Archiv für April, 2014

Offensive betriebliche Mitbestimmung

Mittwoch, 9. April 2014 - 07:07

Aus einer praxisnahen Mitbestimmungsperspektive wird mit interessenpolitischer Absicht in einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung die gute Arbeit von Betriebsräten verdeutlicht. Diese Arbeit setzt aus Sicht der Stiftung das Zusammenwirken mit den Gewerkschaften im dualen System deutscher Arbeitsbeziehungen voraus. Gemeinsam mit dem DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften, gestützt auf Wissenschaft und externen Sachverstand, werden die Herausforderungen für die Zukunft der betrieblichen Mitbestimmung beschrieben. Die Studie möchte den Betriebsräten eine wirksame praktische Unterstützung bieten, alle Akteure der Mitbestimmung zur Diskussion anregen und damit die konzeptionelle Weiterentwicklung der Mitbestimmung vorantreiben.

http://www.boeckler.de/pdf/p_betriebl_mitbestimmung_online.pdf, S. 26ff:

[...]

Betriebsräte gestalten gute Arbeit mit betrieblichen Vereinbarungen

Betriebsräte machen den Unterschied. Zu diesem Ergebnis kommt unter anderem eine repräsentative Beschäftigtenbefragung des DGB-Index „Gute Arbeit“ aus dem Jahr 2009. Danach gefragt, ob der Betriebsrat für die Beschäftigten wichtig oder sehr wichtig sei, antworteten 60 % der Arbeitnehmer mit „ja“. In Betrieben mit Betriebsrat beurteilten Beschäftigte insgesamt ihre Arbeitsbedingungen besser als in Betrieben ohne Betriebsrat. Im Einzelnen wird die Einkommenssituation mit Betriebsrat besser bewertet, ebenso die Arbeitsplatzsicherheit. In Betrieben mit Betriebsrat sei außerdem mehr Leistungsgerechtigkeit vorhanden und der Anteil von befristet Beschäftigten in niedrigen Lohngruppen sei deutlich geringer als in Betrieben ohne Betriebsrat.

[...]

Andere aktuelle Herausforderungen für die Gestaltung guter Arbeitsbedingungen sind die verstärkte Arbeitsverdichtung, die zunehmend fließende Grenze zwischen der Privatsphäre und dem beruflichen Alltag sowie die wachsenden psychischen Belastungen. Diverse Befragungen ergeben, dass Stress, Zeitdruck und ständige Erreichbarkeit zu Fehlbelastungen führen. Deshalb müssen Wege gefunden werden, um Fehlbelastungen zu verringern und somit auch alter(n)sgerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Relevant hierfür sind beispielsweise Gefährdungsbeurteilungen. Der Arbeitgeber muss sie durchführen, das ist seit 1996 gesetzlich geregelt. Doch bislang haben sehr viele Unternehmen und Verwaltungen keine Verfahren für aussagekräftige Gefährdungsbeurteilungen etabliert. Ein positives Beispiel ist im Container Terminal Tollerort des Hamburger Hafens zu finden. Dort befasst man sich auf der Basis eines Konzerntarifvertrages aus dem Jahr 2007 mit dem demografischen Wandel, mit globalem Wettbewerb und betrieblicher Sozialpolitik. Altersstrukturanalysen und Qualifizierungsbedarfe werden jährlich erhoben. Auf diese Weise wird erkannt, wie Arbeit organisiert, gestaltet und die Personalentwicklung aussehen muss. Hinzu kommen Arbeitszeitmodelle für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Pflege sowie ein ausgereiftes Präventionssystem zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Details werden in Betriebsvereinbarungen geregelt. Inzwischen gibt es auch Gefährdungsbeurteilungen für psychische Belastungen.

Ein weiteres Beispiel ist die Rheinbahn in Düsseldorf. Dort entwickelten Betriebsräte gemeinsam mit dem Arbeitgeber eine Dienstplanregelung zur Entlastung der Kolleginnen und Kollegen im Fahrdienst. Im vergangenen Jahr wurden sie vom Deutschen Betriebsrätepreis dafür mit dem Sonderpreis für Gute Arbeit ausgezeichnet. Überstunden, Krankenstand und demografischer Wandel waren die Auslöser für die Initiative. Im Zentrum steht eine „Belastungsampel“ für die Gestaltung des Dienstplanes. Für jede Schicht wird die Gesamtbelastung anhand eines Kriterienkataloges mit Punkten bewertet. Bereits in der Schichtplanung ist schnell ersichtlich welcher Dienst „rot“ und somit stark belastend ist. Ziel ist, die roten Schichten zu eliminieren. Zusätzlich konnte Personal eingestellt werden.

Viele aktuelle Ansatzpunkte für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen liegen im klassischen Feld der Arbeitszeitgestaltung. Gerade flexible Arbeitszeitmodelle (Arbeitszeitkonten, Arbeitszeitkorridore, Gleitzeiten, Rufbereitschaften, Wochenendarbeit etc.) sind Hauptgegenstand in Betriebsvereinbarungen. Vor allem die Rücksichtnahme auf private und nicht der ausschließliche Vorrang betrieblicher Belange ist regelmäßig umkämpftes Terrain. Aber heute ist nicht mehr nur die Arbeitszeit flexibel, sondern in zunehmendem Maß auch der Arbeitsort und selbst die Inhalte der Arbeit. Wachsende Digitalisierung und Vernetzung in die Arbeitswelt, Fragen des Datenschutzes sowie Stress und psychische Fehlbelastungen sind aktuelle „Begleiterscheinungen“ und neue Themenfelder. DGB-Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach (2012) mahnt daher einen Stresstest nicht nur für Bahnhöfe, Atomkraftwerke oder Banken an, sondern auch „für die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen.“ In diesem Zusammenhang machte im Dezember 2011 eine Nachricht hinsichtlich des Umgangs mit mobilen Endgeräten Schlagzeilen. Es ging um die Regelung zur zeitlichen Beschränkung der Smartphone-Nutzung für Tarifbeschäftigte bei
Volkswagen: „Das Smartphone wird grundsätzlich während der Anwesenheit im Betrieb genutzt, außerhalb der Anwesenheit im Betrieb sind die Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt. Während des Zeitfensters von 18.15 Uhr bis 7.00 Uhr und an Wochenenden steht die Telefonfunktion zur Verfügung, alle anderen Anwendungen nicht.“ Der Betriebsrat hatte diese Regelung durchgesetzt, um die ständige Erreichbarkeit einzudämmen.

Zentrale Handlungsfelder zur Verringerung von Stress sind Arbeitszeitregelungen und Arbeitsüberlastung, Gesundheitsschutz, Kompetenzentwicklung und Personalpolitik. Entsprechende Ideen von Betriebsräten werden in verbindlichen Regelungen mit dem Arbeitgeber vereinbart: der Zugriff auf das Firmennetz für die Zeit der betrieblichen Gleitzeit wird begrenzt. Andere Regelungen betonen die Freiwilligkeit und legen fest, dass Beschäftigte außerhalb ihrer Arbeitszeit nicht erreichbar sein müssen. Oder Vorgesetzte werden verpflichtet, der Erwartungshaltung einer ständigen Erreichbarkeit der Beschäftigten entgegenzuwirken. Weitere Regelungen befassen sich mit transparenten Vertretungsregelungen für den E-Mail-Verkehr bei Krankheit und Urlaub. In einigen Bereichen wird zusätzlich bezahlte und geplante Rufbereitschaft eingerichtet, verbunden mit Sonderurlauben. Neue Regelungen sehen Kompetenzschulungen für die mobile Arbeitswelt und den angemessenen Umgang mit mobilen Endgeräten vor. Derlei Regelungen müssen ein Mindestmaß an Schutz bieten und zugleich Bedürfnisse von sehr unterschiedlichen Beschäftigtengruppen berücksichtigen. Ein solches Dilemma ist nicht immer lösbar. Um Konflikte mit Beschäftigten zu vermeiden, ist deren Beteiligung an der Gestaltung von Regelungen und Verfahrensweisen wichtig.

Betriebsräte sorgen für gute Arbeit und Arbeitsbedingungen. Weil technologischer Fortschritt, Digitalisierung, Vernetzung und Mobilität das Arbeitsleben verdichten und beschleunigen, entstehen neue Handlungsfelder für die betriebliche Mitbestimmung beim Thema gute Arbeit. Das bedeutet auch Mitbestimmung im Datenschutz und bei Leistungs- und Verhaltenskontrollen.

Für viele Beschäftigte wachsen individuelle Freiräume. Aber nicht für alle verbessern sich auch ihre Arbeitsbedingungen. Für Betriebsräte entsteht eine Zwickmühle: Einerseits geht es um den Schutz vor zu viel Arbeitsverdichtung und überhöhten betrieblichen Flexibilitätsanforderungen. Andererseits müssen wichtige individuelle Freiräume erhalten bleiben für Arbeitsorganisation und Zeitarrangements.[...]

[...]

Betriebsräte kämpfen für internationale Standards guter Arbeit

Der Einsatz von Betriebsräten für gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen endet längst nicht mehr am Werkstor oder an den nationalen Grenzen. Immer wieder machen Unfälle durch verheerende Arbeitsbedingungen Schlagzeilen: z. B. der Großbrand in einer Textilfabrik in Bangladesh im November 2012. Bereits im September 2012 waren 289 Arbeiter in Pakistan in einer Textilfabrik verbrannt. Aus der zynischen Sicht mancher Unternehmen, die gern in Entwicklungsländern produzieren lassen, sind diese Nachrichten schlecht fürs Geschäft. Deshalb bekennen sich gerade große Bekleidungshersteller seit Jahren zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, ihrer Corporate Social Responsibility (CSR). Es ist die freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen, sich im Kerngeschäft über das gesetzliche Maß hinaus für die Umsetzung sozialer und ökologischer Standards einzusetzen. Und in solchen Firmen es ist nicht selten der Druck von Betriebsräten, die aus Solidarität mit ihren Kollegen in den Entwicklungsländern vom eigenen Unternehmen eine wirkungsvolle Übernahme der Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen vor Ort und bei den Lieferanten einfordern.

CSR ist seit Jahren in aller Munde: Die Bundesregierung hat 2009 ein „Nationales CSR-Forum“ eingerichtet. In der Europäischen Union gibt es Diskussionen, in den Geschäftsberichten neben finanziellen Kennzahlen auch Angaben zur sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung verpflichtend zu machen. Die Vereinten Nationen bieten mit Global Compact ein Programm an, bei dem sich Unternehmen auf eine sozial verantwortliche Unternehmensstrategie verpflichten können.

Beispiele wie in Bangladesh oder Pakistan zeigen jedoch, dass CSR oft nur auf dem Papier existiert und es ein weiter Weg von der Selbstverpflichtung zur konkreten Umsetzung ist. Gelingen kann die Umsetzung nur, wenn die Interessenvertretungen der Beschäftigten in diesen Prozess einbezogen sind. Auch die Betriebsräte in Deutschland können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Das haben viele Unternehmensleitungen inzwischen selbst erkannt. Seit einigen Jahren erklären sich mehr und mehr international tätige Unternehmen bereit, mit den globalen Gewerkschaftsverbänden internationale Rahmenvereinbarungen auszuhandeln, die Unternehmen auf die Einhaltung sozialer Mindeststandards verpflichten. Auch in Bangladesh haben die meisten großen Handelsketten im Mai 2013 eine Vereinbarung mit den Gewerkschaftsverbänden UNI Global und IndustriALL unterzeichnet, um Arbeitsbedingungen, Brandschutz und Gebäudesicherheit in den Fabriken verbessern zu müssen.

Grundbestandteil solcher Regelungen ist die Verpflichtung der Unternehmen auf die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation: Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Kollektivverhandlungen, Verbot von Zwangsarbeit und Kinderarbeit sowie das Verbot von Diskriminierung und die Pflicht zur gleichen Bezahlung für gleichwertige Arbeit für Männer und Frauen. Darüber hinaus enthalten sie im Idealfall konkrete Pflichten für den Arbeits- und Gesundheitsschutz, zur Aus- und Weiterbildung, für Mindestlöhne und zur Vermeidung exzessiver Arbeitszeiten. Für die Umsetzung dieser Mindeststandards werden Verfahren zur Durchsetzung und Sanktionen geregelt sowie teilweise auch die Ausdehnung und Verpflichtung auf Zulieferer.

Aber auch bei diesen internationalen Rahmenvereinbarungen ergibt sich die Umsetzung nicht von selbst. Sie setzt voraus, dass an allen Standorten Personen existieren, die gegenüber der Konzernleitung für die Umsetzung verantwortlich sind, und auch eine Interessenvertretung der Beschäftigten vorhanden ist, die in die Umsetzung einbezogen ist. Internationale Rahmenvereinbarungen sind dann erfolgreich, wenn von Anfang an eine enge Verbindung zwischen den globalen Gewerkschaftsverbänden und den Interessenvertretungen vor Ort besteht. Hier kommen auch die Betriebsräte in Deutschland ins Spiel. Sie verfügen über Kenntnisse zu internen Prozessen und Strukturen im Unternehmen, die nötig sind, um Ansatzpunkte zu finden, Abteilungen einzubeziehen, Zulieferbeziehungen und Geschäftsprozesse zu beachten.

Wie mühsam die Umsetzung internationaler Rahmenvereinbarungen sein kann, zeigt sich aktuell am Beispiel Volkswagen. Der Weltbetriebsrat kämpft darum, die Rahmenabkommen in allen Standorten weltweit umzusetzen. In den USA stößt der Versuch, mit der US-Gewerkschaft UAW gemeinsam die Einrichtung einer betrieblichen Interessenvertretung im Werk Chattanooga anzustoßen, auf massiven Widerstand. In Italien dagegen wird die Umsetzung der VW-Charta der Arbeitsbeziehungen als Gegenmodell zu FIAT begrüßt. Dort werden von den Gewerkschaften drastische Zugeständnisse verlangt und trotzdem wird ein italienisches Werk nach dem anderen geschlossen.

Globale Rahmenvereinbarungen gibt es nicht nur in globalen Konzernen, sondern auch in deutlich kleineren. So hat die IG Metall gemeinsam mit der Bau- und Holzarbeiter Internationale und deutschen Schreibwarenherstellern wie Faber-Castell, Staedler und Schwan-Stabilo internationale Rahmenvereinbarungen getroffen, die weltweit nur wenige Tausend Beschäftigte haben. Hier übernehmen die deutschen Betriebsräte zum Teil selbst die Aufgabe, die Umsetzung der Vereinbarung in den ausländischen Standorten zu prüfen. Sie tun dies, weil sie wissen, dass die Existenz ihres Unternehmens in Deutschland auch davon abhängt, dass es weltweit als sozial verantwortliches Unternehmen wahrgenommen wird. In den internationalen Standorten gibt es bislang keine Interessenvertretung der Beschäftigten, sondern muss erst noch aufgebaut werden.

Gute Arbeitsbedingungen zu entwickeln, ist Bestandteil einer gesellschaftlich verantwortlichen Unternehmensführung. Es ist ein mühseliges Unterfangen für Betriebsräte, entlang weltweiter und grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten Standards für gute Arbeit zu erkämpfen. Dabei liegt ein weiteres Motiv für deutsche Betriebsräte im Gedanken des Schutzes der eigenen Standards der Arbeitsbedingungen. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen weltweit hilft womöglich auch, Standortkonkurrenzen zu verringern.

Es ist mühselig für Betriebsräte, entlang weltweiter und grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten Standards für gute Arbeit zu erkämpfen. Aber gute Arbeit an weniger sozial geschützten Arbeitsplätzen hilft auch guter Arbeit an besser geschützten Orten. Betriebsräte in Deutschland machen sich deshalb mehr und mehr auch im eigenen Interesse auf den Weg, über ihre Europäischen Betriebsräte und mit den internationalen Gewerkschaftssekretariaten verbindliche internationale Rahmenabkommen zu erreichen. Der Anspruch muss sein, die Einhaltung der international vereinbarten ILO-Menschenrechte umzusetzen.

Für bessere Handlungsfähigkeit von Betriebsräten

Zwanzig Jahre geübte Praxis der Interessenvertretung in Europäischen Betriebsräten machten sie zu einem selbstverständlichen Element der Interessenvertretung in grenzüberschreitenden Unternehmen. Sie haben sich auf den Weg gemacht, mit den europäischen und internationalen Gewerkschaftssekretariaten gemeinsam verbindliche internationale Rahmenabkommen zu erreichen. Den Kernarbeitsnormen der ILO-Menschenrechte soll damit Geltung verschafft werden. Denn: Jeder Arbeitsplatz hat ein Gesicht, wo auch immer auf der Welt.

  • Betriebsräte sorgen für gute Arbeit und faire Arbeitsbedingungen. Weil technologischer Fortschritt, Digitalisierung, Vernetzung und Mobilität das Arbeitsleben verdichten und beschleunigen, entstehen neue Handlungsfelder für betriebliche Mitbestimmung und gute Arbeit. Die klassischen Schutzinteressen stehen demgegenüber jedoch nicht zurück.
  • Für viele Beschäftigte wachsen individuelle Freiräume. Aber nicht für alle verbessern sich auch ihre Arbeitsbedingungen. Für Betriebsräte entsteht eineZwickmühle: Einerseits geht es um den klassischen Schutz vor Überforderung. Andererseits muss die betriebliche Mitbestimmung den Autonomiewünschen der Beschäftigten stärker entgegenkommen. Auch deshalb muss der Betriebsrat neue Kommunikationsformen in der direkten und unmittelbaren Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern finden.
  • Die betriebliche Mitbestimmung leistet konstruktive Beiträge, um die Innovationskraft von Unternehmen zu erhöhen. Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen verbessern sich. „Gute Arbeit“ entsteht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Betriebsrat klar Stellung bezieht und auch bereit ist, Konflikte mit dem Management einzugehen, um seine Ziele zu erreichen.
  • Die Kurzfristigkeit von Renditeanforderungen internationaler Kapitalgeber hat das Handeln und Spielräume für das Management verändert. Damit muss auch der Betriebsrat umgehen. Der Umgang mit Maßnahmen mit kurzfristigen Kostensenkungseffekten oder zur Restrukturierung ganzer Bereiche ist mehr und mehr zum Alltag von Betriebsrat und Gewerkschaften geworden.
  • Die Unternehmensmitbestimmung ist eine Erfolgsgeschichte, weil Betriebsratsmitglieder über ihr Mandat im Aufsichtsrat die betriebliche Mitbestimmungsagenda voranbringen können. Idealtypisch wird mit der Montanmitbestimmung vorgelebt, wie paritätische Mitbestimmung erfolgreich zum Wohl von Arbeitnehmern und Unternehmen praktiziert werden kann.
  • Professionalität des Betriebsrates kombiniert sich aus Erfahrung, erworbenen Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen. Eine entsprechende formale Anerkennung und Vergütung entlang transparenter Grundsätze wäre ein Signal von Wertschätzung für das Wahlamt Betriebsrat.

 

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“Wartung der Mitarbeiter”

Dienstag, 8. April 2014 - 07:15

Nachdem im Interview über Gesundheitsmanagement und Arbeitsschutz geredet wird, kommt die Frage: “Wie schaffe ich es, alle Regelungen und Maßnahmen zu berücksichtigen, zu dokumentieren und zu leben?” Sandra Gerhartz antwortet: “Durch die Implementierung eines zertifizierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements, hier die DIN SPEC 91020.”

Wieder einmal erweckt der TÜV-NORD den Eindruck, dass die DIN SPEC 91020 mit Regelungen und Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu tun hat. Die DIN SPEC 91020 ist kein Arbeitsschutzstandard!. Wenn Sie Geld für ein Zertifikat im Arbeitsschutz ausgeben wollen, fangen Sie besser mit einem Standard wie OHSAS 18001 (oder mit ähnlichen Standards) an. Damit bereiten Sie sich auf die vermutlich Ende 2016 erscheinende Norm ISO 45001 vor. OHSAS 18001 hilft bei der Pflicht im Arbeitsschutz. Wenn noch Geld übrig bleibt, kann die DIN SPEC 91020 gerne als Kür dazukommen.

 

http://www.tuev-nord.de/de/pressemitteilungen-575-forum-betriebliches-gesundheitsmanagement-109521.htm (2014-03-25, Pressemitteilung mit meinen Anmerkungen in eckigen Klammern):

Zertifizierung

Betriebliches Gesundheitsmanagement gewinnt an Bedeutung: „In die Wartung der Mitarbeiter muss man investieren“

Eine zunehmend alternde Belegschaftsstruktur, der Konkurrenzkampf um junge Nachwuchskräfte und Arbeitsplatzangebote in strukturschwachen Regionen – dies sind nur einige Beispiele, warum immer mehr Unternehmen sich für die Einführung eines zertifizierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements entscheiden. In einem Interview berichten Sandra Gerhartz, Fachbereichsleiterin Verbraucherschutz bei TÜV NORD, Dr. Thomas Block, Rechtsanwalt und Partner bei AC Tischendorf und Sven Richter, Verantwortlicher Human Resources bei Carlsberg Deutschland, über die Zukunft des Betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Arbeit und Gesundheit, bei diesem Thema tun sich Welten auf, wenn man sich unterschiedliche Betriebe ansieht. Während die einen ihre Mitarbeiter mit mobiler Massage und Stresstraining unterstützen, schenken die anderen dem Thema keinerlei Beachtung. Wie viel Sorge trage ich als Arbeitgeber für meine Belegschaft?


Dr. Thomas Block
: Grundsätzlich müssen Sie als Arbeitgeber immer sicher stellen, dass die Gesundheit ihrer Belegschaft in keiner Weise beeinträchtigt wird und das ist ja auch selbstverständlich. Glücklicherweise leben wir in einer Zeit, in der Arbeitsschutz so etabliert ist, dass niemand seine Angestellten ungeschützt mit giftigen Substanzen arbeiten lässt oder ohne Sicherheitsschuhe in die Produktion schickt. Problematisch wird es da, wo das Arbeitsschutzgesetz aufhört. Weitere Arbeitsschutzvorschriften finden sich in zahlreichen weiteren Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen, die oft nur mühsam zusammenzusammeln sind. Ein Puzzle des Gesetzgebers. [Hier gibt es einen guten Praxisleitfaden der Arbeitgeber.]

Wo stecken denn die Stolpersteine?

Dr. Thomas Block: Zum Beispiel beim Schutz der psychischen Gesundheit. Dieser wird mittlerweile in einem Atemzug mit der körperlichen Unversehrtheit genannt. Viele Arbeitgeber tragen dem Rechnung, indem sie Stressmanagement-Seminare oder Fitnessmöglichkeiten anbieten. Was oft vergessen wird, weil es versteckt im SGB IX, dem Schwerbehindertenrecht, gesetzlich geregelt ist, ist ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement. Unabhängig von der Betriebsgröße ist es enorm wichtig zu dokumentieren, wie man Mitarbeitern, die länger als sechs Wochen im Jahr gefehlt haben, einen guten, gesunden Start in den Job ermöglicht. Dazu sollten regelmäßig Gespräche geführt werden. Positiver Nebeneffekt: Ein gelebtes Wiedereingliederungsmanagement kann auch bei arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten helfen, die Arbeitsschutzaktivitäten des Arbeitgebers zu dokumentieren.

Sven Richter: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gerade ältere Mitarbeiter es zu schätzen wissen, wenn sie nach längerer Krankheit einen individuell gestalteten Fahrplan für ihren Wiedereinstieg erhalten. Es ist immer schlecht, einen Mitarbeiter allein zu lassen.

Dr. Thomas Block: Ein anderes schwieriges Thema ist der Umgang mit Blackberry, Smartphone und Co. Jeder ist nahezu jederzeit erreichbar. Das ist nicht im Sinne des Arbeitsschutzes. Wer als Arbeitgeber keine klaren Regeln zur Nutzung mobiler Endgeräte in der Freizeit aufstellt, kann schnell rechtswidrig handeln, denn auch ein Dulden von Arbeitszeitverstößen toleriert der Gesetzgeber nicht.

Das klingt nach verschärften Rechtspflichten im Arbeitsschutz…

Dr. Thomas Block: Nein, so ist es nicht. Es ist allerdings spürbar, dass mehr sanktioniert wird als früher.

Sandra Gerhartz: Man sollte erwähnen, dass auch der Arbeitnehmer verpflichtet ist seine Gesundheit zu schützen: Wenn er überlastet ist, gemobbt wird oder sonst durch seine Arbeit beeinträchtigt ist, muss er das seinem Vorgesetzten oder der Personalabteilung mitteilen [(Fehlbelastungsmeldung)]. Arbeitgeber sollten [(nachdem sie ihre Pflichten im Bereich der psychischen Belastungen über 15 Jahre lang vernachlässigt hatten)] Arbeitnehmer in die Lage versetzen, sorgsam und bewusst mit der eigenen Gesundheit umzugehen.

Jede Menge Anforderungen. Wie schaffe ich es, alle Regelungen und Maßnahmen zu berücksichtigen, zu dokumentieren und zu leben?

Sandra Gerhartz: Durch die Implementierung eines zertifizierten Betrieblichen Gesundheitsmanagements, hier die DIN SPEC 91020. [Nein. Da helfen AMS-Standards mehr, als die DIN SPEC 91020. Und OHSAS 18002 ist ein gutes Lehrbüchlein für den Arbeitsschutz.] Primäres Ziel der DIN ist es, den Arbeitsalltag systematisch gesundheitsgerecht zu gestalten. Das erreicht man durch eine Unternehmensführung, die gesundheitsgerechtes Führen lebt, durch optimierte Prozesse, eine gute Personal- und Führungskräfteentwicklung, indem man Möglichkeiten für die Arbeitnehmer schafft, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen und so weiter. Alle diese Punkte müssen ganz individuell auf das Unternehmen abgestimmt sein, weshalb es sinnvoll ist, Arbeitnehmer der unterschiedlichen Fachabteilungen mit ins Boot zu holen. Am Ende steht dann ein Managementsystem, das für klare Strukturen im Betrieb sorgt und nach außen zeigt, hier wird betriebliches Gesundheitsmanagement gelebt.

Wie schafft man eine Arbeitsumgebung, in der sich Arbeitnehmer wohl fühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren?

Sven Richter: In dem man bedarfsgerechte Angebote macht und diese entsprechend kommuniziert. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Mitarbeiter sinnvolle Aktionen gerne nutzen. Vorsorgeuntersuchungen, die Grippe-Impfung im Herbst, Ernährungsberatung – all das trägt zum Wohlfühlfaktor bei.

Sandra Gerhartz: Wichtig ist, dass man diese Angebote auch evaluiert, damit man nicht am Mitarbeiter vorbei plant. Auch hierfür bietet das BGM gute Ansätze.

Das klingt nach viel Arbeit.

Sandra Gerhartz: Ja, sicherlich braucht es immer Ausdauer und Engagement aller Beteiligten, bis ein QM-System steht. Und ich weiß auch, dass das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement in der einen oder anderen Führungsetage eher belächelt wird, nach dem Motto „so viel Aufmerksamkeit und Zeit für das bisschen Krankenstand“.

Sven Richter: Auf fehlendes Verständnis trifft man immer wieder an der einen oder anderen Stelle. Aber, jede Maschine wird regelmäßig gewartet, damit der Betrieb nicht zum Erliegen kommt. Das kostet auch eine Summe X. Da finde ich es nur konsequent auch in die „Wartung“ der Mitarbeiter zu investieren, um ein leistungsfähiges, motiviertes und zufriedenes Team zu schaffen.

Sandra Gerhartz: In der Tat. Ich habe auch noch niemanden getroffen, der nach der Zertifizierung gesagt hat, dass sich der Aufwand nicht gelohnt habe.

Über die TÜV NORD GROUP

Die TÜV NORD GROUP ist mit über 10.000 Mitarbeitern einer der größten technischen Dienstleister. Mit ihrer Beratungs-, Service- und Prüfkompetenz ist sie weltweit in 70 Ländern aktiv. Zu den Geschäftsbereichen gehören Industrie Service, Mobilität, IT und Bildung. Mit Dienstleistungen in den Bereichen Rohstoffe und Aerospace hat der Konzern ein Alleinstellungsmerkmal in der gesamten Branche. Leitmotiv: „Excellence for your Business“.
http://www.tuev-nord-group.com

Pressekontakt/Redaktion dieser Meldung:

TÜV NORD GROUP
Svea Büttner
Telefon +49 511 998-61270, Fax -628991270
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Wenige Unternehmen haben die psychische Belastung berücksichtigt

Montag, 7. April 2014 - 07:37

Tagesveranstaltung von Südwestmetall in Stuttgart, 2014-05-21
http://www.suedwestmetall.de/swm/web.nsf/id/li_sweb9huhg3.html

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Arbeitgeber ist nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, Gefährdungen jeglicher Art an den Arbeitsplätzen zu beurteilen. Dies geschieht im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Wenige Unternehmen haben dabei die psychische Belastung berücksichtigt. [...]

Veranstaltung, in der auch der von der Arbeitgeberseite unterstützte KPB-Test vorgestellt wird.

Leider gilt auch: Immer noch zu wenige Betriebsräte haben die Fähikeit entwickelt, mit der Durchführung und Auswertung solcher Tests kritisch umzugehen.

Position der KAN zur ISO 45001

Montag, 7. April 2014 - 06:30

http://www.kan.de/normung/basisdokumente-kan-positionen/ -> http://www.kan.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Basisdokumente/de/EU/2014-03-25_declaration_de_final.pdf (2014-03-25):

[...] Im Oktober 2013 hat ISO den Antrag des britischen Normungsinstitutes BSI angenommen, eine internationale Norm für Arbeitsschutzmanagementsysteme (ISO 45001) zu erarbeiten. Basis hierfür ist OHSAS 18001, die bereits in zahlreichen Ländern angewendet wird. In Kommentaren an ihre nationalen Normungsinstitute haben deutsche und französische Arbeitsschutzkreise auf die Tatsache verwiesen, dass mit dem ILO-Leitfaden für AMS und dessen nationalen Umsetzungen bereits geeignete Vorgaben für Arbeitsschutzmanagementsysteme (AMS) existieren. EUROGIP, das INRS und die KAN befürchten daher, dass die ISO-Norm keinen Mehrwert bringt, aber zu einem höheren Zertifizierungsdruck führen wird. Dies würde vor allem kleine und mittlere Unternehmen betreffen, die zertifiziert werden müssten, um als Zulieferer Aufträge zu erhalten oder sich an Ausschreibungen beteiligen zu können. Da das ISO Projektkomitee 283 die Arbeit an der Norm „Arbeitsschutzmanagementsysteme – Anforderungen“ bereits begonnen hat, haben sich EUROGIP, das INRS und die KAN entschieden, sich sowohl in den nationalen Spiegelgremien als auch im ISO/PC 283 aktiv in die Normungsarbeit einzubringen. [...]

Übertriebene Werbung der Unfallkasse des Bundes

Donnerstag, 3. April 2014 - 07:40

https://osha.europa.eu/fop/germany/de/news/neues/2_quartal_2014/article.2014-04-03

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung – Eine Handlungshilfe der Unfallkasse des Bundes

[Quelle/Urheber: Unfallkasse des Bundes, März 2014]

Wie eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung rechtssicher durchgeführt wird, wird in der Broschüre der Unfallkasse des Bundes gezeigt. Sie stellt ein einfaches, aber zuverlässiges Vorgehen vor, das ohne externe Experten auskommt.

Was können Arbeitgeber konkret tun, damit ihre Beschäftigten gesund bleiben? Das hängt stark vom betrieblichen Umfeld ab. Eine Bestandsaufnahme ist deshalb immer der erste Schritt: Welche Gefahren für die psychische Gesundheit gibt es in den Dienststellen? Was genau stresst die Beschäftigten bei der Arbeit?

Eine erprobte Methode für eine solche Bestandsaufnahme ist die Gefährdungsbeurteilung. Sie liefert einen guten Überblick über die Arbeitsbedingungen im Betrieb. Außerdem zeigt sie dem Arbeitgeber auf, was er tun kann, um die Gefahren zu beseitigen.

Diese Broschüre unterstützt Arbeitgeber dabei, die Gefährdungsbeurteilung Psyche mit verlässlichen Ergebnissen bei minimalem Aufwand vorzunehmen. Zentrales Instrument ist die Prüfliste Psychische Belastung, die sich seit Jahren in der Bundesverwaltung und darüber hinaus als Instrument bewährt hat. Es ist ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, das die strengen Normkriterien an Fragebögen erfüllt.

Diese Broschüre berücksichtigt die Leitlinie der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie hinsichtlich der Überwachungspraxis durch die Unfallversicherungsträger zu psychischer Belastung und bietet den Unternehmen damit einen Rahmen für rechtssicheres Handeln. …

VORSICHT: Die Prüfliste der Unfallkasse des Bundes wird von der Kasse als ein Instrument gepriesen, für das der Arbeitgeber keine externe Beratung braucht. Solche von Laien durchführbaren “Screening-Verfahren” (bzw. “orientierende Verfahren”) haben ihre Berechtigung, sie aber ohne eine gute Beschreibung ihrer Grenzen anzupreisen, ist unseriös. In der Broschüre wird sogar behauptet:

Die Prüfliste können wir Ihnen guten Gewissens ans Herz legen, denn sie ist wissenschaftlich geprüft. Die besagten Vorteile haben Sie also garantiert. Die Prüfliste ermöglicht zwar lediglich einen Überblick über das Belastungsgeschehen, das aber macht sie zuverlässig. Zu diesem Ergebnis kommt die TU Dresden, die im Jahr 2002 in einer Studie mit mehr als 300 Beschäftigten aus einer Bundes- und einer Landesbehörde die Prüfliste einem wissenschaftlichen Qualitäts-Check unterzogen hat. (Mühlpfordt, S., Richter, P. & BAuA (Hrsg.) (2003). Evaluation eines orientierenden Verfahrens zur Erfassung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag. Erschienen ist dieses Buch in der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter der Kennung Forschung FB 995.) Soweit bekannt, ist die Prüfliste damit das einzige orientierende Verfahren zur Erfassung psychischer Belastung, das wissenschaftlich überprüft wurde und die strengen Norm-Kriterien an die Messqualität von Fragebögen nachweisbar erfüllt.

Das ist schlicht unwahr. Es gibt inzwischen eine Vielzahl an Testverfahren, die sich gut bewährt haben und den Empfehlungen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie sowie den Anforderungen der Norm ISO 10075 gerecht werden.

In einer im Jahr 2014 veröffentlichten Broschüre zu behaupten, die Prüfliste der Unfallkasse des Bundes sei das einzige orientierende Verfahren zur Erfassung psychischer Belastung, das wissenschaftlich überprüft wurde und die strengen Norm-Kriterien an die Messqualität von Fragebögen nachweisbar erfülle, grenzt an Unverschämtheit. Da rettet auch ein “soweit bekannt” die Verfasser der Broschüre nicht mehr. Wenn der Kasse aber tatsächlich die anderen Verfahren nicht bekannt sein sollten, dann hat sie schlicht keine Ahnung von Verfahren, die bei Gefährdungsbeurteilung im Bereich der Psychischen Belastungen helfen können.

Eine “Prüfliste” kann noch so “wissenschaftlich überprüft” sein, Rechtssicherheit bei der Gefährdungsbeurteilung kannd das Instrument alleine nicht garantieren. Auch die Auswahl eines Testverfahrens sowie die Planung, Durchführung und Auswertung muss rechtssicher sein, und zwar nicht nur hinsichtlich des Arbeitsschutzgesetzes, sondern auch mit Respekt für das Betriebsverfassungsgesetz: Der Personalrat bestimmt hier mit und sollte deswegen auch andere Tesverfahren kennen. Schon bei der Auswahl eines geeigneten Testverfahrens kann man viel lernen.

Ich rate den von einem derart unserös dargestellten Testverfahren betroffenen Personalräten darum dringend, sich einen eigenen Berater zuzulegen. Kompetente Berater helfen Betriebsräten und Personalräten auch, ihr Recht auf eine externe und vom Arbeitgeber unabhängige Beratung durchzusetzen. Letztendlich geht es am Ende einer Befragung der Mitarbeiter immer auch um die Interpretationsmacht.

In meinem Blog gibt es mehrere Artikel zu Testverfahren. Mein persönlicher Favorit unter den Screening-Verfahren ist der IMPULS-Test.

Die DAkkS macht Ernst

Dienstag, 1. April 2014 - 11:11

Im modernen Arbeitsschutz wird heute versucht, der Überforderung der behördlichen Arbeitsschutz-Aufsicht mit der Zertifizierung von Arbeitsschutz-Managementsystemen (AMS) in den deutschen Unternehmen zu begegnen: Bei der Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditierte Zertifizierer stellen den zu überprüfenden Unternehmen Zertifikate aus, die diese dann der Gewerbeaufsicht und der Berufsgenossenschaft vorzeigen können. Leider wurden aber auch Unternehmen mit einem unzureichenden AMS zertifiziert. Das soll sich nun ändern.

Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen ist zu hören, dass die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) in Zukunft für strengere Audits von Arbeitsschutz-Managemensystemen sorgen will. In der Vergangenheit seien von den Unternehmen eher jene Zertifizierer ausgewählt worden, die “nachsichtig” auditierten. Insbesondere sollen nun keine strafbaren Handlungen mehr toleriert werden: Bisher war es beispielsweise möglich, dass die Arbeitgeber den Betriebsräten die Erkenntnisse aus Audits zum Arbeits- und Gesundheitsschutz vorenthalten durften - mit Wissen der bei der DAkkS akkreditierten Zertifizierer. Nun will man aus Erfahrungen in den Niederlanden lernen und Betriebsräte an Audits mitwirken lassen.

Kritisch merkte die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber (BDA) zu der Ankündigung eines strengeren Vorgehens der DAkkS an, dass Nachsichtigkeit von externen Auditoren inzwischen kein Wettbewerbsvorteil von Zertifizierern mehr sei. Es träfe nicht mehr zu, dass die Arbeitgeber “nur den laschesten Zertifizierer” mit Audits beauftragen. Im Gegenteil habe gerade der strengste Zertifizierer kürzlich durch “innovative Erziehungsmethoden” viele neue Kunden gewinnen können: Seine Auditoren besuchen ihre Kunden in Latex-Kleidung. Die “Techniken” dieser Arbeitsschutz-Auditoren werde in den Betrieben nicht nur als “anregend” empfunden, sondern seien oft sogar mit “großer Begeisterung” angenommen worden. Eine “weitergehende Verschärfung” von Zertifizierungs und Zwischen-Audits durch die Mitwirkung “oft hemmungslos agierender” Betriebsräte könne jedoch zu “gefährlichen Übertreibungen” führen.

Ein Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) kommentierte die Bedenken der BDA lediglich mit der Anmerkung, dass sich in Unternehmen mit “gewerkschaftlich organisierten Betriebsräten” nur wenig verändern werde, da dort bereits auf bestehende “Erfahrungen mit strengen Audits und bewährten Utensilien” zurückgegriffen werden könne.