Archiv für Oktober, 2012

Eine Pressemeldung, die es nie gab

Dienstag, 23. Oktober 2012 - 01:27

Diese Erweiterung von Positionen mehrerer Firmen zum Gesundheitsmanagement ist mir vielleicht zu phantasievoll geraten :-)

Die Gesundheit der Mitarbeiter und ihre Arbeitsfähigkeit ist von entscheidender Bedeutung für die Leistung und den Erfolg von Unternehmen. Gesunde Mitarbeiter, die sich in ihrem Arbeitsumfeld wohlfühlen und gesund sind, sind motivierter und leistungsfähiger. Darum haben wir in unserem Unternehmen eine erhöhte Aufmerksamkeit in Unternehmen dafür entwickelt, Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu fördern und Krankheit zu verhindern.

Gesundheitsmanagement ist im breiteren Sinne zu verstehen: die Prävention von Unfällen und arbeitsbedingter Krankheit müssen über die gesetzlichen Vorschriften und arbeitsmedizinischen Vorschriften hinausreichen, ohne allerdings dabei zu vergessen, wenigstens die gesetzlichen Vorschriften selbst schon einmal ausreichend zu beachten. Unternehmen müssen auch präventiv-medizinische Handlungsfelder der Gesundheitsförderung identifizieren und sich selbst zu Aktivitäten für Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz verpflichten.

Wir brauchen Organisationsstrukturen, in denen zielgerichtet Maßnahmen entwickelt werden und die die notwendige Management-Aufmerksamkeit und -Promotion erhalten, damit das Gesundheitsmanagement in Unternehmen gefördert wird. Wir werden dabei aber den Arbeitsschutz nicht im Gesundheitsmanagement marginalisieren. Arbeitsschutz ist mehr, als nur die möglichst kostengünstige Abwehr von Haftung.

Gesundheitsbewusstsein und -förderung ist ein integraler Bestandteil von Personalführung. Gesunde Führung umfasst dabei nicht nur die unmittelbare Führung von Menschen, sondern im Bereich des Arbeitsschutzes auch die Mitbestimmung durch die Mitarbeiter bei der Gestaltung von Führungsstrukturen und Organisationen.

Gesundheit muss in vielen Unternehmen erst noch zu einem Thema für Mitarbeiter (Selbstverpflichtung) und Führungskräfte (Führungsverpflichtung) gemacht werden, in unserem Unternehmen waren es jedoch die Mitarbeiter selbst, die beim von uns bisher vernachlässigten Themenfeld der psychischen Belastungen die Initiative übernahmen: Der Betriebsrat machte die Unternehmensführung auf die Notwendigkeit aufmerksam, auch die psychische Gesundheit und und das seelische Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu fördern. Obwohl wir schon vor zehn Jahren psychische Belastungen im Handbuch unseres Arbeitsschutzmanagementsystems wenigstens erwähnten, gab es dazu bis heute entgegen den Vorschriften des Arbeitsschutzes beispielsweise keine Pflichtunterweisungen.

Dank der Initiative unseres Betriebsrates wird der Kulturwandel in unserem Unternehmen jedoch so gefördert, dass ein mitbestimmter ganzheitlicher Arbeitsschutz möglich wird. Wir haben verstanden, dass die in OHSAS 18001 geforderte Kommunikation sich nicht auf eine Kommunikation von oben nach unten beschränkt und halten es deshalb auch nicht für anmaßend, dass Mitarbeiter mitbestimmen wollen, wenn es um ihre eigene Gesundheit sowie um die Beurteilung ihrer Leistungs- und Arbeitsbedingungen geht. In diesem Bereich werden wir nun zuerst unsere Hausaufgaben machen und nach einer Wartezeit von vielen Jahren unserer unternehmerischen Verantwortung gerecht werden.

Besonders wichtig ist Aufmerksamkeit und Unterstützung durch das Top-Management, um die Relevanz des Themas “gesunde Unternehmen” im mittleren Management und bei den Mitarbeitern zu verdeutlichen. Das Top-Management ist darauf gut vorbereitet, denn ihm ist das Thema schon seit Jahren dank der ihm gewährten persönlichen Trainer bekannt.

Arbeit stressiger als private Belastungen

Sonntag, 21. Oktober 2012 - 10:37

Dass das Berufsleben stressiger ist, als das Privatleben, ist schon länger bekannt. Das bestätigt jetzt auch eine Umfrage von MindMetre, die im Auftrag des großen Bürodienstleisters Regus durchgeführt wurde: 61 Prozent der Deutschen fühlen sich mehr durch Arbeit gestresst als durch ihr Privatleben. Finanzielle Sorgen bereiten 25 Prozent der Deutschen die größten privaten Sorgen. Weltweit gilt das sogar für 44 Prozent der 16000 befragten Menschen.

Mit “Arbeitsalltag stresst mehr als private Sorgen” setzen die deutschen Medien u.A. basierend auf einer DHL-Meldung den Schwerpunkt ein bisschen anders, als die Regus-Pressemeldung. Regus gibt außerdem die üblichen langweiligen Tipps zur individuellen Stressbewältigung. Auch bei diesem Unternehmen ist also der über 15 Jahre alte ganzheitliche Arbeitsschutz noch nicht angekommen.

Als bedeutenden Stressfaktor in der Arbeitswelt sieht Regus insbesondere die “Finanzkrise”. Ist diese so genannte Finanzkrise aber nicht so sehr die Ursache der Überbelastung der Menschen, sondern vor Allem auch die Folge der Überlastung unseres Systems des Wirtschaftens?

Mit seiner Untersuchung will Regus die Idee verkaufen, dass Flexibilisierung der Büroarbeit Stress reduziert. Nicht unzufälligerweise bietet Regus dabei Hilfe an. Auf Englisch gibt es von Regus ein “Stress Whitepaper” vom August 2012.

Siehe auch bei Regus: White Papers

Bizarre Bewunderung für Chinas Führer

Samstag, 20. Oktober 2012 - 23:15

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/chinas-wirtschaft-der-kommunismus-ist-tot-die-diktatur-lebt-1.1501453

… Anschaulich zu besichtigen war die devote Haltung bei dem Besuch Angela Merkels bei ihrem Amtskollegen Wen Jiabao im August. Selbst nach ausdrücklicher Bitte von Wen und Merkel, die anwesenden Unternehmer möchten doch ihre Probleme vortragen, fand Wortführer Siemens-Chef Peter Löscher lediglich Dankesworte für den Gastgeber, das Abtauchen der Topmanager irritierte sogar Premier Wen. Erstaunlich oft gehen westliche Manager noch einen Schritt weiter und ergehen sich in bizarrer Bewunderung für Chinas Führer.

Wandel durch Handel? Es wäre schon viel, wenn die Unternehmer in China die Augen aufmachten und genau hinsähen, was um sie herum geschieht. …

Die von Kai Strittmatter angemessenerweise im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung beschriebene devote Haltung deutscher Unternehmensführer hatte ich in China schon vor 20 Jahren miterleben können. Die bizarre Bewunderung für Chinas Führer und der Neid auf deren durch schwache Gewerkschaften unbehinderte Handlungsmöglichkeiten hat sich bis heute erhalten. Deutsche Führungskräfte lernt man am besten dort kennen, wo sie das deutsche Recht nicht bremst.

Mein Interesse am Arbeitsschutz wurde übrigens im Jahr 1992 in China geweckt, als ich selbst dort erleben konnte, wie ein deutscher Unternehmer in China die Augen zumachte und genau wegsah, als es um die Asbestbelastung in einem seiner Betriebe in Schanghai ging.

Gefälligkeitsaudidts machen Arbeitnehmer schutzlos

Samstag, 20. Oktober 2012 - 12:53

Hinweis an Auditoren (OHSAS 18001) und Aufsichtspersonen: Zunehmend werden Sie auf Betriebe stoßen, die Ihnen Maßnahmen zur Einführung des Gefährdungsbereichs “psychische Belastungen” in den (bisher nicht ganzheitlichen) Arbeitsschutz vorzeigen, ohne dass Gefährdungsbeurteilungen vorliegen, aus denen diese Maßnahmen abgeleitet wurden. Im Arbeitsschutz sind Gefährdungsbeurteilungen jedoch die Voraussetzung für Maßnahmen. (Ein entsprechender Beschluss des BAG wurde von einem Arbeitgeber erstritten.) Trotzdem gibt es Auditoren und behördliche Aufsichtspersonen, die sich “pragmatisch” damit begnügen, geplante Maßnamen ohne Gefährdungsbeurteilungen zu akzeptieren. Damit werden sie zu Komplizen jener Arbeitgeber, die Gefährdungsbeurteilungen sowie die Dokumentierung und Analyse von Vorfällen (siehe Punkte 3.9, 4.3.1 und 4.5.3 in OHSAS 18001:2007) vermeiden, um die Mitbestimmung zu schwächen und Haftung abzuwehren.

Psychische Fehlbelastungen können auch nach vielen Jahren noch zu Erkrankungen führen. Wurde ihre Erfassung und Vermeidung in der Vergangenheit mehr oder minder bewusst vernachlässigt, dann ist das eine Gefährdung, die dokumentiert werden muss. Unaufmerksame Auditoren und Aufsichtspersonen lassen den Betrieben die vergangene Missachtung ihrer Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz aber zu oft undokumentiert durchgehen. Das kann auch daran liegen, dass die Auditoren seit 1996 selbst das Thema der psychischen Belastung in der Vergangenheit vernachlässigt hatten und nun vermeiden wollen, das durch eine Verbesserung der Kontrollen deutlich werden zu lassen.

Nachlässige Audits schaden den Arbeitnehmern mehr, als gar keine Aufsicht, denn die Betriebsleitungen verwenden die scheinbar entlastenden Ergebnisse solches Audits als Alibi. Wenn dann auch noch die Betriebsräte nicht durchblicken oder überfordert sind, sind die Arbeitnehmer in diesem traurigen Spiel die Verlierer.

Effektivierung von Managementsystemen

Freitag, 19. Oktober 2012 - 16:23

http://diglib.uni-magdeburg.de/Dissertationen/2004/matniemeyer.pdf (3.5 MiB)

Entwicklung und Implementierung innovativer Qualitätstechniken zur Effektivierung von Managementsystemen
Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktoringenieur (Dr.-Ing.)
von Dipl.-Wirtsch.-Ing. Matthias Niemeyer
geb. am 13.01.1972 in Magdeburg
genehmigt durch die Fakultät Maschinenbau der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Gutachter:
Prof. Dr.-Ing. habil. Martin Molitor
Prof. Dr. rer. nat. habil. Wolfgang Quaas
Dr. Jürgen Harms
Promotionskolloquium am 17.12.2004

Ausführliche und sehr deskriptive Arbeit, aber keine kritisch Würdigung der Praxis. Solch eine Kritik sollte bei diesem Thema eigentlich nicht fehlen.

Gesundheit als Element nachhaltiger Führung

Freitag, 19. Oktober 2012 - 15:55

http://www.gesundheitsfoerderung.ch/pdf_doc_xls/d/betriebliche_gesundheitsfoerderung/allgemeines/BGF_Tagung_Archiv_2008/programm_d_f/Eberhardt_Daniela_d.pdf (6.6 MiB)

IAP- Institut für Angewandte Psychologie
Gesundheit als Element nachhaltiger Führung
Nationale Tagung für betriebliche Gesundheitsförderung 2008
19. Juni 2008, Universität Basel
Prof. Dr. Daniela Eberhardt
Leiterin IAP Institut für Angewandte Psychologie
Departement Psychologie
Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Siehe auch: http://www.psychologie.zhaw.ch/de/psychologie/ueber-uns/news/newsdetails/news/wie-wird-nachhaltiges-hrm-gestaltet.html

Wo ist die Kritik an Standards für Qualitätsmanagementsysteme?

Freitag, 19. Oktober 2012 - 10:02

Es scheint kaum kritische Anmerkungen zu Standards für Managementsysteme zu geben. Nicht, dass ich verzweifelt nach Schwachstellen suche, aber bedeutet das Fehlen von Kritik an solchen Standards und deren Anwendung in der Praxis nicht auch, dass sie nicht verstanden und nicht ernst genommen werden? Bei den Betriebsräten ist beispielsweise OHSAS 18001 kein Thema, obwohl die Arbeitgeber viel Geld dafür ausgeben, Zertifikate vorzeigen zu können. Da es in Deutschland Unternehmen gibt, die trotz gesetzeswidrig mangelhaften Einbezugs psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz nicht nur von akkreditierten Auditoren zertifiziert, sondern sogar re-zertifiziert wurden, ist hier etwas ziemlich faul! Da versagten nicht nur Auditoren, sondern auch die Akkreditierung der Zertifizierungsgesellschaften durch die DAkkS ist fragwürdig.

Vielleich habe ich da auch etwas falsch verstanden. Darum arbeite ich mich nun etwas eingehender in das Thema ein. Dass ich mit meinen Zweifeln an dem Zertifizierungsgeschäft nicht ganz daneben liege, konnte ich zum Beispiels in David Hoyles ISO 9000 Quality Systems Handbook (2009) nachlesen. Hoyle hat mich auch neugierig gemacht, was John Seddon in The Case Against ISO9000: How to create real quality in your organisations (2000) zu sagen hat, denn Forderungen wie “Replace compliance with responsibility” sind gut nachvollziebar. Wo Seddons Kritik zu weit geht, hilft sie vielleicht trotzdem, die Praxis zu verbessern: Auditoren und Zertifizierungsgesellschaften müssen zeigen, dass Seddon sich irrt.

Das Zertifizierungsgeschäft mag oft nur eine Farce sein, eine Flucht vor der Verantwortung für komplexe Prozesse, eine Pflichtübung sowohl zur Haftungsabwehr wie auch zur selbstreferenziellen Bestätigung einer eigenen anspruchsvollen Ethik. Bei OHSAS 18001 (und einer eventuellen daraus noch abzuleitenen ISO Norm) könnte das nun jedoch anders aussehen: Bei den Reihen ISO 9000 und der ISO 14000 sind die Kunden (Käufer und Umwelt) außerhalb des Betriebes angesiedelt, aber bei Arbeitsschutzmanagementstandards wie der OHSAS sind die Mitarbeiter die Kunden. Sie müssen das aber erst noch merken. Sie sitzen in den Betrieben und könn(t)en mitbestimmen - vorausgesetzt, dass Gewerkschaften und Betriebsräte aufwachen und Kompetenz entwickeln, den Standard als einen von den Arbeitgebern selbst ausgesuchten Maßstab für unternehmerische Verantwortung zu verwenden.

Siehe auch:

Burnout aus Anwaltssicht

Freitag, 19. Oktober 2012 - 08:41

Bridge imp und Schiessl SSP Rechtsanwälte informierten im März 2012 über Burnout: http://www.88news.de/bridge-imp-und-schiessl-ssp-rechtsanwaelte-informierenueber-burnout-589242.html/.

Die im Artikel angegebene URL der Präsentation zum Vortrag funktioniert nicht. Probieren Sie statt dessen http://www.bridge-imp.de/tl_files/all/Downloads/Praesentation%20Burnout_DH%20&%20Kinzinger.pdf.

BAuA aktualisiert Ratgeber zur Gefährdungsbeurteilung

Donnerstag, 18. Oktober 2012 - 02:38

Abnormale Situationen in vielen Firmen

Dienstag, 16. Oktober 2012 - 00:46

http://derstandard.at/1348285670307/Wartung-Die-Psyche-soll-zum-Kopierer-werden

Wartung: Die Psyche soll zum Kopierer werden
Oliver Mark, 15. Oktober 2012, 10:00

“Es ist Krieg.” Es klingt martialisch, wenn Peter Hoffmann von der Arbeiterkammer Wien über den Arbeitsmarkt redet. Zu seinem Befund kommt er nach unzähligen Mobbingberatungen, der Grund: “Wie viele abnormale Situationen erleben wir täglich?” Abnormale Situationen sind für den Psychologen die Zustände in vielen Firmen. Die Anforderungen an Arbeitnehmer steigen, Stress und Druck nehmen immer mehr zu, kritisierte er bei einer Tagung der Arbeiterkammer, die unter dem Motto “Arbeit – Psyche – Stigma” in Wien stattfand. Das Resultat der steigenden Belastung: Psychische Erkrankungen nehmen zu. …

… Wartung nur für Hardware

“Wie oft ist der Kopierer defekt?” fragt Hoffmann: “Es ist dauernd ein Techniker da, der die Geräte wieder in Ordnung bringt.” Und: “Ich möchte, dass die Psyche genauso als Arbeitsmittel betrachtet wird wie ein Kopierer.” Bei Problemen engagieren Unternehmen eher externe Leute, die Mitarbeiter wieder “herrichten”, so Hoffmann, anstatt die Ursache zu bekämpfen, nämlich die Arbeitsbedingungen zu verbessern. …

Der Unterschied: Die Vorbeugung gegen psychische Fehlbelastungen geht viel mehr an’s Eingemachte, als die vorbeugende Wartung von Kopierern. Es gibt Führungskräfte, die den ganzheitlichen Arbeitsschutz als missbräuchlichen Angriff auf ihre Führungsmethoden verstehen.

Übrigens: Ein Techiker, der in verschiedenen Unternehmen Kopierer wartet, erzählte mir einmal, dass er am Zustand der Kopierer gut erkennen kann, wie die Stimmung in einer Firma ist. Er habe hier deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Unternehmen bemerkt. Schlecht steht es um solche Betriebe, in denen Mitarbeiter an den Geräten ihre Wut ablassen und die Kopierer treten oder sogar die LCD-Anzeige zerschlagen.