Archiv für März, 2015

Eine ungerechtfertigte Abmahnung ist eine psychische Fehlbelastung

Dienstag, 24. März 2015 - 07:15

Ein Mitarbeiter im Betrieb yyyyy des im deutschsprachigen Raum angesiedelten Unternehmens xxxxx reichte beim Betriebsrat seines Betriebes den folgenden Antrag zur Abstimmung durch das Gremium dieses Betriebsrates ein:

Antrag eines Mitarbeiters des xxxxx-Betriebes yyyyy an den Betriebsrats dieses Betriebes:
Erfassung und Dokumentation einer ungerechtfertigten Abmahnung als Fehlbelastung.

Fallbeschreibung:
Ein Mitarbeiter wurde im Betrieb yyyyy vom Leiter der Personalabteilung abgemahnt. Nachdem der Mitarbeiter eine Klage androhte, zog der Arbeitgeber die Abmahnung zurück, da sie sich als gegenstandlos erwies. Der Fall wurde damit zwar arbeitsvertragsrechtlich abgeschlossen, nicht jedoch arbeitsschutzrechtlich.

Die Abmahnung enthielt die folgende Kündigungsdrohung:

„Zu unserem Bedauern mussten wir feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt haben. [...] Wir fordern Sie hiermit ausdrücklich auf, das oben geschilderte Verhalten zukünftig zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen. Im Fall einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich fristlos, zu kündigen. [...]“

Diese Drohung wirkte auf den Mitarbeiter über einen Zeitraum von drei Monaten.

Hiermit beantrage ich, dass das Gremium des Betriebsrats des xxxxx-Betriebes yyyyy den folgenden Beschluss fassen möge:

Der Betriebsrat setzt sich dafür ein, dass die Leitung des Betriebes yyyyy Vorfälle, die dem oben beschriebenen Vorfall gleichen, wie folgt kategorisiert, dokumentiert und in der Arbeitsschutz-Statistik erfasst.

  1. Gemäß Arbeitsschutzvorschriften: „Arbeitsbedingte psychische Fehlbelastung“
  2. Gemäß Selbstverpflichtung der Betriebsleitung nach OHSAS 18001:2007: „Arbeitsbezogenes Ereignis, das eine Erkrankung (ohne Berücksichtigung der Schwere) zur Folge hätte haben können. (Erkrankung: Erkennbarer, nachteiliger physischer oder mentaler Zustand, der durch eine Arbeitstätigkeit und/oder durch eine Arbeitssituation hervorgerufen und/oder verschlechtert wurde.)“

Das Gremium des Betriebsrates stimmte dem Antrag zu und hat damit einen Fall arbeitsbedingter Fehlbelastungen konkretisiert. Der Fall ist ein generisches Beispiel für eine auschließlich im Verantwortungs- und Handlungssbereich des Arbeitgebers aufgetretene psychische Fehlbelastung.

Anmerkungen:

  • Sind ungerechtfertigte Abmahnungen immer eine psychische Fehlbelastung?
    Abmahnungen sind die stärkste Drohung, die ein Arbeitgeber legitim gegen einen Arbeitnehmer richten kann. Sie setzen den Arbeitnehmer im Bereich seiner beruflichen Existenz massiv unter Druck. Die ungerechtfertigte Abmahnung ist ein gutes Beispiel für eine generische psychische Fehlbelastung im Sinn des Arbeitsschutzgesetzes. Außerdem kann hier ein Einfluss betriebsfremder Belastungsfaktoren weitgehend ausgeschlossen werden: Die Verantwortung für eine ungerechtigte Abmahnung liegt eindeutig beim Arbeitgeber.
  • Beendet die Rücknahme einer ungerechtfertigten Abmahnung den Abmahnungsfall?
    Der arbeitsvertragsrechtliche Abschluss eines Abmahnungsfalls und der arbeitsschutzrechtliche Abschluss dieses Falls zwei unterschiedliche Dinge. Die Rücknahme einer Abmahnung macht die zuvor auf den Mitarbeiter wirkende Fehlbelastung nicht ungeschehen. Die Wirkungen psychischer Fehlbelastungen können sehr langfristig sein. Folglich endet die Verantwortung des Arbeitgebers für die Fehlbelastung noch lange nicht mit der Rücknahme der Abmahnung. Es wäre im Gegenteil ein klares Zeichen von Verantwortungslosigkeit und eine Missachtung der Erfordernisse des heutigen Arbeitsschutzes, wenn ein Arbeitgeber einen Abmahnungsvorgang alleine schon mit der Rücknahme der Abmahnung als abgeschlossen betrachten würde.
  • Sind Abmahnungen nun wegen des Arbeitsschutzes “verboten”?
    Keine Sorge: Nur ungerechtfertigte Abmahnungen (die deswegen z.B. als “gegenstandlos” zurückgenommen werden mussten) sind eine psychische Fehlbelastung. Gerechtfertigte Abmahnungen sind also immer noch möglich - und gegebenenfalls auch ein zur Sicherstellung des Arbeitsschutzes erforderliches Instrument. Gerechtfertigte Abmahnungen sind ein Beispiel für eine erhebliche, aber legitim auf Mitarbeiter wirkende psychische Belastung.

Abmahnung wegen schikanierenden Verhaltens

Montag, 23. März 2015 - 07:40

Es ist gut, wenn ein Arbeitgeber wegen Mobbings abmahnt. Aber dabei hat er das Mobbing auch im Rahmen seiner Pflichten im Arbeitsschutz zu untersuchen.

Eine Mitarbeiterin könnte eine Abmahnung erhalten, in der der folgende Satz zu lesen ist:

[...] Durch die psychische Belastung, der Frau Manden aufgrund Ihres schikanierenden Verhaltens ausgesetzt ist, hat sich die Arbeitsleistung von Frau Menden rapide verschlechtert. Sie ist nervös, unkonzentriert und hat häufig krankheitsbedingte Fehlzeiten. [...]

(Joachim Welper, Daniel Schwanekamp: 100 rechtssichere Abmahnungsschreiben von A bis Z, https://books.google.de/books?id=QvhKjyfDOQYC&pg=PA68&lpg=PA68&dq=”psychische+Belastung”+abmahnung)

Eine Bemerkung vorneweg: Wieder zeigt sich die flache Lernkurve beim Thema “psychische Belastungen”. Psychische Belastungen machen nicht notwendigerweise krank, sondern es sind psychische Fehlbelastungen, die Erkrankungen auslösen oder bestehende Erkrankungen verschlechtern können.

Zur Abmahnung: Ist sie rechtssicher? Wenn der Arbeitgeber eine psychische Fehlbelastung behauptet, dann muss der Arbeitsschutz des Arbeitgebers diese Fehlbelastung in einem mitbestimmten Prozess erfasst und bewertet haben. Nach der Erfassung und Bewertung (Gefährdungsbeurteilung) sind Maßnahmen zur Beseitigung der Fehlbelastung zu definieren. Diese Maßnahmen sind dann umzusetzen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist zu kontrollieren. Die abgemahnte Arbeitnehmerin und der Betriebsrat sollten überprüfen, wie im Arbeitsschutz mit dem fehlbelastenden Vorfall umgegangen wurde. Wenn der Arbeitsschutzverantwortliche den Vorfall, dem die Abmahnung zugrunde liegt, nicht kennt, denn ist die Abmahnung nicht rechssicher.

Alles schon da

Donnerstag, 19. März 2015 - 07:32

Fast alles, was man für die Verminderung psychischer Fehlbelastungen braucht, gibt es schon. Es scheitert an der Umsetzung, weil ein Hauptproblem nicht angesprochen wird: Arbeitgeber fürchten eine ordentliche Dokumentation möglicher und tatsächlicher Fehlbelastungen, weil fehlbelastete dann leichter Mitarbeiter Ansprüche (auch Haftungsansprüche) stellen könnten.

Was gibt es schon?

  • “Antistressverordnung”: So eine Vorordnung sollt sich auf das behördliche Aufsichtshandeln konzentrieren. Da gibt es bereits die LASI-Verordnungen. Der Wille und die Ressourcen zur Umsetzung fehlen.
  • Tests: Hinsichtlich Aussagekraft, praktischer Handhabbarkeit und der erforderlichen Infrastruktur zu einer Vergleiche ermöglichenden Auswertung empfehle ich das COPSOQ-Verfahren. Besonders gut auf betriebliche Belange geht das IMPULS-Verfahren ein. (Den von den deutschen Arbeitgebern empfohlenen KPB kann man zusätzlich davor verwenden, aber nicht als alleiniges in einem Betrieb eingesetztes Test-Verfahren.)
  • Handlungshilfen: Siehe Hinweise dazu in diesem Blog.
  • Arbeitsschutz-Standards: Nutzen Sie (auch wenn Ihr Betrieb nicht zertifiziert ist) OHSAS 18002 als Lehrbuch für ein diszipliniertes Arbeitsschutzmanagement.

Nach meiner Erfahrung möchten Arbeitgeber zwar durchaus psychische Fehlbelastungen mindern, aber sie wehren sich (oft getarnt als Bürokratisierungskritik) gegen ein prozesshaftes Vorgehen, bei dem Probleme klar und transparent dokumentiert werden. Es soll wohl nichts auf den Radar kommen, für das Arbeitgeber haftbar gemacht werden könnten – oder was so deutlich mangelhaft ist, dass die Gewerbeaufsicht nicht mehr wegsehen kann. Verschärft wird das Problem leider durch eine politisch gewollte überforderte behördliche Aufsicht, durch an den Interessen der Arbeitgeber orientierte Auditoren (für deren effektive Kontrolle die DAkkS zu schwach ist) sowie leider auch durch überforderte und mutlose Betriebsräte, denen die Gewerkschaften nicht genügend helfen, durch Professionalität auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern zu kommen.

Das für eine praktische Minderung psychischer Fehlbelastungen erforderliche Wissen ist längst vorhanden. Der Wille zu einem transparenten, disziplinierten und ehrlichen Arbeitsschutz fehlt im Bereich der psychischen Belastungen ganz besonders. Hier müsste Forschung ansetzen. Statt dessen wird Bekanntes erforscht, damit man die Umsetzung vorhandenen Wissens und vorhandener Erfahrungen (z.B. mit den Ausweichstrategien der Arbeitgeber seit 1996) bremsen kann.

Kleine Nebenbeobachtung: Achten Sie einmal darauf, wieviele Akteure im Arbeitsschutz es nach so vielen Jahren bis heute nicht begreifen wollen, dass sie keine arbeitsbedingten psychischen Belastungen bekämpfen müssen. Psychische Belastungen zu bekämpfen wäre Unsinn, denn Arbeit ist psychische Belastung. Anstelle Arbeit zu bekämpfen, haben Arbeitsschützer psychische Fehlbelastungen bei der Arbeit zu vermeiden oder mindestens zu mindern. Wie kommt es, dass die Akteure im Arbeitsschutz das selbst heute noch zu oft falsch darstellen? Das Wissen ist vorhanden, aber anscheinend noch nicht ausreichend in die Köpfe derer gelangt, die dieser Wissen umsetzen müssen.

Studie der Bertelsmann-Stiftung und der Barmer GEK

Montag, 16. März 2015 - 17:14

Studie der Bertelsmann-Stiftung und der Krankenkasse Barmer GEK

Belastungsmoratorium

Freitag, 13. März 2015 - 07:38

Seit 1996 haben die Arbeitgeber psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einzubeziehen. Bis 2012 ignorierten etwa 80% der Betriebe diese Vorschrift. Es mag auch diese nachhaltige Bereitschaft zum Rechtsbruch sein, derentwegen die Arbeitgeber heute ein “Belastungsmoratorium” fordern (z.B. in den Nachrichten von heute), mit dem sie sich unter anderem gegen eine konsequente Überwachung von Arbeitsszeiten wehren. Das ist schon ziemlich frech.

CDU-Anfrage zur psychischen Belastung

Samstag, 7. März 2015 - 12:02

Nichts gegen den Einsatz von Oppositionsparteien für das Thema der psychischen Belastungen. Ich stelle mir aber oft die Frage, ob sie sich für das Thema genauso einsetzen würden, wenn sie Regierungspartei sind. Ich habe in diesem Blog schon ein Beispiel mit der FDP als Oppositionspartei in Berlin gegeben. Aus dem letzen Jahr nun stammt folgendes Beispiel der CDU in Baden-Württemberg. (Der CSU-Regierung in Bayern zum Beispiel müsste man diese Fragen auch stellen. Da hat die Gewerbeaufsicht weder Zeit noch Mut, die Beurteilung psychischer Belastungen in den Betrieben kritisch zu überprüfen.)

Noch ein Hinweis. Auch hier wieder begeht der Anfrager den Fehler, von einer “Erweiterung” des Arbeitsschutzgesetzes im Jahr 2014 zu sprechen. Tatsächlich wurde aber nur geltendes Recht klarer formuliert.

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 5386
15. Wahlperiode 27. 06. 2014

Kleine Anfrage des Abg. Stefan Teufel CDU
und Antwort
des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren

Arbeitsschutz unter dem Aspekt psychischer Belastungen

Kleine Anfrage
Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie beurteilt sie aus ihrer Sicht das seit Januar 2014 geltende Bundesgesetz zu Erweiterung des Arbeitsschutzes insbesondere im Hinblick auf die festgeschriebene Dokumentation psychischer Belastung bei Arbeitnehmern?
  2. Wie schneidet Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländer beim Thema Stress- und Burnout-Problematik ab?
  3. Weshalb wurden die Arbeitgeber in Baden-Württemberg im Gegensatz zu jenen in anderen Bundesländern seitens der Gewerbeaufsicht noch nicht über die Änderungen im Gesetz ausführlich informiert?
  4. Worauf führt sie die in Frage 3 angesprochene Tatsache zurück?
  5. Erhält die Gewerbeaufsicht seitens des Ministeriums personelle Unterstützung bei der Umsetzung der Novellierung?
  6. Um wie viele Betriebe muss sich ein Mitarbeiter in der Gewerbeaufsicht aktuell kümmern?
  7. Gibt es aktuelle Zahlen, die belegen, wie viele Unternehmen sich tatsächlich um die psychische Belastung ihrer Mitarbeiter kümmern?
  8. Hat das Ministerium selbst eine psychische Gefährdungsbeurteilung – wie vorgeschrieben – für seine Mitarbeiter umgesetzt?
  9. Gibt es – wie in anderen Bundesländern – eine landesweite Initiative zum Thema „Psychische Belastung des Pflegepersonals“ und wenn nicht, ist diese angedacht?

26. 06. 2014
Teufel CDU

Kompletter Text: http://blog.psybel.de/wp-content/uploads/2015/03/15_5386_D.pdf

Certified just to have the logo on the website and stationary

Sonntag, 1. März 2015 - 06:04

http://www.isoqsltd.com/general/iso-certification-a-commitment-not-a-requirement/

ISO Certification – A commitment, not a requirement
Posted on 23 February 2015 by Michael Haile

It is clear that some companies want to achieve a certificate just to have the logo on their website and stationary. [...]