Archiv für Januar, 2014

Missverständliche Werbung auch von DNV

Mittwoch, 8. Januar 2014 - 07:25

http://www.dnvba.com/de/zertifizierung/Managementsystem-Zertifizierung/Arbeitsschutz-Sicherheit/Pages/default.aspx

[...]
Arbeitsschutz- und Gesundheitsmanagement

  • BS OHSAS 18001 – der Standard für internationalen Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • SCC (Certificate of Contractors) Zertifizierung – Unfallbedingte Verluste reduzieren
  • SCP (Safety Certificate Personaldienstleistungen) Zertifizierung
  • DIN SPEC 91020 – Die Spezifikation für Betriebliches Gesundheitsmanagement
  • [...]

    [...] Die vorliegende Spezifikation DIN SPEC 91020 legt gesundheitsmanagementspezifische Anforderungen im Einklang mit bestehenden Managementsystemen wie z.B. DIN EN ISO 9001 fest. So kann das Betriebliche Gesundheitsmanagementsystem auch in ein bestehendes Managementsystem integriert werden. Dies wurde durch das Zugrundelegen des ISO Guide 83 bei der Struktur der Spezifikation gewährleistet. Die Vorteile liegen auf der Hand: Zusätzliche Managementanforderungen wie z. B. Qualität, Arbeits- und Umweltschutz können schnell in ein bereits bestehendes System organisiert werden. [...]

    Obwohl gemäß DIN die DIN SPEC 91020 keine Aspekte des Arbeitsschutzes enthalten darf, assoziiert DNV diese Spezifikation mit dem Arbeitsschutz. DNV geht dabei allerdings geschickter vor als der TÜV (s.u. im vorherigen Artikel). DNV schreibt mißverständlich, ohne dabei jedoch formal Fehler zu begehen.

    Irreführende Werbung sogar vom TÜV

    Mittwoch, 8. Januar 2014 - 07:01

    http://www.tuev-nord.de/cps/rde/xbcr/SID-7B543487-D9624C28/tng_de/betriebliches-gesundheitsmanagement-bgm.pdf

    Arbeits- und Gesundheitsschutz
    Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
    Grundlagen und Zertifikatslehrgang zum Betrieblichen Gesundheitsmanager nach DIN SPEC 91020 [...]

    Den irreführenden Bezug stellt der TÜV gleich am Anfang der Broschüre her. Der TÜV-Nord macht außerdem noch auf “weitere Termine zum Thema Arbeitsschutzmanagement” aufmerksam und klassifiziert sein Seminar zum BGM nach DIN SPEC 91020 damit schon als einenen Termin zum Arbeitsschutzmanagement.

    Besonders bedenklich an dieser Werbung des TÜV-Nord ist, dass der Verein wissen muss, dass die DIN SPEC 91020 kein Standard für den Arbeits- und Gesundheitsschutz ist. Die Zeiten, in denen man in Deutschland Organisationen wie dem TÜV bedingungslos vertrauen kann, sind eben auch vorbei.

    Vergeuden Sie kein Geld für eine Ausbildung in der falschen Reihenfoge. BGM ist Kür, Arbeits- und Gesundheitsschutz ist Pflicht. Wenn sie im Arbeitsschutzmanagement nach einem Standard vorgehen wollen, dann hilft Ihnen die DIN SPEC 91020 nicht viel weiter. BGM ist kein Arbeitsschutzmanagement. Lernen Sie lieber zunächst OHSAS 18001 (oder OHRIS oder ILO-OSH usw.) kennen. (OHSAS 18002 ist schon ein kleines aber immer noch gut lesbares Lehrbuch, das man bei TÜV-media(!) kaufen kann.) Wenn die Pflicht getan und noch Geld da ist, dann können Sie sich anschließend immer noch mit der Kür vergnügen.

    Kanzlerinkrankmeldung

    Dienstag, 7. Januar 2014 - 22:16

    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-01/Merkel-Skiunfall-Gesetz-Regelung

    [...] Für die Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt es keine gesetzlichen Krankheitsregelungen. Für die Abgeordnete Merkel schon. Wir geben einen Überblick über die arbeitsrechtliche Seite des Skiunfalls. [...]

    Nebenbei: Denkt die Kanzlerin im Homeoffice auch an die NSA?

    Psychisch am Ende – Karriere vorbei?

    Donnerstag, 2. Januar 2014 - 10:22

    In Psychisch am Ende – Karriere vorbei beschreibt der FOCUS wohl die Realität: Eine Auszeit wegen psychischer Behandlungen kann die Karriere beenden.

    Das muss aber nicht zwingend so sein. Die Betroffenen sind ja nicht unbedingt dauerhaft “psychisch am Ende”. Arbeitsbedingte Depressionen sind gut behandelbar. Das Beispiel zeigt aber auch, dass Vorbeugung durch einen guten Arbeitsschutz wichtig ist: Auch die Arbeitsplätze sind “behandelbar”. Das ist sogar eine Pflicht des Arbeitgebers, während die Therapie individueller Erkrankungen für die Betroffenen freiwillig ist.

    Haben Fehlbelastungen (z.B. wegen eines unzureichenden Arbeitsschutzes) bereits zu Erkrankungen geführt, wird es zwar schwerer, Schäden zu beheben. Andererseits lernen die Betroffenen in der Therapie. Ich habe darum hinter den Titel des FOCUS-Artikels ein Fragezeichen gesetzt: Die Behandlung arbeitsbedingter psychischer Erkrankungen vermittelt Patienten ein recht umfangreiches Wissen, dass auch für ihr weiteres Berufsleben sehr nützlich ist. Sind diese Patienten Führungskräfte, dann können auch deren Mitarbeiter von dieser Art der “Führungskräfteschulung” profitieren.

    Enttabuisierung bei der Feuerwehr

    Donnerstag, 2. Januar 2014 - 09:49

    Ein gutes Beispiel: Das Ziel des Übungsfragebogens zur Hessischen Feuerwehrleistungsübung ist nicht die Beurteilung psychischen Belastungen, sondern er hilft bei der Enttabuisierung des Themas. Gerade bei Diensten wie der Feuerwehr ist das Thema ernst, der Fragebogen ist trotzdem (oder vielleicht auch gerade deswegen) unterhaltsam.

    “Anti-Stress-Verordung” im Jahr 2014?

    Mittwoch, 1. Januar 2014 - 23:58

    Jetzt wird das für den Arbeitsschutz zuständige Bundesministerium von der SPD geführt. Mal sehen, ob Andrea Nahles endlich für eine mutigere Arbeitsschutzaufsicht sorgen kann. Inzwischen halte ich eine schärfere “Anti-Stress-Verordnung” leider doch für erforderlich. Die Unternehmen sind zwar jetzt im “Betrieblichen Gesundheitsmanagement” und der “Betrieblichen Gesundheitsförderung” schon viel aktiver und machen heftig Werbung dafür. Aber es scheint, dass das zum Teil auch dazu dienen soll, den vorgeschriebenen Arbeitsschutz mit der dazugehörigen starken Mitbestimmung zu marginalisieren. Den Unternehmen ist die Kür lieber als die Pflicht.

    Zur Pflicht: Noch im Jahr 2012 konnte im Bundestag dokumentiert werden, dass etwa 80% der Unternehmen in Deutschland die von einem Arbeitsplatz ausgehenden Gefährdungen im Bereich der psychische Belastungen nicht beurteilen. Und noch heute trauen sich selbst die Gewerbeaufsichten nicht, Arbeitgeber zu kritisieren, die Arbeitnehmer bedrohen, die dem Arbeitgeber psychische Gefährdungen melden.

    Mir ist ein Fall bekannt, in dem ein Arbeitnehmer nach einer Fehlbelastungsmeldung abgemahnt wurde. Eine Abmahnung ist eine der schärfsten Waffen, die ein Arbeitgeber gegen einen Arbeitnehmer einsetzen kann. Entsprechend hoch ist der Druck, der mit einer Abmahnung auf Arbeitnehmer ausgeübt wird. Obwohl sich die Abmahnung als unberechtigt erwiesen hatte, der Arbeitgeber die Abmahnung zurücknehmen musste und der Fall der Gewerbeaufsicht bekannt war, sind der Arbeitnehmervertretung keine Berichte der Gewerbeaufsicht bekannt, in denen der Vorfall auch nur erwähnt wurde. Die Gewerbeaufsicht interessierte sich für den Fall nicht.

    Der Arbeitgeber, der seinen Mitarbeiter mit dem Abmahnungsversuch mehrere Monate lang bedrohte, behauptet, alle Vorfälle zu erfassen und zu bewerten, die Erkrankungen (ohne Berücksichtigung der Schwere) hätten zur Folge haben können. Im Widerspruch dazu versucht das Unternehmen mit allen Kräften, den Abmahnungsversuch aus der Berichterstattung zu Arbeitsschutz herauszuhalten. Nicht nur die Gewerbeaufsicht duldete das, sondern auch der privatwirtschaftlich arbeitende (bei der DAkkS akkreditierte) Zertifizierer des Arbeitsschutzmanagementsystems erkannte die fehlende Erfassung des Falls nicht als Abweichung. Das zeigt: Sowohl die behördliche und privatisierte Arbeitsschutz-Aufsicht versagt selbst bei krassen Fällen psychischer Fehlbelastung. Im Gegensatz zur Behauptung der Arbeitgeber reichen die bestehenden Regeln also nachweislich nicht aus.

    In Bayern traut sich die Gewerbeaufsicht sogar nicht einmal mehr zu schreiben, dass bei Abweichungen von Arbeitsschutzvorschriften mit den entsprechenden Unternehmen Zielvereinbarungen getroffen werden. Anstatt genauer hinsehen zu wollen, ist die Aufsicht nun noch ängstlicher geworden. Die unteren Aufsichtsbehörden in Bayern scheinen unter dem Druck höherer Behörden zu stehen, die auf gute Beziehungen zur “Wirtschaft” großen Wert legen. Darauf machte mich ein Bekannter aufmerksam. Er leitet im immer noch ausreichend konservativen Hessen eine untere Aufsichtsbehörde und berichtete mir von den Schwierigkeiten seiner übervorsichtigen bayerischen Kollegen.

    Angesichts der Kleinmütigkeit der Gewerbeaufsichten halte ich eine “Anti-Stress-Verordnung”, die den Gewerbeaufsichten mehr Durchsetzungskraft verschafft und den Aufsichtspersonen ein angstfreieres Arbeiten ermöglicht, für dringend erforderlich. Wie können Politiker behaupten, dass die bisherigen gesetztlichen Regeln ausreichen, wenn sie offensichtlich eben nicht ausgereicht haben? Nach langjährigen Umsetzungsproblemen ist nun wirklich eine Verordnung fällig, die insbesondere die Aufsicht durch Behörden (und auch durch Betriebsräte) stärkt.