Archiv für September, 2013

Bayern: Arbeitsschutz ist Verfassungsschutz

Freitag, 6. September 2013 - 08:03

http://bayern.dgb.de/presse/++co++e27ecc44-0f0d-11e3-b645-00188b4dc422

[...] Der DGB Bayern setzt seine Verfassungsschutz-Kampagne mit dem sechsten Motiv „Verfassungswidrig – Arbeit darf nicht krank machen“ fort. Die Bayerische Verfassung stellt in Artikel 167 fest: „Ausbeutung, die gesundheitliche Schäden nach sich zieht, ist als Körperverletzung strafbar.“ [...] 

 

http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-VerfBY1998rahmen&doc.part=X&doc.origin=bs&st=lr

[...]

Artikel 167

  1. Die menschliche Arbeitskraft ist als wertvollstes wirtschaftliches Gut eines Volkes gegen Ausbeutung, Betriebsgefahren und sonstige gesundheitliche Schädigungen geschützt.
  2. Ausbeutung, die gesundheitliche Schäden nach sich zieht, ist als Körperverletzung strafbar.
  3. Die Verletzung von Bestimmungen zum Schutz gegen Gefahren und gesundheitliche Schädigungen in Betrieben wird bestraft.

[...]

Träumt schön weiter.

Wiedereingliederung: Prävention und Rehabilitation

Freitag, 6. September 2013 - 07:06

In der Gemeinsamen Erklärung des BMAS, der BDA und des DGB zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt steht: “[...] Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wird bei den Unterneh­men dafür werben, das gesetzlich vorgeschriebene betrieb­liche Eingliederungs­management umzusetzen, um psychisch Erkrankten die erfolgreiche Rückkehr ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Dabei wird sie auf entsprechende Unterstützungsan­gebote der Sozialversicherungsträger zurückgreifen. [...]” Eine in dieser Absichtserklärung enthaltene Tatsachenbehauptung ist etwas irreführend. Darum die folgende Klarstellung:

  • Prävention: Das mit § 84 im SGB IX geregelte, aber für die Mitarbeiter freiwillige betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) gilt nicht für kranke Mitarbeiter. Im Gesetz geht es hier ausdrücklich um Prävention. Es gilt, einem Rückfall wieder gesundeter und normal arbeitsfähiger Mitarbeiter in eine Krankheit vorzubeugen, beispielsweise durch eine gesunde Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeisbedingungen. Am BEM können darum nur arbeitsfähige Mitarbeiter nach einer längeren und/oder häufigeren Arbeitsunfähigkeit teilehmen, müssen das aber nicht. Es gibt auch längere Arbeitsunfähigkeiten, nach denen überhaupt kein BEM erforderlich ist. Und findet ein BEM statt, dann tun die Arbeitgeber erfolgreich therapierten Mitarbeitern keinen Gefallen, sie immer noch als kranke Menschen zu behandeln.

    BEM hat auch eine rechtliche Wirkung: Wird es sachgemäß aber ohne Erfolg durchgeführt, verschiebt sich die Beweislast: Nun müssen die Mitarbeiter bei einer Klage gegen eine personenbedingte Kündigung nachweisen, dass es ihnen nicht ermöglicht wurde, ihre arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Wenn hier ein kompetenter Betriebsrat fehlt, dann haben diese Mitarbeiter schlechte Karten.

  • Rehabilitation: Eine stufenweisen Wiedereingliederung (“Hamburger Modell”) nach § 74 im SGB V und § 28 im SGB IX ist bei jenen (gesetzlich versicherten) Mitarbeitern möglich, die zwar noch physisch und/oder psychisch erkrankt, aber aus ärztlicher Sicht teilweise arbeitsfähig sind. In ihrer Pressemeldung spricht die BDA (wie auch das BMAS) von der “Wiedereingliederung erkrankter Beschäftigter ins Berufsleben”. Das ist nicht das BEM, von dem sie in der gemeinsamen Erklärung spricht.

Gemeinsame Erklärung: psychische Gesundheit in der Arbeitswelt

Donnerstag, 5. September 2013 - 23:50

2013-09-05

DNV: Gesunde Mitarbeiter – Gesundes Unternehmen

Donnerstag, 5. September 2013 - 07:37

http://www.dnvba.com/de/News-Events/Events/Pages/Innovation-Lab-Arbeitsschutz.aspx

Innovation Lab “Gesunde Mitarbeiter – Gesundes Unternehmen”
Datum: 30 September, 2013
Standort: Park in by Radisson Bochum
Stadt: Bochum 

[...]

Folgende Themenkomplexe werden im Rahmen der Veranstaltung besprochen:

  • Entwicklung von Risikokompetenz im betrieblichen Gesundheitsschutz
  • Gesundheitsschutz unter Berücksichtigung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz
  • Gefährdungsbeurteilungen von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz

[...]

Fehlbelastungsmeldung: Der Betriebsrat hilft

Dienstag, 3. September 2013 - 07:58

Pressemeldung des TÜV (TÜV-Arbeitsmediziner vom Arbeitskreis Arbeitsmedizin beim Verband der TÜV e. V. (VdTÜV),
http://www.presseportal.de/pm/65031/2548073/psychische-belastungen-am-arbeitsplatz-nicht-warten-bis-es-zu-spaet-ist):

[...] Die TÜV-Arbeitsmediziner raten Arbeitnehmer andauernden psychischen Stress am Arbeitsplatz sowie Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch ernst zu nehmen und sich an ihren Arbeitgeber zu wenden, der im Zuge seiner gesetzlichen Fürsorgepflicht für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter sorgen muss. Der Mitarbeiter sollte den Arbeitgeber beauftragen, den Betriebsarzt anzurufen. Den medizinischen Grund der Anfrage muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht offen legen. Der Betriebsarzt stellt im Rahmen einer Arbeitsplatz- und Gefährdungsbeurteilung sowie individuellen Untersuchung des Beschäftigten die Ursachen für eine psychische Belastung fest. Ziele der Beratung sind gezielte individuelle Lösungen zur Suchtprävention und Stressabbau. Generell sollte der Schutz vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz so selbstverständlich sein, wie der Schutz vor Lärm oder Chemikalien. Die TÜV- Arbeitsmediziner betonen, dass Betriebsärzte gegenüber den Arbeitgebern der Schweigepflicht unterliegen, sodass betroffene Mitarbeiter keine Konsequenzen zu befürchten haben. Die Kosten des Betriebsarztbesuchs hat der Arbeitgeber zu tragen.

Die Arbeitsmediziner der TÜV-Unternehmen kümmern sich in Betrieben und Organisationen um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, unabhängig von der Berufsgruppe und Hierarchieebene. Sie beraten Arbeitnehmer individuell am Arbeitsplatz und -umfeld sowie Arbeitgeber im Rahmen ihrer gesetzlichen Führsorgepflichten in Bezug auf die Sicherheit der Mitarbeiter im Unternehmen. [...]

So könnte es theoretisch laufen. Praktisch gibt es Betriebsärzte (und Arbeitsschutzverantwortliche), die den fehlenden Einbezug psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung und ihren Betrieben jahrelang nicht angesprochen haben.

Arbeitnehmer sollten sich also zunächst an den Betriebsrat wenden und dort besprechen, an wen sie sich wenden könnten. Wenn der Betriebsrat aber schon mit den Begriffen “Belastung”, “Fehlbelastung”, “Beanspruchung”, “Verhältnisprävention” und “Verhaltensprävention” nichts anfangen kann, dann wird er seinen Klienten nicht gut helfen können. Ein Warnsignal ist auch, wenn Betriebsräte nicht einmal sicherstellen können, dass ihre eigene Belastungssituation in der Gefährdungsbeurteilung zu ihren Arbeitsplätzen ordentlich beschrieben wird. Solche Betriebsräte verstehen nicht, welche Pflichten der Arbeitgeber jenen Mitarbeitern gegenüber hat, die im sehr konfliktbehafteten Bereich des Personalwesens arbeiten. Wie soll der Betriebsrat Andere schützen, wenn er sich selbst nicht schützen kann?

Wichtig: Der Betriebsrat sollte auch wichtige Prioritäten kennen, die das Arbeitsschutzgesetz festschreibt. Gemäß Arbeitsschutzgesetz gilt: Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen. Zunächst muss der Arbeitgeber also versuchen, den Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Diese Priorität wird in der Pressemeldung des TÜV nicht so recht deutlich.

Keine Seelsorger

Montag, 2. September 2013 - 23:54

http://www.vbw-bayern.de/Redaktion-(importiert-aus-CS)/04_Downloads/Downloads_2012/08_PlaKo/Reden-BB/20121122-Gesundheitskongress_endg.pdf

bayme vbm
Die bayerischen Metall und Elektro-Arbeitgeber

2. Gesundheitskongress 2012

Donnerstag, 22.11.2012 um 10:00 Uhr [...]

Mitarbeitergesundheit als Wettbewerbsfaktor

Bertram Bossert
Hauptgeschäftsführer
bayme – Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e.V.
vbm – Verband der bayerischeen Metall- und Elektro-Industrie e.V.

[...]

  • Während wir im Juni das Thema “Betriebliches Gesundheitsmanagement” auf bestimmte Zielgruppen im Betrieb fokussiert haben,
  • gehen wir heute das Thema als Führungsaufgabe an.

[...]

Unternehmer und Führungskräfte sind

  • weder Therapeuten
  • noch Sozialarbeiter
  • noch Seelsorger

Es entspricht aber der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, Auffälligkeiten bei Mitarbeitern zu bemerken und Betroffene sozusagen als Lotsen in die bestehenden Versorgungsstrukturen weiter zu vermitteln, die durch die Sozialsysteme zur Verfügung gestellt werden -

  • seien es Coaches
  • Sozialberater oder
  • andere lokale Dienstleister, die spezialisiert sind auf die menschliche Psyche

Aufgabe von uns Verbänden wird es sein, ein Netzwerk von Spezialisten aufzubauen, das unsere Unternehmen in die Lage versetzt, ihre Lotsenfunktion zu den Vorsorgeeinrichtungen und verfügbaren Spezialisten wahrzunehmen.

Denn eines ist klar: Ein psychisch erkrankter Mitarbeiter ist für unsere Unternehmen ebenso ein Kostenfaktor, wie ein körperlich erkrankter Mitarbeiter. [...]

Bertram Bossert will Lotse sein. Aber wohin will er steuern? Das Ziel, das er eigentlich anzusteuern hätte, scheint nicht auf seinem Kurs zu liegen: Mit keinem Wort erwähnt er den Arbeitsschutz, dessen Vorschriften die Pflichten der Mitglieder seines Vereins zu befolgen haben. Es entspricht der Pflicht des Arbeitgebers, im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes Auffälligkeiten bei den Arbeitsplätzen zu bemerken und auf Mitarbeiter wirkende Fehlbelastungen zu mindern, bevor diese Mitarbeiter zu psychisch erkrankten “Betroffenen” werden.

Ich nehme einmal an, dass Bertrand Bossert weiß, dass die Minderung psychischer Fehlbelastungen eine Aufgabe des Arbeitsschutzes ist. Es wäre dann kein Zufall, dass er den Arbeitsschutz in seiner Rede nicht erwähnt. Bossert braucht ersteinmal selbst einen Lotsen, der ihm und seinen Vereinsmitgliedern hilft, mehr Respekt für die Gesetze und Vorschriften des Arbeitsschutzes zu entwickeln. In immer mehr Betrieben übernehmen die Arbeitnehmervertreter selbst diese Lotsenarbeit.

Das wird eine Lotsenarbeit im Arbeitsschutz sein und nicht zuerst in “Vorsorgeeinrichtungen”. Was diese Einrichtungen sein sollen und wer sie bezahlt, wird bei Bossert nicht klar. Sollen hier wieder Kosten vergesellschaftet werden? Wenn es um Arbeitsschutz ginge, dann hätten die Arbeitgeber die Kosten dafür zu tragen.

Suche: http://www.vbw-bayern.de/vbw/Suche.jsp.is?queryText=psychische&co=2

Die Kunstgriffe der vbw

Montag, 2. September 2013 - 23:12

http://www.b4bschwaben.de/nachrichten/dillingen_artikel,-Klartext-Mythos-psychische-Belastung-am-Arbeitsplatz-_arid,129993.html

vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
Klartext: Mythos psychische Belastung am Arbeitsplatz
Dillingen | 30.08.2013

Hier wird kein Blatt vor dem Mund genommen. Die vbw stellt sich gegen den Mythos, dass psychische Belastung vornehmlich durch Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird. Die Realität sieht komplett anders aus.

Eristischer Kunstgriff: Verstärkt wohl durch die Bearbeitung der vbw-Pressemeldung “Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen / Mythen und Fakten zur Arbeitswelt: Teil 6″ durch B4B Schwaben, wird hier der Mythos zusammengebastelt, dass es einen Mythos gäbe, dass psychische Belastung vornehmlich durch Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird. Natürlich wird auch das gelegentlich den Arbeitgebern vorgeworfen. Die inzwischen öffentliche Kritik setzt aber woanders an: Es war bisher für Mitarbeiter recht gefährlich, das Thema der psychischen Belastungen überhaupt anzusprechen.

Beispiel: Überlastungsanzeigen landeten bei den Personalabteilungen, die den betroffenen Mitarbeitern dann zur Stressminderung eine Minderung der Arbeitsbelastung und damit auch des Einkommens “anboten”, anstelle zuallererst einmal nachzusehen, wie die vom Arbeitsplatz des Mitarbeiters auf ihn wirkenden psychischen Belastungen beurteilt wurden. In den meisten Fällen gab es da nichts, denn bisher konnten viele Arbeitgeber es sich straflos leisten, in den vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen keine ernsthafte Beurteilung psychischer Belastungen vorzunehmen.

Warum es falsch ist, “dass psychische Belastung vornehmlich durch Stress am Arbeitsplatz hervorgerufen wird”, erklärt der Artikel nicht. Eine solche Behauptung wäre nämlich tatsächlich falsch, aber den eigentlichen Grund für den Fehler in dieser Aussage haben die Autoren des vdw gar nicht verstanden: Sachlich richtig ist, dass umgekehrt die Beanspruchung des Menschen am Arbeitsplatz durch die vom Arbeitsplatz ausgehende und auf den Menschen wirkende psychische Belastung hevorgerufen wird. Und selbst das ist noch kein Problem, denn das ist die Eigenschaft von Arbeit! Ohne Belastungen gibt es keine Jobs. Die vbw wehrt sich dagegen, dass Arbeit schlecht gemacht wird. Aber ihr Gebrauch des Begriffes “Belastung” macht schon den Begriff der Belastung schlecht. Belastung als negativ darzustellen, mag der übliche Sprachgebrauch sein, aber das ist keine Entschuldigung für einen “Klartext”, der die Dinge klären soll.

Zum Problem werden Belastungen erst, wenn sie Fehlbelastungen sind. Dann können krank machende Beanspruchungen die Folge psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz sein. Niemand will Arbeit schlecht machen. Aber der Widerstand gegen krank machende Arbeit wird jetzt immer stärker.

Wer unterscheidet zwischen Belastungen und Fehlbelastungen? In den Betrieben entscheiden das Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam und betriebsnah innerhalb des weiten Rahmens des Arbeitsschutzgesetzes. Es geht also um Mitbestimmung. Die jedoch ist bei einigen Arbeitgebern immer noch unbeliebt.

 

Es gibt viele Mythen und pseudo Fakten, die sich in der öffentlichen Meinung zur Arbeitswelt festgesetzt haben. Eine dieser Mythen rankt sich um das Thema psychische Belastung. Viele glauben, dass psychische Belastung einzig und allein aus dem vermeidlichen Stress am Arbeitsplatz resultiert. Die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. setzt sich diesem Gerücht entgegen. Psychische Belastungen im Alltag nehmen zu, das ist Fakt. „Ich warne aber davor, psychische Erkrankungen auf den vermeintlich steigenden Stress in der Arbeitswelt zurückzuführen“, so vbw Geschäftsführer Bertram Brossardt. „Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen, die von der Veranlagung bis zur Belastung im Arbeits- und Privatleben reichen. Studien belegen, dass befriedigende Arbeit die psychische Gesundheit nicht schwächt, sondern stärkt.“

Eristischer Kunstgriff: “Studien belegen…” Dass befriedigende Arbeit die psychische Gesundheit nicht schwächt, sondern stärkt, ist etwa seit dem Pleistozän bekannt. Niemend stellt in Frage, dass befriedigende Arbeit befriedigt (solange es nicht um suchthafte Befriedigung geht). Hier wir am falschen Baum gebellt. Beim seit dem Jahr 1996 geforderten Einbezug psychischer Belastungen in den ganzheitlichen Arbeitsschutzes geht es z.B. um unbefriedigende Arbeit, aber auch um suchthaft befriedigende Arbeit.

Nächster Kunstgriff: “Psychische Erkrankungen haben viele Ursachen, die von der Veranlagung bis zur Belastung im Arbeits- und Privatleben reichen.” Richtig. Auch das ist bekannt. Aber wie können Arbeitgeber es wagen, etwas zu psychische Fehlbelastungen im Arbeitsleben zu sagen, wenn sie sich seit 1997 mehrheitlich schon gegen die Erfassung und Beobachtung von psychischen Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung gewehrt haben? Ihr Interesse, Ursachen im Arbeitsleben entdecken zu können, war jedenfalls bisher nicht sehr ausgeprägt.

Noch ein Kunstgriff: die Warnung, psychische Erkrankungen auf den vermeintlich steigenden Stress in der Arbeitswelt zurückzuführen. Diese Warnung ist genauso unsinnig, wie psychische Erkrankungen nur auf die Arbeitswelt zurückzuführen. Die Warnung ist sogar ein Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz, denn hier muss es möglich sein, nach einer ordentlichen Gefährdungsbeurteilung psychische Erkrankungen durchaus auch einmal auf gefährdende Arbeitsbedingungen zurückzuführen.

 

Erwerbstätige erkranken deutlich seltener
Nach einer Erhebung des BKK-Bundesverbands leiden Erwerbstätige deutlich seltener an psychischen Störungen als Arbeitslose. Nur 12 Prozent der männlichen und 16 Prozent der weiblichen Beschäftigten suchen pro Quartal einen Arzt wegen psychischer Probleme auf. Bei Arbeitslosen und Rentnern sind es dagegen 20 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen. Außerdem stehen den 5,2 Krankheitstagen aufgrund psychischer Erkrankungen von Arbeitslosen die 1,5 Tage der Erwerbstätigen gegenüber. Menschen ohne Arbeit haben eine wesentlich größere Wahrscheinlichkeit psychisch zu erkranken.

Eristischer (und wenig origineller) Kunstgriff: Den Trick mit “Arbeit macht mehr Freude als Erwerbslosigkeit” versuchte Dieter Hundt schon früher. Es ist auch irreführend, z.B. einen gestressten 40jährigen Arbeitnehmer mit einem Rentner zu vergleichen. Seriös wäre dagegen eine Unterscheidung innerhalb der Gruppe der Erwerbstätigen zwischen nicht krank machender (und dann oft den Menschen bereichender) Arbeitsbelastung und krank machender Arbeitsbelastung. Das ist die Aufgabe beispielsweise der Gefährdungsbeurteilung. Genau hier will es der Mehrheit der Arbeitgeber auch heute noch nicht gelingen, in ihrem Arbeitsschutz mitbestimmte und auditierbare Verfahren zur Erkennung und Bewertung psychischer Belastungen zu implementieren. Woran mag das liegen?

 

Arbeitgeber auf Arbeitnehmer gut eingestellt
Ganz unabhängig von diesem großen Unterschied hat sich die bayerische Wirtschaft dem Thema Gesundheit bereits angenommen. „Unser Focus muss auf Prävention und Früherkennung liegen, um psychische Erkrankungen zu vermeiden“, so Brossardt. „Hier ist bereits viel geschehen: 93 Prozent der Unternehmen haben laut Institut der deutschen Wirtschaft Köln Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsplatzes im Rahmen eines Gesundheitsmanagements eingeleitet. Dieses Engagement wird auch von den Mitarbeitern honoriert: Rund zwei Drittel der Beschäftigten sind der Meinung, dass sich ihr Betrieb gut oder sehr gut um ihre Gesundheit kümmert.“

Eristischer Kunstgriff: Argumentation mit Gesundheit insgesamt. Es geht um den mangelhaften Arbeitsschutz, nicht um das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) schlechthin. Wie viele der Beschäftigten sind der Meinung, dass sich ihr Betrieb gut oder sehr gut um ihre psychische Gesundheit kümmert?

Im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements tun die Unternehmen tatsächlich werbewirksam viel, z.B. Rückenschule, Yoga, gerne auch Fünf Tibeter usw. Aber in der Praxis überwiegt dabei die Verhaltensprävention. Die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Verhältnisprävention wird dagegen im BGM oft marginalisiert. Der vorgeschriebene Arbeitsschutz kann ein Teil des ansonsten freiwilligen BGM sein, aber er würde (bei seiner ernsthaften Umsetzung im Bereich der psychischen Belastungen) Führungsstile und die Arbeitsorganisation transparenter machen und stärker in Frage stellen, als das die Arbeitgeber das bisher gewohnt waren. Das ist es, was bis etwa 2011 die seit 1996 stattfindende Missachtung der Pflicht erklärt, psychische Belastungen mitbestimmt in den Arbeitsschutz einzubeziehen.

 

M+E Industrie kümmert sich um Gesundheit am Arbeitsplatz
Die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber bayme vbm nehmen dieses Thema ebenfalls ernst. Deshalb haben sie den „Aktionstagprogramm psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ im Bereich der gesundheitlichen Vorsorge ins Leben gerufen. „Damit wollen wir zum einen wissenschaftlichen Beitrag leisten und so die Diskussion versachlichen“, erklärt Brossardt. „Zum anderen bieten wir Betrieben Workshops zur Weiterbildung von Führungskräften und Betriebsärzten an. Ab 01. September 2013 stehen mit unserer Hotline zwei Psychologen für eine telefonische Beratung für Mitarbeiter und Führungskräfte unserer Mitgliedsunternehmen zur Verfügung, um bei psychischer Belastung frühzeitig intervenieren und helfen zu können.“ Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt. bayme vbm wendet fast 1,7 Mio. Euro für diese Maßnahmen auf.

Die Wissenschaftlichkeit des Beitrages der vbw bedarf sicherlich einer nachhaltigen Beobachtung. Mitarbeiter, die psychischen Fehlbelastungen ausgesetzt sind, sollten den hier zitierten “Klartext” genau durchlesen, bevor sie sich entscheiden, bei der Hotline der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft anzurufen. Da mag es klüger sein, mögliche psychische Belastungen zunächst erst einmal mit einem Mitglied des Betriebsrates zu besprechen. Auch die Hausärzte kennen sich zunehmend besser mit dem Thema aus.

 
Links:

ZEIT-Serie “Psychisch krank”

Montag, 2. September 2013 - 01:09

http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2013-08/volkskrankheit-psychische-erkrankungen

Serie psychisch krank

Deutschlands kranke Seele

Ob psychische Erkrankungen häufiger werden, ist schwer zu messen. Fest steht, dass mehr Menschen sie erkennen und Hilfe suchen. ZEIT ONLINE widmet dem Thema eine Serie. Von Dagny Lüdemann und Julia Völker
22. August 2013 11:54 Uhr [...]

Aufmerksam auf die Serie: “psychisch Krank” wurde ich durch den Info-Brief von Hans-Dieter Gimbel.

Psychologische Kampfführung

Sonntag, 1. September 2013 - 23:40

Der Einbezug psychischer Belastung in den Arbeitsschutz hat auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern. Manche hergebrachten Führungsmethoden müssten heute eigentlich in einer Gefährdungsbeurteilung beschrieben werden.

Beispielsweise kann der Arbeitgeber in den Besprechungen zwischen beiden Seiten sich weigern, zusammen ein Life-Protokoll so zu führen, wie das in den Projekt-Meetings in seinem Betrieb bereits seit einiger Zeit mit Laptop-Computer und Projektor gemacht wird. Ohne lästiges Protokoll kann der Arbeitgeber dann beim nächsten Meeting behaupten, dass über bestimmte Themen, für die er die Verantwortung hat, nicht so gesprochen wurde, wie der Betriebsrat das protokolliert hatte.

Der Arbeitgeber hat natürlich das Recht, Protokolle nicht so professionell führen zu lassen, wie das seine Mitarbeiter im sonstigen Geschäft mit professionellen Meeting Minutes tun. Seine unternehmerische Freiheit gibt ihm die Möglichkeit, hier dem Betriebsrat einmal zu zeigen, dass die Sitzungen mit dem Betriebsrat es nicht wert sind, so protokolliert zu werden, wie das in ernsthaften Besprechungen üblich ist.

John Tenniel (for Lewis Carroll): Mad Tea-Party
Damit Besprechungen, zu denen keine Ergebnisse verbindlich festgehalten werden dürfen, die Teilnehmer nun nicht allzusehr psychisch fehlbelasten, kann man wenigstens ein Tässchen Tee miteinander schlürfen.

ver.di Tagungsdokumentation, 2013-05-23

Sonntag, 1. September 2013 - 06:16

http://sozialpolitik.verdi.de/publikationen/sopo-doku/data/Tagungsdokumentation%20SV-Tagung%202013.pdf

Tagungsdokumentation „Gefährdung durch psychische Belastung bei der Arbeit. Was kann – und muss – geschehen?“
11. Tagung für ver.di-Vertreter/-innen der gesetzlichen Unfallversicherung
[...]