Grundsätze; Beurteilung der Arbeitsbedingungen
(§§ 4 und 5 ArbSchG)

Mittwoch, 2. Oktober 2013 - 07:05

http://www.bundesrat.de/cln_227/SharedDocs/TO/906/erl/26,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/26.pdf
(Punkt 26 zur 906. Sitzung):

[...] Durch zwei Änderungen im Arbeitsschutzgesetz soll klargestellt werden, dass sich die Gefährdungsbeurteilung auch auf psychische Belastungen bei der Arbeit bezieht und der Gesundheitsbegriff neben der physischen auch die psychische Gesundheit der Beschäftigten umfasst. [...]

Auszug aus dem nun verständlicher gewordenen Arbeitsschutzgesetz:

§ 4 – Allgemeine Grundsätze

Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

  1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
  2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
  3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
  4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
  5. individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
  6. spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen;
  7. den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
  8. mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.

§ 5 – Beurteilung der Arbeitsbedingungen

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

  1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
  2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
  3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
  4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
  5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
  6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

So weit der Auszug aus der kürzlich vom Bundestag nachgebesserten Version des Arbeitsschutzgesetzes, die wohl spätestens im Jahr 2014 in Kraft treten wird. Abs. 3 Punkt 6 ist nach Aussage des BMAS nur eine Klarstellung bereits bestehenden Rechts. Dass das eine Klarstellung ist, ergibt sich u.A. bereits im Jahr 2009 aus der Antwort des Bundestages auf eine Petition:

[...] Das BMAS [führt] im Wesentlichen aus, dass es die Auffassung des Petenten teile, dass das Thema Psychischen Belastungen unabdingbarer Bestandteil des Arbeitsschutzes sei. [...]

Dass das neue Arbeitsschutzgesetz keine neue Regeln einführt, sondern nur bestehende Regeln klarstellt, wird auch von den Arbeitgebern bestätigt:

[... es gilt,] dass der Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung auch zu prüfen hat, ob eine Gefährdung durch psychische Belastung besteht.

Zur Klarstellung dieses bereits heute geltenden Grundsatzes soll das ArbSchG in § 5 Abs. 3 Nr. 6 künftig ausdrücklich um den Gefährdungsfaktor „psychische Belastungen bei der Arbeit“ ergänzt werden. Der Bundestag hat den entsprechenden Gesetzentwurf am 27. Juni 2013 verabschiedet. [...]

Auch die Begründung der Gesetzesänderung stellte die Klarstellung klar:

[...] Die Regelung dient der Klarstellung hinsichtlich der Gefährdungsfaktoren, die bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden müssen. Die Anpassung zielt darauf ab, das Bewusstsein der Arbeitgeber für psychische Belastungen bei der Arbeit zu schärfen, die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung in der Praxis weiter zu steigern und dabei das Augenmerk vor allem auch auf die Berücksichtigung von psychischen Belastungen zurichten. Durch die Formulierung „bei der Arbeit“ wird deutlich gemacht, dass die Klarstellung nicht bezweckt, den Gesundheitszustand der Beschäftigten generell im Hinblick auf alle Lebensumstände zu verbessern. Schutzmaßnahmen werden dem Arbeitgeber weiterhin nur insoweit abverlangt, als Gefährdungen für die physische oder die psychische Gesundheit der Beschäftigten durch die Arbeit auftreten. [...]

Nachtrag (2013-10-09) aus arbeitstattstress.de: http://www.arbeitstattstress.de/2013/09/psychische-belastungen-in-der-gefaehrdungsbeurteilung/

“Gefährdungsbeurteilung zu psychischen Belastungen ist nun Pflicht” titelt das online-Fachmagazin SIFATipp in einem Artikel, der heute erschienen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob die schreibenden Kollegen hier irren. Denn die Analyse der psychischen Belastungen war schon immer Bestandteil einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung, wie z. B. ein Blick in die BGI/GUV-I 8700 (pdf) zeigt (Kap. 3.10). Und da die umfassende Gefährdungsbeurteilung immer schon Pflicht war, war es auch die Beurteilung psychischer Belastungen.


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