Salzgitter: Reha ohne ganzheitlichen Arbeitsschutz?

Mittwoch, 22. Februar 2012 - 00:08

In einer Pressemappe der BDA zu einer gemeinsamen Erklärung der BDA und der VDBW (2012-02-09) geht es auf den Seiten 29 bis 36 in einem Artikel von Birgit Leinweber (Fachärztin für Allgemeinmedizin, Leiterin des BKK MedPlus Centers ) auch um die Salzgitter AG:

Das Betriebliche Rehabilitationskonzept der Salzgitter AG

Netzwerkarbeit, die wirkt

Mit einem kompetenten Netzwerk gegen die Probleme des demographischen Wandels zu arbeiten und gegen Ressourcenverluste durch Schnittstellenprobleme anzugehen – das ist das Ziel der Netzpartner, die an dem Betrieblichen Rehabilitationskonzept (BeReKo) der Salzgitter AG beteiligt sind. Gesteuert wird das Konzept maßgeblich durch die BKK Salzgitter, die sich seit Jahren beim Aufbau und der Entwicklung geeigneter Maßnahmen engagiert hat. Die große Akzeptanz unter den Teilnehmern ermuntert nicht nur zur Fortsetzung, sondern auch zur Ausweitung des Angebots. Birgit Leineweber

EFL-Test
Die ,,Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit” (EFL) wurde in den USA entwickelt und hat sich dort außerordentlich bewährt.

PACT-Test
Der PACT-Test (Performance Assessment and Capacity Testing) wurde für die Selbsteinschätzung der körperlichen Fähigkeiten entwickelt.

Nach drei Monaten Training wird es spannend: Dann werden nämlich die drei Testverfahren erneut durchgeführt. Die Leistungssteigerung wird vermerkt und der Versicherte erhält einen neuen Trainingsplan aufgrund der aktuellen Befunderhebung.

Modul C. Dieses Modul gilt den „Sorgenkindern“ – das sind die Versicherten mit langen AU-Zeiten, schweren Beeinträchtigungen mit Komorbiditäten und einer fraglichen weiteren Einsatzfähigkeit im Betrieb.

Medizinische Wirbelsäulenanalyse ,,DAVID-Test”

AVEM-Test [siehe auch AVEM in der BAuA-Liste]
Das Testverfahren ,,Arbeitsbezogenes Verhaltens und Erlebensmuster” (AVEM) ist ein mehrdimensionaler persönlichkeitsdiagnostischer Test

(Anmerkung in eckigen Klammern und Links nachträglich eingefügt)

Die freiwillige Verhaltensprävention (individuelle Maßnahmen) und gesetzlich vorgeschriebene Verhältnisprävention (arbeitsorganisatorische Maßnahmen) ergänzen sich, aber individuelle Schutzmaßnahmen sind im Arbeitsschutz nachrangig zu allen anderen Maßnahmen.

Im Artikel der BKK geht es um verhaltenspräventiv orientierten Verfahren zum Test von individuellen Mitarbeitern. Es geht dabei eher um Leistungsfähigkeit (siehe auch ISO 10667) als um Gesundheit, nicht jedoch um die Arbeitsbedingungen und die dort zu messenden psychischen Belastungen (siehe auch ISO 10075). Ohne die im Arbeitsschutz vorgeschriebene Beurteilung der Arbeitsbedingungen macht das keinen Sinn. Wo ist die Schnittstelle zum gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz? Wo ist die Schnittstelle zu den mitbestimmenden Arbeitnehmern?

Es ist bedenklich, wie sich hier eine Krankenkasse und eine Betriebsärztin auf die Wiederherstellung und Messung der Arbeitsfähigkeit konzentrieren und dabei die Prävention völlig vernachlässigen. Dass “Rehabilitation” das Thema ihres Artikels ist, entschuldigt dieses unverantwortliche Desinteresse an der Verhältnisprävention nicht. Ohne Überprüfung beispielsweise der Arbeitssituation von zu rehabilitierenden Mitarbeitern kann nicht verstanden werden, welchen Einfluss diese Arbeitssituation auf die Erkrankung haben könnte. Für eine nachhaltig gelingende Rehabilitation ist die funktionierende Verhältnisprävention eine entscheidende Voraussetzung.

Im BKK-Artikel finden sie keinen Hinweis auf eine funktionierende Verhältnisprävention als Vorraussetzung für die Verhaltensprävention. In der Pressemappe finden Sie Hinweise mit der Suche nach “Gefährdungsbeurteilung” und “IMPULS”. In Zukunft gestalten – 5 Jahre Generationen-Offensive 2025 (Salzgitter AG, S. 37-70) hat es die Salzgitter AG aber geschafft, das Wort “Gefährdungsbeurteilung” zu vermeiden, obwohl das IMPULS-Verfahren Daten dafür liefern soll. Wie der Betriebsrat mitbestimmt, wird nicht deutlich. Ein vielleicht nicht ganz ausgeschlafener Gesamtbetriebsratsvorsitzender (Christian Schwandt) hat die Broschüre trotzdem unterschrieben.

(geändert: 2012-02-23)


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