Huml warnt vor „Effizienzwahn“ in der Wirtschaft

Samstag, 20. September 2014 - 03:51

In Bayern kann ein großes Unternehmen ohne Furcht vor Kritik und vor entsprechender Protokollierung durch die Gewerbeaufsicht versuchen, Mitarbeiter abzumahnen, die psychische Fehlbelastungen melden. Die betroffenen Mitarbeiter müssen sich selbst wehren (erfolgreich mit Betriebsrat und Rechtsanwalt), denn die Gewerbeaufsicht bleibt passiv. Die Gesundheitsministerin dieses Landes beglückte uns nun wieder mit Mahnungen, die gut klingen, aber ohne eine kompetentere und engagiertere Kontrolle durch die Gewerbeaufsicht populistisches Politikergeschwätz bleiben werden.

Abgesehen davon ist es Unsinn, ein verstärktes Vorgehen gegen körperliche und psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu fordern. Obwohl es inzwischen eigentlich hinreichend bekannt sein sollte, haben die Öffentlichkeitsarbeiter der Ministerin immer noch nicht begriffen, dass es um die Vermeidung körperlicher und psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz geht. Ohne körperliche und psychische Belastungen gäbe es keine Arbeit.

http://www.stmgp.bayern.de/aktuell/presse/detailansicht.htm?tid=30685

Pressemitteilung

13.09.2014
Nr. 223/GP

Huml warnt vor „Effizienzwahn“ in der Wirtschaft – Bayerns Gesundheitsministerin: Steigende Zahl psychischer Erkrankungen bei Arbeitnehmern besorgniserregend

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml fordert ein verstärktes Vorgehen gegen körperliche und psychische Belastungen am Arbeitsplatz. Huml betonte am Samstag anlässlich eines Gesundheitsforums der Industrie- und Handelskammer Bayreuth im oberfränkischen Weißenstadt: „Die Beschäftigten dürfen nicht vom Beschleunigungs- und Effizienzwahn überrollt werden. Das ist auch im Interesse der Betriebe. Denn sie brauchen dauerhaft gesunde und motivierte Mitarbeiter.“

Die Ministerin fügte hinzu: „Unternehmerischer Erfolg auf Kosten der Gesundheit – diese Rechnung geht auf Dauer nicht auf! Dagegen lohnen sich Investitionen in ein gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld. Denn: Studien konnten zeigen, dass sich jeder Euro, der in die Gesundheit der Mitarbeiter investiert wird, mindestens doppelt auszahlt.“

Die Ministerin verwies auf den „Fehlzeiten-Report 2013“. Sie unterstrich: „Arbeitsausfälle in der deutschen Wirtschaft sind häufig durch Muskel-Skelett- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht. Besonders besorgniserregend ist darüber hinaus die steigende Zahl an Krankheitstagen aufgrund psychischer Erkrankungen. Hier sollte gegengesteuert werden! Notwendig ist ein ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement, das neben den körperlichen auch die seelischen, emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigt.“

Das Bayerische Gesundheitsministerium setzt sich im Rahmen der Gesundheitsinitiative Gesund.Leben.Bayern. mit verschiedenen Modellprojekten für eine „gesunde Arbeitswelt“ ein. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Prävention psychischer Erkrankungen. So unterstützt das Gesundheitsministerium das Projekt “Kein Disstress in der Ausbildung!”, das sich um einen positiven Start ins Berufsleben kümmert, mit rund 150.000 Euro.

Die bayerische Gewerbeaufsicht darf ja nicht einmal mehr schreiben, dass sie mit Unternehmen, die von den gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitsschutzes abweichen, Zielvereinbarungen trifft. So sieht die Doppelstrategie bayerischer Gesundheitspolitik aus: Nach außen hin den “Effizienzwahn” der Wirtschaft bejammern, aber gleichzeitig wird im Arbeitsschutz nicht ernsthaft dafür gesorgt, dass eine effiziente behördliche Kontrolle im Bereich der Verhinderung psychischer Fehlbelastungen stattfinden kann. Diese Politik ist infam.

Die Ministerin meint: “Notwendig ist ein ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement, das neben den körperlichen auch die seelischen, emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigt.” Das klingt erst einmal gut, lenkt aber davon ab, dass die Politikerin mitverantwortlich für immer noch schwache Kontrollen im Bereich des ganzheitlichen betrieblichen Arbeitsschutzes ist. Notwendig ist erst einmal (seit 1996!), dass sich Unternehmen endlich an die Vorschriften halten. Die Ministerin will den einfachsten Grund für Mängel im Arbeitsschutz nicht ansprechen: Wenn die Politik zulässt, dass die Gewerbeaufsicht nicht ausreichend kritisch, effizient und kompetent kontrolliert, dann ist es doch kein Wunder, dass die Bestimmungen des Arbeitsschutzes in den Betrieben nicht eingehalten werden!

Mit ihrer Werbung für die an der Oberfläche gut aussehende “Gesundheitsförderung” beteiligt sich die Ministerin an der Ablenkung von den politisch tolerierten Rechtsbrüchen im Arbeitsschutz. Die Mahnungen der Ministerin vor einem angeblichen “Effizienzwahn” sind also gar nicht so wirtschaftskritisch, wie es auf den ersten Blick aussieht. Sie dienen nur der Wählerberuhigung, geben der Wirtschaft aber Raum, weiterhin ohne Sorge vor ernsthaften Sanktionen gegen Gesetze und Vorschriften des Arbeitsschutzes verstoßen zu können, z.T. zusammen mit der strafbaren Handlung der Behinderung der Betriebsratsarbeit. So geht es allerdings nicht nur in Bayern zu, sondern auch in anderen Gebieten Deutschlands.


Kommentare sind geschlossen.