Übertriebene Werbung der Unfallkasse des Bundes

Donnerstag, 3. April 2014 - 07:40

https://osha.europa.eu/fop/germany/de/news/neues/2_quartal_2014/article.2014-04-03

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung – Eine Handlungshilfe der Unfallkasse des Bundes

[Quelle/Urheber: Unfallkasse des Bundes, März 2014]

Wie eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung rechtssicher durchgeführt wird, wird in der Broschüre der Unfallkasse des Bundes gezeigt. Sie stellt ein einfaches, aber zuverlässiges Vorgehen vor, das ohne externe Experten auskommt.

Was können Arbeitgeber konkret tun, damit ihre Beschäftigten gesund bleiben? Das hängt stark vom betrieblichen Umfeld ab. Eine Bestandsaufnahme ist deshalb immer der erste Schritt: Welche Gefahren für die psychische Gesundheit gibt es in den Dienststellen? Was genau stresst die Beschäftigten bei der Arbeit?

Eine erprobte Methode für eine solche Bestandsaufnahme ist die Gefährdungsbeurteilung. Sie liefert einen guten Überblick über die Arbeitsbedingungen im Betrieb. Außerdem zeigt sie dem Arbeitgeber auf, was er tun kann, um die Gefahren zu beseitigen.

Diese Broschüre unterstützt Arbeitgeber dabei, die Gefährdungsbeurteilung Psyche mit verlässlichen Ergebnissen bei minimalem Aufwand vorzunehmen. Zentrales Instrument ist die Prüfliste Psychische Belastung, die sich seit Jahren in der Bundesverwaltung und darüber hinaus als Instrument bewährt hat. Es ist ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren, das die strengen Normkriterien an Fragebögen erfüllt.

Diese Broschüre berücksichtigt die Leitlinie der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie hinsichtlich der Überwachungspraxis durch die Unfallversicherungsträger zu psychischer Belastung und bietet den Unternehmen damit einen Rahmen für rechtssicheres Handeln. …

VORSICHT: Die Prüfliste der Unfallkasse des Bundes wird von der Kasse als ein Instrument gepriesen, für das der Arbeitgeber keine externe Beratung braucht. Solche von Laien durchführbaren “Screening-Verfahren” (bzw. “orientierende Verfahren”) haben ihre Berechtigung, sie aber ohne eine gute Beschreibung ihrer Grenzen anzupreisen, ist unseriös. In der Broschüre wird sogar behauptet:

Die Prüfliste können wir Ihnen guten Gewissens ans Herz legen, denn sie ist wissenschaftlich geprüft. Die besagten Vorteile haben Sie also garantiert. Die Prüfliste ermöglicht zwar lediglich einen Überblick über das Belastungsgeschehen, das aber macht sie zuverlässig. Zu diesem Ergebnis kommt die TU Dresden, die im Jahr 2002 in einer Studie mit mehr als 300 Beschäftigten aus einer Bundes- und einer Landesbehörde die Prüfliste einem wissenschaftlichen Qualitäts-Check unterzogen hat. (Mühlpfordt, S., Richter, P. & BAuA (Hrsg.) (2003). Evaluation eines orientierenden Verfahrens zur Erfassung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag. Erschienen ist dieses Buch in der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter der Kennung Forschung FB 995.) Soweit bekannt, ist die Prüfliste damit das einzige orientierende Verfahren zur Erfassung psychischer Belastung, das wissenschaftlich überprüft wurde und die strengen Norm-Kriterien an die Messqualität von Fragebögen nachweisbar erfüllt.

Das ist schlicht unwahr. Es gibt inzwischen eine Vielzahl an Testverfahren, die sich gut bewährt haben und den Empfehlungen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie sowie den Anforderungen der Norm ISO 10075 gerecht werden.

In einer im Jahr 2014 veröffentlichten Broschüre zu behaupten, die Prüfliste der Unfallkasse des Bundes sei das einzige orientierende Verfahren zur Erfassung psychischer Belastung, das wissenschaftlich überprüft wurde und die strengen Norm-Kriterien an die Messqualität von Fragebögen nachweisbar erfülle, grenzt an Unverschämtheit. Da rettet auch ein “soweit bekannt” die Verfasser der Broschüre nicht mehr. Wenn der Kasse aber tatsächlich die anderen Verfahren nicht bekannt sein sollten, dann hat sie schlicht keine Ahnung von Verfahren, die bei Gefährdungsbeurteilung im Bereich der Psychischen Belastungen helfen können.

Eine “Prüfliste” kann noch so “wissenschaftlich überprüft” sein, Rechtssicherheit bei der Gefährdungsbeurteilung kannd das Instrument alleine nicht garantieren. Auch die Auswahl eines Testverfahrens sowie die Planung, Durchführung und Auswertung muss rechtssicher sein, und zwar nicht nur hinsichtlich des Arbeitsschutzgesetzes, sondern auch mit Respekt für das Betriebsverfassungsgesetz: Der Personalrat bestimmt hier mit und sollte deswegen auch andere Tesverfahren kennen. Schon bei der Auswahl eines geeigneten Testverfahrens kann man viel lernen.

Ich rate den von einem derart unserös dargestellten Testverfahren betroffenen Personalräten darum dringend, sich einen eigenen Berater zuzulegen. Kompetente Berater helfen Betriebsräten und Personalräten auch, ihr Recht auf eine externe und vom Arbeitgeber unabhängige Beratung durchzusetzen. Letztendlich geht es am Ende einer Befragung der Mitarbeiter immer auch um die Interpretationsmacht.

In meinem Blog gibt es mehrere Artikel zu Testverfahren. Mein persönlicher Favorit unter den Screening-Verfahren ist der IMPULS-Test.


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