Kategorie 'Betriebliches Gesundheitsmanagement'

Irreführende Werbung sogar vom TÜV

Mittwoch, 8. Januar 2014 - 07:01

http://www.tuev-nord.de/cps/rde/xbcr/SID-7B543487-D9624C28/tng_de/betriebliches-gesundheitsmanagement-bgm.pdf

Arbeits- und Gesundheitsschutz
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
Grundlagen und Zertifikatslehrgang zum Betrieblichen Gesundheitsmanager nach DIN SPEC 91020 [...]

Den irreführenden Bezug stellt der TÜV gleich am Anfang der Broschüre her. Der TÜV-Nord macht außerdem noch auf “weitere Termine zum Thema Arbeitsschutzmanagement” aufmerksam und klassifiziert sein Seminar zum BGM nach DIN SPEC 91020 damit schon als einenen Termin zum Arbeitsschutzmanagement.

Besonders bedenklich an dieser Werbung des TÜV-Nord ist, dass der Verein wissen muss, dass die DIN SPEC 91020 kein Standard für den Arbeits- und Gesundheitsschutz ist. Die Zeiten, in denen man in Deutschland Organisationen wie dem TÜV bedingungslos vertrauen kann, sind eben auch vorbei.

Vergeuden Sie kein Geld für eine Ausbildung in der falschen Reihenfoge. BGM ist Kür, Arbeits- und Gesundheitsschutz ist Pflicht. Wenn sie im Arbeitsschutzmanagement nach einem Standard vorgehen wollen, dann hilft Ihnen die DIN SPEC 91020 nicht viel weiter. BGM ist kein Arbeitsschutzmanagement. Lernen Sie lieber zunächst OHSAS 18001 (oder OHRIS oder ILO-OSH usw.) kennen. (OHSAS 18002 ist schon ein kleines aber immer noch gut lesbares Lehrbuch, das man bei TÜV-media(!) kaufen kann.) Wenn die Pflicht getan und noch Geld da ist, dann können Sie sich anschließend immer noch mit der Kür vergnügen.

DIN SPEC 91020 begeistert mittelmäßig

Samstag, 14. Dezember 2013 - 23:29

http://www.bgm-bv.de/aktuelles/termine_bbgm/kurzbefragung.html

Ergebnisse Kurzbefragung 2013
[...]
Der Nutzen der DIN SPEC 91020 für die Arbeit in Ihrem Unternehmen, schätzen jedoch über die Hälfte der Befragten nur als mittelmäßig oder gering ein. Ergebnisse der Kurzbefragung “BGM heute und in Zukunft”
[...]

BMAS: Mitbestimmung ist Voraussetzung für BGM

Donnerstag, 12. Dezember 2013 - 07:26

http://www.regierung.oberpfalz.bayern.de/download/gewerbeaufsicht/medz_arbeitsschutz/betriebl_gesundheitsmanagement/gabegs.pdf

[...] Ziel des Betrieblichen Gesundheitsmanagents (BGM)

Prävention muss als dauerhaftes und wirtschaftliches Instrument zum Schutz, zur Pflege und zur Förderung der Organisationsressource „Gesundheit“ verstanden werden: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) birgt die Chance in sich, den gesetzlichen Pflichtauftrag nach ASiG und Arbeitsschutzgesetz und das unternehmerische Interesse an gesunden, motivierten und leistungsfähigen Mitarbeitern zu verbinden.

BGM setzt allerdings

  • eine Aushandlung zwischen Arbeitgeber und Betriebs- und Personalrat innerhalb des Betriebes [Mitbestimmung]
  • und den Willen zu einem kontinuierlichen und systemischen Vorgehen [Auditierbarkeit]

voraus.

Kennzeichnend ist die Entwicklung betrieblicher Rahmenbedingungen, Strukturen und Abläufe, die

  • eine gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation [Verhältnisprävention]
  • und die Befähigung zum gesundheitsförderlichen Verhalten der Mitarbeiter [Verhaltensprävention]

zum Ziel haben. [...]

(psybel.de: Anmerkungen in eckigen Klammern und Hervorhebungen eingefügt, Layout verändert)

Quelle: Psychische Gesundheit im Betrieb,
Bundesministerium für Arbeit und Soziales Dezember 2011
,
Zitiert in: GABEGS, Ganzheitliches Betriebliches Gesundheitsmanagementsystem des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
Vortrag in der Bayerischen Justizvollzugsschule SR am 21.11.2012
Dr. Beitner Gewerbearzt
Regierung der Oberpfalz – Gewerbeaufsichtsamt

Für die Mitbestimmung sind kompetente und sich proaktiv engagierende Arbeitnehmervertreter eine wichtige Voraussetzung.

Baden-Württemberg setzt auf den falschen Standard

Freitag, 29. November 2013 - 22:33

http://www2.landtag-bw.de/WP15/Drucksachen/3000/15_3132_d.pdf

Landtag von Baden-Württemberg
15. Wahlperiode
Drucksache 15 / 3132
27. 02. 2013
Antrag der Abg. Wilfried Klenk u. a. CDU
und
Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren

Gesundheitsstrategie der Landesregierung
[...]
Das Landesgesundheitsamt empfiehlt eine Orientierung an der im Juli 2012 erschienenen DIN-Spezifikation 91020 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“, die in Fachkreisen eine wachsende Verbreitung und Akzeptanz finde.

Hat die neue Landesrregierung diesem Unsinn immer noch nicht durchschaut? Das Wesen einer nach dem PAS-Verfahren erarbeiteten DIN SPEC liegt gerade darin, dass keine Konsensbildung unter den vom einem Standard Betroffenen gesucht wird. Es fehlt damit also eine wichtige Voraussetzung für “Akzeptanz”. Das mit den “Fachkreisen” hört sich an wie der Originalton der Firma B·A·D, der treibenden Kraft hinter der DIN SPEC 91020. Die Fachkreise für diese DIN SPEC bestehen vor allem aus der geschäftstüchtigen Lobby für diese DIN SPEC und Arbeitgebern, denen die verhältnispräventive Orientierung des Arbeitsschutzes gegen den Strich geht.

Nicht das Landesgesundheitsamt, sondern die Gewerbeaufsicht sollte im Arbeits- und Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern (z.B. Lehrer) das Sagen haben.

Leider verstehen es mit der Arbeitnehmergesundheit wohl durchaus gut meinende Behörden (wie das Landesgedundheitsamt in Baden-Württemberg) oft nicht, dass die DIN SPEC 91020 kein Arbeitzsschutzstandard ist. Der wird aber dringender gebraucht, als ein Standard für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Die Werbung für das betriebliche Gesundheitsmanagement als scheinbarer Arbeitsschutz und für die DIN SPEC 91020 ist allerdings ziemlich aggressiv. Der BGM-Industrie gehen dann vielbeschäftigte Politiker zu leicht auf den Leim.

BLV-STANDPUNKT Ausgabe 1/2013 (BLV = Berufsschullehrerverband), über http://www.blv-bw.de/79.0.html aufrufbar:
http://www.blv-bw.de/fileadmin/Dateiordner/veroeffentlichungen/blv_standpunkt/BLV_Standpunkt_01-2013.pdf:

Bringt die neue DIN SPEC 91020 „BGM“ frischen Wind in die Segel?

Leitlinie des neuen Kultusministers A. Stoch zum Thema Lehrergesundheit: „volle Kraft voraus“?

Keine Veränderung seit Grün-Rot
Als „alter Hase“ bei diesem Thema vermag ich [Gerd Baumer] es kaum zu glauben, alldieweil die Veränderungen im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz nach dem Regierungswechsel im März 2011 bisher jedenfalls nicht zu spüren sind. [...] Einzig der leitende Betriebsarzt Dr. Walker wurde zusammen mit der teilzeitbeschäftigten Fachkraft für Arbeitssicherheit, Frau Utsch-Müller, wieder direkt dem Minister zugeordnet.

Hoffnung durch die neue DIN SPEC 91020?
Nun ist ja der neue Kultusminister erst wenige Wochen im Amt und vermag freilich in dieser kurzen Zeit nicht das „Boot“ in den Wind zu stellen. Also setzten wir alle Hoffnung in die neue DIN SPEC 90120 (DIN-Norm für Betriebliches Gesundheitsmanagement kurz BGM genannt), die die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) beschreibt und den Landesverwaltungen vom Landesgesundheitsamt eindringlich empfohlen wird.

Was Gesundheit von Qualität lernen kann?
[...] Die DIN SPEC 91020 beschreibt das Managementsystem [für das freiwillige BGM, nicht jedoch für das Management des vorgeschriebenen Arbeitsschutzes], definiert aber keine inhaltliche Ausgestaltung. Eine individuelle Ausrichtung des BGM an dem jeweiligen Bedarf einer Organisation wird nicht eingeschränkt. [Vor allem hilft diese DIN SPEC nicht bei der vorgeschriebenen Minderung arbeitsbezogener Fehlbelastungen.] Dies bedeutet, dass der eingeschlagene Weg mit der personenbezogenen Gefährdungsbeurteilung und die sicherheitstechnische Betreuung beibehalten werden kann. [Ich verstehe das als eine kritische und zutreffende Anmerkung von Gerd Baumer, denn das Arbeitsschutzgesetz verlangt eine arbeitsplatzbezogene Gefährdungsbeurteilung. Das Land Baden-Württemberg ignoriert als die Prioritäten des Arbeitsschutzgesetzes, das den Arbeits- und Gesundheitsschutz regelt. Wenn schon Standard, dann sollte der Minister für Arbeit usw. auf einen Standard für Arbeitsschutzmanagement setzen.]

Grundelemente des BGM

  • Arbeits- und Gesundheitsschutz
    [kann im BGM sein, wird aber von der DIN SPEC 91020 nicht behandelt!]
  • Betriebl. Eingliederungsmanagement
  • Betriebliche Gesundheitsförderung

[...]

Herausgeber: Verband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg e. V.

(Anmerkungen von psybel.de in eckigen Klammern.)

  • Die DIN SPEC 91020 ist keine “DIN Norm”, sondern ein nach dem PAS-Verfahren ohne Beteiligung der Sozialpartner erarbeiteter Standard.
  • Das Landesgesundheitsamt in Baden-Württemberg empfiehlt eindringlich einen Standard, der kein Arbeitsschutzstandard ist. Falsche Baustelle: Das freiwillige BGM wirkt überwiegend verhaltenspräventiv. Gut gemeind, aber wenn das Amt die DIN SPEC 91020 ohne einen zusätzlichen Arbeitsschutzstandard empfiehlt, dann ist die Behörde wohl der aggressiven Werbung der Lobby für das BGM und die DIN SPEC 91020 zum Opfer gefallen.
  • Standards für Arbeitsschutzmanagementsysteme: Die Lehrer und ihre Berufsorganisationen sollten sich OHSAS 18002:2008 (das ist OHSAS 18001 mit Umsetzungshinweisen), ILO-OSH oder OHRIS ansehen. Der verhältnispräventive Arbeitsschutz ist vorgeschrieben, hat also Vorrang.

 
Links:

Instrumentalisierung der DAkkS für’s Zertifizierungsgeschäft

Mittwoch, 20. November 2013 - 07:16

http://www.haward.de/haward_bgm_interaktiv/Special.php

Wissen Sie, dass die DIN SPEC 91020 BGM auf dem Weg zum akkreditierten Standard ist und sich aktuell eine Arbeitsgruppe der Akkreditierungsstelle DAkkS damit beschäftigt? Wir bieten Ihnen bereits jetzt die passende und derzeit einzigartige Software-Lösung. [...]

Steht nun schon fest, dass die DIN SPEC 91020 auf dem Weg zum “akkreditierten Standard” ist? Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditiert Zertifizierer. Weiß die DAkkS, dass sie jetzt auch Privatstandards wie die DIN SPEC 91020 “akkreditieren” wird?

Die DIN SPEC 91020 ist ein privater Standard für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) kann helfen, solche Standards in eine korrekte Form zu bringen. Das DIN veröffentlicht den Standard auch, übernimmt aber keine Verantwortung dafür.

Das Marketing für die DIN SPEC 91020 bleibt dreist. Selbst im ansonsten seriösen haufe.de wird die DIN SPEC 91020 ohne Warnung, dass die Spezifikation keine Aspekte des Arbeitsschutzes enthält, neben einen Artikel gestellt, der BGM mit dem Arbeitsschutz in einen Zusammenhang stellt. Das DIN macht aber explizit klar, dass im PAS-Verfahren erstellte DIN SPECs nichts mit dem Arbeitsschutz zu tun haben. Wenn Haufe das BGM schon mit dem Arbeitsschutz in Verbindung bringt, dann ist es irreführend, nur zur DIN SPEC 91020 zu verlinken. Es hätte auch auf Standards wie OHSAS 18001 hingewiesen werden müssen.

Mit dieser im Schnellgang durchgedrückten Privatnorm basteln sich hier einige Firmen ihren eigenen Markt zusammen, und die DAkkS macht da mit? Die DAkkS sollte doch eigentlich genug damit zu tun haben, darauf zu achten, dass die nach OHSAS 18001 zertifizierten Unternehmen kritisch auditiert werden. Da haben z.B. Unternehmen über Jahre hinweg Zertifikate bekommen, die in Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften psychische Belastungen so gut wie überhaupt nicht in ihren Arbeitsschutz einbezogen hatten. Und Audits nach OHSAS 18001 ohne Beteiligung von Betriebsräten sind eine Behinderung der Betriebsratsarbeit. Es gibt also noch ein großes Verbesserungspotential. Erst wenn hier die Hausaufgaben gemacht sind, kann man sich mit der Kür im freiwilligen Gesundheitsmanagement vergnügen.

Wie “unabhängig” ist die DAkkS wirklich? Wenn man sich die Gesellschafter der DAkkS ansieht, dann fehlt u.A. eine Vertretung der Arbeitnehmerseite. Da haben die Menschen, zu deren Schutz die Aufsicht (DAkkS) der Auditoren (Zertifizierer) beitragen sollten, wohl schlechte Karten. Ist dieses strukturelle Problem ein Zufall?

Beim Zustandekommen und der Weiterentwicklung von OHSAS 18001 durften Arbeitnehmer intensiver mitwirken, als bei der DIN SPEC 91020. Vielleicht ist es aber gerade der bei anständigen Normen und Standards erforderliche Konsens, der die Unternehmen stört.

 
Suche: “DIN SPEC 91020″ und “Arbeitsschutzgesetz”. – Ein Trick in der irreführenden Werbung für die DIN SPEC 91020 besteht häufig darin, zu behaupten, dass das BGM über den Arbeitsschutz hinausginge. Das mag sein, wenn der Arbeitsschutz in das BGM eingebettet ist. In die DIN SPEC 91020 ist der Arbeitsschutz aber nicht eingebettet, denn gemäß DIN kann die im PAS-Verfahren erstellte DIN SPEC 91020 kein für den Arbeitsschutz relevanter Standard sein. Ohne z.B. OHSAS 18001 macht eine Zertifizierung nach DIN SPEC 91020 also keinen Sinn, wenn ein Unternehmer auch im Arbeitsschutz ein Zertifikat zum Vorzeigen haben will. Es gibt hier übrigens sogar Unternehmer, die ernsthaft meinen, dass sie externe Audits abwehren können, wenn sie Zertifikate an der Wand hängen haben. Willkommen im Zertifizierungsgeschäft.

2015-12-01: Spezielle Anforderungen zur Akkreditierung von Zertifizierungsstellen, die Managementsysteme nach DIN SPEC 91020:2012 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ zertifizieren

Haufe versucht Balance

Dienstag, 5. November 2013 - 07:43

http://www.haufe.de/arbeitsschutz/gesundheit-umwelt/psychologen-geben-tipps-was-tun-bei-stress_94_205184.html

[...]
Was tun bei Stress? Der Arbeitsgeber muss verantwortungsvoll handeln 

Ist die Arbeit für den Stress mitverantwortlich oder gibt es eine psychische Gefährdung am Arbeitsplatz, muss der Arbeitgeber reagieren.

Stressoren verringern – Kraftquellen stärken

Belastungen überfordern nicht immer und nicht jeden. Wer sich gesund und stark fühlt, kann sich auf seine Kraftquellen verlassen und geht meist gut mit Stress um. Deshalb ist es beim Stressmanagement auch sinnvoll, an zwei Stellen anzusetzen:

  • Die Belastungen/Stressoren verringern, indem etwa der Arbeitsprozess optimiert wird und
  • die Ressourcen der Mitarbeiter zum Umgang mit Belastungen aufbauen und stärken.

Das Thema Stress im betrieblichen Gesundheitsmanagement

Psychische Belastungen und Stress sind ein Thema des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind zum Beispiel Stressquellen ausfindig zu machen. [...]

Haufe (und/oder der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen) versucht hier, die Balance zwischen Verhältnisprävention und Verhaltensprävention zu finden, aber es klappt noch nicht so ganz.

Eine Vorschrift, dass im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Stressquellen ausfindig zu machen sind, gibt es im Arbeitsschutz, nicht aber im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). Falsch ist auch die Behauptung: “Gibt es eine psychische Gefährdung am Arbeitsplatz, muss der Arbeitgeber reagieren”. Erst zu reagieren, wenn es psychische Gefährdungen gibt, ist zu spät. Die Betriebsleitungen müssen verhältnispräventiv vorbeugen. Außerdem haben sie dabei die Mitbestimmung zu respektieren, was gerne immer wieder “vergessen” wird.

Ganz im Gleichgewicht sind Verhältnis- und Verhaltensprävention übrigens nicht: Die Verhältnisprävention hat Vorrang vor der Verhaltensprävention. Es mag lästig sein, aber das ist Gesetz: Psychische Belastungen und Stress sind zunächst erst einmal ein Thema des vorgeschriebenen Arbeitsschutzes, der überwiegend verhältnispräventiv arbeitet. Die hier in der Rechtsprechung bestätigte Pflicht wird demnächst auch explizit im Arbeitsschutzgesetz klargestellt. Das in der Praxis eher verhaltenspräventiv BG; der Arbeitgeber ist die Kür.

Gesundheitsförderung als Fehlbelastung

Freitag, 1. November 2013 - 12:14

http://www.sapler.igm.de/news/meldung.html?id=61392

[...] Eine Studie macht zum einen deutlich, wie unterschiedlich die Sichtweisen sind:

Personalverantwortliche initiieren eine Vielzahl von Projekten und Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Belegschaft, doch verändern diese aus Sicht der Beschäftigten nichts an den Belastungen, die ursächlich für Überforderung sind.

Zum anderen blenden Instrumente individuelle Interessen und Bewältigungsstrategien aus. Beschäftigten, die ihre Energiereserven bei der Gartenarbeit, beim Kochen oder beim Feierabendbier mit Freunden auffüllen, helfen standardisierte betriebliche Sport-, Ernährungs- oder Stressverarbeitungsprogramme wenig.

Im ungünstigsten Fall können sie das Gegenteil bewirken und zusätzlichen Druck erzeugen: “Man hinkt stets dem geplanten Sportprogramm hinterher, bleibt nie wirklich konsequent beim Ernährungsplan, schläft gerade nicht besonders pünktlich ein, wenn man sich genau das vornimmt.”

[...]

Heiden und Jürgens konstatieren, dass betriebliche Gesundheitsförderung zwar viele wichtige Impulse biete, aber meist die Arbeitsaufgaben und -abläufe als Ursache von Überlastung vernachlässigt.

Kurze Taktzeiten, Monotonie, Standardisierung, fehlende Kommunikation, häufig wechselnde Arbeitsteams oder eine Beschäftigung, die absehbar in den sozialen Abstieg führt, seien jedoch die eigentlichen Auslöser der Phänomene. [...]

 
http://www.sapler.igm.de/downloads/artikel/attachments/ARTID_61392_kiimSJ?name=bericht.pdf

Erholung nach Schema F funktioniert nicht

Die Kraft für ihren Job sammeln Beschäftigte in ganz unterschiedlichen Rückzugsräumen. Standardisierte Ratschläge und Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung sind oft keine praktische Hilfe für ein dauerhaft gesundes Leben.

[...]

Quelle: Mathias Heiden, Kerstin Jürgens: Kräftemessen. Betriebe und Beschäftigte im Reproduktionskonflikt, edition sigma, Berlin 2013
Mehr Informationen unter boecklerimpuls.de

Pflicht und Kür

Freitag, 20. September 2013 - 06:38

Betriebliches Gesundheitsmanagement
Gesunde Mitarbeiter, gesundes Unternehmen
(IHK Bonn/Rhein-Sieg, DIE WIRTSCHAFT SEPTEMBER 2013)
http://www.ihk-bonn.de/fileadmin/dokumente/News/Die_Wirtschaft/Die_Wirtschaft_2013/09/Dokumente/Betriebliches_Gesundheitsmanagement.pdf

 
S. 10 (PDF 3/16):

[...] Alle Unternehmen in Deutschland müssen im Rahmen bestehender Gesetze, etwa dem Arbeitssicherheits- und dem Arbeitsschutzgesetz, für ihre Beschäftigten Maßnahmen zum Arbeitsschutz und zur Unfallverhütung umsetzen. Das ist die Pflicht, an der auch kleine und mittlere Betriebe nicht vorbeikommen. Die Kür ist alles das, was darüber hinausgeht. [...]

 
S. 20 (PDF 13/16):

[...] Gesund am Arbeitsplatz:
Pflicht und Kür
Interview mit Professor Dr. Bernd Siegemund,
Vorsitzender der Geschäftsführung der B·A·D Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH, Bonn
[...]
Sind Firmen nicht ohnehin verpflichtet, sich um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu kümmern?
Es gibt Pflicht und Kür. Der Gesetzgeber verpflichtet jeden Arbeitgeber, je nach Betriebsgröße und Branche bestimmte Maßnahmen zum Arbeitsschutz und zur Unfallverhütung zu ergreifen. Maßgeblich sind zum Beispiel das Arbeitssicherheits- und Arbeitsschutzgesetz. Es steht aber jedem Unternehmen frei, über diese Pflicht hinaus die Gesundheit seiner Beschäftigten zu fördern. Und das halte ich, wie gesagt, inzwischen für ein Muss, wenn ein Betrieb nicht massiv an Attraktivität und Leistungsfähigkeit verlieren will. [...]

 
Zu “Pflicht und Kür” gibt es in diesem Blog schon frühere Beiträge. Wie glaubwürdig ist die Werbung von Wirtschaftsverbänden für die Kür, wenn große Teile ihrer Klientel nicht zuerst ihre Pflichten im Arbeitsschutz erfüllen wollen?

Dreiste Werbung für DIN SPEC 91020

Mittwoch, 18. September 2013 - 07:10

http://www.concada.de/app/seminar/detail/1882/V4455_Ausbildung_zum_Auditor_fuer_Betriebliches_Gesundheitsmanagement_-_Spezielle_AMS_Kenntnisse_nach_DIN_SPEC_91020

[...] Seminarbeschreibung
Basierend auf der neuen DIN SPEC 91020 „Betriebliches Gesundheits-management“ werden im Rahmen dieses Lehrgangs die angehenden BGM Auditoren hinsichtlich der speziellen Arbeitsschutzmanagementsystem- (AMS-) Kenntnisse geschult. Dabei werden neben der Vorstellung der relevanten rechtlichen Forderungen die wesentlichen Prozesse im Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie relevante Analyseinstrumente und Kennzahlensysteme erläutert und besprochen. Ein weiterer Schwerpunkt des Seminars liegt auf der Unternehmensführung und Prozesslenkung unter Arbeits- und Gesundheitsschutzbezug. [...]

Mit dieser Ankündigung des Concada-Seminars “Ausbildung zum Auditor für Betriebliches Gesundheitsmanagement – Spezielle AMS Kenntnisse nach DIN SPEC 91020″ (4.12.2013 – 6.12.2013, Bonn) zeigt der Seminaranbieter entweder Inkompetenz oder es handelt sich hier um die dreisteste Werbung für die DIN SPEC 91020, die mir bisher untergekommen ist: Die DIN SPEC 92010 ist kein Standard für den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Bei der DIN SPEC 91020 geht es um Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), nicht um AMS!

Comcada ist ein Unternehmen der B·A·D Gruppe, die beim DIN die DIN SPEC 91020 federführend in das PAS-Verfahren des DIN einbrachte. Dabei stellte das DIN klar, dass eine Anfrage zur Erarbeitung einer DIN SPEC nach dem PAS-Verfahren, die Aspekte des Arbeits-, Gesundheits-, Umwelt- und Brandschutzes enthält, vom DIN grundsätzlich abgelehnt wird. Trotzdem versucht B·A·D über seine Tochtergesellschaft, den Standard nun doch als Arbeitsschutzstandard zu verkaufen. Spielt das DIN da mit?

Wenn Sie ein Seminar für Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) suchen, dann sollten sie Ihr Geld und Ihre Zeit nicht mit der Teilnahme an fragwürdigen Veranstaltungen verschwenden, in denen der Gültigkeitsbereich der DIN SPEC 91020 in einen falschen Zusammenhang gestellt wird. Hinsichtlich spezieller AMS-Kenntnisse ist es besser, BGM-Auditoren z.B. basierend auf OHSAS 18001, OHRIS oder ILO-OSH zu schulen.

Psychische Belastung und Stress

Freitag, 13. September 2013 - 07:05

http://www.bdp-verband.de/bdp/archiv/gesunde-arbeit/BDP-Broschuere-05-Stress.pdf

[...] Das Ziel ist nicht, jegliche psychische Belastung abzuschaffen,
sondern dauerhafte Überforderung zu vermeiden! [...]

So ist es. Oder anders: Das Ziel ist, Fehlbelastungen zu mindern. Manchmal reicht es sogar, bisher nicht wahrgenommene Belastungen zur offiziellen Aufgabe zu machen. Stichwort: Anerkennung.

[...] Die Themen psychische Belastung und Stress sind im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) zu behandeln. [...]

So ist es nicht so ganz. Auch Psychologen verstehen die Aufgaben des BGM einerseits sowie des den Arbeits- und Gesundheitsschutzes andererseits gelegentlich noch nicht so gut. Zur Klärung:

  • Die Themen psychische Belastung und Stress können im Rahmen des freiwilligen betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) behandelt werden.
  • Der vorgeschriebene Arbeits- und Gesundheitsschutz kann in das freiwillige BGM eingebettet werden.
  • Die Themen psychische Belastung und Stress müssen in den von den Arbeitnehmern mitbestimmten Arbeits- und Gesundheitsschutz einbezogen werden.