Schlagwort 'Unterweisung und Mitbestimmung'

E-Learning im Betrieb

Dienstag, 12. Februar 2013 - 10:40

Das Thema ist in mehrfacher Hinsicht interessant:

  • Für die Vermittlung welcher Themen ist welches E-Learning geeignet bzw. nicht geeignet?
  • Wann dient E-Lerning mehr der rechtlichen Sicherheit der unterweisenden Organisation als der tatsächlichen Vermittelung von Wissen und Fähigkeiten?
  • Wie wird mit der Kontrolle des Lernerfolgs umgegangen?
  • Unter welchen Bedingungen sind Inhalte und Lehrmethoden von Trainings mitbestimmungspflichtig?
  • usw.

Damit der Artikel kurz bleibt, gibt es hier ersteinmal keine Antworten :-).
Die folgende Linkliste ist nicht vollständig und wächst möglicherweise noch:

Mitbestimmung bei der Unterweisung

Freitag, 1. Februar 2013 - 15:12

http://www.hannover.ihk.de/fileadmin/data/Dokumente/Themen/Umwelt/infoblatt_416_unterweisung.pdf

… Die Inhalte und die Form von Unterweisungen sind im Arbeitsschutzrecht nicht geregelt. Das bedeutet, dass hier ein Mitbestimmungsrecht durch die Betriebs oder Personalvertretung zu berücksichtigen ist. …

 
http://stuwal.blog.de/2011/01/12/unterweisung-arbeitsschutz-mitbestimmungspflichtig-10351345/ (Philip Stühler-Walter, 2011-10-12)

… Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt allerdings mit Beschluss vom 11.01.2011 (1 ABR 104/09) festgestellt, dass dieses Mitbestimmungsrecht nicht nur die einzelnen Maßnahmen des Arbeitsschutzes umfasst, sondern auch die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer zum Arbeitsschutz. Das bedeutet, dass der Betriebsrat auch mitzubestimmen hat, wie und in welcher Form der Arbeitgeber zum Arbeitsschutz zu unterweisen hat …

 
http://www.ergo-online.de/site.aspx?url=html/rechtsgrundlagen/mitbestimmung/mitbestimmung_des_betriebsrat.htm

… Der Betriebsrat besitzt umfassende Mitbestimmungsrechte bei der Regelung des Gesundheitsschutzes und der Unfallverhütung.
Dazu gehört auch die Mitgestaltung der Art und Weise der Gefährdungsbeurteilungen oder der Unterweisungen. …

 
http://www.inqa.de/SharedDocs/PDFs/DE/Publikationen/integration-pdf, S. 16

… Der Betriebsrat hat sich bei der Ausgestaltung des spezifischen betrieblichen Vorgehens aktiv einzubringen. Insbesondere bei der Auswahl der einzusetzenden Analyseverfahren, wie etwa der Entwicklung eines Mitarbeiterfragebogens oder bei der Qualifizierung und Unterweisungen der Beschäftigten, sollte der Betriebsrat seine Positionen einbringen. …

 
usw.: https://www.google.de/search?q=Unterweisung+Mitbestimmung+Arbeitsschutz

Erst kommt die Gefährdungsbeurteilung!

Donnerstag, 14. April 2011 - 23:39

2012-07-15:

BAG, Beschluss vom 8.11.2011, 1 ABR 42/10

Eine Arbeitgeberin wollte verhindern, dass eine Unterweisung ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird. Das gelang ihr. Der Gesamtbetriebsrat verlor, aber das Urteil ist sehr hilfreich für Arbeitnehmervertreter, denn es bedeutet, dass allen Arbeitsschutzmaßnahmen eine Gefährdungsbeurteilung vorauszugehen hat. Die Unterweisung setzt eine Gefährdungsbeurteilung voraus, damit darin die in der Gefährdungsbeurteilung gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt werden können.

Jetzt führen viele Betriebe ein Gesundheitsmanagement ein und wollen damit auch den Arbeitsschutz rechtssicher machen. Gerne wird noch ein Zertifikat nach OHSAS 18001 besorgt, damit Berufsgenossenschaft und Gewerbeaufsicht milde gestimmt werden. Die Unternehmen zeigen ihre Einführungs-Projekte stolz vor und meinen, das könne bereits als Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes und der mit ihm verbundenen Vorschriften dargestellt werden. Solange diesen Maßnahmen aber keine mitbestimmt zustandegekommene Gefährdungsbeurteilung zugrunde liegen, sind das keine legitimen Arbeitsschutzmaßnahmen. Sollte versucht werden, Gesundheitsschutzmaßnahmen im Nachhinein als bereits implementierte Arbeitsschutzmaßnahmen zu darzustellen, müsste wohl auch überprüft werden, ob die Mitbestimmung behindert worden ist.

Ein Auszug aus dem BAG-Beschluss (http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&nr=15760):

16. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Hierzu gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen (BAG 8. Juni 2004 – 1 ABR 13/03 – zu B I 2 b cc der Gründe mwN, BAGE 111, 36). Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren mit denselben Verfahrensbevollmächtigten im Beschluss vom 11. Januar 2011 (- 1 ABR 104/09 – Rn. 17 ff., EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 5) im Einzelnen begründet. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Rechtsbeschwerde fest.

Parallelbeschlüsse des 1. Senats des BAG, ebenfalls 2011-01-08: 1 ABR 64/10, 1 ABR 14/11, 1 ABR 49/10, 1 ABR 1/11, 1 ABR 15/11, 1 ABR 13/11, 1 ABR 75/10, 1 ABR 80/10, 1 ABR 8/11

 


2011-04-14:

Anfang dieses Jahres fasste das Bundesarbeitsgericht einen für den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz wichtigen Beschluss, nach dem die Arbeitnehmervertreter eines Unternehmens in dessen Betrieben Unterweisungen durchsetzen wollten, wie sie im Arbeitsschutz vorgeschrieben sind (§ 12 ArbSchG). Die Arbeitnehmervertreter erklärten (z.B. 3 TaBV 13/10, 4 BV 16/09, ArbG Chemnitz und 9 TaBV 39/10, 1 BV 33/09, ArbG Regensburg):

Ziel der Unterweisung der Beschäftigten ist die Vermittlung von Kenntnissen über Belastungen und Beanspruchungen durch die Arbeit sowie Entlastungsmöglichkeiten, die Vermittlung des ergonomisch richtigen Umgangs mit Arbeitsmitteln, die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung im Sinne der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Es sollen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass die Beschäftigen ihre Beteiligungsrechte und -pflichten nach §§ 15 – 17 ArbSchG wahrnehmen können.

Das ist, was viele arbeitnehmerorientierte Berater heute beim Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz empfehlen.

Der Forderung der Arbeitnehmervertreter hat das Bundesarbeitsgericht allerdings im Januar auf Betreiben der Arbeitgeberseite widersprochen (Beschluss 1 ABR 104/09, 2011-01-11).

http://www.bundesarbeitsgericht.de/termine/januartermine.html (2011-04-14):

1. O. GmbH & Co. oHG (RAe. CMS Hasche, Siegle, Köln)
2. Betriebsrat der O. GmbH & Co oHG
3. Gesamtbetriebsrat der O. GmbH & Co. oHG
(zu 2) und zu 3) RAe. Bertelsmann und Gäbert, Hamburg) 

- 1 ABR 104/09 -

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle*.

Die Arbeitgeberin befasst sich in mehreren Betrieben mit der Herstellung, dem Einbau und der Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen usf. Der Beteiligte zu 2) ist der Betriebsrat für den Betrieb der Region Berlin2/Brandenburg. Für diesen Betrieb wurde eine betriebsverfassungsrechtliche Einigungsstelle eingesetzt. Sie fasste zur “Umsetzung der Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes” am 30. April 2008 einen Spruch über Einzelheiten der in § 12 ArbSchG vorgesehenen Unterweisung der Beschäftigten. Der Beteiligte zu 3) ist der im Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat.

Die Arbeitgeberin hält den Spruch der Einigungsstelle für unwirksam. Sie ist der Auffassung, für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei nicht der örtliche Betriebsrat sondern der Gesamtbetriebsrat zuständig. Überdies könne die Unterweisung der Arbeitnehmer nach § 12 ArbSchG erst geregelt werden, wenn zuvor die in § 5 ArbSchG vorgeschriebene “Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung” stattgefunden habe. Mehrere Bestimmungen des Teilspruchs stellten schließlich eine unzulässige Rahmenregelung dar, durch welche das Mitbestimmungsrecht nicht ausgeübt und der Streit der Beteiligten insoweit nicht beigelegt worden sei. Der Betriebsrat und der Gesamtbetriebsrat sind der Ansicht, der Teilspruch der Einigungsstelle sei rechtswirksam.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm entsprochen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren der Betriebsrat und der Gesamtbetriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

LAG Berlin-Brandenburg,

Beschluss vom 19. Februar 2009 – 1 TaBV 1871/08 -

* Nach § 76 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden, die aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern des Arbeitgebers und des Betriebsrats und einem unparteiischen Vorsitzenden besteht. Kommt eine einvernehmliche Regelung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle durch “Spruch”. Dieser “Spruch” kann vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.

Auf dem Weg zum BAG-Beschluss gab es gute und fachkundige Anwälte auf beiden Seiten, und viele Gerichte hatten viel Arbeit. Die Angelegenheit war also ziemlich wichtig.

Inzwischen haben manche Betriebsräte es gelernt, die Gefährdungsbeurteilung als Voraussetzung für verschiedene Prozesse in den Betrieben zu durchzusetzen, aber hier griff nun die Arbeitgeberin diesen Ansatz auf und drehte den Spieß damit um: Ohne Gefährdungsbeurteilung keine Unterweisung. Der Arbeitgeberin war das Ziel der Unterweisung wohl zu breit angelegt. Das BAG stimmte dem im Januar 2011 zu:

Pressemitteilung Nr. 1/11

Unterweisung zum Arbeitsschutz

Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Hierzu gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen. Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsanalyse (§ 5 ArbSchG) zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen.

Eine zum Regelungsgegenstand „Umsetzung der Anforderungen des Arbeitsschutzes“ eingesetzte Einigungsstelle hatte durch Teilspruch allgemeine Regelungen zur Unterweisung der Beschäftigten über die Belastungen bei der Arbeit, den richtigen Umgang mit Arbeitsmitteln und die Gestaltung der Arbeitsorganisation getroffen. Eine Gefährdungsbeurteilung lag zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vor. Das hat die Arbeitgeberin beanstandet und den Teilspruch angefochten.

Das Landesarbeitsgericht hat die Unwirksamkeit des Teilspruchs festgestellt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte keinen Erfolg. Die Einigungsstelle ist ihrem Regelungsauftrag nicht nachgekommen. Ihr Spruch ist unvollständig. Es fehlte an konkreten Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet waren.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 ABR 104/09 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Februar 2009
- 1 TaBV 1871/08

Im Internet gab es dazu viele Kommentare. Mal sah es so aus, als habe die Arbeitgeberin gewonnen, mal wurde ein Sieg der Betriebsräte gesehen. Besonders interessant fand ich einen Eintrag im “Arbeitnehmeranwalt Stühler-Walters Blog“:

… In Zukunft ist also für die Betriebsräte darauf zu achten, dass noch vor Verhandlungen zu Maßnahmen des Arbeitsschutzes zunächst eine konkrete Gefährdungsanalyse erfolgen muss. Aus meiner Sicht folgt aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, dass der Betriebsrat auch bei der Unterweisung mitzubestimmen hat, dass dieser auch bereits bei der Gefährdungsanalyse selber zu beteiligen ist. Erfolgt eine konkrete betriebliche Gefährdungsanalyse nicht, so hat dies zur Folge, dass möglicherweise eine gesamte Betriebsvereinbarung zum Arbeitsschutz unwirksam sein kann.

Noch einige Hinweise:

  • Unterweisung: Vor einer Unterweisung muss klar sein, um welche Gefährdungen in einem Betrieb es konkret geht. Also kommt die Beurteilung vor der Unterweisung. Die von den Arbeitnehmervertretern beabsichtigte Aufklärung macht zwar Sinn, aber diese Grundlagen kann man zum Beispiel sehr gut mit Vorträgen kompetenter Fachleute in Betriebsversammlungen vermitteln. Unterweisungen vor Gefährdungsbeurteilungen werden durch den BAG-Beschluss nicht in Frage gestellt, wenn sie z.B. zur Vorbereitung von Umfragen benötigt werden, auf denen Gefährdungsbeurteilungen dann aufbauen.
  • Konzentration auf das Wesentliche: Betriebsräte, die den Einbezug psychisch wirksamer Belastungen in den Arbeitsschutz voranbringen wollen, müssen sich zunächst mit aller Kraft und all ihren begrenzten Ressourcen auf  ihre Mitbestimmungspflicht (Gestaltungsimperativ) bei der Gefährdungsbeurteilung konzentrieren. Es wäre insbesondere unklug, wenn sich Betriebsräte über die Mitbestimmungsaufgaben hinausgehend  vom Arbeitgeber in die Details eines umfangreichen und komplexen Gesundheitsmanagements einbinden ließen, bevor es eine Beurteilung der betriebsspezifischen Risiken psychischer Fehlbelastungen gibt. Ohne eine solche Beurteilung fehlt dem Arbeitsschutz im Gesundheitsmanagement nämlich genau so die notwendige Grundlage, wie sie der Unterweisung ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung fehlen würde.
  • Zusammenfassung von Arbeitsplätzen: Das BAG verlangt eine konkrete Beurteilung von Arbeitsplätzen im Betrieb. Unternehmen, die bei Gefährdungsbeurteilungen dadurch Kosten sparen wollen, dass sie nur wenige Gruppen von Arbeitsplätzen mit vielen Mitarbeitern pro Gruppe beurteilen, weil aus ihrer Sicht gleichartige Arbeitsbedingungen bestehen (§ 5 Abs. 2 ArbSchG), müssen in den entsprechenden Unterweisungen auch einen größeren Bereich der Thematik der psychisch wirksamen Belastung abdecken. Werden beispielsweise alle “Büroarbeitsplätze” zusammengefasst, muss die Beurteilung den unterschiedlichen Belastungen an diesen Arbeitsplätzen gerecht werden. Der BAG-Beschluss hilft Betriebsräten, den Arbeitgeber dazu anzuregen, bei der Festlegung der “Gleichartigkeit” von Arbeitsplätzen nicht zu weit zu gehen.
  • Gesundheitsmanagement: Ohne Gefährdungsbeurteilung kann ein Unternehmen nicht legitim erklären, dass ein “betriebliches Gesundheitsmanagement” den Arbeitsschutz mit einschlösse. Es scheint gelegentlich so, dass falsch herum begonnen wird: Erst wird mit werbewirksamen Maßnahmen die Kür versucht, dann erst kommt die Pflicht der Gefährdungsbeurteilung, obwohl ohne sie keine Arbeitsschutzmaßnahmen definiert und umgesetzt werden können.
    • Kür: Der Schwerpunkt liegt hier oft bei der Verhaltensprävention. Die Verhältnisprävention ist dagegen Pflicht. Im Rahmen eines umfassenden betrieblichen Gesundheitsmanagements können generell Maßnahmen im Bereich der psychischen Belastung und Beanspruchung so definiert und umgesetzt werden, dass ein Unternehmen sogar werbewirksam behaupten kann, dass es “über die gesetzlichen Vorschriften hinaus” ginge.
    • Pflicht: Aber ohne mitbestimmt erstellte Gefährdungsbeurteilungen erfüllen die Maßnahmen des Gesundheitsmanagements die Vorschriften des Arbeitsschutzes (sowie der Bildschirmarbeitsverordnung, der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, des Sozialgesetzbuches usw.) noch lange nicht! Eine solche Maßnahme ist beispielsweise die Schulung von Führungskräften zum Thema der psychischen Belastung und Beanspruchung. Nach dem BAG-Beschluss ist nun klar, dass solche Schulungen ohne vorhergehende Gefährdungsbeurteilungen die Vorschriften des Arbeitsschutzes nicht erfüllen können.
      Arbeitnehmervertreter müssen darauf achten, dass vor der Verhaltensprävention die vorgeschriebene Verhältnisprävention kommt. Ganz in diesem Sinn ist auch der BAG-Beschluss: Eine korrekte Gefährdungsbeurteilung beschreibt vor der Unterweisung den Zustand der Arbeitsbedingungen. Das hilft zu vermeiden, dass Unterweisungen über den Umgang mit “auffälligen” Mitarbeitern (Verhaltensprävention und -modifikation individueller Mitarbeiter) die eigentlich geforderten Unterweisungen zur Vermeidung (durch Verhältnisprävention) von arbeitsbedingten Fehlbelastungen verdrängen.

Einfach gesagt: In diesem Fall haben die Arbeitnehmervertreter nur insofern “verloren”, als dass einem Einspruch der Arbeitgeber stattgegeben wurde und nun die Arbeitnehmervertreter die Verfahrenskosten tragen müssen. (Ich vermute, dass hier eine Gewerkschaft geholfen hat.) Das war es wert, denn mit dem Beschluss des BAG können innovative Betriebsräte sehr gut leben.

 
Anmerkung: In http://blog.psybel.de/unterweisung/ ist die Qualität der Unterweisung Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung, hier folgt die Gefährdungsbeurteilung also der Unterweisung. Das macht bei einem schon laufenden und zyklischen Arbeitsschutzprozess Sinn. Auch kann es nötig sein, schon vor der Gefährdungsbeurteilung Schulungen durchzuführen, wenn Gegenstand der Schulung die Gestaltung, Durchführung und Zielsetzung der Gefährdungsbeurteilung ist.

Siehe auch: http://blog.psybel.de/arbeitsschutztraining-von-leitenden-angestellten/

Mitbestimmung: Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung

Montag, 14. Februar 2011 - 21:58

Zusammengestellt und kommentiert von Wolfgang Schneider, Düsseldorf, 2004-08-20:
Mitbestimmung bei der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz und der Bildschirmarbeitsverordnung sowie bei der Unterweisung nach dem Arbeitsschutzgesetz
zu den BAG-Entscheidungen AZ 1 ABR 4/03 und AZ 1 ABR 13/03 (2004-06-08)

Unterweisung an Mitarbeiter und Führungskräfte

Donnerstag, 13. Januar 2011 - 15:16

Chr. Eggerdinger, M. Giesert, hg. V. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), INQA Bericht Nr. 7, Unterweisung: Führen, Beteiligen, Erkennen und Vermindern von psychischen Belastungen, Düsseldorf 2004

Kurzbeschreibung (Quelle: INQA, Januar 2011):

Handlungshilfe “Unterweisung”

Regelmäßige und umfassende Unterweisungen sind die Grundlage für einen modernen Arbeitsschutz im Betrieb und damit gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für eine gute Produktivität und Qualität der Arbeit im Unternehmen sowie für gesundheitsgerechtes und sicheres Arbeiten der Belegschaft.

Der INQA-Bericht Nr. 7 “Unterweisung: Führen, Beteiligen, Erkennen und Vermindern von psychischen Belastungen” gibt die Vorgehensweise, die Ergebnisse und Erfahrungen wieder, die im Rahmen eines praxisbezogenen INQA-Projektes gemacht wurden.

Als Arbeitsergebnis in diesem Projekt ist eine Handlungshilfe entstanden,

  • die Vorgesetzten helfen soll, Unterweisungen zu einem effektiven Instrument der Führung für Arbeitssicherheit und Gesundheit zu machen,
  • die Betriebsleitungen helfen kann, das Unterweisungswesen an die gesetzlichen Vorgaben anzupassen und entsprechend zu reorganisieren,
  • die anregen soll, das Unterweisungsgespräch nicht mehr als eine lästige, formale Pflichterfüllung zu betrachten, sondern als wirksames Instrument der Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern,
  • die ermöglicht, die Beschäftigten mit einzubeziehen und damit Voraussetzungen schafft, den kontinuierlichen Prozess der Gefährdungsbeurteilung zu gestalten.

Damit richtet sich diese Borschüre in erster Linie an:

  • Geschäfts- und Betriebsleitungen,
  • Führungskräfte,
  • Sicherheitsfachkräfte,
  • Betriebsärzte und
  • betriebliche Interessensvertretungen (Betriebs- und Personalräte).

Diese Handlungshilfe ist sehr praktisch: Sie zeigt nicht nur, wie Unterweisungen aussehen müssen, die über reine Pflichtübungen hinausgehen. Sondern man bekommt auch gleich einen Überblick über den Lernstoff und die Lernziele.

(In das gleiche Horn stößt http://www.arbeitstattstress.de/2011/01/psychische-belastungen-richtig-unterweisen/.)

Übrigens, das Unterweisungswesen über körperliche und psychische Belastungen unterliegt der Mitbestimmungspflicht. Schon die ungenügende Unterweisung und Qualifikation von Führungskräften und Mitarbeitern ist eine Gefährdung. Besteht eine solche Gefährdung, so muss sie in der Gefährdungsbeurteilung dokumentiert werden. Noch zwei Zitate aus der Handlungshilfe:

  • „Die Gefährdungsbeurteilung ist gemäß §5 Arbeitsschutzgesetz durchzuführen. … Als Gefährdung ist dabei mit einzubeziehen, wie gut die Qualifikation und die Unterweisung der Beschäftigten ist und wie gut das Unterweisungswesen im Betrieb funktioniert. Es kommt darauf an, die Abläufe und die Organisation der Unterweisung sowie die gelebte Praxis zu untersuchen.“
  • „Die Unterweisung muss ausreichend und umfassend sein, d.h. die Beschäftigten müssen danach in der Lage sein, Gefährdungen zu erkennen, d.h. körperliche und psychische, um dann entsprechend zu handeln.“

Vor der Unterweisung kommt allerdings erst die Gefährdungsbeurteilung. Wenn es noch keine Gefährdungsbeurteilungen (auch mit Einbezug psychischer Belastungen) gibt, dann muss das eben das Fehlen einer ausreichend vollständigen Gefährdungsbeurteilung in einer ersten Gefährdungsbeurteilung (ggf. für einen bisher nicht beurteilten Gefährdungsbereich) beschrieben werden, denn ein mangelhafter Arbeitsschutz gefährdet die Mitarbeiter. Diese Gefährdungsbeurteilung liefert dann Grundlagen, auf denen ein Unterweisungswesen aufbauen und somit eine Verbesserung der Prozesse zur Gefährdungsbeurteilung fördern kann.

Siehe auch: http://blog.psybel.de/ohne-wissen-keine-verantwortung/