Berufsgenossenschaften im Bund mit Arbeitgebern

Donnerstag, 4. Februar 2016 - 22:44

http://www.whistleblower-net.de/blog/2011/06/29/whistleblower-erhaelt-bundesverdienstkreuz/

[...] Der Umweltmediziner Dr. Kurt Müller bezweifelt, dass die verseuchten Envio-Arbeiter von der Berufsgenossenschaft eine Rente bekommen werden. Arbeitsmedizinern sei nicht klar zu machen, so Müller, „dass bei Stoffen wie PCB nicht die akute toxische Wirkung entscheidend ist, sondern die anfangs eher geringe und später erhebliche Auswirkung auf das Immunsystem. Man wird bei den Envio-Arbeitern nichts weiter tun als sie toxikologisch untersuchen, um dann zu sagen: ‚Wir finden nichts besonderes mehr‘. Eben weil die Untersuchung so gestaltet ist, dass ein Krankheitszusammenhang nicht gefunden werden kann.“

Eigenen Angaben zufolge sind die Berufsgenossenschaften, die sich durch Beiträge der Arbeitgeber finanzieren, „der einzige Zweig der Sozialversicherung mit sinkenden Beitragssätzen“. [...]

Das ist ein Artikel aus dem Jahr 2011. Dass der Whistleblower das Bundesverdienstreuz bekommen haben soll, ist natürlich ein Scherz.

Allmählich wird mir klar, dass die Berufsgenossenschaften mit der Arbeitgebern ein gemeinsames Interesse teilen: Abwehr des Erkennens arbeitsbedingter Erkrankungen. Im Bereich der psychischen Erkrankungen fällt das den Arbeitgebern und den Berufsgenossenschaften natürlich besonders leicht. Gibt es keinen kompetenten Betriebsrat, der nachhaltig und diszipliniert auf gute Dokumentation und Beweissicherung achtet, dann haben vom Arbeitgeber psychisch fehlbelastete Mitarbeiter schlechte Karten, wenn es um die Anerkennung psychischer Erkrankungen als arbeitsbedingte Erkrankungen geht. Während die unteren Behörden der Gewerbeaufsicht bei kritischen Inspektionen höchstens Ärger mit gegenüber mächtigen Firmen rücksichtsvollen oberen Behörden bekommen können, müssen Berufsgenossenschaften wirklich zahlen, wenn eine Berufserkrankung festgestellt wird. Das will weder der Arbeitgeber (dessen Prämien dann steigen) noch die Berufsgenossenschaft.

Im Grund haben arbeitsbedingt psychisch erkrankte Mitarbeiter ohnehin kaum eine Chance auf Anerkennung ihrer Erkrankung als Berufskrankheit. Es sind eigentlich nur die Betriebsräte, die sich hier für die Arbeitnehmer ensetzen werden. Aber vielen Betriebsräten (wo es sie gibt) fehlt sowohl die Kompetenz wie auch die Courage, sich beim Arbeitschutzthema “psychische Belastungen” für die Mitarbeiter einzusetzen und die Beweise zu sichern, die zur Durchsetzung der Ansprüche betroffener Mitarbeiter bei den Berufsgenossenschaften erforderlich sind. Die Mitglieder dieser Betriebsräte wissen ja oft gar nicht, wie zunächst die Strukturen im Arbeitsschutz aufzubauen sind, die eine gute Dokumentation im Arbeitsschutz sicherstellen. Nicht selten zudem haben Betriebsräte im Umgang mit psychisch erkrankten Mitarbeitern sogar die gleichen Vorurteile, wie die Arbeitgeber.

Kleines (aber nicht ausreichendes) Trostpflaster: Gerade die Berufsgenossenschaften sind im Arbeits-und Gesundheitsschutz an einer wirkungsvollen Prävention interessiert.


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