Archiv für Oktober, 2012

Firmen sollen Burn-out bekämpfen

Dienstag, 30. Oktober 2012 - 20:29

http://www.sueddeutsche.de/karriere/seelische-gesundheit-in-unternehmen-firmen-sollen-burn-out-bekaempfen-1.1510394

Seelische Gesundheit in Unternehmen
Firmen sollen Burn-out bekämpfen

30.10.2012, 17:24
Von Guido Bohsem und Sibylle Haas

Der Arbeitsschutz in Deutschland stammt aus einer anderen Zeit: Es geht vor allem um die körperliche Unversehrtheit schwer arbeitender Männer. Doch inzwischen ist nicht mehr der Körper das größte Problem, sondern ist die Seele. Darum soll nun das Gesetz um den Schutz der seelischen Gesundheit ergänzt werden.

Eine Gruppe SPD-regierter Länder will das Arbeitsschutzgesetz erweitern. Über eine Bundesratsinitiative soll das Gesetz um den Schutz der seelischen Gesundheit der Beschäftigten ergänzt werden.

Im Juni hatte schon Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angekündigt, den Umgang mit Handys strikter regeln zu wollen. Das Arbeitsschutzgesetz verlange mit seinem “knallharten Strafenkatalog” von jedem Chef, dass er “Körper und Geist seiner Mitarbeiter aktiv schützt”, sagte die Ministerin.

(Links nachträglich eingetragen)

Es muss ja nicht immer etwas Neues sein, über das eine Zeitung berichtet.
Schön, dass die SZ am Ball bleibt. Hier ist eine Erinnerung durchaus notwendig. Ein Personalratsmitglied schrieb mir:

… bei uns gibt es Erfahrungen mit Gesundheitsprogrammen. Leider aber keine wirklich positiven.
Es gab Versprechen und Ansätze, die aber nie verwirklicht wurden. Insbesondere mit der Einbeziehung von psychischen Belastungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung tut man sich sehr schwer. …

Viele Unternehmen wollen psychische Belastungen nicht wirklich in ihren Arbeitsschutz einbeziehen. Vor Allem wollen sie nicht dokumentieren, dass es arbeitsbedingte Fehlbelastungen gibt. Mitarbeiter, die solche Vorfälle melden, werden sogar noch zusätzlich unter Druck gesetzt. Selbstverpflichtungen (z.B. durch Zertifizierungen nach OHSAS 18001) zur Vorfallsuntersuchung sind dann nur Makulatur. Es gibt eben einen Konflikt zwischen Haftungsabwehr und ehrlicher Gefährdungsbeurteilung. Außerdem macht ein konsequenter ganzheitlicher Arbeitsschutz Führungsstile in einer Weise transparent, an die sich Unternehmensführungen wohl erst noch gewöhnen müssen.

Die Vorschriften des Arbeitsschutzes und die Rechtsprechung reichen eigentlich aus, um den Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz durchzusetzen. Aber das läuft in der Praxis viel zu zäh. Mehr als 15 Jahre der sehr beharrlichen Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften durch viele Unternehmen sind ein Beweis für die Anarchie, die hier herrscht. Darum ist die Initiative der vier Länder leider wohl notwendig.

Wie gehen Zertifizierungsgesellschaften mit ihren eigenen Mitarbeitern um?

Montag, 29. Oktober 2012 - 23:38

Zertifizierungsgesellschaften, die Zertifikate nach OHSAS 18001 ausstellen, müssten selbst ein vorbildliches Arbeitsschutzmanagementsystem haben. Auch die Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer müsste vorbildlich sein. Berufsgenossenschaften und Gewerbeaufsichten sollten darum von diesen Zertifizierungsgesellschaften lernen, wie glaubwürdig sie selbst psychische Belastungen in den Arbeitsschutz für ihre eigenen Mitarbeiter einbeziehen und wie dabei die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nach OHSAS 18001:2007 4.4.3.2 respektiert wird. Die Dokumentation dazu müsste eigentlich beispielhaft sein.

Wichtig sind auch die Schulung der Mitarbeiter und Prozesse zur Bearbeitung von Berichten über Vorfälle (OHSAS 18001:2007 3.9), Gefährdungen, krankheitsbedingte Abwesenheiten und Arbeitsbelastungen. Beispielsweise schreibt die Zertifizierungsgesellschaft Det Norske Veritas in http://www.dnv.com/moreondnv/cr/she/ über den Umgang mit ihren eigenen Mitarbeitern:

… DNV works to ensure a healthy and motivating working environment by building a company culture where we care for each individual employee’s physical, mental and social well-being. To achieve this, we have implemented a SHE [Safety, Health, Environment] management system. A very important part of this is training of managers and employees. We continually carry out reporting and measurements of incidents, hazards, sick leave and workload, and use this as input for improvement. …

Es kann wohl angenommen werden, dass DNV in Deutschland keine Zertifikate an Unternehmen vergibt, die es versäumt haben, psychische Belastungen in mitbestimmt geregelter Weise in die gesetzlich vorgeschriebene Schulung der Mitarbeiter einzubeziehen.

Siehe auch: http://www.arbeitstattstress.de/arbeitsschutz-bei-zertifizierungsfirmen/#comments ;-)

Systemkontrolle hat versagt

Montag, 29. Oktober 2012 - 22:16

http://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/Drs-18-614_957.pdf

BREMISCHE BÜRGERSCHAFT
Landtag
18. Wahlperiode
Drucksache 18/614
23.10.12
Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD
Entwicklung des Arbeitsschutzes im Lande Bremen

Der Wechsel von der ineffizienten Abstellung von Einzelmängeln hin zur Überprüfung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der innerbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation – der sogenannten Systemkontrolle – wurde im Jahr 1995 durch die Arbeits- und Sozialministerkonferenz beschlossen. Mit der Systemkontrolle wird die Überwachung und Beratung von Unternehmen als strukturierter Prozess der Behörden angelegt, der die Verbesserung des Niveaus der Arbeitsschutzorganisation im Betrieb anstrebt. Gleichzeitig wird der Aufbau einer funktionierenden innerbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation als kontinuierlicher Prozess im Betrieb gefördert.

Weiterhin bietet die Systemkontrolle in Verbindung mit der risikogesteuerten Aufsicht die Möglichkeit, um mit abnehmenden Personalressourcen effektiv für eine staatliche Arbeitsschutzüberwachung im Land Bremen zu sorgen.

Die Systemkontrolle hat sich in Bremen genauso wie in Deutschland bewährt.

Falsch. Die Systemkontrolle hat im Bereich der psychischen Belastungen nachweislich versagt.


Bisher lag der Schwerpunkt der Besichtigungen der Gewerbeaufsicht im „Technischen Arbeitsschutz“. Das Thema „psychische Belastung bei der Arbeit“ wird bisher noch nicht angemessen in den Betrieben sowie der Aufsicht und Beratung durch die Gewerbeaufsicht und die Unfallversicherungsträger berücksichtigt.

Um dem entgegenzuwirken, hat der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) 2009 Vorgaben zur „Integration psychischer Belastungen in die Beratungsund Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder – LV 52 veröffentlicht. Im Rahmen der GDA wurde am 24.09.2012 die „Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz“ als gemeinsamer Grundsatz für die Beratung und Überwachung der Unfallversicherungsträger und der Gewerbeaufsicht beschlossen.

(Links und Hervorhebungen nachträglich eingetragen)

Richtig.

Vielen Betriebsräten scheint das Thema “Systemkontrolle” zu komplex zu sein. Sie blicken nicht durch. So gelingt es den Arbeitgebern, den überforderten Behörden Zertifikate z.B. für OHSAS 18001 vorzulegen, deren Qualität mangels ausreichender Aufsicht durch die Arbeitnehmervertreter jedoch nicht gesichert ist. Nicht die Arbeitnehmer, sondern die Arbeitgeber sind die Auftragsgeber der Zertifizierungsgesellschaften. Und auch im Zertifizierungsgeschäft gilt: Wer zahlt, bestimmt die Musik.

In der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Zertifizierungsgesellschaft fehlt häufig der Respekt für die Arbeitnehmervertreter. Daran sind Betriebsräte, die Arbeitsschutzmanagementsysteme und die Systemkontrolle nicht verstehen, allerdings auch selbst schuld.

Menschenrechtsbericht 2012

Montag, 29. Oktober 2012 - 20:43

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/112/1711250.pdf (S. 13/172)

Deutscher Bundestag
17. Wahlperiode
Drucksache 17/11250
24.10.2012
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Zehnter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik 

[...]

Mit der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) wurde ein wichtiger Schritt für ein modernes und anforderungsgerechtes Arbeitsschutzsystem getan, um sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu erhalten, weiter zu verbessern und zu fördern. Bund, Länder und Unfallversicherungsträger treten mit der GDA dafür ein, auf allen Ebenen des betrieblichen Gesundheitsschutzes eine nachhaltige und längerfristig angelegte Präventionspolitik zu betreiben und – abgestimmt mit den Sozialpartnern – praktische Verbesserungen für die Beschäftigten in der Prävention zu erreichen. Themenschwerpunkte für die neue GDA-Periode (2013 bis 2018) sind:

  • Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes
  • Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich
  • Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung

Die Ziele wurden jeweils in Abstimmung mit den Kooperationspartnern, insbesondere den Krankenkassen, verabschiedet.

Ein Kernelement der GDA ist die die Erstellung eines kohärenten und anwenderfreundlichen Vorschriften- und Regelwerks. Dazu haben GDA-Träger gemeinsam mit den Sozialpartnern ein neues Leitlinienpapier verabschiedet. Dieses Papier ist nun Maßstab im Genehmigungsverfahren von Unfallverhütungsvorschriften und die Richtschnur für das gesamte Regelwerk. Im Bereich Beratung und Überwachung soll die GDA ein arbeitsteiliges System schaffen, das mit neuen Abstimmungsinstrumenten und einheitlichen Überwachungsgrundsätzen den Länderbehörden und den Unfallversicherungsträgern eine effektive und effiziente Aufsichtstätigkeit zum Nutzen der Betriebe ermöglicht. Länder und Unfallversicherungsträger haben sich mit den Leitlinien ,,Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation” sowie ,,betriebliche Arbeitsschutzorganisation” in zentralen Arbeitsschutzfeldern auf eine neue Überwachungsstrategie verständigt.

OHSAS 18001 Potential Pitfalls

Sonntag, 28. Oktober 2012 - 23:53

http://www.barbour-ehs.com/media/181346/barbour directors club - pam brown heineken - benefits of certification.pdf

Heineken
Achieving OHSAS 18001 Certification
Pamela Brown, Head of Safety
16th May 2012

OHSAS 18001 Potential Pitfalls

  • Not doing it for the “right” reason – just for “a badge on the wall”
  • Creating excessive paperwork
  • Failure to involve your certification body at an early stage
  • Not engaging your workforce
  • Assuming its going to be a quick and painless process

Badge on the Wall

Sonntag, 28. Oktober 2012 - 23:26

Mit der ISO 9000 gibt es schon mehr Erfahrungen. Anregungen zur Suche:

Nun zu OHSAS 18001:

… es sei denn, es geht Ihnen nur ums Zertifikat

Sonntag, 28. Oktober 2012 - 21:30

http://qualitaetsmanagement24.com/zertifikate/zertifikate.html

Zerifikate
Matrix-, Gruppen-, Verbunds- und Gemeinschaftszertifizierung

Allgemein habe ich den Eindruck, dass die Zertifizierer sich bei der Berechnung des Aufwands eher um den unteren Bereich des zulässigen Bereichs bewegen, vermutlich auch aufgrund des Konkurrenzdrucks. Daher werden auch die Reduzierungen nach obigen Modellen eher grosszügig gehandhabt und es lohnt sich finanziell sicherlich, mehrere Angebote einzuholen. Allerdings sollten Sie auch ernsthaft Vor- und Nachteile für Ihre Qualitätspolitik abwägen, es sei denn, es geht Ihnen nur ums Zertifikat.

Das schrieb Gunther Gorny in seinem Blog, 2012-01-15. Das Thema “Matrix-, Gruppen-, Verbunds- und Gemeinschaftszertifizierung” ist natürlich auch interessant.

Blutige Nase

Samstag, 27. Oktober 2012 - 14:01

http://www.sifaboard.de/index.php?page=Thread&postID=32797#post32797

… aus eigener Erfahrung (ich war selber 8 Jahre im Betriebsrat) kann ich sagen, ein Tor der den BR nicht [in eine Zertifizierung nach OHSAS 18001] mit einbezieht.
Es gibt zwar keine Mitbestimmung was ein Managementsystem angeht aber wahrscheinlich ist der BR durch einzelne Prozesse betroffen. (Kommt er seinen gesetzlich geforderten Aufgaben nach?)
Außerdem kann diese Zusammenarbeit einige Dinge ins Rollen bringen, bei denen sich die Sifa eine blutige Nase holt.
Und schaden tut´s auch nicht. …

Hier werden also zwei Risikogruppen identifiziert, für die es entsprechende Gefährdungsbeurteilungen geben muss: Sicherheitsfachkräfte und BR-Mitglieder.

Psychische Gefährdungsbeurteilung

Samstag, 27. Oktober 2012 - 11:44

http://www.ruv-blog.de/was-bedeutet-psychische-gefahrdungsbeurteilung/

… Wie kann man vorgehen? 

Grundsätzlich hat sich ein schrittweises Vorgehen bewährt, das mit einer ersten Gefährdungsbeurteilung (Grobanalyse) in Form einer anonymen Mitarbeiterbefragung beginnt. Dafür gibt es eine Vielzahl von erprobten und gut evaluierten Fragebögen.

Nicht selten führen Unternehmen schon turnusmäßig Mitarbeiterbefragungen durch, so dass diese mit einer spezifischen Erweiterung auch für die erste Gefährdungsbeurteilung genutzt werden können. …

Wichtig ist bei Umfragen auch die Anonymität und der Datenschutz. Weiterhin muss die Mitbestimmung beachtet werden. Aber Umfragen alleine reichen nicht.

  • Vorfallsuntersuchungen: Unternehmensführungen sind oft ziemlich hilflos bei der Einführung der Gefährdungskategorie “psychische Belastungen” in den Arbeitsschutz. Sie verfallen gerne dem Irrtum, dass sie mit Umfragen ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Natürlich ist das nicht so, denn es gibt ja auch immer wieder konkrete Vorfälle, die arbeitsbezogene Ereignisse sind, die eine Verletzung oder Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) zur Folge hatten oder hätten zur Folge haben können. Diese müssen insbesondere in nach OHSAS 18001:2007 zertifizierten Betrieben in von den Arbeitnehmern mitbestimmten Prozessen untersucht werden. Da kann man nicht erst auf die nächste Mitarbeiterbefragung warten.
  • Fehlbelastungsmeldungen: Mitarbeiter müssen Fehlbelastungen angstfrei melden können. Dazu müssen entsprechende Prozesse (z.B. Evaluation, Dokumentation) existieren. Ansprechpartner der Mitarbeiter sind Vorgesetzte, Arbeitsschutzbeauftragte, Compliancebeauftragte und/oder die Arbeitnehmervertreter. Alle müssen die zur Bearbeitung von psychischen Fehlbelastungsmeldungen nötige Kompetenz aufbauen.
  • Vorbeugung bei Risikogruppen: Man kann in bestimmten Arbeitsbereichen auch schon vorbeugend und ohne umständliche Datenerhebung beurteilen, wo im Betrieb die Auftretenswahrscheinlichkeit für psychische Fehlbelastungen überdurchschnittlich hoch ist. Besonders betroffen sind Mitarbeiter, die mit überdurchschnittlich vielen und intensiveren psychosozialen Konflikten umgehen müssen, beispielsweise die Personalabteilung, die Mitglieder des Betriebsrates, die Sozialberatung, die Betriebsärzte, die Bearbeiter von Kundenbeschwerden - und nicht zuletzt die Arbeitsschutzbeauftragten, die aber oft (wenn überhaupt) nur zuletzt an sich selbst denken. Auch hier braucht man nicht erst auf eine Mitarbeiterbefragung zu warten, um einen Gefährdungsbeurteilungsprozess für diesen Mitarbeiterkreis zu entwickeln.

Amtliches zum AMS

Samstag, 27. Oktober 2012 - 10:26

http://blog.psybel.de/lasi-veroeffentlichungen/ führt zu verschiedenen amtlichen Veröffentlichungen zum Arbeitsschutzthema “psychischen Belastungen”. Im Kommentar zur LV 52 habe ich jetzt noch auf ein Beispiel für die Anwendung von Arbeitsschutzmanagementsystemen (AMS) hingewiesen: Eine Broschüre der BAuA mit dem Titel Sicherheit und Gesundheit mit System (2011, 70 Seiten).