Schwache Erklärung der BG ETEM

Freitag, 22. Juni 2012 - 22:44

http://www.bgetem.de/medien-service/jahresbericht/JB%202011/at_download/file, Jahresbericht 2011:

Psychische Faktoren am Arbeitsplatz
Aktivitäten des FG Arbeitsmedizin/Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren

Psychische Belastungen sind in der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln, zu beurteilen und es ist festzulegen, ob und ggf. welche Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen sind, um der Entstehung von negativen Folgen (,,Fehlbeanspruchungen”) vorzubeugen. Die Thematik ist seit 1974 im Arbeitsicherheitsgesetz als Aufgabe des Betriebsarztes in seinen Beratungspflichten festgeschrieben.

Dennoch wird das Thema ernsthaft und in der Breite erst in letzter Zeit vertieft. Dies kommt u. a. durch die Vereinbarung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mit dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) ,,Bedeutung der psychischen Belastung im Betrieb” zum Ausdruck (www.vdbw.de). Dies mag neben vielen anderen Gründen auch daran gelegen haben, dass psychische Belastungen – im Unterschied zu vielen anderen Belastungen am Arbeitsplatz – nicht so einfach zu ermitteln sind. Dazu gehören: Erfassung der Arbeitsorganisation, der Arbeitsmittel, der Arbeitsumgebung sowie die sozialen Beziehungen. Wichtig ist zudem auch die subjektive Bewertung der Arbeitssituation durch die Mitarbeiter/-innen und die Rahmenbedingungen im Betrieb. Und bei der Ableitung von Maßnahmen können gleichartige Ergebnisse, je nach Einzelfall, zu unterschiedlichen Interventionsebenen führen: Mitarbeiter/-in, Führungskraft, Arbeitsaufgabe, Arbeitsmittel, Arbeitsorganisation, Kommunikation und Schnittstellen im Betrieb etc. Neben der Gefahrenabwehr spielt auch die Stärkung gesundheitsförderlicher Ressourcen des Betriebes (,,gesunde Arbeit”) wie auch der Arbeitnehmer (,,Resilienz”) eine wichtige Rolle.

Wichtig ist, dass alle eingesetzten Instrumente und Verfahren qualitätsgesichert sind und hierbei eine Güteprüfung durchlaufen haben, die die Richtigkeit der Methode (Validität) zu Zuverlässigkeit (Reliabilität) und die Unabhängigkeit von Untersucher und Anwendungssituation (Objektivität) sicherstellt. …

(Hervorhebungen nachträglich eingefügt)

Selbst ich gehe nicht soweit, die Arbeitgeber für ihre Pflichtverletzungen bis zurück in das Jahr 1974 haftbar zu machen. Die konkretere Geschichte der Vermeidung des Einbezugs psychischer Belastungen in den Arbeitsschutz beginnt später. Ab spätestens 2005 mussten die Unternehmen wissen (wenn es sie interessiert hätte), was sie taten bzw. was sie trotz Vorschrift nicht taten.

Und nun wird es peinlich: “Dennoch wird das Thema ernsthaft und in der Breite erst in letzter Zeit vertieft. … Dies mag neben vielen anderen Gründen auch daran gelegen haben, dass psychische Belastungen – im Unterschied zu vielen anderen Belastungen am Arbeitsplatz – nicht so einfach zu ermitteln sind.” Da hat sich die DB ETEM ausgerechnet eine der schwächsten Ausreden der Arbeitgeber ausgesucht. Die BG ETEM traut sich nicht, einen der Hauptgründe zu benennen: Die Berufsgenossenschaften haben kaum kontrolliert und die Unternehmen hatten kein Interesse. Die Unternehmen schaffen es, hochkomplexe Leistungs- und Verhaltensbeurteilungssysteme zu konsturieren und zu implementieren, aber die Verhältnisbeurteilung psychischer Belastung kriegen sie nicht hin. Wer glaubt denn so etwas?

Aus so vielen möglichen Quellen sucht die rücksichtsvolle BG ETEM die Vereinbarung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mit dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) “Bedeutung der psychischen Belastung im Betrieb” (2012) aus.

Kleiner Hinweis: Sehr lesenswert ist auch “Gemeinsames Positionspapier von IG Metall und VDBW” (Mai 2009). Aber den Arbeitnehmern, die der nachhaltigen Missachtung wichtiger Arbeitsschutzregeln viele Jahre lang ausgesetzt waren, muss die BG ETEM ja nicht die goldenen Brücken bauen, ohne die man heute Arbeitgeber nicht um die entgegenkommende Einhaltung von Schutzbestimmungen bitten kann.


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