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TAZ zur “Anti-Stress-Verordnung”

Samstag, 22. März 2014 - 09:08

Die TAZler finden sich wohl zu cool für eine ernsthaftere Berichterstattung zum Thema. http://www.taz.de/!135121/

Siehe auch zu einem wichtigen Thema bei den anstehenden Betriebsratswahlen: http://www.morgenweb.de/nachrichten/wirtschaft/regionale-wirtschaft/mitarbeiter-wahlen-ihre-vertreter-1.1427675

BMAS zum Thema “Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt”: http://www.bmas.de/DE/Themen/Schwerpunkte/Psychische-Gesundheit-Arbeitsplatz/inhalt.html

 


2014-06-04

Nach dem Artikel von Eva Völpel hat Barbara Dribbusch versucht, nachzubessern: http://www.taz.de/!117359/

[...] Eine neue Anti-Stress-Verordnung im Arbeitsschutzgesetz, die auch mehr Gewicht auf die Wiedereingliederung von psychisch Labilen legt, ist zu begrüßen. [...]

Das ist zwar gut gemeint, aber dass es beim Thema der arbeitsbedingten psychischen Arbeitsbelastung um “psychisch Labile” geht, spukt anscheinend immer noch in vielen Köpfen herum. Es geht jedoch nicht um den Schutz nur von “psychisch Labilen”, sondern der Gesetzgeber verlangt die Reduzierung von psychischen Fehlbelastungen für alle Arbeitnehmer! Seit 1996 scheiterte das aber an der Umsetzung des Gesetzes. Diesen jämmerliche Zustand soll die Anti-Stress-Verordnung beenden. Darum wird es auch keine Anti-Stress-Verordnung “im Arbeitsschutzgesetz” geben, sondern benötigt wird eine Durchführungsverordnung zur deutlich konsequenteren Umsetzung des Gesetzes.

Das muss nicht umbedingt zu neuen Vorschriften für die Arbeitgeber führen, sondern so eine Verordnung könnte auch die behördliche Aufsicht verbessern. Man kann eigentlich nicht sagen, dass die Forderungen nach einer Verbesserung der Aufsicht übereilt wäre. Blicken wir hier doch einmal in das Jahr 1927 zurück:
Das Problem ist seit etwa 2004 bei den Arbeitgebern (wieder) gut bekannt, theoretisch schon seit 1996. Aber erst jetzt beginnen genügend viele Betriebsräte, durchzublicken. Sie sind zwar der Haupttreiber des Themas in den Betrieben, aber im Jahr 2013 gab auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) eine lesenswerte Handlungshilfe heraus: »Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz - Besonderer Schwerpunkt: Psychische Belastung - Ein Praxisleitfaden für Arbeitgeber«. Betriebsräte sollten diese Veröffentlichung wenigstens kennen. Leider sind die Gewerbeaufsichten bei diesem Thema immer immer noch unterausgestattet und überfordert (siehe Bundestagsdrucksache 17/10229 vor etwa zwei Jahren). Oft werden sie auch politisch ausgebremst. Dabei forderte schon der fränkische Abgeordnete Müller »die Einstellung einer größeren Anzahl speziell ausgebildeter Gewerbeärzte..., die die Schädigung durch physische und psychische Ermüdungserscheinungen besonders zu beobachten hätten.« (Müller und Genossen, Reichstag Berlin, 10. März 1927.)

Verantwortung ohne Gestaltungsfreiheit

Samstag, 4. Mai 2013 - 00:57

http://www.taz.de/Betriebsrat-ueber-Anti-Stress-Kongress/!114986/ (TAZ 2013-04-23):

Betriebsrat über Anti-Stress-Kongress
„Systematische Überforderung“

Der Bosch-Betriebsrat Hans Peter Kern über „Verdichtung“ der Arbeit, Entschleunigungsprozesse und lebenslanges Lernen. Interview: Hannes Koch

[...]

Der Vorgesetzte überträgt den Mitarbeitern somit Verantwortung, die sie mangels Gestaltungsfreiheit aber oft nicht ausfüllen können.

[...]

Von psychischer Belastung ist im aktuellen Arbeitsschutzgesetz noch keine Rede. Die Novellierung und eine Anti-Stress-Verordnung würden die Basis dafür legen, dass die Betriebsräte überhaupt systematisch mit den Unternehmensleitungen über das Thema Stress verhandeln können. Dann erst hätten wir die Möglichkeiten, breite Verbesserungen durchzusetzen.

(Links nachträglich in das Zitat eingefügt)

Peter Kern irrt sich zu seinem eigenen nachteil: Psychische Belastungen wird zwar derzeit noch nicht ausdrücklich im Arbeitsschutzgesetz erwähnt, aber im Jahr 2009 bestätigte beispielsweise das Bundesarbeitsministerium, dass psychische Belastungen in den Arbeitsschutz einbezogen werden müssen. Es gibt klare Leitlinien vom LASI für die Gewerbeaufsicht. Beim Arbeitsministerium in NRW gibt es zum Thema “Psychische Fehlbelastungen in den gesetzlichen Vorschriften” noch weitere Informationen.

Wenn Betriebsräte und Gewerkschaften das nicht verstehen, werden die Arbeitgeber bald behaupten, dass sogar die Arbeitnehmervertretungen meinen, dass bisher psychische Belastungen nicht in den Arbeitsschutz hätten integriert werden müssen.

Der Arbeitsschutz kommt in den Medien an

Montag, 28. Januar 2013 - 07:26

http://www.taz.de/Psychische-Belastung-am-Arbeitsplatz/!109865/

Psychische Belastung am Arbeitsplatz
„Ein Raum ohne Telefon“

Arbeitsschützer sollen psychische Belastungen in Betrieben identifizieren – doch viele wissen noch gar nicht, wie. Die Psychologin Hiltraut Paridon erklärt, was man tun kann.
Interview: Eva Völpel

Das ist ein Interview mit Hiltraut Paridon, Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

… An welchem Punkt sagen Sie, hier muss sich etwas ändern?

Es gibt bei psychischen Belastungen keine allgemeingültigen Grenzwerte. Deshalb muss der Betrieb festlegen, ab wann er reagiert. Wenn beispielsweise über 70 Prozent der Belegschaft die Kommunikation kritisiert, sollte man Maßnahmen ergreifen. …

Wie man das macht, vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander. Die Betriebs- und Personalräte haben hier eine Mitbestimmungspflicht. D.h., die Arbeitnehmervertretung muss mitbestimmen.

Goldman Sachs, der Finanzsupermarkt

Dienstag, 4. September 2012 - 07:36

Dienstag, 2012-09-04, 20:15 in Arte. Das hat zwar mit Arbeitsschutz direkt nichts zu tun. Aber diese Leute beeinflussen unsere Arbeits- und Lebensbedingungen.

http://www.arte.tv/de/Goldman-Sachs–der-Finanzsupermarkt/6892050.html

 


2012-03-20:

Gestatten, mein Name ist Geldadel, Interview mit Sighard Neckel
(Titel der Druckausgabe, S.15: “Wir müssen die Jets auf den Boden holen”)
http://www.taz.de/Soziologe-ueber-Finanzkapitalismus/!89976/

… Interessant ist aber auch, dass im globalen Finanzkapitalismus, der als hochmodern gilt und seit etwa 20 Jahren die globale Ökonomie bestimmt, vormoderne Sozialformen wiederkehren.

Zum Beispiel: Die Herkunft ist wieder absolut ausschlaggebend für die soziale Platzierung. Wir sehen, dass dieser Trend in Deutschland für alle, die nach 1960 geboren sind, extrem angestiegen ist. Die soziale Position und der Wohlstand werden buchstäblich vererbt, die Gesellschaft ist sozial undurchlässiger geworden. Der Finanzkapitalismus bringt zudem eine Oberschicht hervor, die wie der frühere Adel jeder gesellschaftlichen Konkurrenz enthoben ist. Dieser moderne Geldadel ist, anders als der bürgerliche Unternehmer, kein Gegner gesellschaftlicher Auseinandersetzungen mehr. Er steht nicht mehr im Konflikt mit anderen Klassen, die an seinem Reichtum teilhaben wollen. Das ist neu. …

… Um kein Missverständnis zu produzieren: Natürlich gibt es keine Rückkehr zum Adel mit gepuderten Perücken. Mit dem Begriff Refeudalisierung will ich verdeutlichen, dass es in der gesellschaftlichen Bewegung „nach vorne“ zugleich auch eine „zurück“ geben kann. Modernisierungen bringen nicht immer „Neues“ hervor, sondern führen häufig genug zur Wiederkehr älterer Muster unter veränderten Vorzeichen. …

 
Noch ein Lesetipp:

  • Mariam Lau: Endlich eine nette Oberschicht!, Merkur, Heft 619, 2000-11

 


2012-09-03:

Dazu passt auch http://www.welt.de/finanzen/boerse/article108939107/Schaeuble-plant-Tempolimit-fuer-Boersencomputer.html:

Schäuble plant Tempolimit für Börsencomputer

Superschnelle Rechner dominieren den Aktienhandel. Kritiker monieren, dass der Mensch nicht mehr mitkommt – und gefährliche Kursbewegungen drohen. Nun sollen die Computer ausgebremst werden. …

Übrigens: Der Hochfrequenzhandel lädt geradezu ein zu einer Tobin-Steuer. Sie ist auch ethisch gerechtfertigt: Wer mit dem Geld der Staaten spielt, sollte den Staaten dafür auch etwas zahlen. Reglungstechnisch entsprechen solche Steuern einem Dämpfungsglied bzw. einem Widerstand, an dessen Verlusten (aus Sicht der Händler) sich Staaten etwas wärmen können. Eine andere Möglichkeit, wildgewordene Systeme zu beruhigen, ist der Einbau von Verzögerungsgliedern. Schäuble scheint hier etwas Ähnliches vorschlagen zu wollen.

“Das Arbeitsrecht erodiert”

Mittwoch, 11. April 2012 - 21:55

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=in&dig=2011%2F04%2F11%2Fa0053&cHash=dcc3dbfbad

JUSTIZ Zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem existiert ein Machtgefälle, das ausgeglichen werden muss. Diese Sichtweise geht verloren, warnt Britta Rehder

INTERVIEW EVA VÖLPEL

taz: Frau Rehder, Sie sagen, dass das Arbeitsrecht als eigenständiges Rechtsgebiet verschwindet. Was genau bedeutet das?

Britta Rehder: Es verschwindet nicht das Arbeitsrecht als Disziplin, aber es verändert sich das spezifische arbeitsrechtliche Denken, das in den 1920er Jahren entwickelt wurde …

Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Britta_Rehder

IG Metall will psychische Erkrankungen am
Arbeitsplatz zum Thema machen

Dienstag, 27. März 2012 - 19:23

http://www.seknews.de/2012/03/26/ig-metall-will-psychische-erkrankungen-am-arbeitsplatz-zum-thema-machen/

… Dass psychische Erkrankungen und Burnout keine Erfindungen sondern Realität sind, bestätigte der Leiter des Gesundheitswesens im Volkswagenwerk Baunatal, Professor Reinhard Nöring. „Ich arbeite seit 25 Jahren im Werk. Am Anfang habe ich diese Erkrankungen nicht gesehen, heute aber sehe ich sie“, sagte er. …

2012-06-17: VW hat es wohl auch seinem Betriebsrat zu verdanken, dass das Unternehmen jetzt beim Employer Branding etwas vorzeigen kann. Im “Burn-out-Ranking” vom manager magazin ist VW das zweitfreundlichste DAX-Unternehmen.

… Unter dem zugespitzten Titel „Arbeiten bis zum Burnout – oder bist Du einfach nur nicht hart genug?“ lud die Metallgewerkschaft deshalb Angestellte zu einem Informationsabend ein …

(Link nachträglich eingefügt)

Zum Stichwort “Thematisierung in den Medien” interessiert mich immer auch die von mir genossenschaftlich mitbesessene TAZ. Die Fragestellung der “Metallgewerkschaft” sollte die stahlharten (wenngleich auch feminisierten(※)) Tazzler (Anne Koark und Barbara Dribbusch) doch aufwecken können. Über eine DGB-Studie schreibt dann auch die TAZ etwas: http://www.taz.de/Studie-zu-Arbeitsstress/!90446/. Angesichts des Zeugs, das die Tazzler zum Thema der psychischen Belastung am Arbeitzplatz schreiben, wäre mal ein Interview mit Jochen Prümper fällig. Anne Koark und Barbara Dribbusch könnten da mit dem Fahrrad hinfahren.

(※) “Feminisierung” beklagt jedenfalls “Gerda” am 28.03.2012 um 14:59 Uhr. Schreibt die “Die Wahrheit”-Redaktion jetzt auch schon die Kommentare?

Vormoderne Sozialformen
ohne gepuderte Perücken

Donnerstag, 22. März 2012 - 08:49

Gestatten, mein Name ist Geldadel, Interview mit Sighard Neckel
(Titel der Druckausgabe, S.15: “Wir müssen die Jets auf den Boden holen”)
http://www.taz.de/Soziologe-ueber-Finanzkapitalismus/!89976/

… Interessant ist aber auch, dass im globalen Finanzkapitalismus, der als hochmodern gilt und seit etwa 20 Jahren die globale Ökonomie bestimmt, vormoderne Sozialformen wiederkehren.

Zum Beispiel: Die Herkunft ist wieder absolut ausschlaggebend für die soziale Platzierung. Wir sehen, dass dieser Trend in Deutschland für alle, die nach 1960 geboren sind, extrem angestiegen ist. Die soziale Position und der Wohlstand werden buchstäblich vererbt, die Gesellschaft ist sozial undurchlässiger geworden. Der Finanzkapitalismus bringt zudem eine Oberschicht hervor, die wie der frühere Adel jeder gesellschaftlichen Konkurrenz enthoben ist. Dieser moderne Geldadel ist, anders als der bürgerliche Unternehmer, kein Gegner gesellschaftlicher Auseinandersetzungen mehr. Er steht nicht mehr im Konflikt mit anderen Klassen, die an seinem Reichtum teilhaben wollen. Das ist neu. … 

… Um kein Missverständnis zu produzieren: Natürlich gibt es keine Rückkehr zum Adel mit gepuderten Perücken. Mit dem Begriff Refeudalisierung will ich verdeutlichen, dass es in der gesellschaftlichen Bewegung „nach vorne“ zugleich auch eine „zurück“ geben kann. Modernisierungen bringen nicht immer „Neues“ hervor, sondern führen häufig genug zur Wiederkehr älterer Muster unter veränderten Vorzeichen. …

 
Siehe auch:

 

Die TAZ sagt auch noch etwas dazu

Mittwoch, 28. Dezember 2011 - 07:45

Mit acht Tagen Verspätung füllt die TAZ (die tageszeitung) auf Seite 6 noch ein kleines Spaltenstückchen mit einer Meldung über die Arbeitsministerin van der Leyen, die jetzt etwas gegen Überlastung am Arbeitsplatz tun will. Zwei Spaltensegmente auf Seite 16 belegte dazu noch Simone Schmollack unter dem Kommentartitel “Ministerin ganz ohne Burnout“. Sehr originell. Schmollack maulte, dass sich die Arbeitsministerin in Themen der Familienministerin und der Gesundheitsministers einmische. Dann widmete sie sich dem Burn-Out als Modebegriff. Das ist nach all den Ungenauigkeiten in der Diskussion zu dem Thema eben im Augenblick die Mode.

Klar, das Thema war in den letzten Monaten populärer geworden, und dann musste nach langer Enthaltsamkeit zu diesem Thema auch die TAZ etwas dazu sagen. Schmollak machte das wie Kristian Weber in der Süddeutschen Zeitung (2011-10-22, S. 24), nur kürzer.

Angesichts ihrer Zuständigkeiten im Arbeitsschutz auf Bundesebene kann man der Arbeitsministerin legitim eigentlich nur vorwerfen, dass sie die Überlastung am Arbeitsplatz erst jetzt aufgreift und nicht deutlich genug macht, dass die Mehrheit der Arbeitgeber seit 1996 (und trotz wichtiger BAG-Beschlüsse im Jahr 2004) ihre Pflichten im ganzheitlichen Arbeitsschutz fortgesetzt und wissentlich mißachtet hatte. Nicht nur die Bundesfamilienministerin und der Bundesgesundheitminister kamen der Bundesarbeitsministerin zuvor, sondern besonders deutlich (hoffentlich auch weiterhin) wurde hier bereits Christine Haderthauer, die Bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen.

Es ist zwar ein bisschen verkehrt herum, aber die TAZ könnte vielleicht auch noch nach dem Kommentar etwas recherchieren. In der Redaktion weiß man vermutlich nicht, dass die große Mehrheit der Unternehmen seit Jahren gegen die Arbeitsschutzbestimmungen verstößt, weil diese Arbeitgeber die psychisch wirksamen Belastungen in ihn nicht mit einbeziehen. Wenn man Kommentare über die Arbeitsministerin und Burn-out schreibt, könnte es nicht schaden, die Aufgaben der Arbeitsministerin zu kennen. Möglicherweise ist das Thema der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz aber auch nur uninteressant für die taffe TAZ. Oder vielleicht rafft sich ja doch aus dieser so vorbildlichen Redaktion noch jemand zu einer ordentlichen Recherche auf. (Ich hatte die Redaktion auch als TAZ-Genosse schon früher darum gebeten.) Zu der These “Zu viele Organisationen drücken sich vor dem Arbeitsschutz” könnte die TAZ damit in Berlin beginnen, also noch in Simone Schmollaks Nähe.

Anmerkung: Die Begeisterung der FDP-Gesundheitsminister für das Betriebliche Gesundheitsmanagement ist mit Vorsicht zu genießen. Siehe: Gesundheitsmanagement als Schleier.

Die drei Selektionen von Wissenschaft

Sonntag, 3. Juli 2011 - 00:50

Es geht um die interessengesteuerte Selektion von Resultaten wissenschaftlicher Forschung:

  • Vorselektion
  • Nachselektion
  • Wegselektion

 

Vorselektion

Zwar fand ich beim Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (kurz ZAAR) in München keine Veröffentlichungen zum Thema der psychischen Belastungen, aber das Institut zeigt, wie die Wirtschaft Wissenschaft beeinflusst. Der Stand der Wissenschaft ist bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes (ausfüllungsbedürftiges Rahmengesetz) ein wichtiges Kriterium. Achten Sie beim Hinzuziehen wissenschaftlicher Sachverständiger darauf, von wem und unter welchen Bedingungen deren Forschung finanziert wird.

Dabei ist es nicht so, dass sich die Arbeitgeber Forschungsergebnisse kaufen. Das ZAAR ist tatsächlich unabhängig. Aber die Glaubensrichtung der Wissenschaftler muss stimmen:
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2011%2F07%2F02%2Fa0034&cHash=bcc251bf29


Der Vertrag [mit einer Siftung der Arbeitgeber] sieht ein “koordiniertes Berufungsverfahren” vor, bei dem zunächst die Hochschule nach ihren Regeln Arbeitsrechtsprofessoren beruft. Die Professoren werden dann sofort beurlaubt und gewissermaßen als Leiharbeiter an die Stiftung weitergereicht, die sie wieder anstellt. Zu welchen Konditionen, darüber verhandelt der Kandidat allerdings ausschließlich mit dem Stiftungsrat. Weitergedacht heißt das: Selbst wenn die Universität der abwegigen Idee verfallen sollte, einen arbeitnehmerfreundlichen Professor zu berufen, könnten die Stifter ihm die Stelle mit einem unattraktiven Vertrag madig machen. “Es wurden natürlich von vornherein nur Leute berufen, die der Arbeitgeberseite nahestehen”, sagt der Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Däubler von der Universität Bremen.

Das Ergebnis ist also ähnlich wie bei den theologischen Fakultäten – auch dort darf als Professor nur arbeiten, wer sich eindeutig zum entsprechenden Glaubenssystem bekennt. …

(Bernd Kramer, Abhängig Beschäftigt – LOBBYISMUS: Arbeitgeberverbände leisten sich für 55 Millionen Euro deri Lehrstühle an der Universität München, die tageszeitung, 2011-07-02, S. 30)

Wie unabhängig und überparteilich das ZAAR ist, bestimmt, wer es finanziert.

Volker Rieble ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in  München. Er wird gerne von der Süddeutschen Zeitung zitiert. Sein An-Institut wird direkt von den Arbeitgeberverbänden der bayerischen und baden-württembergischen Metallindustrie sowie der Bundesarbeitgeberverband Chemie finanziert. Mit einem Stiftungsvermögen von 55 Millionen Euro ausgestattet, entstand im Jahr 2004 das ZAAR an der LMU. Zwei weitere Professuren beim ZAAR haben Andrea Angleitner und Abbo Junker.

 

Nachselektion

Neben der Vorselektion der “richtigen” Wissenschaftler gibt es noch die Nachselektion der “richtigen” Forschungsergebnisse:

… Wie stark die Wissenschaft dabei geknebelt werden kann, zeigt das Beispiel zweier Berliner Universitäten, die sich in einem Vertrag mit der Deutschen Bank sogar verpflichteten, Forschungsveröffentlichungen vorab abzustimmen. …

(TAZ, ebd.)

 

Wegselektion

Der Dritte Weg ist der brutalste: Unerwünschter Wissenschaft wird der Geldhahn zugedreht. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass ausgerechnet in einer Zeit steigender Aufmerksamkeit für organisationspsychologische Fragestellen die Forschung dazu an der Universität Oldenburg einfach dichtgemacht wurde. Da dort bei Friedhelm Nachreiner anscheinend weder Vor- noch Nachselektion funktionierte, blieb wohl nur noch die Wegselektion: Die Uni Oldenburg entfernte seinen Lehrstuhl. Daneben wurde in Lüneburg eine den Niedersachsen genehmere Forschung aufgebaut.

Wenn Arbeit krank macht

Mittwoch, 11. Mai 2011 - 07:13

Wenn Arbeit krank macht
Süddeutsche Zeitung, 2010-08-13, Seite 4

Gut beobachtet: Arbeitgeber vernachlässigen einerseits den Gesundheitsschutz im Bereich der psychischen Belastungen, versuchen aber andererseits, sich von den steigenden Krankenversicherungskosten abzukoppeln:

… Die Vorbehalte [der Firmen] gegenüber guter Prävention zeigen auch wieder, dass die Pläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler falsch sind, den Arbeitgeberanteil am Krankenkassenbeitrag einzufrieren. Damit würden künftig die Arbeitnehmer alleine dafür zahlen, dass Firmen durch schlechte Vorsorge die Gesundheit ihrer Belegschaft gefährden.

TAZ, 2011-05-11:

… Nun wird der Mann, der abseits von Polittalkshows und Parlamentsdebatten wenig bekannt ist, auch offiziell einer der mächtigsten Politiker des Landes: Er soll Rösler im Amt des Bundesgesundheitsministers folgen.

[Daniel] Bahr gilt ohnehin als Mann hinter den Reformen des Ministers. Als Experte für die zähen Debatten mit Pharmafirmen und Krankenkassen, als Mann für die entscheidenden Details.

Siehe auch: Vorzeitiger unfreiwilliger Ruhestand, 2011-10-17