Archiv für November, 2011

Occupy the Universities

Samstag, 5. November 2011 - 21:58

In den 68ern besetzten die Studenten die Unis. Heute sind sie Personaler, und besetzen die Universitäten schon wieder, aber anstatt mit Krawall nun mit ihren Leuten und ihren Ideologien. So möchte die Wirtschaft ihre Arbeitnehmer schon bei der Ausbildung in den Griff bekommen. Oder sie kaufen sich in der Akademia ein und lassen sich ihren Angestellten mit der richtigen Einstellung in An-Instituten mit der richtigen Einstellung eine wissenschaftlich aussehende Ausbildung in der von ihnen eingestellten Richtung verpassen. Der Steuerzahler bezahlt das Blendwerk mit.

Vernetzte Personaler denken über ihre eigenen Betriebe hinaus und arbeiten an den Regeln des Arbeitsmarktes und der Ideologisierung der Wissenschaft, um sich dann auf diese von ihnen selbst beeinflussten Regeln berufen zu können. Sie besetzten die Köpfe der kommenden Arbeitnehmer schon in der Schule. Je unhaltbarer Glaubenslehren werden, desto anspruchsvoller wird natürlich die Glaubenspflege. Das ist nichts Neues.

Die führenden Personaler handeln heute betriebsübergreifend politisch. Gleichzeitig mögen sie es nicht, wenn in den Betrieben eine betriebsübergreifende Politik der Gewerkschaften spürbar wird. Das ist natürlich kein Widerspruch.

Frage nach dem System der Arbeit

Freitag, 4. November 2011 - 14:30

http://www.zeit.de/kultur/2011-10/burnout-zwischenruf (David Hugendick)

Burn-out ist das Wort unserer Zeit. Aber wir diskutieren lieber Einzelschicksale, als die wesentliche Frage zu stellen: nach dem System der Arbeit. …

Burnout-Detektive

Freitag, 4. November 2011 - 12:29

2011-10-17 (21:45): Hübsche Titelseite in der Abendzeitung (München): “Burnout-Detektive in Münchner Firmen – Arbeitsministerin Haderthauer: Aufpasser sollen psychische Risiken im Betrieb kontrollieren”. Und dann unter dem Artikel “Burnout-Aufpasser für Bayern” das schöne Interview auf Seite 16: “Burnout-Prophylaxe: Hier sagt die Ministerin, wie die Gewerbeaufsicht einschreiten soll”. Das Ganze ist auch gut verständliche Aufklärungsarbeit einer Zeitung und einer Ministerin, die wohl auch innerhalb der CSU ihren eigenen Kopf hat. Kompliment.

2011-11-04: Gestern wählte Horst Seehofer den “mental starken” Markus Söder als Nachfolger von Georg Fahrenschon zum neuen Finanzminister Bayerns aus. An dem Rollenbesetzungstheater nahm auch wieder einmal die Öffentlichkeit teil, also eine Gelegenheit der parteiinternen Gegner von Christine Haderthauer, sie ungefähr als so unbeleckt in Finanzfragen darzustellen, wie Markus Söder es ebenfalls ist. Die Wirtschaftslobby in der CSU will wohl ihren Spezln den Besuch von “Burnout-Detektiven” zwar ersparen, aber im Finanzministerium hätte Haderthauer die Steuerfahndung losschicken können. Christine Haderthauer bleibt nun doch Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, und ich freue mich, dass sie in diesem Amt ihre Arbeit (hoffentlich nicht nur Öffentlichkeitsarbeit im Boulevard) weitermacht.

Siehe auch: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/47615/Haderthauer_fordert_politische_Initiative_gegen_Burnout.htm.

Nachtrag (2015): Die Entzauberung der Ministerin folgte dann später. Trotz meines Grantelns in diesem Blog sehe ich zunächst das Gute im Menschen.

Mitbestimmung bei Führungskräfteschulungen

Mittwoch, 2. November 2011 - 17:24

Neuer Artikel: http://blog.psybel.de/2012/01/27/arbeitsschutztraining-von-leitenden-angestellten/

 
Google: http://www.google.de/search?q=Führungskräfteschulung+”psychische+Belastung”

Ministerin mit wenig Ahnung?

Dienstag, 1. November 2011 - 18:31

Die Thüringer Verbraucherschutzministerin Heike Taubert (SPD) ist auch für den Arbeitsschutz zuständig. Sie versteht aber leider nicht viel davon (wenn man dieser Meldung der DAPD trauen darf):
http://www.b2b-deutschland.de/thueringen/region/detail_dapd_3195556230.php (2011-10-25)

… Der Arbeitsschutz steht darüber hinaus durch veränderte Arbeitsprozesse vor neuen Herausforderungen. Während die körperliche Belastung durch technische Fortschritte weniger werde, böten erhöhter Zeitdruck und zu lange Arbeitszeiten nun verstärkt eine Gefahr für Beschäftigte, sagte Ziemer.

Aus diesem Grund sei es eine immer wichtiger werdende Aufgabe der Arbeitsschutzbehörden, Betriebe auf die psychische Belastung ihrer Arbeitnehmer zu kontrollieren. Diese Information müsse jedoch von den Arbeitgebern direkt kommen. Es sei nicht die Aufgabe der Arbeitsschutzbehörden, die Beschäftigten zu untersuchen. …

Wie man es richtig macht, könnt Heike Taubert von Christine Haderthauer (CSU) lernen, der derzeitigen Bayerischen Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Hoffentlich finden sich wenigstens die Fachleute in Heike Tauberts Ministerium besser im Arbeitsschutz zurecht, auch wenn da der Schwerpunkt selbst nach 15 Jahren Arbeitsschutzgesetz immer noch auf dem technischen Arbeitsschutz liegt.

Natürlich ist es nicht Aufgabe der Arbeitsschutzbehörden, die Beschäftigten zu untersuchen. Keiner, der etwas von Arbeitsschutz versteht, käme auf einen solchen Unsinn. Wenn Heike Taubert hier nicht falsch zitiert wurde, dann versteht sie die wichtigsten Grundlagen des Arbeitsschutzes nicht: Die Arbeitsschutzbehörden haben die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes zu überwachen. Belastungen werden dabei aber nicht mit der “Untersuchung von Beschäftigten” ermittelt, sondern mit der Untersuchung von Arbeitsbedingungen.

Tiere in der freien Wildbahn

Dienstag, 1. November 2011 - 08:23

Byung-Chul Han: Müdigkeitsgesellschaft, 2010, ISBN-13 9783882216165

… Auch die wachsende Arbeitsbelastung macht eine besondere Zeit- und Aufmerksamkeitstechnik notwendig, die sich wiederum auf die Aufmerksamkeitsstruktur auswirkt. Die Zeit- und Aufmerksamkeitstechnik Multitasking stellt keinen zivillsatorischen Fortsschritt dar. Das Multitasking ist keine Fähigkeit, zu der alleine der Mensch in der spätmodernen Arbeits- und Informationsgesellschaft fähig wäre. Es handelt sich vielmehr um einen Regress. Das Multitasking ist gerade bei den Tieren in der freien Wildbahn weit verbreitet. Es ist eine Aufmerksamkeitstechnik, die unerlässlich ist für das Überleben in der Wildnis. … Die jüngsten gesellschaftlichen Entwicklungen und der Strukturwandel der Aufmerksamkeit nähern die menschliche Gesellschaft immer mehr der freien Wildbahn an.

(S. 26-27, Hervorhebung nachträglich eingefügt.)

 
Siehe auch: