Schlagwort 'Selbstausbeutung'

Interessierte Selbstgefährdung

Mittwoch, 11. November 2015 - 06:36

Klaus Peters, Indirekte Steuerung und interessierte Selbstgefährdung. Eine 180-Grad-Wende bei der betrieblichen Gesundheitsförderung in:
Nick Kratzer, Wolfgang Dunkel, Karina Becker, Stephan Hinrichs (Hrsg.)
Arbeit und Gesundheit im Konflikt, Seite 105 – 122
Analysen und Ansätze für ein partizipatives Gesundheitsmanagement
1. Auflage 2011,
ISBN print: 978-3-8360-3580-4, ISBN online: 978-3-8452-7123-1,
DOI: 10.5771/9783845271231-105

Kapitelvorschau (http://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783845271231-105/indirekte-steuerung-und-interessierte-selbstgefaehrdung-eine-180-grad-wende-bei-der-betrieblichen-gesundheitsfoerderung):

[...] Man kennt es von Freiberuflern und so genannten Existenzgründern: Wenn der eigene Erfolg gefährdet ist oder einmalige Chancen winken, wird ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit gearbeitet. Neuen Managementmethoden gelingt es, die Leistungsdynamik von Selbstständigen in unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse zu importieren. Darum kommt es auch bei Arbeitnehmern zu interessierter Selbstgefährdung – mit weitreichenden Folgen für das betriebliche Gesundheitsmanagement. [...]

[...] Den zunehmenden psychischen Belastungen bei der Arbeit ist es ähnlich ergangen wie dem Klimawandel: Der Streit darüber, ob es eine solche Entwicklung überhaupt gebe, hat lange Zeit Energie absorbiert, die für die Arbeit an einer lösung der neuartigen Probleme dringend benötigt worden wäre. Inzwischen ist die Entwicklung so weit fortgeschritten , dass die Leugner, die sich hier wie dort als Dramatisierungsgegner, Antihysteriker und Katastrophismuskritiker in Szene gesetzt hatten, unter nachhutgefechten zurückziehen und der Streit im Wesentlichen entschieden zu sein scheint.
        Wenn es denn wahr ist, dass die psychischen Belastungen bei der Arbeit dramatisch zunehmen, dann sollte man jetzt ein zweites Vermeidungsmanöver vermeiden und nicht die Größenordnung der Herausforderung herunterspielen. [...]

Der kostenpflichtige Zugang zum Volltext wird auf der Website von Nomos erklärt.
 

Nach meinem Eindruck sind wir nicht nicht sehr viel weiter, als im Jahr 2011.

Abgehängter Arbeitsschutz

Samstag, 20. Juli 2013 - 14:20

In http://www.arbeitstattstress.de/2012/06/gesundheitsvorsorge-im-betrieb/ fragte Stephan List vor einem Jahr zum Thema betriebliches Gesundheitsmanagement:

… Warum ist dieses Thema eigentlich nicht bei der Arbeitssicherheit “aufgehängt”? Haben sich die Sicherheitsfachkräfte da “abhängen” lassen, freiwillig oder unfreiwillig? …

Die Frage müsste häufiger gestellt werden. Parallel dazu versucht das FDP-geführte Wirtschaftsministerium mit Werbung für die betriebliche Gesundheitsförderung und einem Präventionsförderungsgesetz das CDU-geführte Ministerium für Arbeit (usw.) abzuhängen, das wohl noch immer nicht weiß, wie man die Vorschriften für den Arbeits- und Gesundheitsschutz auch wirklich durchsetzt.

Selbst Ursula von Leyen zufolge hält sich nur ein Drittel der Unternehmen in Deutschland an die Vorschriften des ganzheitlichen Arbeitsschutzes, aber – wie List berichtet – einer Studie von EuPD Research zum betrieblichen Gesundheitsmanagement (hier wird auf Haufe Bezug genommen) zufolge wollen drei Viertel der befragten Betrieben bereits ein betriebliches Gesundheitsmanagement eingeführt haben. Gesundheitsmanagement hat ja auch einfach mehr Sex als die dröge Arbeitssicherheit und der anspruchsvolle Arbeitsschutz mit seinem (so behauptet es zumindest die Bundesarbeitsministerin) “knallharten Strafkatalog”. Aus diesem Katalog ist allerdings wohl noch keines der Unternehmen, die den Einbezug psychischer Belastungen in ihren Arbeitsschutz ausbremsen dürfen, bestraft worden. Der Katalog ist ein Popanz.

Nach meinem Eindruck dominiert im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) die bei Arbeitgebern beliebtere Verhaltensprävention, mit der sich Unternehmen dann vorzeigbar fürsorglich den einzelnen Mitarbeitern widmen können. Netterweise werden dabei auch gerne außerbetriebliche Probleme der Mitarbeiter angesprochen, damit deutlich gezeigt werden kann, dass psychische Erkrankungen nicht nur durch fehlbelastende Arbeitsplätze entstehen.

Zum Geschäft des Gesundheitsmanagements passt, dass für die Zertifizierung von Gesundheitsmanagementsystemen jetzt nach Standards wie die DIN SPEC 91020 geworben wird. Der Standard entstand im PAS-Verkahren, also ohne den bei anständigen Normen besser gesicherten Konsens der von dem Standard betroffenen Interessenten. Bevor die Show mit dem Gesundheitsmanagement startet, müssen die Arbeitgeber ihre Hausaufgaben doch erst einmal im Arbeits- und Gesundheitsschutz machen.

Im Gesundheitsmanagement und in der Gesundheitsförderung dominiert die Verhaltensprävention, obwohl die Regeln des modernen Arbeitsschutzes seit 1996 der Verhältnisprävention den Vorrang geben, bei der man Probleme im Bereich der von den Arbeitsbedingungen ausgehenden psychischen Belastungen nicht so einfach in die “Eigenverantwortung” und “Eigenvorsorge” der Arbeitnehmer abschieben kann, die sich dann auch noch selbst gegen die Selbstausbeutung wehren sollen, die von ihnen erwartet wird.

Die korrekte Maßnahmenhierarchie schmeckt vielen Arbeitgebern nicht. Mit den verkehrten Prioritäten in ihrem Gesundheitsmanagement, in dem der Arbeitsschutz und somit die Arbeitsschützer nur eine Nebenrolle spielen, lässt sich dann das werbewirksame Employer Branding viel einfacher betreiben. Die Regeln des Arbeitsschutzes ziehen dabei dann nicht mehr so viel Aufmerksamkeit auf sich.

Selbstausbeutung macht Spaß!

Donnerstag, 25. Oktober 2012 - 07:00


DIE ZEIT, 2012-10-25

http://www.zeit.de/administratives/2012-10/die-zeit

Titel auf der ersten Seite:

Was die Arbeitswelt aus uns macht

Bespaßen und quälen – viele Chefs lieben es, ihre Leute ganz für sich einzuspannen. Aber gute Mitarbeiter brauchen etwas anderes: Abstand

WIRTSCHAFT SEITE 21-23

 
S. 21-23:

Bespaßt und gequält

Wie deutsche Unternehmen ihren Beschäftigten eintrichtern: Selbstausbeutung macht Spaß!

VON AMRAI COEN UND THOMAS FISCHERMANN

Das Lied vom Chemiewerk

Geht es besser mit Musik?
Charly Glass [im Gespräch mit THOMAS FISCHERMANN], Deutschlands führender Komponist von Firmenhymnen, über Ohrwürmer, Floskeln und Zynismus

Anleitung zum Schweinsein

Der ehemalige Aldi-Manager und Buchautor ANDREAS STRAUB erklärt mit einem gehörigen Schuss Sarkasmus, wie man Mitarbeiter effizient unter Druck setzt und rausschmeißt

Erschöpfungszustände aus historischer Perspektive

Samstag, 28. Juli 2012 - 21:47

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/burnout-stress-und-nervenkrisen/-/id=660374/nid=660374/did=9902260/no1fb2/

SWR2 Wissen: Aula Burnout, Stress und Nervenkrisen

Erschöpfungszustände aus historischer Perspektive

Sendung am Sonntag, 29.7. | 8.30 Uhr | SWR2

Von Wolfgang U. Eckart

Burnout ist die Krankheit unserer Zeit, sie ist Symptom einer zur Spitze getriebenen Form der Selbstoptimierung und Selbstausbeutung. Das Phänomen nimmt ständig zu, immer mehr Menschen fühlen sich ausgebrannt und nicht mehr leistungsfähig, und in jedem größeren Unternehmen ist das schon zum wichtigen Thema geworden. Die Frage ist: Wie sah das in der Vergangenheit aus, gab es da auch schon eine ähnliche Diagnose, ähnliche Symptome? Antworten gibt Professor Wolfgang U. Eckart, Medizinhistoriker an der Universität Heidelberg.

Selbstmanagement und Skate Schuhe

Dienstag, 13. März 2012 - 17:52

http://www.lifestyle-experte.de/2012/03/ und http://www.lifestyle-experte.de/2012/02/


March 12th, 2012
Selbstmanagement – selbstverständlich oder eine Zumutung?

… Fakt ist, dass das Leben früher einfacher strukturiert und leichter zu organisieren war.

Ein Grund hierfür ist, dass unsere heutige Jugend von der Konsumwelt dermaßen beeinflusst wird, dass es ihr zum Teil sehr schwer fällt, ihr Leben vorteilhaft zu organisieren. Damals brauchte man kein Coaching um einen gesunden Ausgleich zwischen Arbeit und Vergnügen zu schaffen. Heute sind nicht nur Kinder und Jugendliche mit dieser Aufgabe überfordert, sondern auch eine Menge Erwachsener. Wie sollte es auch anders sein, wenn es auf dem Weg ins Erwachsenenleben kein Coaching zur Selbstorganisation gegeben hat? Unsere Bevölkerung muss sich überlegen, wie sie durch individuelles Selbstmanagement zu einem Weg findet, der ein erfolgreiches und glückliches Leben ermöglicht.

February 22nd, 2012
Skate Schuhe – Was man beim Kauf beachten sollte

Skate Schuhe sind meist besonders robust konstruierte und mit speziellen Features versehen Sneaker, die man von normalen Alltags- und Turnschuhen kaum unterscheiden kann. Das ist ein Grund dafür, warum man beim Kauf eines Skate Schuhs genau hinsehen und sich gut über die Eigenschaften des Sneakers informieren sollte. Auf welche Punkte genau man achten muss, verraten wir im Folgenden. …

Man hat ja sonst keine Probleme. Wir sind jetzt so weit, dass einem von einem Lifestyle-Experten für das alltägliche Leben Coaching für ein individuelles Selbstmanagement verkauft werden soll.

Noch etwas zur Selbstorganisation: http://www.arbeitstattstress.de/2011/11/schutz-vor-selbst-ausbeutung/

Betrieblich statt individuell

Freitag, 14. Oktober 2011 - 13:45

http://www.gea.de/region+reutlingen/tuebingen/
was+tun+gegen+psychische+erkrankungen+im+job+
.2237063.d_gea_mobil_article_detail.htm

12.10.2011
Arbeitsleben – Die Zunahme psychischer Erkrankungen erfordert ein Umsteuern in den Betrieben
Tübingen
Was tun gegen psychische Erkrankungen im Job?

Von Martin Schreier
 
TÜBINGEN. Es ist immer noch ein bisschen tabu, aber fast auch schon eine Binsenweisheit: Die Anzahl diagnostizierter psychischer Erkrankungen nimmt zu. Jeder zehnte Fehltag in Betrieben geht auf psychische Erkrankungen zurück, sagt Rüdiger Weckmann beim Diskussionsplenum der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft im Landkreis Tübingen (PSAG) anlässlich des Welttags der seelischen Gesundheit. …

… Zwar hätten Führungskräfte traditionell darauf zu achten, dass die Beschäftigten keinen Raubbau an ihrer Arbeitskraft betreiben. Allerdings zögen sie sich zunehmend aus dieser Fürsorgepflicht zurück, weil sie oftmals selbst keine Grenzen für ihre Selbstausbeutung kennen oder achten.

Wenn es um Lösungen geht, plädiert Weckmann für einen systemischen Ansatz, der den Arbeitgeber in die Pflicht nimmt. Zwar kann jeder Arbeitnehmer für sich individuelle Lösungen im Gesundheitswesen finden. Wirkungsvoller sei aber, die Situation in den Betrieben zu ändern. Bislang beschränke sich das Augenmerk der Betriebe weitgehend auf körperliche Belastungen.

Als konkrete Maßnahme schlägt Weckmann deshalb vor, die Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen in die betriebliche Gesundheitsberichterstattung aufzunehmen. Wenn der Arbeitgeber nicht selbst aktiv werde, könne der Betriebsrat jederzeit eine Gefährdungsanalyse, die auch psychosoziale Risiken einbezieht, verlangen. …

Siehe auch: http://www.arbeitstattstress.de/2011/11/schutz-vor-selbst-ausbeutung/

“Meine Arbeit als Projektleiterin”

Dienstag, 19. Juli 2011 - 20:27

Anina Mischau, Mechthild Oechsle: Arbeitszeit – Familienzeit – Lebenszeit: verlieren wir die Balance?, Zeitschrift für Familienforschung, Heft 5, 2005, ISBN 978-3-8100-4167-8

Das Buch untersucht, wie die Work-Life-Balance sich verändert hat, welche Zeitstrukturen unser Leben bestimmen. Die Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Wandel und mit ihr die Koordinaten alltäglicher Lebensführung. Veränderte Muster von Arbeitsorganisation und neue Formen unternehmerischer Steuerung führen zu einer Entgrenzung von Arbeit, die auch das Verhältnis von Arbeit, Familie und Lebensführung tiefgreifend verändert und Familien wie Individuen mit neuen Anforderungen konfrontiert. Das Buch untersucht aus verschiedenen Perspektiven, wie sich Zeitstrukturen ändern und die Balance von Arbeit und Leben beeinflussen und fragt nach Gestaltungsmöglichkeiten in Erwerbsarbeit, Familie und Kommune.

Besonders möchte ich auf den folgenden Beitrag in dem Buch hinweisen (darin wiederum ab S. 175, Bericht einer Projektleiterin bei IBM, 1997): Wilfried Glissmann: Die neue Selbstständigkeit in der Arbeit: Wie können Arnbeitnehmer unter diesen Bedingungen ihre Interessen erkennen und durchsetzen?

Siehe auch: https://www.google.de/search?q=Wilfried+Glissmann+IBM+Betriebsrat

In “Meine Zeit ist mein Leben!” geht Stephan Siemens auf den Bericht “Meine Arbeit als Projektleiterin” ein: http://www.club-dialektik.de/Texte:Meine_Zeit_ist_mein_Leben.

Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen

Freitag, 12. März 2010 - 20:14


erschöpfende Belastung

Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen
(2008)
Quelle der folgenden Einführung: Tom Levold, systemmagazin.de, 2009-05-20

Eine Arbeitsgruppe um Rolf Haubl vom Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt und Günter Voß von der TU Chemnitz hat im Auftrag der DGSv ausgewählte SupervisorInnen nach ihren Einschätzungen gegenwärtigen Veränderungen von Arbeitsbedingungen in Organisation befragt. SupervisorInnen werden als “kritische Zeitzeugen” angesehen, die einen berufsspezifischen privilegierten Zugang zu den “Hinterbühnen” von Organisationen haben und daher besser als viele Außenstehende organisationale Wirklichkeiten beurteilen können. Die 8-seitige Dokumentation dieser Befragung ist für 5,- € bei der kassel university press erhältlich, kann aber auch im Internet kostenlos als PDF geladen werden.

Das Fazit der Befragung: »Die befragten Supervisor/innen sind sich darin einig, dass sich zunehmend mehr Beschäftigte einer beschleunigten Dynamisierung und Ausdünnung von Orientierung gebenden Strukturen ausgesetzt erleben. Was den Beschäftigten als “Freiheit” versprochen wird, erweist sich bei genauerem Hinsehen als höchst ambivalente Selbstverantwortlichkeit.

Bei allen Unterschieden im Einzelnen entwerfen die Supervisor/innen doch ein bemerkenswert ähnliches Bild einer tief greifenden Krise: Sie stellen vor allem heraus, dass der Druck sachlich, vor allem aber ökonomisch ununterbrochen hoch effizient sein zu müssen, weithin erheblich zunimmt und die psychophysischen Kräfte vieler Beschäftigter verschleißt. Insbesondere ist es die Anforderung, kontinuierlich innovativ sein zu müssen, die schnell überfordert.

Unter diesen Bedingungen entstehen nur selten nachhaltige Problemlösungen. Oft sind im Gegenteil die Qualität und Professionalität der Arbeit gefährdet, was sich nicht wenige Beschäftigte als eigenes Versagen zuschreiben. Auffällig ist, dass angesichts des ständigen Wandels ein drängender Bedarf nach verantwortlicher und unterstützender Führung besteht, betriebliche Vorgesetzte sich dem aber oft nicht gewachsen zeigen. Sie verstehen sich primär als hart drängende Change-Agents, die den auf sie einwirkenden ökonomischen Druck nach unten weitergeben und ihre Mitarbeiter/innen mit den Folgen weitgehend allein lassen.

Dass unter all dem Kollegialität leidet und die Einzelnen in ganz neuer Quantität und Qualität ihre Arbeit als erschöpfende Belastung erleben, wundert daher nicht. Die Beschäftigten stehen vor der Aufgabe, aktiv Selbstfürsorge zu betreiben, womit aber nicht wenige von ihnen überfordert zu sein scheinen. Nicht zuletzt ist es das Verhältnis von Berufstätigkeit und Privatsphäre, das in Mitleidenschaft gezogen wird. Die modische Rede von der Work-Life-Balance zeigt das Problem zwar an, trägt aber kaum etwas zu seiner Lösung bei.

Inhalt:

Ziel und Hintergrund der Befragung
Methodische Anmerkungen
Ergebnisse
  Effizienz
  Innovation und Veränderung
  Qualität
  Professionalität
  Führung
  Kollegialität
  Belastung
  Selbstfürsorge
Fazit
Ausblick

 
Siehe auch: