Archiv für Dezember, 2013

DAkkS-Beschwerdeverfahren

Sonntag, 15. Dezember 2013 - 10:23

Unser heutiges Arbeitsschutzgesetz trat im Jahr 1996 in Kraft. Es war als Rahmengesetz konzipiert und sollte somit einen Freiraum für betriebsgerechte Lösungen bieten. Eine wichtige Grundlage war die Annahme, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander vereinbaren, wie der Arbeitsschutz in einem Betrieb konkret umgesetzt wird. Insbesondere im Bereich der psychischen Belastungen hat das nicht funktioniert. Es kann immer noch passieren, dass ein Betrieb sein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) ohne Betriebsrat aufbaut und anschließend externen Auditoren angeblich bereits implementierte Prozesse zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz präsentiert, die die Betriebsleitung unter Umgehung der Mitbestimmung gestaltet hatte.

Wenn unkritische Auditoren trotz dieser strafbaren Missachtung des Betriebsverfassungsgesetzes ein Zertifikat nach OHSAS 18001 erteilen, kann der Arbeitgeber anschließend der immer noch überforderten Gewerbeaufsicht dieses Zertifikat vorlegen. Die Gewerbeaufsicht prüft dann nur “entlastet”. Sie merkt zum Beispiel nicht, dass der Betriebsrat dem AMS nicht zugestimmt hat. Zudem lassen sich unerfahrene Betriebsräte von dem Zertikat (sowie von der vom Zertifikat beeindruckten Gewerbeaufsicht) beeindrucken, obwohl sie ja gar nicht wissen, was der Arbeitgeber den Auditoren erzählt hatte.

Betriebsräte dürfen sich nicht von einem Zertifikat einschüchtern lassen, sondern gerade wenn es von bei der DAkkS akkreditierten Auditoren nach einer Missachtung der Mitbestimmung erteilt wurde, wird es Zeit, sich bei der DAkkS als Aufsicht der Auditoren zu beschweren.

 
Nehmen Sie (z.B. als Mitglied eines Betriebsrates oder eines Personalrates) einmal an, dass Ihre Betriebsleitung bei externen Audits ihres AMS darstelle, dass psychische Belastungen in dem Arbeitsschutz ihres Betriebes ordungsgemäß implementiert seien. Wenn Sie dem nicht zugestimmt haben und die Betriebsleitung trotzdem auf ihrer Position besteht, dann behindert die Betriebsleitung die Mitbestimmung. Rufen sie die Einigungsstelle an.

Damit Betriebs- und Personalräte kompetent mitbestimmen können, haben sie das Recht, sich von einem qualifizierten Sachverständigen ihrer Wahl beraten zu lassen. Die Kosten für solche Sachverständige trägt der Arbeitgeber. Erfahrene Sachverständige können der Arbeitnehmervertretung auch helfen, die Übernahme der Beratungskosten durch den Arbeitgeber bei einer Einigungsstellt oder vor Gericht durchzusetzen.

Erst wenn die Arbeitnehmervertretung zugestimmt hat oder der Spruch einer Einigungsstelle eine fehlende Zustimmung ersetzt hat, kann die psychische Belastung als in den Arbeitsschutz einbezogen dargestellt werden.

Selbst die Gewerbeaufsicht kann ohne vollzogene Mitbestimmung nicht behaupten, psychische Belastungen seien in den Arbeitsschutz eines Betriebes mit einbezogen. Natürlich muss die Arbeitnehmervertretung (oder die Einigungsstelle) das Urteil der Gewerbeaufsicht berücksichtigen. Aber die Gewerbeaufsicht darf nicht entscheiden, dass der Arbeitsschutz in dem Betrieb ausreichend vollständig implementiert sei, wenn die Mitbestimmung behindert wurde. Eine wichtige Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes ist doch, dass es betriebsnah umgesetzt wird. Dass können nur Leute machen, die sich in dem Betrieb auskennen. Darum hat der lokale Betriebsrat oder Personalrat mitzubestimmen.

Wenn die Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmervertretung im Arbeitsschutz von der Betriebsleitung missachtet wird, dann bricht die Betriebsleitung auch dann gesetzliche Vorschriften, wenn die Gewerbeaufsicht keine Abweichungen festgestellt hat. Darum darf der Betrieb nicht nach OHSAS 18001 zertifiziert werden. Außerdem: Ohne vollzogene Mitbestimmung darf sich die Gewerbeaufsicht nicht von AMS-Zertifikaten “entlastet” fühlen, an deren Zustandekommen der Betriebsrat nicht beteiligt war.

Eine Nachlässigkeit der Gewerbeaufsicht und der externen Auditoren kann man daran erkennen, dass sie sich nicht für eine Überprüfung der Mitbestimmtheit der Gestaltung und Durchführung des Arbeitsschutzes in einem Betrieb interessieren. Bei Audits nach OHSAS 18001 müsste die Mitbestimmung sogar Gegenstand der Audits sein. Auch bei großen Zertifizierungsgesellschaften ist hier Nachlässigkeit und Desinteresse nicht ausgeschlossen. So geht’s halt zu im Zertifizierungsgeschäft.

Sollte einem Betrieb trotz einer Missachtung der Mitbestimmungspflicht von einem bei der DAkkS akkreditierten Zertifikator ein AMS-Zertifikat erteilt worden sein, dann können sich Arbeitnehmer und ihre Vertretungen bei der DAkkS beschweren. In einem entsprechenden Verzeichnis der DAkkS finden sie eine Beschreibung des DAkkS-Beschwerdeverfahrens.

DIN SPEC 91020 begeistert mittelmäßig

Samstag, 14. Dezember 2013 - 23:29

http://www.bgm-bv.de/aktuelles/termine_bbgm/kurzbefragung.html

Ergebnisse Kurzbefragung 2013
[...]
Der Nutzen der DIN SPEC 91020 für die Arbeit in Ihrem Unternehmen, schätzen jedoch über die Hälfte der Befragten nur als mittelmäßig oder gering ein. Ergebnisse der Kurzbefragung “BGM heute und in Zukunft”
[...]

BMAS: Mitbestimmung – Eine gute Sache

Samstag, 14. Dezember 2013 - 17:50

http://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/c741-mitbestimmung-cd.html, Oktober 2013

Stand: Oktober 2013
Verfügbarkeit: Verfügbar
Art.-Nr.: C741

Diese CD beinhaltet die Publikation “Mitbestimmung” A741 als PDF- und als Word-Datei und die englischsprachige Publikation „Co-determination 2013“ als PDF-Datei.

Hinzu kommt die Übersetzung des Gesetzes über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft in englischer, französischer, italienischer, niederländisch, norwegischer, polnischer, schwedischer, spanischer, tschechischer und deutscher Sprache – ebenfalls als PDF- und Word-Datei.

 

Die CD war eine Zeit lang nicht lieferbar. Für alle Fälle:

DQS stellt DIN SPEC 91020 falsch dar

Freitag, 13. Dezember 2013 - 07:58

http://de.dqs-ul.com/fileadmin/files/de2013/Files/Standards/Nachhaltigkeit/Arbeitsschutz/DIN_SPEC_91020/DQS_Produktblatt_DIN_SPEC_91020_BGM.pdf

[...] Strategischer Managementansatz statt Einzelmaßnahmen

Der wesentliche Unterschied zum existierenden betrieblichen Gesundheitsschutz ist die bewusste Steuerung und strukturierte Einbindung bisher voneinander isolierter Maßnahmen in ein Managementsystem, welches das Unternehmen gesundheitsgerecht und leistungsfördernd ausgestaltet. [...]

Katrin Schiller (Leiterin der DQS-Regionalstelle Stuttgart, Produktmanagerin Betriebliches Gesundheitsmanagement) irrt sich:

  1. Auch wenn DQS das nicht schreibt, wird hier der Eindruck erweckt, dass DIN SPEQ 91020 Verbesserungen im betrieblichen Gesundheitsschutz bringe. Die DIN SPEC 91020 wäre aber vom DIN gar nicht bearbeitet worden, wenn sie Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes berührt hätte.
  2. Für einen strategischen Managementansatz im Gesundheitsschutz gibt es schon seit einigen Jahren Standards wie OHSAS 18001 mit einem strategischen Ansatz.

Zu behaupten, dass die DIN SPEC 91020 dazu beitrüge, Einzelmaßnahmen im Gesundheitsschutz durch einen strategischen Managementansatz zu ersetzen, ist irreführende Werbung. Die DQS (Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen) empfiehlt hier den falschen Standard.

Keine DIN SPEC 91020 ohne vorherige AMS-Zertifizierung

Freitag, 13. Dezember 2013 - 07:38

Die Werbung des TÜV NORD CERT respektiert das freiwillige BGM mehr als den vorgeschriebenen Arbeitsschutz (http://www.tuev-nord.de/cps/rde/xbcr/SID-ACDF2EA0-A7FE4A1F/tng_de/pdb-bgm-din-91020.pdf):

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels mit immer mehr älteren Arbeitnehmern, des Anstiegs vor allem psychisch bedingter Arbeitserkrankungen und des verschärften Wettbewerbs um Spitzenkräfte ist ein funktionierendes Betriebliches Gesundheitsmanagement ein Schlüsselfaktor für unternehmerischen Erfolg. [...]

[...] Zielgruppen für die Zertifizierung [...] Die Zertifizierung richtet sich an Unternehmen aller Branchen, die spezielle Programme zu Work-Life-Balance, Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Personalentwicklung anbieten und über den reinen Arbeitsschutz hinaus ihre Mitarbeiter aktiv unterstützen möchten [...]

Da sollte man zunächst einmal die Hausaufgaben im “reinen Arbeitsschutz” gemacht haben.

[...] Voraussetzungen für die Zertifizierung [...] Unternehmen müssen ein Managementsystem nach einem anerkannten Standard wie z.B. DIN EN ISO 9001, DIN EN ISO 14001, KTQ (Gesundheitswesen), SCC oder BS OHSAS 18001 eingeführt haben. Eine Zertifizierung dieses Managementsystems ist nicht Voraussetzung, kann aber auf Wunsch ebenfalls durch TÜV NORD CERT übernommen werden. [...]

Logisch wäre es, nur Standards für Arbeitsschutzmanagementsysteme (wie OHSAS 18001) zur Voraussetzung für eine Zertifizierung zu machen. Wer sich über den “reinen Arbeitsschutz” hinaus nach einem BGM-Standard zertifizieren lässt ohne das Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) nach einem dafür vorgesehenen Standard zertifizieren zu lassen, macht sich verdächtig, die gesetzlich notwendige Verhältnisprävention umgehen zu wollen.

[...] Vorteile der Zertifizierung [...] Potenzielle neue Mitarbeiter sind darüber informiert, dass sich ein Unternehmen systematisch, kontinuierlich und professionell um das Wohlergehen seiner Beschäftigten kümmert. [...]

Wenn ein freiwilliges BGM nach DIN SPEC 91020 zertifiziert wurde, aber für den gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz auf eine Zertifizierung z.B. nach OHSAS 18001 verzichtet wurde, dann sind potenzielle neue Mitarbeiter darüber informiert, dass der potentionelle Arbeitgeber die Pflicht gegenüber der Kür vernachlässigt. Sie sind gewarnt.

Lebensmittelüberwachung versagt

Donnerstag, 12. Dezember 2013 - 21:04

http://www.foodwatch.org/de/informieren/informationsgesetz/aktuelle-nachrichten/neuer-foodwatch-report-lebensmittelueberwachung-versagt/

Von Pferdefleisch in Fertigprodukten bis zu Hygienemängeln in Restaurants: Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Deutschland kann weder Skandale verhindern noch ihre gesetzliche Aufgabe erfüllen, die Einhaltung des Lebensmittelrechts durchzusetzen. Zu diesem Ergebnis kommt der Report „Von Maden und Mäusen“, den foodwatch heute in Berlin vorgestellt hat. [...]

Soweit zur angeblichen “Kontrollwut” in Deutschland.

Übersicht 2013: Psychische Belastungen im Betrieb

Donnerstag, 12. Dezember 2013 - 15:04

http://www.regierung.oberpfalz.bayern.de/download/gewerbeaufsicht/medz_arbeitsschutz/psych_belastungen/psych_belast_betrieb.pdf ist eine aktuelle Übersicht von Joachim Beitner (Gewerbearzt), Regierung der Oberpfalz/von Niederbayern, Gewerbeaufsichtsamt, Dateidatum: 2013-11-21

BMAS: Mitbestimmung ist Voraussetzung für BGM

Donnerstag, 12. Dezember 2013 - 07:26

http://www.regierung.oberpfalz.bayern.de/download/gewerbeaufsicht/medz_arbeitsschutz/betriebl_gesundheitsmanagement/gabegs.pdf

[...] Ziel des Betrieblichen Gesundheitsmanagents (BGM)

Prävention muss als dauerhaftes und wirtschaftliches Instrument zum Schutz, zur Pflege und zur Förderung der Organisationsressource „Gesundheit“ verstanden werden: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) birgt die Chance in sich, den gesetzlichen Pflichtauftrag nach ASiG und Arbeitsschutzgesetz und das unternehmerische Interesse an gesunden, motivierten und leistungsfähigen Mitarbeitern zu verbinden.

BGM setzt allerdings

  • eine Aushandlung zwischen Arbeitgeber und Betriebs- und Personalrat innerhalb des Betriebes [Mitbestimmung]
  • und den Willen zu einem kontinuierlichen und systemischen Vorgehen [Auditierbarkeit]

voraus.

Kennzeichnend ist die Entwicklung betrieblicher Rahmenbedingungen, Strukturen und Abläufe, die

  • eine gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation [Verhältnisprävention]
  • und die Befähigung zum gesundheitsförderlichen Verhalten der Mitarbeiter [Verhaltensprävention]

zum Ziel haben. [...]

(psybel.de: Anmerkungen in eckigen Klammern und Hervorhebungen eingefügt, Layout verändert)

Quelle: Psychische Gesundheit im Betrieb,
Bundesministerium für Arbeit und Soziales Dezember 2011
,
Zitiert in: GABEGS, Ganzheitliches Betriebliches Gesundheitsmanagementsystem des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
Vortrag in der Bayerischen Justizvollzugsschule SR am 21.11.2012
Dr. Beitner Gewerbearzt
Regierung der Oberpfalz – Gewerbeaufsichtsamt

Für die Mitbestimmung sind kompetente und sich proaktiv engagierende Arbeitnehmervertreter eine wichtige Voraussetzung.

“Kriegen Sie da nichts raus!”

Dienstag, 10. Dezember 2013 - 22:12

Heute im NSU-Prozess: Ein Ermittler soll von einem höherrangigen Beamten aufgefordert worden sein, nicht allzu genau nachzufahnden. Könnte das auch in der Gewerbeaufsicht passieren? Die Defizite im Aufsichtshandeln sind eine Tatsache.

Irrtum der Großkanzlei

Dienstag, 10. Dezember 2013 - 07:52

Schon seit 1996 mussten Arbeitgeber die Arbeit so gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben und die Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Arbeitgeber, die psychische Fehlbelastungen aus dem Katalog der Gefährdungen ausgeschlossen hatten, stellten sich über geltendes Recht. Dieser Anarchie sahen die Gewerbeaufsichten seit 1996 tatenlos zu.

Die Großkanzlei C’M'S’ Hasche Sigle tut nun so, als ob die Pflicht zum Einbezug psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz erst nach der bevorstehenden Änderung des Arbeitsschutzgesetzes gelte.

http://www.cmshs-bloggt.de/arbeitsrecht/jetzt-gehts-los-thema-psychische-belastungen-bei-der-arbeit/

[...] Für Unternehmen gilt es nun, die bisherige Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zu prüfen und die Gefährdungsbeurteilung um die Thematik psychischer Belastungen zu erweitern.

Was heißt hier “nun”? Die Änderung des Arbeitsschutzgesetzes ist eine Klarstellung geltenden Rechts. Es geht nicht erst jetzt los. Was jetzt in das Arbeitsschutzgesetzt geschrieben wird, galt seit Inkrafttreten des Gesetzes. Für Unternehmen gilt es seit 1996, die Gefährdungsbeurteilung um die Thematik psychischer Belastungen zu erweitern. Das Arbeitsschutzgesetz verlangt die Minderung von Gefährdungen, und zwar egal, ob das ein über Ihrem Kopf schwebendes Klavier ist oder eine drohende psychische Fehlbelastung!