Archiv für September, 2014

Economed

Dienstag, 30. September 2014 - 06:25

http://www.economed.de/economed-im-betrieb/gefaehrdungsbeurteilung

[...] Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung am Arbeitsplatz ist ein wesentliches Element bei der Erreichung des Ziels, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch einen effizient und systematisch wahrgenommenen Arbeitsschutz – ergänzt durch Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung – zu erhalten, zu verbessern und zu fördern. Arbeitsbedingten psychischen Belastungen kommt eine hohe Bedeutung für das Gesundheits- und Krankheitsgeschehen zu. Insoweit ist es wichtig, eine breite, adäquate Berücksichtigung psychischer Belastung bei der Arbeit im betrieblichen Arbeits-und Gesundheitsschutz zu befördern. Das Thema „Psychische Belastung“ ist gleichwertig neben den technischen, chemischen, biologischen und ergonomischen Fragestellungen. Wir nehmen für Sie die Lotsenfunktion wahr, das heißt, wir stellen den Unternehmen unsere fachbezogenen Kenntnisse als Wegweiser und Berater zum Thema psychische Belastung zur Verfügung und begleiten das Thema in den einzelnen Phasen. Vom orientierenden Verfahren über das Screening bis zum Expertenverfahren.

Wir begleiten Sie von der systematischen Ermittlung der psychischen Belastung bis hin zur fachlichen Beurteilung der einzelnen Belastungsfaktoren. Auf Wunsch erfolgt eine fachliche Begleitung der notwendigen betrieblichen Maßnahmen bei der Umsetzung mit vertiefender Beratung bei individuellen bzw. personenbezogenen Problemstellungen.

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DAK-Gesundheitsreport 2014:
Krank zur Arbeit

Montag, 29. September 2014 - 07:55

http://www.dak.de/dak/bundesweite_themen/Gesundheitsreport_2014-1374224.html

DAK-Gesundheitsreport 2014: Rushhour des Lebens ohne Krankenschein
Studie untersucht Mehrfachbelastung bei 25- bis 39-Jährigen [...]

http://www.dak.de/dak/bundesweite_themen/Krank_zur_Arbeit-1477390.html

DAK-Studie: Viele Deutsche gehen krank zur Arbeit
Jeder sechste jüngere Arbeitnehmer ist bis zu 20 Tage mit Gesundheitsproblemen im Job [...]

DAK-Gesundheitsreports: http://www.dak.de/dak/bundesweite_themen/Gesundheitsreport-1319196.html

“Wie die Politik Weicheier heranzüchten wird”

Mittwoch, 24. September 2014 - 10:07

http://wirkt.de/die-anti-stress-verordnung/ (Dr. Thorsten Bosch AG):

Die Anti-Stress-Verordnung
Veröffentlicht am 19. September 2014 von Roger El-Hourani
Oder: wie die Politik Weicheier heranzüchten wird [...]

Das fängt ja schon mit der Überschrift gut an. Lesen Sie den Rest selbst. Die Verordnung kann Kritik gebrauchen, aber ist die Verordnung, die von Roger El-Hourani dargestellt wird, auch die Verordnung, die vorgeschlagen werden soll? Es ist immer hilfreich, sich mit dem Argumentationsstil der Gegner einer verbesserten Umsetzung des Arbeitsschutzgesetze auseinanderzusetzen.

Die Polemik El-Harounis soll mit Quelleangaben am Ende des Artikels einen seriösen Anstrich bekommen. Darunter findet sich auch “Normenausschuss Ergonomie (1987). Psychische Belastung und Beanspruchung Din-Norm Nr. 33 405. Berlin, Beuth Verlag 1987″. Die Norm DIN 33405 ist schon längst zurückgezogen worden. Relevant ist die Norm ISO/EN/DIN 10075. (El-Harouni ist hier nicht alleine. Auch das Gabler-Wirtschaftslexikon hat’s noch nicht gemerkt.)

2012 schloss Roger El-Hourani sein Psychologiestudium mit einer praktischen Forschungsarbeit zum Gesundheitsmanagement in Kooperation mit der AOK-Baden-Württemberg ab. Seine Schwierigkeiten, die “Anti-Stress-Verordnung” zu verstehen beruhen also nicht auf fehlender Fachkenntnis, sondern dienen ihm zur eristischen Darstellung des Themas. Der Psychologe El-Harouni setzt sein Wissen zur psychologischen Kampfführung ein und weiß, dass er die “Anti-Stress-Verordnung” falsch darstellt. Wahrscheinlich geht es hier aber nicht um falsch oder richtig, sondern um die Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Kunden, die die Dr. Thorsten Bosch AG bedienen will.

Das Niveau des Artikels von El-Harouni wir noch von dem YouTube-Video unterboten, den El-Harouni in seinen Artikel eingebettet hat. Verantwortlich dafür ist Jörg Zajonc, der Chef von RTL-West. Er ist also eine Führungskraft, weswegen sich die Gewerbeaufsicht seine Polemik einmal genauer ansehen und anhören sollte.

Berater wie Roger El-Harouni und Führungskräfte wie Jörg Zajonc sind ein gutes Argument für eine strenge “Anti-Stress-Verordnung”, die sich insbesondere einer kompetenten behördlichen Aufsicht widmen könnte.

Übrigens, man kann Regulierungsbemühungen im Bereich der arbeitsbedingten psychischen Belastungen auch anständig kritisieren: A. Hofmann und K.- J. Keller (Arbeitgeberverband Metall NRW), R. Neuhaus (Institut für angewandte Arbeitswissenschaft), April 2000 (nicht 2002, wie das bei ergonassist.de steht), 59 Seiten: Die Sache mit der psychischen Belastung, Eine praxisnahe Handlungshilfe für Unternehmen in Leistung und Lohn, Zeitschrift für Arbeitswissenschaft (Nr. 367/368/369/370). Ralf Neuhaus war als seriöser Wissenschaftler schon im April 2000 weiter, als Roger El-Hourani es zwei Jahre nach seinem Studienabschluss ist.

Arbeitgeber loben Merkel

Mittwoch, 24. September 2014 - 09:10

http://www.gesamtmetall.de/gesamtmetall/meonline.nsf/id/News-GIP-21-2014_DE-Bundeskanzlerin-Anti-Stress

22. September 2014

Dulger: Arbeitgeber begrüßen Merkels Absage an eine Anti-Stress-Verordnung

Anti-Stress-Verordnung hilft keinem Betroffenen

Berlin. Gesamtmetall-Präsident Dr. Rainer Dulger begrüßt die deutliche Absage von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel an eine Anti-Stress-Verordnung. “Die Absage der Bundeskanzlerin ist erfreulich. Eine Anti-Stress-Verordnung hilft keinem Betroffenen”.

Dulger erinnerte daran, dass Arbeitgeber, Gewerkschaften und das Bundesarbeitsministerium erst vor einem Jahr in einer gemeinsamen Erklärung beschlossen hätten, zunächst wissenschaftliche Grundlagenforschung zu unterstützen.

“Wir begrüßen auch die Aussage, dass Unternehmen nicht mit weiteren Regulierungen rechnen müssen”, so Dulger weiter. An dieser Aussage werde man die Arbeit der Bundesregierung in den kommenden Monaten messen.

 
In der von Dulger genannten gemeinsamen Erklärung steht:

[...] Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hält die rechtlichen Grund­lagen für einen umfassenden Arbeitsschutz in Deutschland grundsätzlich für ausreichend. Es wird jedoch im Verlauf der zweiten Arbeitsperiode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie prüfen, inwieweit es im Lichte neuer Erkenntnisse Regelungs­bedarf im Bereich arbeits­bedingter psychischer Belastung gibt. [...]

 
Zur zweiten Arbeitsperiode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (http://www.gda-portal.de/de/pdf/GDA-Dachevaluation_Abschlussbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2):

[...] Empfehlung für die nächste Periode

Aus der Sicht der Dachevaluation kann das neue übergeordnete Ziel ‚Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes‘ (ORGA) am ehesten mit den vorhandenen in der ersten GDA-Periode entwickelten Instrumenten evaluiert werden. Die Fortschritte und Entwicklungen des ersten Ziels sind voraussichtlich im Rahmen der Strategieperiode 2013 bis 2018 überprüfbar. Es handelt sich um kurz- und mittelfristig erreichbare Ziele (im Sinne von Zeiträumen von 1 – 3 bzw. 3 – 5 Jahren). Viele der dort erhobenen Daten werden sich voraussichtlich mit den Daten, die in der ersten Strategieperiode erhoben wurden, verknüpfen lassen. [...]

Wenn ich es richtig verstehe, dann ist die zweite Arbeitsperiode die die im Jahr 2018 endende “Strategieperiode”. Dass schließt aber nicht aus, dass die Prüfung im Verlauf der zweiten Arbeitsperiode schon vorher zur Erleuchtung des Gesetzgebers beitragen könnte. Eine Durchführungsverordnung zur Stärkung der behördlichen Aufsicht beim Einbezugs psychischer Belastung in den Arbeitsschutz der Betriebe könnte sich dabei als sinnvoll erweisen, ohne dass von den Arbeitgebern zu befolgende Regeln und Vorschriften geändert werden müssten. Wichtig wäre in der Gewerbeaufsicht ein beschleunigter Kompetenz- und Ressourcenaufbau. Regelungsbedarf gibt es aus meiner Sicht auch zur Verbesserungen der Qualifizierung der Arbeitsschutzakteure (einschließlich der Arbeitnehmervertretungen) und der Umsetzung des §87 BetrVG.

(Umleitung)

Mittwoch, 24. September 2014 - 02:42

Umleitung -> http://blog.psybel.de/merkel-gegen-aber-cda-fuer-anti-stress-verordnung/

Der TÜV desinformiert

Montag, 22. September 2014 - 03:03

http://www.tuev-nord.de/de/pressemitteilungen-575-psychische-belastung-lkw-fahrer-risiko-im-strassenverkehr-111689.htm (2014-09-17)

Psychische Belastung der Lkw-Fahrer wird zum Risiko im Straßenverkehr

[...] Durch die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes vom 25. Oktober 2013 sind jetzt auch psychische Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen. Die Arbeitgeber sind somit verpflichtet, sich mit den psychischen Belastungen der Berufskraftfahrer zu beschäftigen und, falls erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, diese zu reduzieren. [...]

In einer Organisation wie dem TÜV muss bekannt sein, dass die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes nur eine Klarstellung bereits geltenden Rechts war. Mit welcher Absicht verbreitet sogar der TÜV die falsche Meldung, dass Arbeitgeber erst jetzt psychische Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen haben?

Auch scheinen die Leute beim TÜV immer noch nicht begriffen zu haben, dass nicht psychische Belastungen zu reduzieren sind (dann gäbe es nämlich überhaupt gar keine Arbeit), sondern es geht um die Vermeidung von Fehlbelastungen!

Außerdem ist die psychische Belastung der LKW-Fahrer nicht erst kürzlich ein Risiko im Straßenverkehr geworden. Die kriminelle Energie vieler Arbeitgeber im Bereich des Arbeitsschutzes ist in dieser Branche bekanntlich schon seit vielen Jahren besonders hoch.

Huml warnt vor „Effizienzwahn“ in der Wirtschaft

Samstag, 20. September 2014 - 03:51

In Bayern kann ein großes Unternehmen ohne Furcht vor Kritik und vor entsprechender Protokollierung durch die Gewerbeaufsicht versuchen, Mitarbeiter abzumahnen, die psychische Fehlbelastungen melden. Die betroffenen Mitarbeiter müssen sich selbst wehren (erfolgreich mit Betriebsrat und Rechtsanwalt), denn die Gewerbeaufsicht bleibt passiv. Die Gesundheitsministerin dieses Landes beglückte uns nun wieder mit Mahnungen, die gut klingen, aber ohne eine kompetentere und engagiertere Kontrolle durch die Gewerbeaufsicht populistisches Politikergeschwätz bleiben werden.

Abgesehen davon ist es Unsinn, ein verstärktes Vorgehen gegen körperliche und psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu fordern. Obwohl es inzwischen eigentlich hinreichend bekannt sein sollte, haben die Öffentlichkeitsarbeiter der Ministerin immer noch nicht begriffen, dass es um die Vermeidung körperlicher und psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz geht. Ohne körperliche und psychische Belastungen gäbe es keine Arbeit.

http://www.stmgp.bayern.de/aktuell/presse/detailansicht.htm?tid=30685

Pressemitteilung

13.09.2014
Nr. 223/GP

Huml warnt vor „Effizienzwahn“ in der Wirtschaft – Bayerns Gesundheitsministerin: Steigende Zahl psychischer Erkrankungen bei Arbeitnehmern besorgniserregend

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml fordert ein verstärktes Vorgehen gegen körperliche und psychische Belastungen am Arbeitsplatz. Huml betonte am Samstag anlässlich eines Gesundheitsforums der Industrie- und Handelskammer Bayreuth im oberfränkischen Weißenstadt: „Die Beschäftigten dürfen nicht vom Beschleunigungs- und Effizienzwahn überrollt werden. Das ist auch im Interesse der Betriebe. Denn sie brauchen dauerhaft gesunde und motivierte Mitarbeiter.“

Die Ministerin fügte hinzu: „Unternehmerischer Erfolg auf Kosten der Gesundheit – diese Rechnung geht auf Dauer nicht auf! Dagegen lohnen sich Investitionen in ein gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld. Denn: Studien konnten zeigen, dass sich jeder Euro, der in die Gesundheit der Mitarbeiter investiert wird, mindestens doppelt auszahlt.“

Die Ministerin verwies auf den „Fehlzeiten-Report 2013“. Sie unterstrich: „Arbeitsausfälle in der deutschen Wirtschaft sind häufig durch Muskel-Skelett- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht. Besonders besorgniserregend ist darüber hinaus die steigende Zahl an Krankheitstagen aufgrund psychischer Erkrankungen. Hier sollte gegengesteuert werden! Notwendig ist ein ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement, das neben den körperlichen auch die seelischen, emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigt.“

Das Bayerische Gesundheitsministerium setzt sich im Rahmen der Gesundheitsinitiative Gesund.Leben.Bayern. mit verschiedenen Modellprojekten für eine „gesunde Arbeitswelt“ ein. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Prävention psychischer Erkrankungen. So unterstützt das Gesundheitsministerium das Projekt “Kein Disstress in der Ausbildung!”, das sich um einen positiven Start ins Berufsleben kümmert, mit rund 150.000 Euro.

Die bayerische Gewerbeaufsicht darf ja nicht einmal mehr schreiben, dass sie mit Unternehmen, die von den gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitsschutzes abweichen, Zielvereinbarungen trifft. So sieht die Doppelstrategie bayerischer Gesundheitspolitik aus: Nach außen hin den “Effizienzwahn” der Wirtschaft bejammern, aber gleichzeitig wird im Arbeitsschutz nicht ernsthaft dafür gesorgt, dass eine effiziente behördliche Kontrolle im Bereich der Verhinderung psychischer Fehlbelastungen stattfinden kann. Diese Politik ist infam.

Die Ministerin meint: “Notwendig ist ein ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement, das neben den körperlichen auch die seelischen, emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigt.” Das klingt erst einmal gut, lenkt aber davon ab, dass die Politikerin mitverantwortlich für immer noch schwache Kontrollen im Bereich des ganzheitlichen betrieblichen Arbeitsschutzes ist. Notwendig ist erst einmal (seit 1996!), dass sich Unternehmen endlich an die Vorschriften halten. Die Ministerin will den einfachsten Grund für Mängel im Arbeitsschutz nicht ansprechen: Wenn die Politik zulässt, dass die Gewerbeaufsicht nicht ausreichend kritisch, effizient und kompetent kontrolliert, dann ist es doch kein Wunder, dass die Bestimmungen des Arbeitsschutzes in den Betrieben nicht eingehalten werden!

Mit ihrer Werbung für die an der Oberfläche gut aussehende “Gesundheitsförderung” beteiligt sich die Ministerin an der Ablenkung von den politisch tolerierten Rechtsbrüchen im Arbeitsschutz. Die Mahnungen der Ministerin vor einem angeblichen “Effizienzwahn” sind also gar nicht so wirtschaftskritisch, wie es auf den ersten Blick aussieht. Sie dienen nur der Wählerberuhigung, geben der Wirtschaft aber Raum, weiterhin ohne Sorge vor ernsthaften Sanktionen gegen Gesetze und Vorschriften des Arbeitsschutzes verstoßen zu können, z.T. zusammen mit der strafbaren Handlung der Behinderung der Betriebsratsarbeit. So geht es allerdings nicht nur in Bayern zu, sondern auch in anderen Gebieten Deutschlands.

Selbstregulierung der Wirtschaft: Schwächen der Zertifizierung

Freitag, 19. September 2014 - 23:58

Der folgende Artikel steht in http://suite101.de/article/selbstregulierung-der-wirtschaft-schwaechen-der-zertifizierung-a110872 nicht mehr zur Verfügung. Ich veröffentliche ihn (mit den Links zur suite101, die nicht mehr funktionieren) mit Genehmigung der Autoren.

In dem Artikel geht es vowiegend um Zertifizierungen im Bereich des Umweltschutzes, der Entsorgung usw. Aber er regt auch zu Fragen im Arbeitsschutz-Zertifizierungsgeschäft an. Z.B. Das Interesse der Zertifizierer, ihre Auftraggeber kritisch zu auditieren, wird auch im Arbeitsschutz so gering sein, wie im Umweltschutz. Im Arbeitsschutz gibt es allerdings Betriebsräte, die eingreifen könnten. In der Praxis fehlt ihnen aber sehr oft die Kompetenz, das Problembewusstsein und die Durchsetzungsfähigkeit, die erforderlich sind um der traurigen Zertifizierungsfarce ein Ende bereiten zu können.

Klaus Lohmann, in Kooperation mit Vera Kriebel, 2013-07-04
http://www.buendia.de/buendia.htm

Zertifizierungen sollen die Qualität von Produkten oder Dienstleistungen erhöhen oder sichern und Unternehmen (zum Beispiel für Kunden) vergleichbar machen. Bei umweltgefährdenden Unternehmen wie beispielsweise in der Entsorgungs-, Recycling- oder Abfallwirtschaft erscheint Ersteres besonders wichtig. Ziel der Zertifizierung ist dort zum einen die “Sicherstellung eines hohen Qualitätsniveaus”, zum anderen die “Deregulierung, z.B. in Form des Verzichts auf eine Transportgenehmigung oder der Nutzung des privilegierten Nachweisverfahrens” (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall, LAGA) .

Schwachstellen des Zertifizierungsverfahrens

Funktioniert dies so, wie sich dies die entsprechenden Stellen und natürlich auch die Allgemeinheit in verständlicher Sorge um Gesundheit und Umwelt vorstellen? Es gibt verschiedene Schwachstellen, die daran zweifeln lassen.

Schwachstelle Nummer Eins: Zertifizierer/TÜOs

Den größten Schwachpunkt bilden die Zertifizierer, zumeist Technische Überwachungsorganisationen (TÜOen), selbst, deren Unabhängigkeit zwar theoretisch gefordert, praktisch aber nicht gewährleistet ist, denn sie sind ja wirtschaftlich abhängig vom Auftraggeber, eben dem Unternehmen, das sie neutral begutachten sollen. Das zu zertifizierende Unternehmen bezahlt die eigenen Gutachter und Kontrolleure – das ergibt automatisch einen Interessenskonflikt bei den TÜOs.

Zustimmung zum Überwachungsvertrag durch die Behörde am Sitz der TÜO

Dem Überwachungsvertrag, dem ja entscheidende Bedeutung im Rahmen der Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb zukommt, wird durch die Behörde zugestimmt, die am Sitz der TÜO zuständig ist – nicht durch die zuständige Behörde am Sitz des Entsorgungsunternehmens. Vorteil dieser Regelung ist sicher, dass die zuständige Behörde den Zertifizierer gut kennt.

  • Schwachpunkte dieser Regelung sind zum einen, dass auch hier – wie bei der Anerkennung eines Unternehmens als Zertifizierer – nicht die Behörde zustimmen muss ist, die auch für den Entsorger zuständig ist und daher die Verhältnisse vor Ort auch am besten kennen sollte. Diese kann nur beratend zum Vorgang Stellung nehmen.
  • Zum anderen könnten direkte Beziehungen zwischen den Sachverständigen der TÜO und den ansässigen Behörden verhindern, dass die Ämter unabhängig und neutral über die Überwachungsverträge und vor allem nach Maßgabe der Umstände beim Entsorger entscheiden.
  • Ein dritter Punkt sind eventuell lange Wege, falls es Probleme bei der Zertifizierung gibt. Wenn beim Entsorger Auflagen oder Absprachen nicht eingehalten werden, so sitzt die dafür zuständige Behörde am anderen Ende der Republik, wenn auch das Zertifizierungsunternehmen von dort kommt. Im Fall Envio war es das Regierungspräsidium Darmstadt, weil die TÜO von Envio, DQS, ihren Sitz in Frankfurt hat.

Dokumentenbasierte Zertifizierung

Die Frage stellt sich, ob ein dokumentenbasiertes Vorgehen bei umweltgefährdenden Betrieben ausreicht. Ihre Dienstleistungen können unmittelbar Umwelt und Menschen schädigen – vielleicht sogar weite Teile der Bevölkerung und Umgebung, wenn eine Giftwolke bei einem Störfall aus einem Werk in die Umwelt entweicht oder wenn über Jahre Gifte die mit ihnen umgehenden Mitarbeiter verseuchen und in die Umgebung kommen wie beim Fall Envio im Dortmunder Hafen.

Übergabe hoheitlicher Aufgaben an die Privatwirtschaft

Wie schon 2007 eine BKA-Studie und 2011 das Prognos-Gutachten feststellen, gibt der Staat inzwischen zunehmend wichtige hoheitliche Aufgaben an Dritte, das heißt an privatwirtschaftliche Firmen, ab. Letztlich agieren Dritte im kapitalistischen System aber nicht mit dem vorrangigen Ziel der Sicherung des Wohls der Allgemeinheit, sondern haben Profit und Gewinnmaximierung als oberste Ziele. Angesichts der vielen Fälle von Wirtchaftskriminalität in der Abfallwirtschaft muss dies dringend überdacht werden.

Das renommierte Schweizer Prognos-Institut, das durch die NRW-Landesregierung beauftragt wurde, den Fall Envio im Hinblick auf die Rolle der Behörden zu bewerten, fragt daher, “inwieweit eine auf die Prüfung von dokumentenbasierten Arbeitsschutzsystemen, Gefährdungsbeurteilungen und Nachweisen Dritter konzentriertes Vorgehen eine hinreichende Kontrolltiefe erlaubt” (Seite 29) und bemängelt: die “Behörden verlassen sich zunehmend auf die Prüfprotokolle Dritter” (Seite 39, 40).

Prognos fordert abschließend: “Keine Auslagerung der Überwachung an Dritte. Für die Wahrnehmung von Überwachungstätigkeiten gibt es mehrere Organisationsmodelle. So zum Beispiel ist denkbar, die Überwachung durch private Gutachter/-innen durchführen zu lassen. Wir schlagen jedoch vor, die Überwachungskapazitäten für Anlagen wie Envio in der Kernverwaltung anzusiedeln, damit die Möglichkeit der Ergreifung von ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegeben ist. Insbesondere ist sicherzustellen, dass mit der Überwachung betraute Personen stets unangekündigten Zugang zu überwachten Betrieben haben” (S. 55).

Quellen und weiterführende Links zum Thema Zertifizierungen in der Entsorgungsbranche

Einstieg – Zertifizierung in der EntsorgungsbrancheWer zertifiziert?Wie wird zertifiziert?. Wieso erhält ein Skandalbetrieb Gütesiegel? – Das unsaubere Geschäft mit den Zertifikaten: Ein Insider packt aus – Die zertifizierenden Berater – Ein Interview zu Unabhängigkeit und Zertifizierungsproblemen.

Wie erkenne ich, ob eine Firma sauber arbeitet? Wie überprüft man Zertifkate und Gütesiegel? Eine einfache Internetrecherche reicht nicht immer. Das Beispiel EfbV-Zertifkat von Envio durch die DQS. – Recherche zu Zertifizierungen: ein Krimi um Chemie, Gift, Müll (12.6.2011)

Die wichtigsten Dokumente, Gesetze und Verordnungen zum Thema Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb sind:

BKA-Studie und Prognos-Gutachten (Seite 29, 39, 40, 55) befassen sich mit der Rolle von Zertifizierungen im Rahmen zunehmender Abgabe hoheitlicher Aufgaben an Dritte.

Insider packt aus: Falschspiel im Zertifizierungsgeschäft

Freitag, 19. September 2014 - 15:38

Der folgende Artikel steht unter http://suite101.de/article/ein-insider-packt-aus-falschspiel-im-zertifizierungsgeschaeft-a112550 nicht mehr zur Verfügung. Ich veröffentliche ihn (ohne den Teil mit nicht mehr aktuellen Links) mit Genehmigung der Autoren.

Klaus Lohmann, in Kooperation mit Vera Kriebel, 2013-07-04
http://www.buendia.de/buendia.htm

TÜV, Bio, Öko, geprüfte Qualität – Zertifikate, Gütesiegel und Normen nach DIN oder ISO sollen Qualität und Sicherheit in der Wirtschaft gewährleisten und zum Beispiel Orientierung bieten, die Einhaltung von Qualitätsstandards besiegeln oder die Produktion sicherer machen. Doch die Zertifizierung läuft unsauber, sagt ein Insider, der ungenannt bleiben möchte, im Gespräch mit suite101.

Zertifikate: Gütesiegel für Qualität, Verantwortung und Sicherheit?

Redaktion: Warum wollen Sie Ihren Namen nicht nennen, wenn Sie so fragwürdige Abläufe im Zertifizierungsgeschäft schildern?

Experte: Ich möchte nicht an dem Ast sägen, auf dem ich sitze. Leider sind einige in der Zertifizierungsbranche dabei, den ganzen Baum zu schädigen. Wenn ich den Baum schütze, rette ich auch meinen Ast.

Redaktion: Zertifikate sollen für Qualität und Sicherheit sorgen, doch bestehen Zweifel, ob sie das tatsächlich leisten. Sie kritisieren in diesem Zusammenhang ganz grundsätzlich die Zertifizierungsbranche.

Das Zertifizierungsgeschäft ist hart

Experte: Der Wettbewerb ist hart. Problem: Zertifizierungsfirmen benötigen neue Kunden. Lösung: Beratungsfirmen empfehlen ihren Kunden bestimmte Zertifizierungsstellen. Die Berater erhalten von den Zertifizierern im Gegenzug

  • die Sicherheit, dass ihr Kunde zertifiziert wird,
  • Vermittlungsprovisionen,
  • Folgeaufträge: Im Rahmen der Zertifizierungen finden Untersuchungen – sie heißen im Fachjargon: Audits – statt. Werden dabei Mängel festgestellt, stehen Maßnahmen an, zum Beispiel Schulungen – die wiederum werden dankend durch die Beratungsfirmen durchgeführt.

Redaktion: Aber damit wird ja der Grundsatz, Beratung und Zertifizierung zu trennen, ausgehebelt.

Keine Trennung von Beratung und Zertifizierung

Experte: Natürlich. Es geht aber noch besser: Eine beliebte kick-back-Variante ist die Zertifizierung des Beraters oder der Beratungsgesellschaft durch die verbundene Zertifizierungsgesellschaft. Im einfachsten Fall läuft dies so ab: Die Zertifizierungsgesellschaft Schmidt-Cert zertifiziert den freiberuflich tätigen Berater Müller und die Beratungsgesellschaft Meier-Consult. Beide können danach auch Zertifizierungen vornehmen.

Schon mehr kriminelle Energie benötigt die Variante 2: Im Auftrag von Schmidt-Cert untersuchen (auditieren) sich Berater Müller und Mitarbeiter der Beratungsgesellschaft Meier-Consult gegenseitig – zumindest offiziell, praktisch passiert natürlich nichts, es sind reine Luft-Audits. Jeder erhält von der Schmidt-Cert das begehrte Zertifikat. Als I-Tüpfelchen und um das Ganze dann finanziell noch lukrativer zu gestalten, können die Zertifizierungskosten mit Vermittlungsprovisionen, die sonst ja “schwarz” über den Tisch gehen müssten, verrechnet werden. Die Vermittlungsprovisionen werden also offiziell als Zertifizierungskosten in Rechnung gestellt.

Systematischer Betrug: Zertifikate, Provisionen, Aufträge

Das sind keine Einzelfälle, sondern so arbeitet das System! Auf diese Weise decken viele Unternehmen in Netzwerken beide Felder ab – Fahrschule und Führerscheinprüfung aus einer Hand. Möchten Sie weitere Beispiele? Bei mir hat sich ein Kunde letztens beschwert, weil ein Gutachter, der nun bei einer anderen Zertifizierungsgesellschaft arbeitet, ihn mit Abwerbeanrufen bombardiert und ihm dabei eine 50-€-Wechsel-Provision anbietet. Anderes Beispiel: Ein Berater beklagte die schlechte Zahlungsmoral einer Zertifizierungsgesellschaft. Seine zugesicherten Provisionen waren noch nicht auf dem Konto.

Oder Zertifizierungskunde und Zertifizierungsgesellschaft machen gemeinsame Sache. Ein offizielles Angebot und eine offizielle Rechnung über die Pflichteinsatzzeit von, sagen wir, vier Tagen. Der Auditor ist aber nur zwei Tage vor Ort. Die Differenz von zwei Tagen wird dem Kunden als Gutschrift ausgezahlt.

Redaktion: Das hört sich ja nach mafiösen Zuständen an …

Beratung und Zertifzierung: Verschlungene Netzwerke

Experte: Es haben sich hierzu Clan-ähnliche Netzwerke gebildet. Das Spiel läuft so: Sie, Herr Lohmann, vermitteln Beratungskunden an mich. Als Gegenleistung erhalten Sie einen Auditauftrag bei einem Beratungskunden eines anderen Beraters oder direkt Geld (etwa zehn Prozent der Zertifizierungskosten). Das wurde mir unverblümt ins Gesicht gesagt: “Du glaubst doch nicht, dass der Berater auf Dich Wert legt. Der kriegt Geld.” Wenn ich Kontakt mit einer anderen Zertifizierungsstelle habe, mache ich heute klar, dass ich keine “Mitgift” bringe. Ich möchte wegen meiner Qualifikation Geschäftspartner sein.

Mit all diesen kriminellen Machenschaften umgeht man Auditregeln und den Wettbewerb. Ohne echte Kontrollen werden Kunden, Berater und Auditoren, die nicht Teil des Netzwerks sind, und die Zertifizierungssysteme selbst geschädigt.

Ungenügende Überwachung durch DAkkS und Behörden

Die Akkreditierungsstelle DAkkS, die dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht und an und für sich die Zertifizierer überprüfen und deren Qualität und Unabhängigkeit gewährleisten soll, ist aber hoffnungslos überfordert. Dass auch die Überwachung durch die Behörden nicht funktioniert, zeigt nicht nur das Prognos-Gutachten im Fall des Dortmunder Entsorgers Envio auf.

Mehrere Regierungspräsidien, das heißt die Zulassungsstellen für die Zertifizierer im Entsorgungsbereich, öffnen beispielsweise solchen unsauberen Netzwerken Tür und Tor, indem sie einem Inhaber einer Beratungsgesellschaft gestatten, stellvertretender Leiter einer Technischen Überwachungsorganisation (TÜO) zu sein. [Anmerkung: Eine TÜO ist eine staatlich anerkannte Zertifizierungsstelle für sensible Bereiche, wie zum Beispiel die Abfallwirtschaft.]

Redaktion: Die Behörden akzeptieren also ganz offen die Aufweichung der Trennung von Beratung und Zertifizierung?

Experte: Ja, genau. Beratung und Zertifizierung werden im Bereich der Entsorgung nicht mehr sauber getrennt! Bei den durch die DAkkS überwachten Zertifizierungsgesellschaften, die beispielsweise Zertifizierungen nach ISO 9001 oder 14001 durchführen, ist dies dagegen strengstens verboten.

Was kann man tun zur Verbesserung des Zertifizierungssystems?

Redaktion: Was könnte man denn zur Änderung dieses Systems unternehmen?

Experte: Zertifizierungen müssen schärfer überwacht werden. Es gibt sehr einfache Möglichkeiten, die Überwachung zu verbessern. Die Aufsichtsbehörden und die DAkkS sollten

  1. von Zertifizierungsstellen und Sachverständigen eidesstattlich versicherte Angaben über ihre Tätigkeiten fordern;
  2. Unterlagenstichproben nehmen und wie die Plagiatsjäger prüfen;
  3. unangemeldet in Betrieben und Zertifizierungsstellen Vor-Ort-Prüfungen durchführen und dabei die Plausibilität der Angaben der Sachverständigen prüfen.

Voraussetzung ist natürlich der Wille, die bestehenden Zustände zu ändern. Die Behörden und die Akkreditierungsstelle müssen dies nur wollen.

Im Zertifizierungsgeschäft für Arbeitsschutzmanagementsysteme mag es etwas anders zugehen, aber die Zertifizierer, die DAkkS und die behördliche Aufsicht sind (um es sehr freundlich auszudrücken) sehr zurückhaltend mit Kritik an Unternehmen, die sich sogar offensichtlich nicht an den Standard halten, nach dem sie zertifiziert sind. Zertifizierer, die schlampig und unaufmerksam auditieren, werden bei Auditüberprüfungen (z.T. unter Umgehung der Arbeitnehmervertretung) von der DAkkS meiner Ansicht nach nicht streng genug begleitet.

Job-related suffering

Mittwoch, 17. September 2014 - 23:39

Laurent Vogel, 2014-09-17

Job-related suffering is not a new phenomenon. Yet, whereas painful manifestations used traditionally to be associated with manual labour, symptoms of malaise have become more widespread and are now found, in extremely individualised forms, among all occupational categories and in all fields of work. This development is testimony to the emergence, within new forms of work organisation, of unprecedented types of contradiction that give rise to new difficulties – while at the same time they open up new avenues for action.

In this paper we will first of all consider the changes in work organisation and the ways in which they lead to an individualisation of the work relationship. We will refer also to the fact that the greater the degree of isolation in which an employee carries out his work, the harder it will be for him to put into words the work-related problems with which he has to contend. This stress on isolation will enable us to home in on the highly negative consequences – at the individual as well as the collective level – of the difficulty experienced by employees in giving expression to and defending the standards and values that underpin their commitment to the work they do. In conclusion we will describe some ‘research-actions’ illustrative of the potential contribution of trade unions in reconstructing a collective capacity for expression and assertion of the authority conferred by the experience gained through work.

Full text in English on: http://www.etui.org/en/Publications2/Policy-Briefs/European-Economic-Employment-and-Social-Policy/Individualisation-of-the-work-relationship-a-challenge-for-trade-unions
Full text in French on: http://www.etui.org/fr/Publications2/Policy-Briefs/European-Economic-Employment-and-Social-Policy/L-individualisation-du-rapport-au-travail-un-defi-pour-le-syndicalisme