer noch ungewohnt. Die SICK AG gehört eher zu der kleinen Gruppe fortschrittlicher Arbeitgeber.


Das Schweigen der Betriebsärzte

Die BDA weiß, dass die Mehrheit ihrer Mitglieder gegen die Bestimmungen des Arbeitsschutzes verstößt. Seit 2005 fällt es schwer, das noch als Versehen zu entschuldigen. Vor diesem Hintergrund wird ein Glaubwürdigkeitproblem von Arbeitgebern (z.B. BDA Geschäftsfüherer Alexander Gunkel) und Betriebsärzten (z.B. Bernhard Koch, Betriebsarzt der Salzgitter AG) deutlich. In einem dpa-Artikel Die Seele kann im Rücken und im Magen wehtun schreibt Anita Pöhlig (2012-02-09):

… Die Salzgitter AG mit rund 25 000 Beschäftigten hat bereits reagiert. «Wir hatten schon immer ein Projekt für Muskel- und Skelettprobleme. In den vergangenen Jahren gab es eine wachsende Anzahl von Mitarbeitern, denen wir trotz guter Physiotherapie und Sportangeboten nicht helfen konnten, das hat unser Interesse geweckt», sagt Betriebsarzt Bernhard Koch. Schnell sei klar geworden, das psychische Probleme dahinter stehen.

Bei Vorsorgeuntersuchungen versuchen Koch und seine sieben Kollegen nun, mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen. Typische Beschwerden wie Schlafstörungen oder Gereiztheit werden abgefragt und wie es mit dem persönlichen Eindruck der Leistungsfähigkeit stehe. …

“Typische Beschwerden wie Schlafstörungen oder Gereiztheit werden abgefragt und wie es mit dem persönlichen Eindruck der Leistungsfähigkeit stehe.” Ohne den von den Arbeitnehmern mitbestimmten Einbezug der psychischen belastungen in den Arbeitsschutz ist diese Art von fürsorglicher Belagerung ein die Mitarbeiter noch zusätzlich gefährdender Angriff auf ihre Persönlichkeit und ihre Rechte. Betriebsärzte sind ein Teil des Problems, wenn sie den Beschäftigten mit Vorsorgeuntersuchungen zu Leibe rücken, aber nicht eingreifen, wenn Arbeitgeber ganz offen die Pflicht zur Verhältnisprävention (d.h. zur an den Arbeitsbedingungen ansetzenden Vorsorge) vernachlässigen. Es ist eine verkehrte Welt: Ausgerechnet Ärzte trugen seit 1996 mit ihrer Toleranz gegenüber dem Rechtsbruch der Mehrheit der Arbeitgeber dazu bei, dass die Unternehmen den Arbeitsschutz ungestraft missachten durften. Das Schweigen der Betriebsärzte verletzte die von ihnen betreuten Mitarbeiter. Und heute helfen noch zu viele Betriebsärzte den Unternehmen, die Verhaltensprävention über die Verhältnisprävention zu stellen und damit den ganzheitlichen Arbeitsschutz zu unterlaufen.

Ratschlag an Arbeitnehmer vor dem Besuch beim Betriebsarzt: Trauen sie keinem Arzt, der nicht mit Ihnen zusammen überprüft, ob es zu ihrem Arbeitsplatz eine ordentlich und mitbestimmt erarbeitete Gefährdungsbeurteilung gibt. Das ist nicht vertraulich, denn es geht nicht um ihr persönliches Seelenleben, sondern um Ihre Arbeitsbedingungen. Darum können Sie sich bei der Diskussion der Gefährdungsbeurteilung von einem Betriebsratsmitglied begleiten lassen.

 
Gemeinsame Positionen vom VDBW mit …

Wie geht das mit der Rente mit 67?

Mittwoch, 18. Januar 2012 - 23:55

Auf arbeitstattstress.de weise ich immer wieder gerne hin:

http://www.arbeitstattstress.de/2012/01/wie-geht-das-mit-der-rente-mit-67/

15. Januar 2012

Heute konnte ich während einer längeren Zugfahrt per Podcast eine interessante Diskussion in der Reihe SWR 2 Forum verfolgen: Nach oben offen – Wie können wir im Alter länger arbeiten?
Zwei Journalistinnen und ein Sozialwissenschaftler diskutierten, unter welchen Umständen die Rente ab 67 zu realisieren ist. …

Wissen alte Mitarbeiter schon zu viel?

Mittwoch, 4. Januar 2012 - 23:50

So richtig freiwillig bemühen wir uns ja nicht gerade, die Menschen bis zu einem Alter von 67 arbeiten zu lassen. Da das aber “alternativlos” ist, entdecken wir wieder die Leistungsfähigkeit, die Erfahrung, die Zuverlässigkeit usw. der älteren Kollegen. Wieso meinen trotzdem so viele Menschen, dass sie im wirklichen Leben wohl kaum bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze arbeiten werden?

Warum eigentlich wird selten über die folgenden zwei Fragen gesprochen?

  • Ältere Mitarbeiter haben viel Erfahrung. Aber ist das immer erwünscht?
  • Wen kann ich leichter mit welchen Zukunftsaussichten “bezahlen”? Die jüngeren oder die älteren Mitarbeiter?

 
Noch ein Lesetipp: http://www.arbeitstattstress.de/tag/demographie/

Frührente wegen Überlastung

Donnerstag, 29. Dezember 2011 - 07:45

http://www.wdr5.de/sendungen/echo-des-tages/s/d/28.12.2011-18.30.html

… Die psychische Belastung der Beschäftigten hat inzwischen derart große Ausmaße angenommen, dass selbst die Politik sie zur Kenntnis nehmen muss. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will im kommenden Jahr eine Kommission mit der Aufgabe betrauen, Maßnahmen gegen die psychische Überlastung im Beruf zu entwickeln. Nach ihren Angaben scheidet jeder dritte Frührentner deshalb aus dem Erwerbsleben aus. Mit der Verlängerung der Lebensarbeitszeit um zwei Jahre, die im kommenden Jahr beginnt, wird sich das Problem eher noch vergrößern. …

… Wer mit 50 oder 60 aus gesundheitlichen Gründen erwerbsunfähig wird, muss Abstriche von über 10 % in Kauf nehmen. Heute erhält ein Neurentner im Schnitt um die 800 € pro Monat, Frauen um die 500 €. Wenn davon dann ein Zehntel und mehr abgezogen wird, bleibt nicht mehr viel übrig. Damit ist die Armut im Alter programmiert. Sie bedroht vor allem die Bezieher von Erwerbsminderungsrenten. Davor warnen Gewerkschaften und Sozialverbände schon seit langem. Bisher leider ungehört.

Jeder zweite geht in Frührente

Mittwoch, 28. Dezember 2011 - 07:07

http://www.google.de/search?q=2010+Jeder-zweite-geht-in-Frührente

Die Süddeutsche Zeitung fasste es heute zusammen: 2010 gingen 674000 Versicherte erstmals in die Altersrente. 47,5 Prozent der Versicherten wurde also die Rente gekürzt, weil sie sich vor Erreichen der Regelaltersgrenze zur Ruhe setzten. Im Jahr 2005 waren es noch 41,2 Prozent, im Jahr 2000 nur 14,5 Prozent.

Währenddessen wird in irgendeinem Paralleluniversum von Rente mit 67 gesprochen.

Psychische Belastung am Arbeitsplatz dürfen nicht zu Rentenkürzungen führen

Mittwoch, 21. Dezember 2011 - 10:27

http://www.seknews.de/2011/12/19/afa-bezirkskonferenz-olaf-schussler-wiedergewahlt/#more-41520

Arbeit darf nicht krank machen, lautete das zentrale Anliegen der diesjährigen AfA-Bezirkskonferenz in Eichenzell-Löschenrod im Kreis Fulda. Die Verwirklichung humaner Arbeitsbedingungen sei ein Kernanliegen der SPD und vor allem der AfA. Dem steigenden Arbeits- und Leistungsdruck in den Betrieben durch Umstrukturierung, Leistungsverdichtungen und rigidere Kontrollmechanismen müsse entschieden entgegengewirkt werden, forderte die Konferenz in zahlreichen Anträgen.

Harsche Kritik hagelte es vor allem an der Rente mit 67. Die beiden Gastredner, der Gesundheitspolitiker und Bundestagsabgeordnete Dr. Edgar Franke sowie der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Nordhessen und Bundestagsabgeordnete Ullrich Meßmer hielten es für dringend erforderlich, dass neben dem Einstieg in Arbeitsleben ein verstärktes Augenmerk darauf gelegt werde, dass die Menschen auch gesund aus einem langen Arbeitsleben ausscheiden. Schichtdienst, physische und psychische Belastung am Arbeitsplatz dürften nicht zu Rentenkürzungen führen, weil die Arbeitnehmer gar nicht bis 67 durchhalten können. Es müsse aber auch dringend eine Humanisierung der Arbeitsbedingungen erfolgen.