Archiv für Dezember, 2013

2008: Anschissgespräche bei der Bank

Montag, 9. Dezember 2013 - 07:00

http://www.boeckler.de/20425_20439.htm

Die alarmierende Gesundheitsbilanz der Banken

FINANZBRANCHE Mit halbem Personal das Doppelte bewältigen – das ist Geschäftsmodell. Wegen der zunehmenden psychischen Erkrankungen in der Geldbranche schlagen ver.di und eine DAK-Studie Alarm. [...]

[...] “Das Benchmarking hat die Zielerreichung abgelöst”, beschreibt Freyaldenhoven das neue Regime, mit dem auch ein rüder Umgangston einzog. Die “Anschissgespräche”, die früher montags die Woche einleiteten, fänden nun täglich statt. Kollegen, die um 15 Uhr ihr Soll nicht erreicht hätten, würden vom Chef aufgefordert, abends zwei Stunden länger zu arbeiten. Zudem sei die Personaldecke so dünn, dass der Ausfall eines Beschäftigten sofort zu großen Problemen führe.

Das Windhundrennen zehrt an der Psyche. Selbst wer sein Ziel erreiche, werde mit dem Hinweis getadelt, andere hätten mehr geleistet, sagt Freyaldenhoven. Zudem stellten Vorgesetzte die “schlechten” Ergebnisse heraus, unterließen es aber, Erfolge zu würdigen. Der Frust darüber mache “vielen Kollegen richtig zu schaffen” und könne allein schon die Gesundheit beeinträchtigen. Von den körperlichen und seelischen Folgen, in “einem ständigen Klima der Angst” (Freyaldenhoven) zu arbeiten, ganz zu schweigen. [...]

Gefährdungsbeurteilungen zum Anschissgesprächsprozess gab’s vermutlich nicht.

Wieder einmal ein Beitrag zur Geschichte der Missachtung des Arbeitsschutzgesetzes. Wenn die Gewerbeaufsichten das Gesetz durchgesetzt hätten, dann hätte es Zustände, wie sie Mario Müller in seinem Artikel beschreibt, nicht gegeben.

Siehe auch: https://www.google.de/search?q=DAK+2008+”Gesundheits-Bilanz+Kreditgewerbe”

Taktgefühl

Sonntag, 8. Dezember 2013 - 12:09

Mehr: http://www.youtube.com/user/IkeguchiLab

Global Reporting Initiative (GRI)

Sonntag, 8. Dezember 2013 - 00:20

Wenn sich der Arbeitgeber dazu entschlossen hat, nach den Richtlinien der GRI zu berichten, dann wird es interessant für Betriebsräte. Insbesondere im Arbeitsschutz muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmervertretern alle Informationen zur Verfügung stellen, mit denen er seine Berichterstattung zum Arbeitsschutz begründet. Darum sollten sich Arbeitnehmervertreter mit der GRI vertraut machen.

https://www.globalreporting.org/reporting/G3andG3-1/Pages/default.aspx geht es um eine weltweit standardisierte Geschäftsberichterstattung.

Zum Beispiel auf den Seiten 33-34 (Punkte LA1 bis LA14) der Version 3.1 können Betriebsräte und Personalräte erfahren, was sich nach der GRI richtenden Unternehmen zum Thema “Labor Practices and Decent Work Performance Indicators” in ihren Geschäftsberichten beschreiben müssen. Derzeit stellt die GRI auf die Version 4 um.

Unterlagen:

Belastungsfolgen werden vererbt

Freitag, 6. Dezember 2013 - 07:00

http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article122488828/Psychische-Belastung-wirkt-sich-auf-die-Enkel-aus.html

2016?: OHSAS 18001 wird ISO 45001

Donnerstag, 5. Dezember 2013 - 16:56

Hier geht es um einen internationalen Standard für Arbeitsschutzmanagementsysteme.

http://www.lrqa.de/news/251189-neuer-isostandard-fr-arbeitssicherheit-ohsas-18001-wird-iso-45001.aspx

[...] Die ISO-Norm wird auf dem Leitfaden OHSAS 18001 basieren und vermutlich 2016 oder 2017 veröffentlicht werden. [...]

Siehe auch:

TIP: Vergeuden sie keine Zeit und kein Geld für die DIN SPEC 91020 (Betriebliches Gesundheitsmanagement). Das ist ja ohnehin kein Standard für den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Bereiten Sie sich mit OHSAS 18001 auf die ISO 45001 vor.
 
Übrigens: Eine DIN EN 45001 gab es schon einmal. Die wurde durch eine DIN EN ISO/IEC 17025 (Allgemeine Anforderungen an die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien) abgelöst.

Taktische Unverständlichkeit

Donnerstag, 5. Dezember 2013 - 10:50

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Koalitionsvertrag-Deutschland-staerken-Menschen-muessen-2060316.html

[...] Mitunter wollen Koalitionspartner aber auch gar nicht richtig verstanden werden, erklärt Prof. Brettschneider. Insbesondere dann, wenn unklare oder unpopuläre Positionen absichtlich verschleiert werden sollen. Dann werde gerne auf abstraktes Verwaltungsdeutsch zurückgegriffen. Wir sprechen in so einem Fall von “taktischer Unverständlichkeit”, sagt Brettschneider. [...]

Manchmal kommt mir der Verdacht auf, dass auch das Arbeitsschutzgesetz Dank Lobbyhilfe so taktisch unverständlich geschrieben wurde, dass es bis heute im Bereich der mentalen Arbeitsbelastung straflos missachtet werden kann. Der Gewerbeaufsicht scheint das Gesetz selbst bei offensichtlichen Abweichung nicht helfen zu können.

Bevormundung

Dienstag, 3. Dezember 2013 - 19:29

Ich habe im IT-bereich ein amerikanisches Unternehmen kennengelernt, in dessen deutschen Niederlassungen sich sehr gut bezahlte Mitarbeiter vermutlich auch selbst dadurch definieren, dass sie Belastungen aushalten, die in anderen Unternehmen Fehlbelastungen sind. Die Mitarbeiter sind stolz darauf. Die Forderungen des Arbeitsschutzgesetzes und gesetzliche Arbeitszeitregelungen werden deswegen, vereinfacht gesagt, auch von der Mitarbeitervertretung als Bevormundungen dargestellt. Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter missachten deswegen Gesetze und Vorschriften. Es gibt keine Prozesse zur Gefährdungsbeurteilung der mentalen Arbeitsbelastung. Die Gewerbeaufsicht erkennt aber keine Abweichungen. “Great Place to Work” lobt das Unternehmen sogar.

Deutschland scheint ein Land zu sein, in dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter ganz einfach das Recht nehmen können, Gesetze zu missachten, die im Widerspruch zu ihrer “Firmenkultur” stehen. Rechtsstaatlichkeit ordnet sich vermeintlich “pragmatisch” dem unter, was wir als Zwänge des Wettbewerbs akzepieren zu müssen meinen. (So verstärken sich diese Zwänge natürlich von selbst.) Dass Arbeitnehmervertretungen, die Gewerbeaufsicht und wichtige Ranking-Unternehmen diese Anarchie tolerieren (oder sich sogar davon beeindrucken lassen), macht den Rechtsbruch nicht erträglicher.

Nehmen wir nun einmal an, dass der Verzicht des Betriebsrates auf die Ausübung seiner eigentlich unabdingbaren Pflicht zur Überwachtung der Einhaltung von Schutzrechten von der Mehrheit der Mitarbeiter akzeptiert würde. Dann stellen sich mehrere Fragen, z.B.:

  • Wie gut kennt der Betriebsrat das Arbeitsschutzgesetz und bestehende praktische Umsetzungen des Gesetzes überhaupt?
  • Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirklich verstanden, wie psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen werden müssen?
  • Wissen die Mitarbeiter, welche ihnen zustehenden Rechte ihnen mit dem Einverständnis des Betriebsrates genommen werden?
  • Bevormundet der Betriebsrat nun nicht seinerseits jene Mitarbeiter, die im politischen Prozess legitim ausgehandelten Gesetze nicht nocheinmal selbst erstreiten wollen?
  • Ist eine Gewerbeaufsicht, die der Missachtung des Arbeitsschutzgesetzes tatenlos zusieht, gefährlicher, als gar keine Aufsicht?

Die Fragen sind hier nicht abschließend aufgelistet.

Die Werte, die dieses Elite-Unternehmen für sich sieht, werden in der Außen- und Innenkommunikation des Unternehmens stark selbstbezüglich stabilisiert. Es geht um Leidenschaft, und zwar genau im Sinn des Wortes.

Das Mindeste, was ich Betriebsräten von Unternehmen empfehle, deren Mitarbeiter sich als leistungsstarke und passioniert arbeitende Elite sehen, ist beispielsweise der IMPULS-Test. Wenn das Unternehmen wirklich Elite ist, dann sollte es so einen Test aushalten können. Der IMPULS-Test erlaubt den Mitarbeitern nicht nur, ihre Belastungssituation zu beschreiben, sondern darüber hinaus auch Maßstäbe für den von ihnen gewünschten Grad der Belastung zu setzen.

Wenn das Unternehmen und der Betriebsrat jedoch meinen, sie könnten das Ergebnis einer wissenschaftlich fundierten Mitarbeiterbefragung vorhersagen und bräuchten sie deswegen nicht, dann geben sie selbst schon die Antworten, die eigentlich von den Mitarbeiter kommen sollten. Auch so kann Bevormundung aussehen.

Normenschloss statt SPEC-Hütte

Montag, 2. Dezember 2013 - 22:33

Mit SPEC fängt man Mäuse.

Die Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) hat recht. Ich finde, DIN-SPECs haben genau dort nichts zu suchen, wo von der DIN SPEC betroffene und zu schützende Menschen von der Konsensbildung ausgeschlossen wurden. Was für eine Einstellung haben Entwickler einer DIN SPEC, die eine ernsthafte Konsensbildung als lästig betrachten?

 


Update 2014-04:

 
http://www.kan.de/normung/basisdokumente-kan-positionen/ -> http://www.kan.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Basisdokumente/de/EU/2014-03-25_declaration_de_final.pdf (2014-03-25):

[...] Rolle von Spezifikationen

Neben klassischen Normen entstehen bei den Normungsorganisationen zunehmend Normungsprodukte, die unter dem Begriff Spezifikationen zusammengefasst werden. Dazu zählen Dokumente wie CEN Workshop Agreements (CWA) oder Publicly Available Specifications (PAS). Sie werden zwar unter dem Dach von Normungsorganisationen erarbeitet, spiegeln aber im Gegensatz zu klassischen Normen nicht grundsätzlich den Konsens aller interessierten Kreise wider.

Ursprünglich waren diese Spezifikationen für schnelllebige Branchen wie den ITSektor gedacht, da sie innerhalb kurzer Zeit erarbeitet werden können. Spezifikationen werden von Einzelinteressen bestimmt und zunehmend auch zur Behandlung von Sicherheits- und Gesundheitsschutzaspekten genutzt. Da sich bei der Erarbeitung und Anwendung von Spezifikationen aus Sicht des Arbeitsschutzes Probleme ergeben, lehnen EUROGIP, das INRS und die KAN CWA und PAS zur Regelung dieser Aspekte ab. Die französischen und deutschen Arbeitsschutzkreise fordern die Normungsorganisationen auf, formal und optisch deutlich zwischen Normen und Spezifikationen zu unterscheiden, um sicherzustellen, dass die Nutzer die genaue Art des Dokumentes eindeutig erkennen. [...]

 
http://www.kan.de/normung/basisdokumente-kan-positionen/ -> http://www.kan.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Basisdokumente/de/Deu/KAN-Positionspapier-Spezifikationen-neu2013.pdf (2013-10):

[...] Aus Sicht der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) eignen sich CWA und PAS vom Grundsatz her nicht dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz zu behandeln. Dokumente wie DIN SPEC (Vornorm) und DIN SPEC (Fachbericht), die in einem Normungsgremium erarbeitet werden, können entsprechend ihrem Charakter Sicherheits- und Gesundheitsschutzaspekte beinhalten. [...]

Offener Brief an den ANP des DIN und an die DAkkS

Sonntag, 1. Dezember 2013 - 11:04

An

Sehr geehrter Herr Dr. Gindele, sehr geehrter Herr Hissnauer,

Die DIN SPEC 91020 geht als Standard für das betriebliche Gesundheitsmanagemen (BGM) über die Forderungen des Arbeitsschutzes hinaus. Was in der intensiven Werbung für die DIN SPEC 91020 jedoch oft nicht deutlich wird: Im Gegensatz zum BGM, dass den Arbeitsschutz durchaus einbeziehen kann, umfasst die DIN SPEC 91020 weder den Arbeitsschutz, noch den Gesundheitsschutz. Bitte stellen Sie sicher, dass die Gewerbeaufsichten und andere von Zertifizierungen Betroffene sehr gut verstehen, dass eine Zertifizierung (so es eine solche geben wird) nach der DIN SPEC 91020 den Arbeits- und Gesundheitsschutz *nicht* umfasst.

Gewerbeaufsichten können also einen nach DIN SPEC 91020 zertifizierten Betrieb *nicht* entlastet prüfen, nur weil ein Zertifikat nach der DIN SPEC 91020 vorliegt. Erst Zertifikate nach Standards wie OHSAS 18001, ILO-OSH, OHRIS usw., die unter Einhaltung des Betriebsverfassungsgesetzes mit Teilnahme der Arbeitnehmervertretungen auditiert wurden, bestätigen ein ordentlich implementiertes Arbeitsschutzmanagementsystem.