Baden-Württemberg setzt auf den falschen Standard

Freitag, 29. November 2013 - 22:33

http://www2.landtag-bw.de/WP15/Drucksachen/3000/15_3132_d.pdf

Landtag von Baden-Württemberg
15. Wahlperiode
Drucksache 15 / 3132
27. 02. 2013
Antrag der Abg. Wilfried Klenk u. a. CDU
und
Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren

Gesundheitsstrategie der Landesregierung
[...]
Das Landesgesundheitsamt empfiehlt eine Orientierung an der im Juli 2012 erschienenen DIN-Spezifikation 91020 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“, die in Fachkreisen eine wachsende Verbreitung und Akzeptanz finde.

Hat die neue Landesrregierung diesem Unsinn immer noch nicht durchschaut? Das Wesen einer nach dem PAS-Verfahren erarbeiteten DIN SPEC liegt gerade darin, dass keine Konsensbildung unter den vom einem Standard Betroffenen gesucht wird. Es fehlt damit also eine wichtige Voraussetzung für “Akzeptanz”. Das mit den “Fachkreisen” hört sich an wie der Originalton der Firma B·A·D, der treibenden Kraft hinter der DIN SPEC 91020. Die Fachkreise für diese DIN SPEC bestehen vor allem aus der geschäftstüchtigen Lobby für diese DIN SPEC und Arbeitgebern, denen die verhältnispräventive Orientierung des Arbeitsschutzes gegen den Strich geht.

Nicht das Landesgesundheitsamt, sondern die Gewerbeaufsicht sollte im Arbeits- und Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern (z.B. Lehrer) das Sagen haben.

Leider verstehen es mit der Arbeitnehmergesundheit wohl durchaus gut meinende Behörden (wie das Landesgedundheitsamt in Baden-Württemberg) oft nicht, dass die DIN SPEC 91020 kein Arbeitzsschutzstandard ist. Der wird aber dringender gebraucht, als ein Standard für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Die Werbung für das betriebliche Gesundheitsmanagement als scheinbarer Arbeitsschutz und für die DIN SPEC 91020 ist allerdings ziemlich aggressiv. Der BGM-Industrie gehen dann vielbeschäftigte Politiker zu leicht auf den Leim.

BLV-STANDPUNKT Ausgabe 1/2013 (BLV = Berufsschullehrerverband), über http://www.blv-bw.de/79.0.html aufrufbar:
http://www.blv-bw.de/fileadmin/Dateiordner/veroeffentlichungen/blv_standpunkt/BLV_Standpunkt_01-2013.pdf:

Bringt die neue DIN SPEC 91020 „BGM“ frischen Wind in die Segel?

Leitlinie des neuen Kultusministers A. Stoch zum Thema Lehrergesundheit: „volle Kraft voraus“?

Keine Veränderung seit Grün-Rot
Als „alter Hase“ bei diesem Thema vermag ich [Gerd Baumer] es kaum zu glauben, alldieweil die Veränderungen im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz nach dem Regierungswechsel im März 2011 bisher jedenfalls nicht zu spüren sind. [...] Einzig der leitende Betriebsarzt Dr. Walker wurde zusammen mit der teilzeitbeschäftigten Fachkraft für Arbeitssicherheit, Frau Utsch-Müller, wieder direkt dem Minister zugeordnet.

Hoffnung durch die neue DIN SPEC 91020?
Nun ist ja der neue Kultusminister erst wenige Wochen im Amt und vermag freilich in dieser kurzen Zeit nicht das „Boot“ in den Wind zu stellen. Also setzten wir alle Hoffnung in die neue DIN SPEC 90120 (DIN-Norm für Betriebliches Gesundheitsmanagement kurz BGM genannt), die die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) beschreibt und den Landesverwaltungen vom Landesgesundheitsamt eindringlich empfohlen wird.

Was Gesundheit von Qualität lernen kann?
[...] Die DIN SPEC 91020 beschreibt das Managementsystem [für das freiwillige BGM, nicht jedoch für das Management des vorgeschriebenen Arbeitsschutzes], definiert aber keine inhaltliche Ausgestaltung. Eine individuelle Ausrichtung des BGM an dem jeweiligen Bedarf einer Organisation wird nicht eingeschränkt. [Vor allem hilft diese DIN SPEC nicht bei der vorgeschriebenen Minderung arbeitsbezogener Fehlbelastungen.] Dies bedeutet, dass der eingeschlagene Weg mit der personenbezogenen Gefährdungsbeurteilung und die sicherheitstechnische Betreuung beibehalten werden kann. [Ich verstehe das als eine kritische und zutreffende Anmerkung von Gerd Baumer, denn das Arbeitsschutzgesetz verlangt eine arbeitsplatzbezogene Gefährdungsbeurteilung. Das Land Baden-Württemberg ignoriert als die Prioritäten des Arbeitsschutzgesetzes, das den Arbeits- und Gesundheitsschutz regelt. Wenn schon Standard, dann sollte der Minister für Arbeit usw. auf einen Standard für Arbeitsschutzmanagement setzen.]

Grundelemente des BGM

  • Arbeits- und Gesundheitsschutz
    [kann im BGM sein, wird aber von der DIN SPEC 91020 nicht behandelt!]
  • Betriebl. Eingliederungsmanagement
  • Betriebliche Gesundheitsförderung

[...]

Herausgeber: Verband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg e. V.

(Anmerkungen von psybel.de in eckigen Klammern.)

  • Die DIN SPEC 91020 ist keine “DIN Norm”, sondern ein nach dem PAS-Verfahren ohne Beteiligung der Sozialpartner erarbeiteter Standard.
  • Das Landesgesundheitsamt in Baden-Württemberg empfiehlt eindringlich einen Standard, der kein Arbeitsschutzstandard ist. Falsche Baustelle: Das freiwillige BGM wirkt überwiegend verhaltenspräventiv. Gut gemeind, aber wenn das Amt die DIN SPEC 91020 ohne einen zusätzlichen Arbeitsschutzstandard empfiehlt, dann ist die Behörde wohl der aggressiven Werbung der Lobby für das BGM und die DIN SPEC 91020 zum Opfer gefallen.
  • Standards für Arbeitsschutzmanagementsysteme: Die Lehrer und ihre Berufsorganisationen sollten sich OHSAS 18002:2008 (das ist OHSAS 18001 mit Umsetzungshinweisen), ILO-OSH oder OHRIS ansehen. Der verhältnispräventive Arbeitsschutz ist vorgeschrieben, hat also Vorrang.

 
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